Neue Ziele für die Behandlung von Bluthochdruck?

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AK TUELL
Die SPRINT-Studie
Neue Ziele für die Behandlung
von Bluthochdruck?
Michel Burnier, Edward Pivin, Fatma Megdiche, Gregoire Würzner
Service de Néphrologie et Hypertension, Département de Médecine, Centre Hospitalier Universitaire Vaudois, Lausanne
Arterielle Hypertonie ist der grösste Risikofaktor für
das Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse wie Schlag­
anfall, Herzinsuffizienz oder koronare Herzkrankheit,
Vor diesem Hintergrund haben die im November 2015
aber auch für die Progression des chronischen Nie­
im New England Journal of Medicine erschienenen
renversagens sowie das allmähliche Nachlassen der
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Intervention Trial) die Debatte über die Ziele einer
Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) stehen
antihypertensiven Therapie neu entfacht und grosses
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zwei Drittel der Schlaganfälle und die Hälfte der Fälle
wissenschaftliches und mediales Interesse erweckt
koronarer Herzkrankheit im Zusammenhang mit
[10]. Mithilfe der SPRINT Studie sollte geprüft werden,
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einem systolischen Blutdruck von über 115 mm Hg
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Erwachsenen an Bluthochdruck, bei den über 60 Jähri­
gen sind mehr als 60% betroffen. Es gilt nunmehr als
erwiesen, dass durch die Behandlung arterieller Hyper­
wirkt, wenn ein systolischer Blutdruck von <120 mm Hg
aufrechterhalten wird oder wenn der systolische Wert
<140 mm Hg beträgt. Die untersuchte Population war
sehr durchmischt und umfasste vor allem über 50 jäh­
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gesenkt und die erwähnten Komplikationen, die eine
rige Erwachsene, die entweder an einer bestätigten
erhebliche gesellschaftliche Belastung sind, vermin­
oder subklinischen Herz Kreislauf Erkrankung (ausser
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dert werden können [6].
Schlaganfall) litten, deren geschätzte glomeruläre Fil­
Seit etwa 2013 schlagen die allermeisten internatio­
oder die einen zehnjährigen Framingham Risikoscore
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Therapie im Allgemeinen einen Blutdruck von unter
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älteren Patienten mit isolierter systolischer Hyper­
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tonie vor [7]. Bei Diabetikern sollte der diastolische
Blutdruck weniger als 85 mm Hg betragen. Aus ver­
Welches ist der optimale Wert für den
systolischen Blutdruck: <120 mm Hg oder
doch eher 140 mm Hg?
trationsrate zwischen 20 und 59 ml/min/1,73 m2 betrug
nalen Empfehlungen als Ziel einer antihypertensiven
140/90 mm Hg bzw. von unter 150/90 mm Hg bei
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tonie die Gesamt und die Herz Kreislauf Mortalität
kardiovaskulärer und renaler Komplikationen aus­
ob es sich stärker auf die Mortalität und das Auftreten
(WHO 2002 Report). In der Schweiz leiden etwa 30% der
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Ergebnisse der SPRINT Studie (Systolic Blood Pressure
kognitiven Funktionen bei älteren Menschen [1–5].
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Debatte über die Ziele einer antihyper­
tensiven Therapie neu lanciert
doch häufig infrage gestellt. Die meistgestellten Fragen
Studienpopulation: Ihr Anteil betrug ein Viertel der
lauten: Ist es ein Risiko, den systolischen Blutdruck un­
teilnehmenden Patienten. Von der Studie ausgeschlos­
ter 120 mm Hg zu senken? Ist es sinnvoll, bei Patienten
sen waren Diabetiker, Patienten mit polyzystischer
zwischen 70 und 80 Jahren den Blutdruck auf Werte
Nierenerkrankung und immunsupprimierte Glomeru­
unter 140 mm Hg zu verringern? Mit welchen Risiken
lonephritis Patienten.
ist eine Behandlungsintensivierung verbunden? Diese
In dieser nur in den Vereinigten Staaten durchgeführ­
Bedenken werden bisweilen durch Post hoc Analysen
ten Studie wurden 9361 behandelte oder unbehandelte
grosser Studien verstärkt, die das Vorhandensein einer
Patienten mit einem systolischen Blutdruck von
J förmigen Kurve der Beziehung zwischen dem Blut­
>130 mm Hg untersucht. Das verwendete Protokoll
druckniveau einerseits und der Mortalität sowie dem
ähnelte jenem, das für die Diabetes Studie ACCORD an­
Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse andererseits
wendet wurde [11]. Die eine Hälfte der Patienten wurde
nahelegen. Dieser Hypothese zufolge ist die Gesamt
einer Intensivtherapie unterzogen, deren Ziel die Sen­
und die Herz Kreislauf Mortalität höher, wenn der Blut­
kung des systolischen Blutdrucks auf <120 mm Hg war,
druck unter 120/75 mm Hg liegt [8]. Ob diese J förmige
die andere einer Standardtherapie, deren Zielblut­
Beziehungskurve tatsächlich besteht, ist heute aller­
druck bei <140 mm Hg lag. Das primäre kombinierte
dings sehr umstritten [9].
Beurteilungskriterium umfasste die Zahl der Fälle von
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von >15% aufwiesen. Auch über 75 Jährige zählten zur
schiedenen Gründen werden diese Therapieziele je­
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ktuell
A
akutem Koronarsyndrom, Schlaganfall, Herzinsuffizi­
len der Fälle orthostatischer Hypotonie mit oder ohne
enz sowie die kardiovaskuläre Mortalität. Mithilfe der
Schwindel und die Zahl der Stürze waren indes nicht
sekundären Kriterien, die noch nicht veröffentlicht
erhöht. Die obengenannten Nebenwirkungen sind
wurden, sollten die Auswirkungen auf die Progression
durch die häufigere Verwendung von Diuretika in der
des chronischen Nierenversagens und auf die Entwick­
intensiv behandelten Gruppe erklärbar.
lung von kognitiven Störungen und Demenz bewertet
werden. Ein bedeutender Aspekt des Protokolls ist die
Art der Blutdruckmessung: Sie erfolgte nach einer
Stärken und Schwächen der Studie
Die Ergebnisse dieser Studie werden sich voraussicht­
gebung und in Abwesenheit von medizinischem Per­
lich stark auf die künftigen internationalen Empfeh­
sonal. Der Blutdruck wurde dreimal automatisch mit
lungen auswirken. Wie alle gross angelegten Studien
einem vorprogrammierten Gerät gemessen, um sys­
hat die SPRINT Studie jedoch Stärken und Schwächen:
tematisch zwischen zwei Messungen fünfminütige In­
Fest steht, dass diese Daten auf überzeugende Weise
-
fünfminütigen Entspannungsphase in ruhiger Um­
die Sicherheit und den Nutzen der Senkung des Blut­
Die wichtigsten Ergebnisse der Studie waren
die Verringerung der Gesamtmortalität um 27%
und die um 25% geringere Zahl kardiovasku­
lärer Ereignisse.
drucks auf Werte unter 120 mm Hg zeigen, bei Patien­
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ten ohne Diabetes, deren Herz Kreislauf Risiko über
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einen Zeitraum von zehn Jahren mehr als 15% be­
trägt. Diesbezüglich widersprechen die Ergebnisse der
ermittelt wurden [12]; ein unter den Studienbedingun­
[13]. Dies könnte durch den Ausschluss von Diabetikern
gen erhobener systolischer Blutdruck von 120 mm Hg
erklärbar sein. Allerdings werden in neueren Studien
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hohem Herz Kreislauf Risiko <120–130 mm Hg beträgt
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tät hinweisen, wenn der Blutdruck von Patienten mit
20 mm Hg geringeren Werte erklären, die in der Studie
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achtungsstudien, die auf eine Erhöhung der Mortali­
Grenzen halten. Dieses Vorgehen könnte die um etwa
-­
SPRINT Studie mehreren Post hoc Analysen von Beob­
ärzte den Weisskitteleffekt so weit wie möglich in
tervalle zu gewährleisten. Dadurch konnten die Prüf­
die mit einem Blutdruck von <120 mm Hg verbunde­
von 140 mm Hg entsprechen.
nen Risiken ebenfalls in Zweifel gezogen [9]. Der in der
Die Studie war aufgrund des beobachteten Nutzens im
SPRINT Studie festgestellte Nutzen im Hinblick auf die
Hinblick auf die Mortalität vorzeitig abgebrochen wor­
Mortalität stand vor allem im Zusammenhang mit der
den. Der durchschnittliche systolische Blutdruck be­
Verringerung der durch Herzinsuffizienz bedingten
trug in der Intensivbehandlungsgruppe 121,4 mm Hg,
Mortalität, während die Auswirkungen auf die Zahl der
in der Standardbehandlungsgruppe 136,2 mm Hg. Die
Schlaganfälle gering waren. Es ist deshalb wahrschein­
wichtigsten Ergebnisse der Studie waren die Verringe­
lich, dass durch die häufigere Verwendung von Diure­
rung der Gesamtmortalität um 27% (p <0,001) und die
tika die subklinischen Fälle von Herzinsuffizienz be­
um 25% geringere Zahl kardiovaskulärer Ereignisse
(p = 0,003) in der Intensivbehandlungsgruppe. Die
verminderte Mortalität war hauptsächlich darauf
zurückzuführen, dass die Zahl der Herzinsuffizi­
