Kartellrecht: Kommission akzeptiert

Europäische Kommission - Pressemitteilung
Kartellrecht: Kommission akzeptiert Verpflichtungsangebote von
Containerlinienreedereien zur Preistransparenz
Brüssel, 7. Juli 2016
Die Europäische Kommission hat die von 14 Containerlinienreedereien angebotenen
Verpflichtungen per Beschluss für rechtsverbindlich erklärt. Die Verpflichtungen sollen die
Preistransparenz für die Kunden erhöhen und die Wahrscheinlichkeit einer Preisabstimmung
verringern.
Mit den Verpflichtungen werden Bedenken der Kommission ausgeräumt, dass die Praxis der
Unternehmen, geplante Preiserhöhungen zu veröffentlichen, dem Wettbewerb und den Kunden
geschadet haben könnte. Diese Praxis könnte unter Verstoß gegen die EU-Kartellvorschriften zu
Preissteigerungen auf dem Markt für Containerliniendienste auf Routen von und nach Europa geführt
haben.
Die für Wettbewerbspolitik zuständige EU-Kommissarin, Margrethe Vestager, erklärte hierzu: „Der
weitaus größte Teil des Stückgüterumschlags im Seeverkehr von und nach Europa entfällt auf den
Containerschiffsverkehr. Wettbewerbsfähige Seeverkehrsdienste sind daher für die europäischen
Unternehmen und für die Wirtschaft der EU insgesamt unverzichtbar. Die von 14 Reedereien
angebotenen Verpflichtungen werden zu transparenteren Preisen für diese Dienste führen und den
Wettbewerb stärken.“
Containerlinienreedereien befördern Container per Schiff nach einem festen Fahrplan zwischen
bestimmten Häfen an einem Ende einer Route (z. B. Shanghai, Hongkong oder Singapur) und
bestimmten Häfen am anderen Ende der Route (z. B. Rotterdam, Hamburg oder Southampton). Mehr
als die Hälfte der Ein- und Ausfuhren der EU werden auf dem Seeweg befördert, rund 40 % davon in
Containern.
Die „GRI Announcements“
14 Containerlinienreedereien (im Folgenden „Reedereien“) haben ihre geplanten Erhöhungen der
Frachtpreise regelmäßig auf ihren Websites, über die Presse oder in anderer Form angekündigt. Dabei
handelt es sich um CMA CGM (Frankreich), COSCO (China), Evergreen (Taiwan), Hamburg Süd
(Deutschland), Hanjin (Südkorea), Hapag Lloyd (Deutschland), HMM (Südkorea), Maersk (Dänemark),
MOL (Japan), MSC (Schweiz), NYK (Japan), OOCL (Hongkong), UASC (Vereinigte Arabische Emirate)
und ZIM (Israel).
Im Rahmen der sogenannten „GRI Announcements“ (General Rate Increase Announcements –
Ankündigungen genereller Ratenerhöhungen) werden keine festen Endpreise für die betreffende
Leistung angekündigt, sondern nur der Betrag der Erhöhung in US-Dollar pro transportierter
Container-Einheit (20-Fuß-Einheit, „TEU“), die betreffende Route und der Tag, ab dem die Erhöhung
wirksam werden soll. Dabei geht es in der Regel um starke Erhöhungen von mehreren hundert USD
pro TEU.
GRI Announcements erfolgen üblicherweise drei bis fünf Wochen vor der geplanten Einführung der
höheren Preise. Während dieser Zeit kündigen einige oder alle anderen Reedereien ähnliche
Erhöhungspläne für dieselbe (oder eine ähnliche) Route und denselben (oder einen ähnlichen) Termin
an. Die angekündigten Preiserhöhungen sind für die Reedereien nicht verbindlich, und einige von ihnen
haben angekündigte generelle Ratenerhöhungen auch tatsächlich verschoben oder geändert, um sie an
die generellen Ratenerhöhungen anderer Reedereien anzugleichen.
Die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission
Die Kommission hatte Bedenken, dass die GRI Announcements den Kunden nicht vollständig
Aufschluss über die neuen Preise geben, sondern es lediglich den Reedereien ermöglichen, die
Preisvorstellungen der anderen Reedereien zu kennen und ihr Verhalten untereinander abzustimmen.
Die Ankündigung geplanter Preiserhöhungen könnte ein Signal für das beabsichtigte Marktverhalten
der Reedereien sein und durch Verringerung der Unsicherheit über ihre Preispolitik den Anreiz mindern,
miteinander zu konkurrieren. Da die Ankündigungen den Kunden nur unvollständige Informationen
bieten und für die Reedereien nicht verbindlich sind, können sich die Kunden nicht unbedingt auf sie
verlassen, sodass die Reedereien ihre Preise anpassen können, ohne Gefahr zu laufen, Kunden zu
verlieren.
