DIE WELT - Die Onleihe

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MONTAG, 21. MÄRZ 2016
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Nr. 68
Zippert zappt
KOMMENTAR
Wildtiere im Zirkus sollen nach
dem Willen des Bundesrats
verboten werden. Das ist eine
Katastrophe, denn häufig sind
Elefanten die Einzigen, die sich
noch erinnern, wie ein Zirkus
Geld verdienen kann. Und was
passiert, wenn Löwen, Tiger
oder Giraffen entlassen werden, finden sie außerhalb des
Zirkus eine Arbeit? Kann ein
Zirkuslöwe im Zoo arbeiten,
oder muss er dazu eine Weiterbildung machen? Sollte ein
Tiger zum Tankwart umschulen? Welchen Job könnten
Fahrrad fahrende Bären in der
freien Wirtschaft übernehmen?
Ob man entlassene Wildtiere
direkt verwursten sollte, ist
umstritten. Vom Tisch ist die
Idee der Einführung einer Tierquote in Dax-Vorständen. Was
aber ist mit den Clowns? Sie
werden ja im Zirkus unter den
unwürdigsten Bedingungen
gehalten, müssen in viel zu
großen Schuhen herumlaufen,
werden permanent gemobbt
und ernähren sich von Torten.
Clowns haben im normalen
Leben oft große Anpassungsprobleme, in großen Firmen
sind sie dagegen gern gesehen.
Statistiken zufolge werden über
30 Prozent der Dax-Unternehmen von einem Clown geleitet.
Die Macht
der Schlepper
THEMEN
Obamas
Fanboy
AP/DESMOND BOYLAN; AP/THEO KARANIKOS
US-Präsident Barack Obama treibt mit
seinem Besuch auf Kuba eine neue Ära
der diplomatischen Beziehungen seines
Landes zum Karibikstaat voran. 1500 akkreditierte Journalisten berichten davon.
Seine Reise verfolgt zwei Ziele: Er will
den Kubanern amerikanische Werte vermitteln. Wie aufgeschlossen viele Cubanos dafür sind, zeigte sich bereits in den
Stunden vor Obamas Ankunft in Havannas Straßen an den Sympathiebekundungen. Der Gast aus den Vereinigten Staaten versucht zudem, die politische Führung des kommunistischen Landes zu einer Kursänderung zu bewegen. 15 Monate
ist es her, seit er gemeinsam mit Kubas
Staatspräsident Raúl Castro eine diplomatische Annäherung der beiden Länder
angekündigt hatte. Castro ist den Amerikanern ein verlässlicher Partner geworden. Sein Bruder, der heutige Revolutionspensionär Fidel, heißt die Annäherung öffentlich nicht gut.
Flüchtlingsstrom reißt nicht ab
Neue Route über Marokko?
Migranten werden vom EU-Türkei-Abkommen kaum abgeschreckt. CDU-Vize Thomas Strobl sieht
trotzdem „außerordentlichen Erfolg“. Ausweichbewegungen über nordafrikanische Exklaven drohen
SPORT
Alonso-Crash und
Rosberg-Sieg beim
Formel-1-Auftakt
Seite 18
POLITIK
Reportage über Angst
vor Zika in Kolumbien
Seite 8
WIRTSCHAFT
Draghi könnte jedem
Bürger Geld schenken
Seite 10
WISSEN
Der Porno-Konsum
der Deutschen
Seite 20
U
ngeachtet der drohenden
Rückführung in die Türkei
haben am Sonntag Hunderte Flüchtlinge die Überfahrt
auf griechische Inseln riskiert. Nach Angaben der Regierung in
Athen wurden seit Samstag 875 Neuankömmlinge gezählt. Mehrere Flüchtlinge
erklärten nach ihrer Ankunft auf Lesbos,
sie wüssten um das seit Mitternacht geltende EU-Türkei-Abkommen. Dennoch
wollten sie versuchen, nach Deutschland
oder in andere europäische Staaten weiterzukommen.
gangenen Jahr bis September auf 5700.
