Berlin Kompakt Ausgabe 3/2016 ( PDF , 159 KB ) Hinweis

NR. 3 // 26. Februar 2016
Eckpunkte zur Weiterentwicklung von PEPP
Die Gesundheitspolitiker der großen Koalition haben sich in der vergangenen Woche auf
eine Neuausrichtung des Psych-Entgeltsystems (PEPP-System) verständigt. Grundlage
des neuen Finanzierungssystems soll ein krankenhausindividuelles Budgetsystem sein.
Dies sieht ein von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe und den Koalitionsspitzen
vorgelegtes Eckpunktepapier vor, das viele Details noch offen lässt.
Die Vorschläge im Einzelnen:
Ausgestaltung als Budgetsystem - Das Psych-Entgeltsystem soll zukünftig als Budgetsystem ausgestaltet werden. Die Budgets sollen unter Berücksichtigung von hausindividuellen und leistungsbezogenen strukturellen Besonderheiten vereinbart werden. Die Konvergenzphase mit einer Angleichung der Preise auf ein landeseinheitliches Preisniveau
entfällt vollständig. Ziel ist es, dass das neue Entgeltsystem ab dem Jahr 2017 von allen
Psych-Einrichtungen verbindlich angewendet wird.
*Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus
Kalkulation bundeseinheitlicher Bewertungsrelationen - Das PEPP-System wird kontinuierlich vom InEK* auf Basis von Kalkulationsdaten und der Vorgaben der Selbstverwaltungspartner weiterentwickelt. Ziel der Koalition ist es, dass die Kostendaten der Kalkulationskrankenhäuser zukünftig eine repräsentative Grundlage bilden. Voraussetzung für eine
Teilnahme an der Kalkulation wird in Zukunft die Umsetzung von Personalvorgaben sein.
Verbesserte Personalausstattung - Der G-BA wird beauftragt, bis zum 01.01.2020 verbindliche Mindestvorgaben zur Personalausstattung vorzulegen, um eine flächendeckend
ausreichende Personalausstattung zu erreichen, wie es im Eckpunktepapier heißt. Zur
Orientierung sollen dabei die Anforderungen der Psychiatrie-Personalverordnung herangezogen werden.
Krankenhausvergleich als Transparenzinstrument - Für die Bemessung leistungsorientierter Budgets ab dem Jahr 2019 sollen die Vertragsparteien auf Bundesebene einen
Krankenhausvergleich als Orientierungsmaßstab und als Transparenzinstrument entwickeln.
Psychiatrische Akut-Behandlung im häuslichen Umfeld (Home Treatment) - Es soll ein
neuer extrabudgetärer Leistungsbereich etabliert werden, mit dem die komplexe psychiatrisch-psychotherapeutische Akut-Behandlung durch spezielle Behandlungsteams für
Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen im häuslichen Umfeld (Home Treatment) ermöglicht wird. Damit sollen stationäre Aufenthalte vermieden oder verkürzt und
die sektorenübergreifende Versorgung gestärkt werden. Die Psychiatrischen Institutsambulanzen (PIA) lassen jedoch in ihrer derzeitigen Ausgestaltung das Home Treatment bereits zu.
Gut ist, dass die Koalition am PEPP-System grundsätzlich festhalten will. Nicht nachvollziehbar ist hingegen, weshalb die Angleichung der Preise auf ein landeseinheitliches
Niveau entfallen soll. PEPP bleibt damit zwar Kalkulationssystem, nicht aber Preissystem. Dass die Koalitionäre den Grundsatz von mehr Transparenz und Leistungsorientierung beibehalten und eine Stärkung der sektorenübergreifenden Behandlung anstreben,
ist ein wichtiges Signal.
Bei der Vereinbarung von Budgets dürfen nach Auffassung der BARMER GEK hausindividuelle und regionale Besonderheiten nur dann berücksichtigt werden, wenn sie auch
verbindlichen Kriterien entsprechen und tatsächlich zu einem höheren Aufwand führen.