Diese Praxis könnte zu höheren Preisen für Containerliniendienste führen und dem Wettbewerb und
den Kunden schaden. Sie könnte daher gegen die Wettbewerbsvorschriften der Europäischen Union
und des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) verstoßen, da Artikel 101 des Vertrags über die
Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und Artikel 53 des EWR-Abkommens aufeinander
abgestimmte Verhaltensweisen von Unternehmen verbieten.
Die Verpflichtungen der Reedereien
Um die Bedenken der Kommission auszuräumen, übermittelten die Reedereien folgende
Verpflichtungsangebote:
- Die Reedereien werden keine GRI Announcements – d. h. Ankündigungen von nur als
Änderungsbetrag oder -prozentsatz ausgedrückten Preisänderungen – mehr veröffentlichen und
mitteilen.
- Damit künftige Preisankündigungen für die Kunden von Nutzen sind, werden die Reeder Zahlen
bekannt machen, die mindestens die fünf wichtigsten Bestandteile des Gesamtpreises enthalten
(Grundpreis, Bunkerzuschläge, Sicherheitsgebühren, Terminalumschlagsgebühren und ggf.
Hochsaisonzuschlag).
- Die Preisankündigungen werden für die jeweilige Reederei für den angegebenen Geltungszeitraum
als Höchstpreise verbindlich sein (die Unternehmen dürfen jedoch Preise verlangen, die unter
diesem Höchstpreis liegen).
- Die Preisankündigungen werden frühestens 31 Tage vor der geplanten Einführung der neuen Preise
gemacht. Zu diesem Zeitpunkt beginnen die meisten Kunden, in erheblichem Umfang zu buchen
(üblicherweise planen sie ihre Lieferungen zwischen 4 Wochen und 1 Woche, bevor die Sendungen
abgehen müssen).
- Die Verpflichtungsangebote gelten nicht für:
a) Mitteilungen an Kunden, die bereits eine gültige Preisvereinbarung für die Route haben, auf die
sich die Mitteilung bezieht, und
b) Mitteilungen während bilateraler Verhandlungen oder Mitteilungen, die auf den Bedarf spezifizierter
Kunden zugeschnitten sind.
Nachdem die Kommission die angebotenen Verpflichtungen einem Markttest unterzogen hat, ist sie
davon überzeugt, dass sie ihre Bedenken ausräumen. Sie werden die Preistransparenz für die Kunden
erhöhen und durch die Bindung an die angekündigten Preise die Wahrscheinlichkeit verringern, dass
die Reedereien abgestimmte Preissignale geben.
Die Kommission hat daher beschlossen, dass die Verpflichtungen für die Reedereien für einen Zeitraum
von drei Jahren ab dem 7. Dezember 2016 rechtsverbindlich sind.
Hintergrund
Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und Artikel 53 des EWRAbkommens verbieten Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die den
Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen und den Wettbewerb verhindern oder einschränken
können.
Im November 2013 hat die Kommission von Amts wegen das förmliche Kartellverfahren eingeleitet, um
die Veröffentlichung von GRI Announcements zu prüfen. Die Kommission gab betroffenen
Marktteilnehmern die Möglichkeit, zu den Verpflichtungsangeboten Stellung zu nehmen, die die
Reedereien im Februar 2016 angeboten hatten. Nach dem Markttest wurde das Unternehmen China
Shipping umstrukturiert und ist seitdem nicht mehr in der Containerlinienschifffahrt tätig. Es musste
daher keine Verpflichtungen anbieten.
Nach Artikel 9 der EU-Kartellverordnung (Verordnung (EG) Nr. 1/2003) kann die Kommission ein
Kartellverfahren beenden, indem sie die von Unternehmen angebotenen Verpflichtungen für
rechtsverbindlich erklärt. Gegenstand eines solchen Beschlusses ist nicht die Feststellung, dass ein
Verstoß gegen die EU-Kartellvorschriften vorliegt, sondern die rechtliche Verpflichtung der betreffenden
Unternehmen, den angebotenen Verpflichtungen nachzukommen. Hält ein Unternehmen sich nicht an
die Verpflichtungen, kann die Kommission gegen das Unternehmen eine Geldbuße in Höhe von bis zu
10 % seines weltweiten Jahresumsatzes verhängen, ohne einen Verstoß gegen die Kartellvorschriften
feststellen zu müssen. Einen Policy Brief zu Verpflichtungsbeschlüssen nach Artikel 9 finden Sie hier.
Weitere Informationen zu dieser Wettbewerbssache, unter anderem die vollständige nichtvertrauliche
Fassung des Beschlusses und der Verpflichtungen, werden auf der Website der Generaldirektion
Wettbewerb der Kommission im öffentlich zugänglichen Register unter der Nummer 39850
veröffentlicht, sobald alle Fragen im Zusammenhang mit dem Schutz vertraulicher Daten geklärt sind.
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