enzfälle geringer war (–40%). Überraschenderweise
-
könnte somit unter Standardbedingungen einem Wert
Erstaunlich ist, dass keine verringerte Zahl von
Schlaganfällen beobachtet wurde, da sie die
Komplikation mit der grössten Empfindlichkeit
auf eine Blutdrucksenkung darstellen.
man nur die anderen kardiovaskulären Komplikatio­
anfälle festgestellt. Um den Zielblutdruck zu erreichen,
nen (Schlaganfall, Infarkt, Angina pectoris), besteht
wurden in der Intensivbehandlungsgruppe 2,8 und in
möglicherweise kein Unterschied zwischen einem Ziel­
der Standardbehandlungsgruppe 1,8 Medikamente
blutdruck von <120 mm Hg und von <140 mm Hg.
eingesetzt. Der Unterschied ist vor allem den Diuretika
Erstaunlich ist, dass keine verringerte Zahl von Schlag­
geschuldet, von denen etwa Chlorthalidon in der in­
anfällen beobachtet wurde, da Schlaganfälle die kardio­
tensiv behandelten Gruppe häufiger verschrieben
vaskulären Komplikationen mit der grössten Empfind­
wurde.
lichkeit auf eine Blutdrucksenkung darstellen und in
Die Auswertung der schwerwiegenden unerwünsch­
allen früheren Blutdruckstudien eine niedrigere Inzi­
ten Ereignisse ergab eine signifikante Erhöhung der
denz von Schlaganfällen infolge einer Senkung des Blut­
Fälle von Hypotonie (2,4% gegenüber 1,4%), Synkope
drucks festgestellt wurde. Bisher wurde – abgesehen vom
(2,3% gegenüber 1,7%), Elektrolytstörungen (3,1% gegen­
Hinweis auf die relativ niedrige Inzidenz von Schlagan­
über 2,3%) und akutem Nierenversagen (4,1% gegen­
fällen in dieser Studie (0,47% pro Jahr) – noch keine über­
über 2,5%) in der Intensivbehandlungsgruppe, die Zah­
zeugende Erklärung für diese Beobachtung geliefert.
SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM
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merkt und besser behandelt werden konnten. Betrachtet
dien nur eine geringe Senkung der Zahl der Schlag­
wurde im Gegensatz zu allen früheren klinischen Stu­
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lytstörungen, Hypotonie, akutes Nierenversagen). Bei
-
der Veröffentlichung der SPRINT Studie wurden die
Nachteile, die mit diesen häufigeren Nebenwirkungen
verbunden sind, als unbedeutend im Vergleich zum
Nutzen hinsichtlich der Mortalität und Morbidität dar­
gestellt. In der Praxis könnten die tatsächlichen Aus­
wirkungen dieser Nebenwirkungen jedoch grösser und
letztendlich ein limitierender Faktor für eine Behand­
lungsintensivierung sein. Es sei darauf hingewiesen,
dass die Studie vorzeitig abgebrochen wurde und die
Folgen der Nebenwirkungen möglicherweise signifi­
kant grösser gewesen wären, wenn die Studie bis zum
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Auswirkungen auf die Progression des chronischen
Nierenversagens und die Kognitionsstörungen zu ken­
nen. Wir schlagen daher vor, einstweilen die aktuellen
Empfehlungen zu verwenden, wonach der Blutdruck in
der ärztlichen Praxis auf <140 mm Hg gesenkt werden
sollte [7].
Disclosure statement
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen
im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert
Literatur
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risk in the Ongoing Telmisartan Alone and in combination with
Ramipril Global Endpoint Trial study. Journal of hypertension.
2009;27(7):1360–9.
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-
zu über 80 jährigen Patienten durch die SPRINT Studie
nicht infrage gestellt werden. Als Hauptschlussfolge­
-
rung der SPRINT Studie kann also gelten, dass die Sen­
kung des systolischen Blutdrucks auf Werte unter
120 mm Hg sicher ist und im Zusammenhang steht mit
einer geringeren Gesamtmortalität sowie einer ver­
minderten Zahl kardiovaskulärer Ereignisse bei über
50 jährigen Hypertoniepatienten (definiert durch einen
Prof. Michel Burnier
systolischen Blutdruck von >140 mm Hg zum Zeitpunkt
-
Korrespondenz:
Service de Néphrologie
(>15% über einen Zeitraum von zehn Jahren). Ein Ziel­
sofern der Patient die Behandlung verträgt.
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michel.burnier[at]chuv.ch
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-
blutdruck von <120 mm Hg kann angestrebt werden,
-
CH 1011 Lausanne
Rue du Bugnon 17
-
der Diagnose) mit erhöhtem Herz Kreislauf Risiko
CHUV
-
et Hypertension
-
fehlungen der ESH (European Society of Hypertension)
-
ven Funktionen vorliegen, sollten die aktuellen Emp­
-
keine Informationen über das Nachlassen der kogniti­
 