Damit der geplante Krankenhausvergleich im Gegensatz zu früheren Versuchen erfolgreich etabliert werden kann, sind klare und konkrete rechtliche Rahmenbedingungen
BARMER GEK
Abteilung Politik, Ruth Rumke (V.i.S.d.P.)
[email protected]
Tel. 030-25331-443012
Seite 1 von 4
NR. 3 // 26. Februar 2016
seitens des Gesetzgebers erforderlich.
Die PIAs sorgen schon heute dafür, dass psychisch erkrankte Patientinnen und Patienten
sektorenübergreifend im und am Krankenhaus behandelt werden können. Um die sektorenübergreifende Versorgung weiter zu stärken, sollten statt der Etablierung des neuen
Leistungsbereichs des Home Treatments zunächst die PIAs in das bestehende Budgetsystem integriert werden.
Reform der EU-Medizinprodukteverordnung nimmt Fahrt auf
Mit einem Abschluss der seit Oktober 2015 laufenden Trilogverhandlungen zwischen
EU-Kommission, dem Europäischen Parlament und dem Ministerrat zur Novellierung der
EU-Medizinprodukteverordnung ist nach Ansicht des CDU-Europaabgeordneten und
gesundheitspolitischen Sprechers der EVP-Fraktion, Peter Liese, noch im Frühjahr dieses
Jahres zu rechnen.
Vorgesehen seien eine obligatorische Überprüfung der Produkte nach Inverkehrbringen,
die Einführung eines Implantate-Passes für Patientinnen und Patienten und ein besonderes Überwachungsverfahren für Hochrisikomedizinprodukte, so Liese in der vergangenen Woche vor Journalisten in Berlin.
Die geplanten Neuregelungen auf europäischer Ebene reichten bei Weitem nicht aus, so
der Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG),
Jürgen Windeler. Er fordert ein System ähnlich der frühen Nutzenbewertung im Arzneimittelbereich für bestimmte Medizinproduktegruppen. Nötig sei außerdem die Transparenz aller eine Markteinführung begründenden Unterlagen.
Presseberichten zufolge wird derzeit um die Frage einer Haftpflichtversicherung für Hersteller von Medizinprodukten und um die Klassifizierung neuer risikobasierter Produktklassen gerungen. Ziel der Reform ist auch eine strengere Kontrolle der sogenannten
benannten Stellen. Dies sind staatlich autorisierte Stellen, die Bewertungen und Prüfungen im Rahmen der vom Hersteller durchzuführenden Konformitätsbewertung durchführen und deren Korrektheit nach einheitlichen Bewertungsmaßstäben bescheinigen.
In Deutschland sind dies etwa TÜV oder DEKRA.
Die BARMER GEK begrüßt Forderungen nach einer strengeren Kontrolle der benannten
Stellen. Diese müssen dauerhaft über eine ausreichende medizinische, technische und
wissenschaftliche Expertise verfügen, um die Konformität von medizintechnischen Innovationen hoher Risikoklassen beurteilen zu können.
Daneben braucht es ein einheitliches zentralisiertes Zulassungsverfahren auf europäischer Ebene. Die derzeit gängige Methode, dass bei der überwiegenden Zahl der Medizinprodukte lediglich Selbsterklärungen des Herstellers ausreichen, um ein Produkt auf
den Markt zu bringen, ist unzureichend.
Für risikoreiche Medizinprodukte ist eine systematische frühe Nutzenbewertung vor
ihrer flächendeckenden Anwendung notwendig. Künftig darf es keine Zulassung von
Therapieverfahren und Medizinprodukten ohne Bewertung des Nutzens und Risikos
geben. Hochrisikomedizinprodukte sollten in klinischen Studien auf ihre Wirksamkeit in
Bezug auf patientenrelevante Aspekte, wie z. B. die Verbesserung des Gesundheitszustandes oder die Verkürzung der Krankheitsdauer untersucht werden. Die Ergebnisse
könnten im Rahmen eines Registers gespeichert werden.
