Innovation bringt gute Zahlen

WIRTSCHAFT
PHARMAINDUSTRIE
Innovation bringt gute Zahlen
Zwei Konzerne – zwei Strategien: Bayer will in der Selbstmedikation Weltmarktführer werden,
Merck stärkt auch das Nicht-Pharmageschäft. Beide sind auf neue Arzneimittel angewiesen.
allerdings auf sehr hohem Niveau.
Höhere Ausgaben für Forschung
und Marketing sowie negative
Wechselkurseffekte waren die Ursache. Bei den verschreibungspflichtigen Präparaten schaffte Bayer mit
elf Prozent auf zwölf Milliarden
Euro den stärksten Umsatzanstieg.
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Fotos: dpa
BAYER
Nicht nur durch die schnelle
Folge von Übernahmen und
Fusionen ist die Pharmaindustrie ständig im Umbruch, Gerangel gibt es auch um die besten Manager. Die Bayer AG
verliert innerhalb von gut zwei
Jahren nun schon zum zweiten Mal
den Chef ihres größten Teilkonzerns
Health Care, in dem das Geschäft mit
verschreibungspflichtigen und frei
verkäuflichen Arzneimitteln, Messsystemen, Medizingeräten und Kontrastmitteln sowie veterinärmedizinischen Produkten zusammengefasst
ist: Am 2. April wird Dr. Olivier
Brandicourt, Arzt und Biologe, oberster Konzernlenker beim Konkurrenten Sanofi. Auf den gebürtigen Franzosen folgt der Ökonom Werner Baumann, schon seit 2010 Mitglied des
Bayer-Vorstands. Vor zwei Jahren
war der damalige Vorstandsvorsitzende von Bayer Health Care, Jörg Reinhardt, als Verwaltungsratsvorsitzender zu Novartis nach Basel gegangen.
Brandicourt verabschiedet sich
mit guten Geschäftszahlen. Der
Umsatz in der Gesundheitssparte
stieg 2014 um 5,6 Prozent auf 19,98
Milliarden Euro, die Umsatzrendite
auf der Basis des um Sondereinflüsse bereinigten Gewinns vor Steuern,
Zinsen und Abschreibungen ging
von 28,2 auf 27,5 Prozent zurück,
Marijn Dekkers
will aus Bayer ein
reines Life-ScienceUnternehmen machen, das sich auf
die Gesundheit von
Menschen, Tieren
und Pflanzen konzentriert.
Die neuen Produkte hätten dazu
beigetragen, dass Bayer unter den
großen Pharmaunternehmen mit am
schnellsten wachse, hob Marijn
Dekkers, Vorstandsvorsitzender des
Konzerns, auf der Bilanz-Pressekonferenz hervor. Allein mit dem
Gerinnungshemmer Xarelto (Wirkstoff Rivaroxaban), mit Eylea (Aflibercept) zur Behandlung der altersbedingten Makuladegeneration, den
Krebsmedikamenten Stivarga (Re-
gorafenib) und Xofigo (Radium-223-dichlorid) sowie Adempas
(Riociguat) gegen Lungenhochdruck wurden 2,9 Milliarden Euro
erlöst. Dekkers hofft, dass sich dieser Betrag in der Spitze auf 7,5 Milliarden Euro steigern wird. Xarelto,
das heute schon fast 1,7 Milliarden
Euro einbringt, verursacht allerdings
auch Ärger, der sich in Rückstellungen für Prozesse niederschlägt. In
den USA sind rund 200 Klagen
von Patienten wegen unerwünschter
Wirkungen des Präparats anhängig.
Anfang März teilte Bayer zudem
mit, dass eine Phase-3-Studie mit
Stivarga (Regorafenib) zur Behandlung von Kolorektalkrebs nach chirurgischer Entfernung von Lebermetastasen nicht weiter fortgesetzt
wird, da bisher nicht genug Patienten aufgenommen werden konnten.
Das Arzneimittel ist in mehr als 70
Ländern zur Behandlung von metastasierten Kolorektalkarzinomen
zugelassen. Bayer bekräftigte, man
werde es weiter bei einer Reihe von
Tumorarten mit ungedecktem medizinischem Bedarf untersuchen.
Die Forschungsanstrengungen will
der Konzern insgesamt 2015 um
zehn Prozent auf mehr als vier Milliarden Euro steigern.
