Nachgefragt: Transparente Zivilgesellschaft? Rupert Graf Strachwitz Dr. phil., studierte Politikwissenschaft und Geschichte und befasst sich seit mehr als 30 Jahren ehren- und hauptamtlich, praktisch, beratend, forschend, schreibend und lehrend mit dem gemeinnützigen Bereich. Er ist Direktor des Maecenata Instituts für Philanthropie und Zivilgesellschaft in Berlin. WOCHEN SCHAU VERLAG ........ „Ich stelle keine Regeln auf, sondern will eine Diskussion in Gang setzen.“ ....... WOCHENSCHAU VERLAG: Was sind die Gründe für die Forderungen nach mehr Transparenz in der Zivilgesellschaft? STRACHWITZ: Die Forderung nach mehr Transparenz kommt von ganz verschiedenen Seiten und mit unterschiedlichen Begründungen. Während sich viele Spender vor allem mehr Informationen darüber wünschen, was mit ihrem Geld geschieht, beklagen die Wissenschaftler, dass ihnen die Grundlagen fehlen, um vernünftige Aussagen zu einer gesellschaftlichen Arena zu treffen, die immer mehr an Bedeutung zunimmt. In den Medien wird gelegentlich von Machtstrukturen gesprochen, die nicht durchschaubar sind. Insgesamt muss man sagen, dass in einer modernen, offenen, demokratischen Gesellschaft gerade die Organisationen, die nach eigenem Selbstverständnis für das allgemeine Wohl unterwegs sind, der Allgemeinheit auch sagen müssen, was sie machen, woher sie die Mittel dafür haben und wie sie ihre Entscheidungen fällen. Transparenz ist so gesehen ein unverzichtbares Argument für die Legitimität der Zivilgesellschaft. Schließlich ertönt bei jedem kleinen Skandal immer gleich der Ruf nach mehr Transparenz. Es liegt im Interesse der Organisationen, das Thema wohldurchdacht anzugehen und nicht überstürzt handeln zu müssen, wenn plötzlich von allen Seiten danach gerufen wird. ........ „Die Privatsphäre von Spenderinnen und Spendern muss geschützt werden, weil niemand gezwungen werden sollte, öffentlich zu machen, wie viel Gutes er oder sie tut.“ ....... WOCHENSCHAU VERLAG: Welche Bedenken gibt es bei Non-Profit-Organisationen dagegen, zu viele Informationen preiszugeben? STRACHWITZ: Manche Bedenken sind gewiss irrational. Aber einige muss man ernst nehmen. Die Privatsphäre von Spenderinnen und Spendern muss beispielsweise nicht nur aus praktischen Gründen geschützt werden, weil sich manche sonst schnell zurückziehen würden, sondern auch aus ethischen Gründen, weil niemand gezwungen werden sollte, öffentlich zu machen, wie viel Gutes er oder sie tut. Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in zivilgesellschaftliche Organsisationen Studien belegen nach wie vor, dass zivilgesellschaftlichen Organisationen in höherem Maß vertraut wird als anderen gesellschaftlichen Akteuren: • 90 % der Bürgerinnen und Bürger haben Vertrauen in die Demokratie; • 63 % sind für Stärkung der direkten Demokratie; • 58 % haben Vertrauen in zivilgesellschaftliche Organisationen; • 56 % sind zufrieden mit dem Funktionieren der Demokratie; • 53 % haben Vertrauen in Bürgerinitiativen; • 22 % haben Vertrauen in politische Parteien. Diese Zahlen zeigen aber auch, dass 42 % der Bürgerinnen und Bürger den zivilgesellschaftlichen Organisationen nicht vertrauen. Nachgefragt: Transparente Zivilgesellschaft? WOCHEN SCHAU VERLAG Allerdings gilt es, diese Schutzwürdigkeit abzuwägen gegen das öffentliche Interesse daran, zu erfahren, wenn Spenden nicht nur aus Empathie und ethischer Überzeugung, sondern zur Verfolgung von handfesten Zielen geleistet werden. Ähnlich ist es mit dem notwendigen Schutz von Anbietern sozialer Dienstleistungen vor neugierigen Blicken von Wettbewerbern und Verhandlungspartnern, vor allem wenn diese selbst intransparent sind. Dennoch ist es ein öffentliches Anliegen, dass diese Dienstleistungen angemessen honoriert, aber nicht zu teuer angeboten werden. Diese Abwägung ist noch schwieriger, wenn man das neu entdeckte Phänomen in den Blick nimmt, dass Geheimdienste, aber auch gewerbliche Sammler von Informationen zivilgesellschaftliche Organisationen ausspähen und die Ergebnisse dazu nutzen, diese Informationen zu verkaufen oder aus politischen Gründen gegen die Organisationen verwenden. Die Aktivitäten von NSA sind ein warnendes Beispiel dafür, dass so etwas nicht nur in Ländern wie Russland vorkommt. Die mögliche beabsichtigte oder unbeabsichtigte Verstrickung von zivilgesellschaftlichen Organisationen in Geldwäsche oder die Unterstützung von Terroristen wird in diesem Zusammenhang immer als Problem genannt. Dies ist nicht ganz von der Hand zu weisen; letztlich ist das Spionieren aber Ausdruck der Sicherheitsmanie der Staaten. ........ „Man kann Transparenz nicht einfach an- (oder ab-)schalten.“ ....... WOCHENSCHAU Verlag: Können Sie kurz zusammenfassen, was Sie in Ihrem Buch in diesem Zusammenhang als „fundamentales Dilemma“ bezeichnen? STRACHWITZ: Schon immer war klar, dass Transparenz Grenzen hat, die nicht immer leicht zu definieren sind. Akteure der Zivilgesellschaft müssen unter bestimmten Umständen im Verborgenen arbeiten. Nicht alles geht die Öffentlichkeit etwas an. Der Transparenz sind insoweit Grenzen gesetzt. Sie gilt es auszuloten und zu definieren. Andererseits müssen wir feststellen, dass zu viele Organisationen der Zivilgesellschaft der Öffentlichkeit zu wenig Rechenschaft über ihr Handeln ablegen und damit auch den sachgerechten öffentlichen Diskurs über die Bedeutung von Zivilgesellschaft erschweren. Mit dem Schlagwort ‚Transparenz’ ist also noch nicht mehr gesagt, als dass wir uns mit diesem Thema endlich mal auseinandersetzen müssen. Man kann Transparenz nicht einfach an- (oder ab-)schalten; man muss sich mit vielen Facetten beschäftigen und sie auch in einen größeren Zusammenhang stellen. Das versuche ich in meinem Buch in knapper Form zu tun. Ich stelle keine Regeln auf, sondern will eine Diskussion in Gang setzen. Rupert Graf Strachwitz Transparente Zivilgesellschaft? Accountability und Compliance in Nonprofit-Organisationen Wochenschau Verlag Schwalbach/Ts. 2015 ISBN 978-3-7344-0150-3, 176 S., E 14,80 eBook: ISBN 978-3-7344-0151-0, E 11,99
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