pharmakologischem Wege behandelt werden. Solange
 
Patienten nicht medikamentös, sondern auf nicht­
­
 
Nach Ansicht der europäischen Experten sollten diese
-
deln, dass ihre Werte auf unter 120 mm Hg sinken:
 
Blutdruck zwischen 130 und 140 mm Hg so zu behan­
Grund, unbehandelte Patienten mit einem systolischen
dikamenten behandelt. Diese Tatsache ist jedoch kein
Blutdruck von >130 mm Hg bereits mit bis zu drei Me­
-
nigten Staaten. Zu Beginn der SPRINT Studie wurden
mehr als 90% der teilnehmenden Patienten mit einem
­
besonders auf andere Populationen als die der Verei­
barkeit der Ergebnisse auf die Gesamtbevölkerung und
­
Darüber hinaus stellt sich die Frage nach der Übertrag­
 
-
Ende durchgeführt worden wäre.
einbezogen; es wäre jedoch wichtig, zuvor auch die
Verschreibung von Diuretika bedingt sind (Elektro­
Die Ergebnisse der SPRINT Studie werden voraussicht­
lich in die kommenden internationalen Empfehlungen
-
Nebenwirkungen, die vor allem durch die häufigere
Fazit
Zusammenhang mit dem vermehrten Auftreten von
 
Ein Zielblutdruck von 120 mm Hg steht in eindeutigem
ktuell
A