Johannes-Passion 2016 Hinweise - Evangelische Kirchengemeinde

Freitag, 18. März 2016, 19.30 Uhr
Matthäus-Alber-Haus, Klosterstraße 12, 89143 Blaubeuren
J. S. Bachs Johannes-Passion - Musik von Leid und Leidenschaft
Vortrag von Prof. Dr. Meinrad Walter
Der Musikwissenschaftler und Theologe Prof. Dr. Meinrad Walter gibt in seinem Vortrag einen Einblick
in die Entstehung, das Wort-Ton-Verhältnis und die gesamte musikalische Formenwelt der JohannesPassion.
Karfreitag, 25. März 2016, 17.00 Uhr
Evangelische Stadtkirche St. Peter und Paul, Kirchplatz, 89143 Blaubeuren
J. S. Bach:
Johannes-Passion
Mitwirkende
Lisa Stöhr, Sopran
Ina Jaks, Alt
Rainer Tetenberg, Tenor
Friedrich-Wilhelm Möller, Bass (Arien)
Vinzenz Haab, Bass (Christusworte)
Kantorei Blaubeuren
Lukas-Barockorchester Stuttgart
Leitung
Bettina Gilbert, KMD
Eintritt: 20 € / 28 €
Vorverkauf beim Bücherpunkt Blaubeuren und bei Kantorei-Mitgliedern
Ermäßigung für Schüler, Erwerbslose, Familien und Freundeskreis-Mitglieder
Eine Einführung in die Johannes-Passion von Johann Sebastian Bach
von Bettina Gilbert
Kirchenmusikdirektorin des Kirchenbezirks Blaubeuren und Kantorin der ev. Kirchengemeinde Blaubeuren
Die Johannes-Passion von Johann Sebastian Bach wird in diesem Jahr bei uns am Karfreitag, den
25.03.2016 erklingen, so wie es auch zu Bachs Zeit in Leipzig war.
Es ist bemerkenswert, wie Bach zusammen mit seinem (unbekannten) Librettisten die Texte der Johannespassion zusammengestellt hat: Die Texte der Arien, welche das Geschehen innehaltend betrachten,
sind die übliche "moderne" Lyrik der Barockzeit. Jedoch bekommen bei Bach die traditionellen Wurzeln
der Passion, nämlich der ungekürzte Evangelienbericht und die Choräle, eine bis dahin nicht da gewesene zentrale Bedeutung.
Der Text des Eingangs-Chors lehnt sich eng an Psalm 8,2 an ("Herr, unser Herrscher, wie herrlich ist dein
Name in allen Landen"). Mit dem dreimaligen Ruf "Herr" und den drei gleichzeitig erklingenden Themen
stellt Bach die Anrufung des Dreieinigen Gottes an den Anfang.
Der Text aus dem Johannes-Evangelium erzählt die Passionsgeschichte und bringt dramatisch die Handlung voran. Der Evangelist (Tenor) und die begleitenden Instrumente Orgel, Cello und Laute vermitteln
in Bachs Komposition oft mit lautmalerischen Effekten und atmosphärischer Dichte den Passionsbericht.
Die Turbae, also die Teile des Evangelien-Berichtes, in denen mehrere Menschen gleichzeitig sprechen,
sind sehr dramatisch vertont. Oft fällt der Chor an den Übergängen zu diesen Sätzen dem Evangelisten
geradezu ins Wort. Bach gestaltet "turbulent" und farbig, gelegentlich heulend-lautmalerisch diese Rufe
der Menge.
Zwölf Kirchenliedstrophen, ausgeführt vom Chor, erklingen als Antwort aller Zuhörenden auf das soeben
Gehörte. Oft als Gebet formuliert, interpretieren sie das Geschehen in seiner Bedeutung und Wirklichkeit für jeden Einzelnen persönlich. Die Anzahl der Choräle ist ungewöhnlich groß, der assoziative Zusammenhang zum Vorhergehenden ist unmittelbar verständlich. Bach komponiert die Choralsätze mit
reicher Harmonik und in enger Ausdeutung der Worte. Dies alles zeigt, wie wichtig Bach dieses "Antworten" und "Auf-sich-Beziehen" ist.
Die Arien und der Schluss-Chor sind die betrachtenden Teile des Oratoriums. Das Geschehen wird an einem Punkt sozusagen angehalten, um es betrachten und verinnerlichen zu können.
Schon zu Beginn der Passion wird deutlich, wie weit Bach (und sein Librettist) inhaltlich-theologisch
über das bisher Dagewesene hinausgehen: Gottes Herrlichkeit und sein Leiden, Jesu Tod und seine Auferstehung werden als ein Gedanke, als gleichzeitig Zusammengehörendes erlebt. Hier einige der vielen
Beispiele aus dem Text der Passion, die Hinweise auf Ostern geben: "Mein Leben, mein Licht" "Der Held
aus Juda siegt mit Macht" "... schließt mir den Himmel auf"....
Bachs Johannespassion kann uns wie kaum ein anderes Werk die Wirklichkeit von Verstrickung und Erlösung, von Leid und Würde, von Tod und Auferstehung nahebringen.
Eine kritische Betrachtung zum Text der Johannes-Passion
von Jörg-Dieter Reuß
Theologe, Blaubeuren
Manches am Text der Johannes-Passion ist zeitbedingt und sollte heute nicht kritiklos hingenommen
werden.
Jesu Botschaft von Gottes vergebender Liebe vertrug sich schlecht mit dem blutigen Opferkult im Jerusalemer Tempel. Mit seinem tätlichen Angriff auf die dortigen Opfertierhändler und ihre Geldwechsler
hat der Mann aus Nazareth seinen Protest gegen den Tempelbetrieb provokativ zugespitzt. Das (und
nicht, wie es im Choral heißt, „ich, ich und meine Sünden“) hat ihn ans Kreuz gebracht. Denn die einflussreichen Priesterkreise duldeten keine Beeinträchtigung ihrer lukrativen Einnahmequelle. Darum
denunzierten sie Jesus als angeblichen politischen Unruhestifter bei Pilatus, der in solchen Fällen stets
kurzen Prozess machte. Unter seinen anderen jüdischen Mitbürgern hatte Jesus dagegen eine ganze
Reihe von Freunden und Sympathisanten. Deshalb musste seine Verhaftung ja auch heimlich und bei
Nacht erfolgen.
Das Johannesevangelium erweckt freilich den Eindruck, „die Juden“ insgesamt hätten Jesus angefeindet und umgebracht. Dieses falsche Pauschalurteil ist ein Bestandteil des ungerechten Judenhasses, der
uns leider bei Johannes begegnet. Er rührt wohl daher, dass die junge Christengemeinde, aus der das
Vierte Evangelium hervorgewachsen ist, von der jüdischen Religionsbehörde diskriminiert und verfolgt
wurde. Als später Kaiser Konstantin das Christentum zur Staatsreligion erhob, war es nicht zuletzt dieser „biblische“ Hass, der immer wieder zu wüsten und grausamen Ausschreitungen gegen die jüdische
Minderheit führte. Der Geist Jesu wurde damit verraten und pervertiert. Wir tun gut daran, wenn wir
uns heute in aller Klarheit von dieser schlimmen Wirkungsgeschichte distanzieren.