Newsletter für Engagement und Partizipation in Deutschland 4/2016 Klimakonferenz 2015 – Kooperationsaufgaben und Chancen für Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft Ein Interview mit MdB Andreas Jung, Vorsitzender des Parlamentarischen Beirates für nachhaltige Entwicklung Die Bekämpfung des Klimawandels ist für Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft seit vielen Jahren eine große Herausforderung. Zivilgesellschaftliche AkteurInnen gehören neben den WissenschaftlerInnen zu den Antreibenden bei einer aktiven Klimapolitik und einer nachhaltigen Wirtschaft. Ohne gemeinsame Anstrengungen von Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft kann eine nachhaltige Klimapolitik nicht gelingen. Gleichzeitig ist klar, dass die AkteurInnen dabei unterschiedliche Aufgaben, Interessen und Handlungsmöglichkeiten besitzen. Wie werden die Ergebnisse der Klimakonferenz 2015 politisch aus Parlamentssicht bewertet? MdB Andreas Jung: In Paris hat die internationale Gemeinschaft einen historischen Durchbruch in der Klimapolitik erzielt. Sie beweist dadurch Handlungsfähigkeit: Erstmals wird der Klimawandel von allen Staaten gemeinsam bekämpft. Der G7-Gipfel von Elmau hat dabei den Weg nach Paris bereitet. Dort hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel im Sommer 2015 die führenden Industrienationen auf das Ziel einer globalen Energiewende eingeschworen. Der Vertragstext, auf den sich die 195 Staaten am 12. Dezember 2015 geeinigt haben, läutet die weltweite Klimawende ein und damit auch das Ende des fossilen Zeitalters. Das Abkommen setzt den verbindlichen Rahmen der künftigen internationalen Klimapolitik: Er begrenzt die globale Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustrielSeite 1 von 4 len Zeitalter – möglichst sogar auf 1,5 Grad. Auch nimmt der Vertrag die nicht mehr vermeidbaren Folgen des Klimawandels in den Blick. Unter ihnen leiden vor allem die armen und daher besonders verletzlichen Staaten. Anpassung ist das Stichwort. In erster Linie sind hier die Industriestaaten gefordert, ihr technologisches Know-how an bedürftige Länder weiterzugeben und sie finanziell zu unterstützen. Zu dieser Verantwortung haben sie sich erneut bekannt und wollen ab 2020 jährlich mindestens 100 Milliarden US-Dollar bereitstellen. Jedoch ermutigt das Klimaabkommen auch andere Vertragsparteien, sich auf freiwilliger Basis dem Engagement der Industrieländer anzuschließen. Die bisherige Unterteilung der Vertragsstaaten in zwei Gruppen – Entwicklungs- und Industrieländer bzw. Nehmer- und Geberländer – bricht der Vertrag also auf. Zudem etabliert das Abkommen einen fünfjährigen Überprüfungsmechanismus für die Klimaschutzbeiträge, die von jedem Vertragsstaat zu leisten sind. Das heißt, dass in Zukunft alle Vertragsstaaten Rechenschaft darüber ablegen müssen, ob sie ihre Klimaschutzversprechungen erfüllen. Diese Transparenz und Überprüfbarkeit der einzelnen Klimaschutzbeiträge ist entscheidend für den Erfolg des Abkommens. Was soll aus Ihrer Sicht auf nationaler Ebene bis 2020 passieren? MdB Andreas Jung: Was in Paris auf internationaler Ebene beschlossen wurde, muss nun in nationale Maßnahmen übersetzt werden. Für Deutschland als Vorreiter im Klimaschutz bedeutet das: Wir müssen sicherstellen, dass das CO2-Reduktionsziel von 40 Prozent im Vergleich zu 1990 erreicht wird – und dann noch ehrgeiziger voranschreiten. Es ist deshalb wichtig, dass das Aktionsprogramm Klimaschutz der Bundesregierung sowie der Nationale Aktionsplan Energieeffizienz konsequent umgesetzt werden. Beide bilden den Kern der nationalen politischen Anstrengungen, die deutschen Klimaziele zu erreichen. Ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz ist auch das Gelingen der deutschen Energiewende. Dazu muss der Netzausbau weiter und schneller vorangebracht werden, damit die erzeugte Energie auch dort ankommt, wo sie gebraucht wird. Der Ausbau der Speichertechnologien ist wichtig, damit Strom auch in windstillen und schattigen Zeiten zur Verfügung steht. Innovative Speicher sind außerdem für den Erfolg von nachhaltiger Mobilität entscheidend. Gleiches gilt für die Förderung von Effizienztechnologien: Besonders im Gebäudebereich gibt es großes Potential, den Energieverbrauch deutlich zu verringern. Außerdem muss das System des Strom- Seite 2 von 4 markts so umgestaltet werden, dass Angebot und Nachfrage der erneuerbaren Energien und des konventionellen Kraftwerksstroms bestmöglich aufeinander abgestimmt