BARMER GEK
Abteilung Politik, Ruth Rumke (V.i.S.d.P.)
[email protected]
Tel. 030-25331-443012
Seite 2 von 4
NR. 3 // 26. Februar 2016
Bundesrahmenempfehlungen in der Prävention verabschiedet
Die Träger der Nationalen Präventionskonferenz haben am 19.02.2016 bundesweite
Rahmenempfehlungen zur Gesundheitsförderung in Betrieben und nichtbetrieblichen
Lebenswelten verabschiedet. Kranken- und Pflegeversicherung sowie Renten- und Unfallversicherung erfüllen damit eine Vorgabe des im vergangenen Jahr verabschiedeten
Präventionsgesetzes.
In den Bundesrahmenempfehlungen werden Gesundheitsziele in gemeinsamer Verantwortung der Träger sowie die Grundsätze der Zusammenarbeit festgelegt. Gemeinsame
Ziele sind: „Gesund aufwachsen“, „Gesund leben und arbeiten“ sowie „Gesund älter werden“. Durch Präventionsprojekte sollen vor allem Familien mit Kindern, Jugendliche, Studenten, Berufstätige und Pflegebedürftige sowie pflegende Angehörige erreicht werden.
Die Bundesrahmenempfehlungen beschreiben für diese Zielgruppen das Leistungsspektrum der beteiligten Sozialversicherungsträger. Die Umsetzung erfolgt in Landesrahmenvereinbarungen – diese werden aktuell zwischen den Sozialversicherungsträgern in den
Ländern und den zuständigen Landesbehörden verhandelt.
Qualität muss das bestimmende Merkmal von Präventionsangeboten in den betrieblichen und nicht-betrieblichen Lebenswelten sein. Die Umsetzung der Bundesrahmenempfehlungen auf der Ebene der Bundesländer muss diesem Anspruch auch in der
Zusammenarbeit der unterschiedlichen Sozialversicherungsträger gerecht werden.
Ergebnisse des BARMER GEK Arztreports 2016
Etwa 3,25 Mio. Menschen erhielten in Deutschland im Jahr 2014 die Diagnose „chronischer
Schmerz”. Damit hat sich der Anteil der Bevölkerung mit dieser Diagnose zwischen 2005
und 2014 von 1,6 auf 4 Prozent erhöht. Dies ist ein Ergebnis des aktuellen BARMER GEK
Arztreports 2016, dessen Schwerpunkt auf dem Thema „Alter und Schmerz” liegt. Mit der
Auswertung der Routinedaten von rund 8,6 Mio. Versicherten der BARMER GEK liegen
erstmals valide Zahlen zu diesem Krankheitsbild vor.
Chronischer Schmerz ist eine eigenständige Erkrankung, die spezifisch versorgt werden
muss. Oft liegt keine somatische Ursache für dieses komplexe Krankheitsbild vor, betroffene Patienten leiden sowohl unter körperlichen, psychischen als auch sozialen Beeinträchtigungen. Besonders häufige Begleiterkrankungen des chronischen Schmerzes stellen
Rückenschmerzen, Krankheiten der Wirbelsäule oder eine Arthrose des Kniegelenks dar.
Dr. Christoph Straub
Vorstandsvorsitzender
BARMER GEK
*Therapieansatz, der sich
aus einer Kombination
unterschiedlicher Behandlungsansätze wie Medikamente, Verhaltenstherapie und pädagogische
Maßnahmen zusammensetzt.
Chronischer Schmerz erfordert fachübergreifende und koordinierte Behandlung
Die Qualität der medizinischen Versorgung von Patienten mit chronischem Schmerz müsse
weiter verbessert werden, so Dr. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der BARMER
GEK. Die Versorgung müsse stärker fachübergreifend und koordiniert gestaltet werden.
