Artikel als PDF herunterladen

ERSTES SIGNAL DER EUROPÄISCHEN
KOMMISSION BEZÜGLICH
„SIGNALLING“
29.02.2016
Kartellrecht | Moskau
Am 16. Februar hat die Europäische Kommission Verpflichtungszusagen, die
verschiedene Unternehmen der Containerschifffahrt angeboten haben,
veröffentlicht und bittet derzeit interessierte Dritte um Stellungnahme, um zu
sehen, ob die Zusagen geeignet sind, wettbewerbliche Bedenken
auszuräumen. Die russische Wettbewerbsbehörde FAS hat das
Parallelverfahren bereits beendet. Die Zusagen sind zwar auf den konkret zu
entscheidenden Fall begrenzt, können jedoch dennoch als Indikation gesehen
werden, wie die Kommission das sogenannte „signalling“ bewertet, also die
Praxis einen Wettbewerber ohne direkten Kontakt über aktuelle oder künftige
Preise zu informieren.
Die Containerschifffahrtsuntersuchung.
Im Mai 2011, hat die Europäische Kommission die Räume mehrerer
Containerschifffahrtsunternehmen durchsucht und dann im November 2013 ein
förmliches Verfahren eröffnet. Gegenstand dieses Verfahrens war die Praxis der
Unternehmen regelmäßig Preisveränderungen zu veröffentlichen bevor diese
wirksam wurden. Allerdings veröffentlichten die Reedereien nicht die
Endpreise, sondern nur prozentuale Veränderungen zu den bestehenden
Preisen (sogenannte “General Rate Increase”; nachfolgend GRI
Ankündigungen); auch anwendbare Aufschläge wurden nicht angegeben. Diese
GRI Ankündigungen wurden von einigen Reedereien manchmal verschoben
oder angepasst, gegebenenfalls um sie an Ankündigungen anderer Reedereien
anzupassen. Es wurden keine Beweise festgestellt, dass die Reedereien eine
Vereinbarung hatten, ihre Preiserhöhungen zu veröffentlichen.
Artem Kara
Mitglied der Practice Group
Kartellrecht
Dipl.-Jurist (RU)
T +7 495 7995696
Das Verpflichtungszusagenverfahren.
Verpflichtungszusagen ermöglichen der Kommission ein Verfahren zu beenden,
ohne ein kartellrechtswidriges Verhalten feststellen zu müssen. Die
Kommission veröffentlicht die angebotenen Zusagen und bittet interessierte
Dritte um Stellungnahme, d.h. dass interessierte Kreise ihre Ansicht bekannt
machen können, um die Kommission bei der Bewertung zu unterstützen, ob die
Zusagen ausreichend sind, um wettbewerbliche Bedenken auszuräumen. Wenn
die Stellungnahmen die Zusagen als ausreichend erachten, kann die
Kommission diese für die Parteien verbindlich erklären.
Russisches Parallelverfahren.
Die russische Wettbewerbsbehörde FAS hat das Verhalten der Reedereien
ebenfalls untersucht. Im Dezember 2015 hat sie ihre Untersuchung
abgeschlossen und festgestellt, dass die GRI Ankündigungen gegen das
Wettbewerbsrecht verstoßen haben. Derartiges Verhalten müsse als
abgestimmtes Verhalten bewertet werden. Das russische Recht setzt für
abgestimmtes Verhalten kein Kontakt zwischen Wettbewerbern voraus, sondern
nimmt ein solches an, wenn die folgenden Voraussetzungen vorliegen:
Jan Moritz Lang
Mitglied der Practice Group
Kartellrecht
Mitglied der Practice Group
Regulierung & Governmental
Affairs
T +32 2 274 5579
www.noerr.com
twitter.com/NoerrLLP
xing.com/companies
/NoerrLLP
1. das Ergebnis des abgestimmten Verhaltens liegt im Interesse aller
beteiligten Unternehmen;
2. das Verhalten ist den anderen beteiligten Unternehmen aufgrund
einer vorangegangen öffentlichen Aussage eines der beteiligten
Unternehmen dadurch bekannt, dass dieses Unternehmen sein
1
künftiges Verhalten ankündigt;
3. das Verhalten aller beteiligten Unternehmen basiert auf demjenigen
der anderen beteiligten Unternehmen und nicht auf Marktumständen
die alle wirtschaftlichen Einheiten auf dem jeweiligen Produktmarkt
gleichermaßen betreffen.
Die FAS hat festgestellt, dass eine Gesamtwürdigung der Beweismittel ergebe,
dass die GRI Ankündigungen der Reedereien aufgrund des Verhaltens der
anderen erfolge und nicht auf objektive Veränderungen der Marktstruktur
zurückgeführt werden könne.
Angebotene Zusagen, um wettbewerbliche Bedenken
auszuräumen
Die Reedereien haben die folgenden Zusagen angeboten:
die Reedereien werden keine GRI Ankündigungen — d. h.
Ankündigungen von nur als Änderungsbetrag oder -prozentsatz
ausgedrückten Preisänderungen — mehr veröffentlichen und mitteilen;
damit Kunden die Preisankündigungen besser verstehen und sich
darauf verlassen können, werden die Preisangaben der Reedereien
transparenter werden und mindestens die Höhe des Grundpreises, der
Bunkerzuschläge, der Sicherheitsgebühren, der
Terminalumschlagsgebühren und des Hochsaisonzuschlags sofern
anwendbar enthalten.
Preisankündigungen werden künftig für den angegeben Zeitraum als
Höchstpreis verbindlich sein (allerdings dürfen Reedereien weiterhin
günstiger anbieten);
Die Ankündigungen werden frühestens 31 Tage vor der geplanten
Preiserhöhung gemacht; dies ist regelmäßig der Zeitpunkt an dem
Kunden signifikante Mengen buchen.
Preistransparenz ist vorteilhaft, aber veröffentlichte Preise
sind Höchstpreise.
Obwohl manche der Zusagen sehr schifffahrtsspezifisch scheinen, sind sie ein
guter Indikator für die Herangehensweise der Kommission. Im Ergebnis scheint
die Kommission einen gewissen Vorteil für Nachfrager darin zu sehen, dass
transparente Preise verfügbar sind, der wettbewerbliche Bedenken
auszuräumen vermag. Allerdings sollten die Preise dennoch nicht zu früh
bekannt gegebenen werden und für einen gewissen Zeitraum verbindlich sein,
um Unternehmen daran zu hindern, die Preise nach Analyse anderer
veröffentlichter Preise zu erhöhen.
Haben Sie Fragen? Kontaktieren Sie gerne: Artem Kara oder Jan Moritz Lang
Practice Group: Kartellrecht
2