Danach ging der Ansturm zurück, da der
Weg über die Türkei und Griechenland
populärer wurde.
Nachdem nun die Balkanroute geschlossen wurde, geht in Spanien die
Angst um, dass sich syrische Flüchtlinge
dieses Nadelöhr suchen. „Wenn eine Tür
geschlossen ist, suchen sie eine andere“,
warnte Innenminister Jorge Fernández
Díaz bereits vor dem Abschluss des EU-
VON ROBIN ALEXANDER UND
ALFRED HACKENSBERGER
Seehofer will Abstimmung
im Bundestag
Eine neue Route für Flüchtlinge nach
Europa könnte jetzt über die spanischen
Exklaven Melilla und Ceuta in Marokko
führen. Die Städte mit jeweils etwa
80.000 Einwohnern gehören nicht zum
Schengen-Raum. Trotzdem sind sie ein
Stück Europa im äußersten Norden Afrikas und damit der große Anziehungspunkt für Tausende von Flüchtlingen.
Seit über einem Jahr befinden sich unter den Migranten auch vermehrt Menschen aus Syrien. 2013 wurden in Melilla
nur 250 Asyl suchende Syrer registriert.
2014 stieg die Zahl auf 3092 und im ver-
CSU-Chef Horst Seehofer betrachtet das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei skeptisch und
fordert eine Abstimmung im Bundestag. „Das ist kein Durchbruch,
sondern ein Zwischenschritt auf
dem Weg zu einer nachhaltigen
europäischen Lösung“, sagte er der
„Bild am Sonntag“. Es bestehe die
Gefahr, „dass Deutschland wieder
die Hauptlast bei der Aufnahme
der Flüchtlinge trägt“. Eine EUVollmitgliedschaft der Türkei werde es mit der CSU nicht geben.
Abkommens mit der Türkei in einem Interview mit dem nationalen Fernsehsender RTVE. „Spanien muss weiter auf dem
Wachtposten bleiben und weitsichtig
sein.“ Der Minister befürchtet, die westliche Mittelmeerroute von Marokko nach
Spanien könnte erneut in großem Ausmaß genutzt werden.
Der stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU, Thomas Strobl, sieht in dem
EU-Türkei-Plan gleichwohl einen „außerordentlichen Erfolg“, weil es nun gelinge,
„das Unwesen der Schlepper und Schleuser auch in der Ägäis zu beenden“. Der
„Welt“ sagte Thomas Strobl: „Nachdem
es uns schon gelungen ist, in den Westbalkanstaaten den Schleppern die Geschäftsgrundlage zu entziehen, wird dies
ein zweiter entscheidender Schlag gegen
die internationale organisierte Kriminalität.“
Mit der Einigung in Brüssel würde
auch die Zustimmung der Bevölkerung
zur Flüchtlingspolitik Angela Merkels
wieder steigen, prophezeit Strobl: „Wir
haben eine spürbare und nachhaltige Reduzierung der Flüchtlingszahlen versprochen, und das liefern wir jetzt. Deshalb werden die Werte für die CDU wieder ansteigen.“ Wenn die illegale Migration über die Ägäis tatsächlich zum Erliegen kommt, würden stattdessen Flücht-
linge auf legalem Wege in die EU kommen. Es dürfe allerdings nicht Deutschland allein sein, das dann auf diesem Wege Flüchtlinge aufnehme, mahnte Strobl:
„Das ist eine europäische Herausforderung, und deshalb muss es eine europäische Antwort geben. Einen Alleingang
Deutschlands in der Kontingentfrage
schließe ich aus.“ Angaben zur Höhe eines deutschen Kontingents lehnte Thomas Strobl ab: „Beim Thema Obergrenze
sind schon andere in eine Falle getappt.
Das beabsichtige ich nicht zu tun. Aber
klar ist: Es werden spürbar weniger sein,
als im vergangenen Jahr zu uns gekommen sind.“
Die EU und die Türkei hatten vereinbart, dass alle ab dem 20. März in Griechenland ankommenden Flüchtlinge in
die Türkei zurückgeschickt werden,
nachdem sie registriert und ihre Asylanträge aufgenommen sind. Im Gegenzug
hat die EU zugesagt, syrische Flüchtlinge
direkt aus der Türkei zu übernehmen.