“Wir müssen verhindern, dass Patienten mit akutem Schmerz eine eigenständige chronische Schmerzkrankheit entwickeln”, betonte Straub. Wenn Patienten mit akuten Schmerzen zum niedergelassenen Arzt kommen, dann sei das erste Ziel, die Patienten von diesen
Schmerzen zu befreien. Gelinge das nicht, so müsse zu einem frühen Zeitpunkt auch an die
psychische und soziale Dimension des Schmerzes gedacht werden. Dem Hausarzt falle
dabei die Rolle eines Lotsen zu: Wenn notwendig, soll er frühzeitig und gezielt weitere
Therapeuten in die Behandlung einbeziehen.
Im stationären Bereich sei eine wachsende Zahl an Versorgungsangeboten zu beobachten,
so Straub. So hat sich die Zahl der Krankenhäuser, die eine multimodale Therapie*
BARMER GEK
Abteilung Politik, Ruth Rumke (V.i.S.d.P.)
[email protected]
Tel. 030-25331-443012
Seite 3 von 4
NR. 3 // 26. Februar 2016
anbieten, zwischen 2006 und 2014 verdoppelt. Es müsse sichergestellt werden, dass die
Qualität der Angebote tatsächlich gesichert sei und die Patienten mit einer hinreichend
intensiven und effektiven Therapie behandelt würden.
Die Forderung nach Einführung eines Facharztes für Schmerzmedizin lehnt Straub ab. Viel
wichtiger sei mehr Kommunikation und Koordination bei der Behandlung.
Bekämpfung des chronischen Schmerzes als Nationales Gesundheitsziel
Aufgrund der Relevanz des Themas schlägt die BARMER GEK vor, die Bekämpfung des
chronischen Schmerzes zu einem Nationalen Gesundheitsziel zu machen. Auf diese Weise
müssten Ärzte, Krankenhäuser, Krankenkassen und die politisch Verantwortlichen ihre
Anstrengungen bündeln, um eine bessere Versorgung der von chronischem Schmerz
betroffenen Patienten zu garantieren.
Prof. Dr. med. Dipl.-Soz.
Joachim Szecsenyi
AQUA – Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im
Gesundheitswesen Prof. Szecsenyi ist verantwortlicher Studienleiter für
den Arztreport 2016.
Weitere Ergebnisse des BARMER GEK Arztreports 2016

Zum Download
BARMER GEK Arztreport
2016

Pressemappe


Zum Download
Tabelle Gesetzgebung
Chronische Schmerzen sind in Deutschland regional sehr unterschiedlich
dokumentiert. Am häufigsten sind mit 5,79 Prozent die Menschen in Brandenburg
betroffen. Die geringste Rate wurde in Bremen mit 2,94 Prozent dokumentiert.
Im Jahr 2014 hatten 92,9 Prozent der Bevölkerung Kontakt zur ambulanten ärztlichen
Versorgung. Im Vergleich zum Vorjahr 2013, in dem die Behandlungsrate in Folge der
ausgeprägten Grippe- und Erkältungswelle noch etwas höher lag, war ein leichter
Rückgang zu verzeichnen.
Insgesamt 34,4 Prozent der Behandlungsfälle wurden 2014 von allgemeinmedizinischen oder internistischen Hausärzten abgerechnet. Ihr geschätzter Anteil an der
Vergütung lag bei 31,2 Prozent.
Die U-Untersuchungen U1 bis U9 werden rege genutzt. Die Teilnahmeraten an den
Untersuchungen U3 bis U7 lagen bundesweit bei etwa 93 bis 96 Prozent.
Termine laufender Gesetzgebungsverfahren
BARMER GEK
Abteilung Politik, Ruth Rumke (V.i.S.d.P.)
[email protected]
Tel. 030-25331-443012
Seite 4 von 4