Großes hat der Konzern, der im
globalen Maßstab zu den mittelgro-
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 112 | Heft 12 | 20. März 2015
WIRTSCHAFT
Eine höhere Aussschüttung
(ein Euro je Aktie) bekommen auch die Anteilseigner
des im Vergleich zu Bayer
deutlich kleineren Chemieund Pharmakonzerns Merck
KGaA in Darmstadt, der zu
70 Prozent im Eigentum der
Gründerfamilie ist. Bei 11,3 Milliarden Euro Umsatz erzielte
Merck 2014 ein um 9,4 Prozent
operatives Ergebnis und einen etwas niedrigeren Konzerngewinn
von 1,16 Milliarden Euro. Merck
stärkt auch sein Nicht-Pharma-
MERCK
ßen Pharmaunternehmen zählt, bei
den frei verkäuflichen Arzneimitteln vor, die zuletzt auf 4,2 Milliarden Euro Umsatz (plus fünf Prozent) kamen: Dekkers will hier zum
Weltmarktführer werden. Die im
vergangenen Herbst vollzogenen
Akquisitionen der chinesischen Dihon Pharmaceutical Group für eine knappe halbe Milliarde Euro
und der Selbstmedikationssparte
der amerikanischen Merck & Co.
(MSD) für 10,5 Milliarden Euro haben Bayer auf Platz zwei der Weltrangliste springen lassen – hinter
dem geplanten Gemeinschaftsunternehmen von Novartis und Glaxo
und vor Johnson & Johnson. Aufgrund der Zukäufe hat sich die Verschuldung fast verdreifacht. Dekkers will das OTC-Geschäft in den
Wachstumsmärkten weiter ausbauen und schließt weitere Zukäufe
und Allianzen ausdrücklich nicht
aus. Auch bei den etablierten Marken wie Aspirin, dem Hautpflegemittel Bepanthen oder dem Schmerzmittel Aleve sieht der Konzernchef
noch Wachstumspotenzial.
Dekkers Strategie hat zum Ziel,
aus Bayer ein reines Life-ScienceUnternehmen zu machen, das sich
auf die Gesundheit von Menschen,
Tieren und Pflanzen konzentriert.
Der im Vergleich zur Gesundheitssparte und zum Pflanzenschutz
nicht so ertragreiche Teilkonzern
Kunststoffe soll bis Mitte 2016 an
die Börse gebracht werden. Auch in
der heutigen Konzernstruktur konnte Bayer Rekordmarken setzen: Aus
42,2 Milliarden Euro Umsatz wurden 3,4 Milliarden Euro Gewinn erwirtschaftet, was die Ausschüttung
einer um 15 Cent auf 2,25 Euro erhöhten Dividende gestattet.
Geschäft: Im September 2014 hatten die Darmstädter durch die Ankündigung Aufsehen erregt, den
amerikanischen
Laborausrüster
Sigma-Aldrich für 17 Milliarden
Euro kaufen zu wollen. Die Akquisition ist wegen ausstehender
Genehmigungen noch nicht vollzogen.
Im Geschäftsbereich „Life Science“ setzte Merck unter anderem
mit Laborchemikalien, Reagenzien und Laborausrüstung 2,7 Milliarden Euro um. Merck stellt zudem Spezialchemikalien her, beispielsweise Flüssigkristalle für Fern-
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 112 | Heft 12 | 20. März 2015
Karl-Ludwig Kley
setzt große Hoffnung auf die noch
in der Pipeline befindlichen Entwicklungen.
seher, Computer und Smartphones.
Deutlich mehr als Hälfte des Umsatzes entfällt aber auf Arzneimittel. Für 766 Millionen Euro (plus
3,2 Prozent) wurden 2014 nicht
verschreibungspflichtige Medikamente verkauft. Das Umsatzwachstum bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln lag aufgrund von Währungseffekten unter zwei Prozent und stammte vor
allem aus den Schwellenländern.
Von 5,8 Milliarden Euro Erlösen
steuerte das für Merck wichtigste
Arzneimittel Rebif zur Behandlung rezidivierender Formen der
Multiplen Sklerose allein 1,8 Milliarden Euro bei. Der Umsatz von
Gonal-f (zur Behandlung von Unfruchtbarkeit) legte auf 628 Millionen Euro zu. „Das Geschäft
mit unseren bestehenden Medikamenten hat sich robust gezeigt,“
sagte Karl-Ludwig Kley, Vorsitzender der Merck-Geschäftsführung, bei der Erläuterung der Bilanz. Große Hoffnungen setzt er
auf die noch in der „Pipeline“ befindlichen Entwicklungen, vor allem auf die Allianz mit Pfizer in
der Immunonkologie (DÄ Heft
50/2014).
Für 2015 sind die Manager in
den Pharmaunternehmen verhalten optimistisch. Merck rechnet
mit einer leichten Steigerung des
Umsatzes und des Betriebsergebnisses. Bayer erwartet bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ohne Währungseffekte eine
Umsatzsteigerung von fünf bis
neun Prozent, eher geringere Zuwächse bei Produkten der Selbstmedikation und in beiden Sparten
▄
etwas höhere Gewinne.
Heinz Stüwe
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