Der neueste Schrei der Backmittel-Industrie - Bio

(diesen Text haben wir mit freundlicher Genehmigung der Loretto-Holzofenbäckerei geklaut: www.lorettozwiefalten.de)
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Sauberle
In einer Bäckerei sollte es absolut sauber zugehen, klarer Fall. Da gibt es in einer
schwäbischen Bäckerei auch gar keine Obergrenze der Sauberkeit. Nur an einer einzigen
Stelle, so meinen wir, geht es in letzter Zeit ein bisschen zu weit mit der „Sauberkeit“.
Dass nämlich die Etiketten immer sauberer werden, das finden wir Bio-Bäcker ziemlich
unsauber. Ich spreche hier von der sogenannten „Clean-Label-Politik“ der BackmittelIndustrie.
Jede Bäckerei ist ja verpflichtet, dem Kunden gegenüber alle Inhaltsstoffe auf Nachfrage
offenzulegen.
In einer Bio-Bäckerei geht es dabei recht übersichtlich zu. Hier wird mit „Positiv-Listen“
gearbeitet. Das heißt, die Verbände Bioland, Demeter usw. haben Listen aller zulässigen
Rohstoffe und Zusatzstoffe aufgestellt und nur was da drauf steht, darf zur Herstellung von
Backwaren verwendet werden. Basta.
Ganz anders aber in der Industrie und bei denjenigen konventionellen Bäckereien, die
Industrieprodukte einsetzen. Hier gilt schon immer die Regel: Verwendet werden darf alles,
was nicht ausdrücklich verboten ist. Und hier können die Leute im Verkauf in der Regel gar
keine wirkliche Auskunft darüber geben, was im Brot drin ist. Und zwar, weil sie es gar nicht
wissen.
Die Industrie verfolgt nämlich immer mehr die Strategie des „Clean Label“ (sinngemäß etwa:
leeres Etikett). Das heißt, man baut Backmittel nur noch aus Substanzen zusammen, die
nicht deklariert werden müssen. Und tut dann so, als sei gar nichts drin.
Es gibt im Lebensmittelrecht schon immer eine spitzfindige Unterscheidung zwischen
„Zusatzstoffen“ und „technischen Hilfsstoffen“. Die Zusatzstoffe, hauptsächlich Backmittel
aller Art, Konservierungsstoffe usw müssen deklariert werden, wenn sie nicht ausdrücklich
davon befreit sind. Unter technischen Hilfsstoffen versteht man Substanzen, die zwar
genauso bei der Backwaren-herstellung eingesetzt werden, die aber nach dem Backvorgang
angeblich nicht mehr nachweisbar sind. Das betrifft zum Beispiel, Achtung, ganz wichtig: die
Wirkstoffgruppe, die heutzutage die größte Rolle unter allen Backmitteln spielt, die Enzyme .
Enzyme sind hochwirksame Proteinverbindungen, die meist aus Schimmelpilzen oder
gentechnisch veränderten Bakterien gewonnen und –– nach Belieben umdesignt und neu
zusammengebaut werden. Mit ihrer Hilfe kann man beispielsweise Toastbrot backen, das
über Wochen weich und scheinbar frisch bleibt, oder man kann Kruste, Farbe, Splittrigkeit
von Backwaren massiv beeinflussen, je nach Anforderung. Fachleute sagen, die BackwarenIndustrie sei in ihrer heutigen Form ohne diese isolierten Enzyme gar nicht vorstellbar.
Weil Enzyme Eiweißstoffe sind, verlieren sie beim Backen ihre Wirksamkeit und daraus
ziehen Gutachter und Gerichte den Schluss, sie seien dann einfach nicht mehr da. Man
könnte sagen: Das hat die Industrie wieder mal sauber hingekriegt.
Uns hat jetzt jemand einen Katalog für Enzymbackmittel zukommen lassen, der im Prinzip
auch in jeder anderen Bäckerei in Europa zur Verfügung steht. Nach diesem Katalog könnten
wir praktisch für jede Backware in unserem Sortiment einen speziellen Enzym-Mix einkaufen
und damit die gewünschten sensorischen Eigenschaften (außer dem Geschmack …) ohne
Anstrengung aus der Tüte zaubern. Falls wir keine Bioland-Bäckerei wären und glauben
würden, dass wir das nötig hätten. Selbst nach der EG-Bioverordnung, die für Biobäcker Hinz
und Kunz gilt, sind ein Teil der Enzymbackmittel mit dieser „sauberen“ Begründung
zugelassen, nur die großen Verbände Bioland und Demeter schieben da noch einen Riegel
vor.
Und der Witz daran ist: jedes einzelne dieser Mittel wird als clean-label-Produkt angeboten.
Das heißt, auf der Backmittelverpackung würde dann sinngemäß draufstehen: Gewicht: 25
kg, Inhaltsstoffe: keine.
Und wir könnten unseren Kunden zu dem Brot, dem Croissant, dem Baguette, das wir ihnen
verkaufen, auch nur in aller Unschuld die Auskunft geben: „Da ist Mehl drin und Wasser und
so ein Backmittel, aber darüber brauchen Sie sich keine Sorgen machen, das enthält nämlich
gar nichts. Ich habe extra auf dem Etikett nachgeschaut. Das ist sauber.“