Am Samstag hatten die Behörden auf
Lesbos damit begonnen, Migranten aufs
Festland zu bringen, um Platz zu schaffen für die Neuankömmlinge, die nach
der neuen Vereinbarung erst einmal auf
der Insel bleiben müssen. Dafür hat Lesbos eine Aufnahmekapazität von 3500
Siehe Kommentar, Seite 4
Personen.
ANDREA SEIBEL
U
nbemerkt von der Mehrheit
der Europäer, die nur auf die
Flüchtlingsströme starren wie
das Kaninchen auf die Schlange, hat
sich ein neues Business entwickelt: der
Schlepper. Nepper, Schlepper, Bauernfänger hieß es früher verharmlosend.
Das waren noch Zeiten! Der Schlepper
von heute ist Teil einer hochkomplexen und professionalisierten Organisationsstruktur, deren Bestandteile Ermittler und Kriminalisten nur mit
enormem Kraftaufwand rekonstruieren können. Der Schlepper von heute
hat diverse Angebote für seine „Kunden“ parat (von der Holzklasse im
Schlauchboot bis zum Flugticket und
gefälschten Pass für besser Ausgestattete). Fragt man ihn, so betrachtet er
sich nicht als Kriminellen, sondern als
Dienstleister, in gewisser Weise als
„Reiseveranstalter“, auch für Interessenten aus fernen Ländern wie Afghanistan oder Pakistan.
Gerade wurden im Landgericht
Traunstein nahe der österreichischen
Grenze einige kleine Rädchen dieses
riesigen Getriebes zu zwei- bis vierjährigen Haftstrafen verurteilt. Was der
deutsche Rechtsstaat hier an Aufwand
leistet, um in nuce Recht zu sprechen,
stößt bei den kriminellen Syndikaten
auf null Resonanz und noch weniger
Abschreckung. Hilfspersonal, das zum
Transport oder zur Unterbringung von
„gebuchten“ Flüchtlingen mit kleinen
Geldbeträgen abgespeist wird, gibt es
wie Sand am Meer. Geldüberweisungen laufen über spezielle Netze, und
die Kommunikation findet in Windeseile über iPhones und das Internet
statt. Diese Näherung bisher ferner
Welten und zugleich Schleifung aller
bisherigen Regeln und Standards, heißen sie Grenze, Pass, Asylverfahren,
Nation, wird noch nicht genügend reflektiert. Was zu Beginn der Flüchtlingsbewegung
nachfrageinspiriert
entstand, hat sich innerhalb kurzer
Zeit zu einem Milliardengeschäft entwickelt. Zentrum der Logistik ist die
Türkei. Wie soll sie Zentrum der Gegenbewegung werden?
All das ist historisch neu. Denn hier
hat sich ein kriminelles Netz, eine Unterwelt ähnlich der weltweiten Drogenmafia, entwickelt. Gehandelt wird mit
Mobilität, sie ist die neue Ware. Diesen
Geist bekommt man nie mehr in die
Flasche, denn das Geschäft sucht sich
immer neue Kunden. Man freue sich also nicht zu früh, dass die Balkanroute
„dicht“ scheint: Vielleicht wird man
bald über den „failed state“ Libyen
nach Italien oder via Marokko gen Spanien nach Kerneuropa kommen wollen.
Die kriminelle Energie ist raffinierter
als jede politische und gar rechtsstaatliche Vernunft. Es ist wie bei Hase und
Igel. Die Schleuser steuern die Wirklichkeit, nicht der EU-Gipfel. Wir erleben gerade das Ende der Illusion, hier
ließe sich etwas „lösen“.