sind. Nur wenn in jedem dieser Bereiche erhebliche Fortschritte passieren, werden wir auch unsere mittelfristigen Klimaziele bis 2050, nämlich eine Minderung der Treibhausgasemissionen um 80 bis 95 Prozent gegenüber 1990 – erreichen. Essentiell hierfür sind verbindliche nationale politische Rahmenbedingungen mit einem Klimaschutzkonzept, das nicht nur den Stromsektor betrachtet, sondern auch den Wärme- und Verkehrsbereich mit einbezieht. Der Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung muss deshalb ambitionierte Maßnahmen zur Erreichung dieses Ziels auf den Weg bringen. Dazu müssen auch konkrete Pläne für den sukzessiven Ausstieg aus der Kohleverstromung vorgelegt werden. Planbarkeit für die Wirtschaft und ein sozialverträglicher Strukturwandel in den betroffenen Regionen sind für das Gelingen dieses ambitionierten ökologischen Vorhabens entscheidend. Im Übrigen muss auch die Europäische Union nach ihren erfolgreichen und ambitionierten Verhandlungen in Paris den eigenen Ansprüchen weiterhin gerecht bleiben. Es ist deshalb nun an der Zeit, dass die Europäische Kommission ihre Klimaschutzziele für das Jahr 2030 überprüft und verschärft. Denn nur durch einen funktionierenden Emissionshandel und ehrgeizige europäische Klimaschutzziele, können nationale klimapolitische Maßnahmen ihre Wirkung voll entfalten. Nur durch eine ambitionierte Klimapolitik in Europa wird auch der Klimaschutz global ein Erfolg werden. Welche Rolle nehmen engagierte Bürger und Bürgerinnen und Zivilgesellschaft dabei ein? Was würden Sie empfehlen, wie Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Politik konkret miteinander kooperieren können und haben Sie hierfür ggf. ein Beispiel? MdB Andreas Jung: Ohne das Engagement und die Akzeptanz der Bürger können Klimaschutz und ein so ambitioniertes Projekt wie die Energiewende nicht gelingen. Sie sind geradezu der Schlüssel für den Erfolg. Deshalb halte ich es für wichtig, dass alle gesellschaftlichen Gruppierungen bei diesem Prozess mitgenommen werden. Mit der Energiewende wird die Energieerzeugung dezentraler und rückt näher an die Menschen heran. Die direkte Beteiligung von Bürgern und Kommunen bekommt deshalb eine immer größere Bedeutung – sei es nun bei Dialogveranstaltungen zu konkreten Netzausbau-Projekten oder bei der Planung von Windkraftanlagen. Auch Bürgerenergiegenossenschaften spielen bei der dezentralen GeSeite 3 von 4 winnung von Strom aus erneuerbaren Quellen eine wichtige Rolle. Dass sie auch in einem künftigen Ausschreibungsverfahren für neue Solar- oder Windkraftanlagen weiterhin Perspektiven und ihren Platz haben, ist mir ein wichtiges Anliegen. Ich sprach vorhin von einem langfristigen Ausstiegsplan aus der Kohleverstromung. Auch hier stelle ich mir einen breit angelegten Dialogprozess für die besonders betroffenen Regionen wie die Kohlereviere in Mitteldeutschland, der Lausitz und Nordrhein-Westfalen vor. Hier wird es keine einfachen Lösungen geben, weshalb es umso wichtiger ist, möglichst alle Interessengruppen in die anstehenden politischen Entscheidungsprozesse einzubinden. Es müssen gemeinsam Antworten gefunden werden auf die Fragen „Wo liegen die Stärken und Potentiale der jeweiligen Region?“, „Wie können wir neue Arbeitsplätze schaffen, wo alte Jobs in der Kohleindustrie wegfallen?“ Eine Initiative von Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Wissenschaft wie die „Innovationsregion Lausitz“ ist ein guter Anfang. So können durch die Mitwirkung der Bürger und Interessengruppen vor Ort, zukunftsträchtige Ideen und innovative Konzepte in der Region selbst entstehen. Diese Prozesse müssen wir als Volksvertreter und mit Unterstützung der Bundesregierung begleiten und mitgestalten. Andreas Jung sitzt seit 2005 als direkt gewählter Abgeordneter seines Wahlkreises Konstanz im Deutschen Bundestag, wo er Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Energie ist. Als Beauftragter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Klimaschutz leitet er den Klimakreis der Union, der sich für ambitionierten Klimaschutz einsetzt. Er ist Vorsitzender des Nachhaltigkeitsbeirats des Bundestags und Bezirksvorsitzender der CDU Südbaden. Kontakt: [email protected] Redaktion BBE-Newsletter für Engagement und Partizipation in Deutschland Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE) Michaelkirchstr. 17-18 10179 Berlin Tel.: 030 62980-11 5 [email protected] www.b-b-e.de Seite 4 von 4
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