[email protected]
PANORAMA
Nahaufnahme
Uschi Glas
Delikatessen? Zum Vergessen
Seite 23
Die für ihre delikaten und ausgedehnten Mahlzeiten bekannten Franzosen können sich jetzt Wurst und Steaks aus dem Automaten ziehen
LOTTO:
4 – 10 – 15 – 37 – 44 – 49
Superzahl: 5
Spiel77: 7 3 5 3 2 9 9
Super6: 6 7 5 5 4 5
ohne Gewähr
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W
ie jeder „Asterix“-Leser weiß, gab es schon für die alten
Franzosen, die damals noch Gallier hießen, nichts Schöneres als ein sattes, fettes Gelage, dem an glücklichen Tagen
eine unterhaltsame Schlägerei mit römischen Legionären vorausgegangen war. Es gab Wildschwein vom Grill in großen Stücken, und
dazu reichte man Bier oder Wein.
Zwar hat die Grande Nation in der Folge noch ein paar andere tolle
Sachen erfunden, am nachdrücklichsten aber haben sich die Franzosen mit ihrer Küche um die Menschheit verdient gemacht. Die
Unesco hat die „Cuisine française“ bereits vor Jahren auf die Liste
des immateriellen Weltkulturerbes gesetzt. Dazu zählen Delikatessen
wie Coq au vin und Gänsestopfleber genauso wie die exquisiten Portiönchen, die als Amuse-Gueule gereicht oder von den Meisterköchen
der Nouvelle Cuisine zubereitet werden.
Offenbar steht es mit der französischen Küche nicht mehr zum
Besten, denn warum sonst sollte man auf einen derart verwegenen
Gedanken kommen, in Frankreichs Hauptstadt das Automatenessen
als neueste Errungenschaft zu etablieren. Ihr geliebtes Baguette können die Pariser schon seit Längerem aus einer Maschine ziehen, nun
liegen auch Bayonne-Schinken, Enten-Confit und falsche Filetsteaks
(für 34 Euro pro Kilogramm) rund um die Uhr in Kühlfächern bereit.
Die Konkurrenz in der Umgebung der Rue de Charonne im Osten
der Stadt, in dem der knallrote Kühlautomat steht, ist angesichts von
mindestens 25 Metzgereien groß, sodass die Inhaber der Fleischerei
L’ami Txulette, Florence und Michel Pouzol, 40.000 Euro in die Geschäftsidee mit den vakuumverpackten Delikatessen to go investierten. „Wir haben an zwei Tagen in der Woche geschlossen, sonntags
und montags“, sagt Florence Pouzol. „Mit dem neuen Automaten
wollen wir die Kunden auch übers Wochenende versorgen. Die Idee
war, den Leuten auch nach den Öffnungszeiten des Ladens etwas
anzubieten.“ L’ami Txulette ist spezialisiert auf Produkte aus dem
Baskenland. Die Kunden können bar oder mit Kreditkarten bezahlen,
die Automatenware ist im Durchschnitt etwa 20 Cent teurer als im
Laden.
Während sich Baguette-Automaten in ganz Frankreich in den vergangenen fünf Jahren rasant ausgebreitet haben, steht das Geschäft
mit Automatenwurst- und fleisch noch am Anfang. Den ersten Apparat dieser Art stellte vor drei Jahren ein Schlachter vor einer Bar in
der kleinen westfranzösischen Stadt Garat auf. Nach Angaben von
Barbesitzer Jo Ferreira bietet er in der strukturschwachen Region
große Vorteile. „Wir haben keine Metzgerei in der Stadt, die nächste
ist drei Kilometer entfernt“, sagt er. In der bei Urlaubern beliebten
zentralfranzösischen Ortschaft Mennetou-sur-Cher verkauft ein
Fleischer in einem Automaten die regionale Wurstspezialität Andouillette, die er aus Schweineinnereien herstellt.
Steht der Niedergang der Haute Cuisine unmittelbar bevor?
Schwer vorstellbar jedenfalls, dass aus dem eingeschweißten Zeug ein
SAMUEL PETREQUIN
kultiviertes Mahl entstehen kann.
DIE WELT, Axel-Springer-Straße 65, 10888 Berlin, Redaktion: Brieffach 2410
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ISSN 0173-8437
68-12
ZKZ 7109