Entrepreneur in der Wüste

Interview
Interview mit Michael Trüschler,
Co-Gründer und Managing Partner, Citruss TV
Entrepreneur in der Wüste
82
Detecon Management Report dmr • 1 / 2016
Die Dynamik der Region sowie gute Voraussetzungen für Arbeitgeber trieben Michael
Trüschler nach Dubai. Seine Idee: die Gründung eines Lifestyle- und Luxusfernsehsenders. Die Erfolgsfaktoren für eine Unternehmensgründung sind aus seiner Sicht der
Glaube an sich selbst, eine hohe Motivation und Freiheit.
DMR: Sie sind Gründer von Citruss TV, einem Teleshopping
­Kanal in Dubai. Könnten Sie uns zunächst einmal ihr Geschäftsmodell beschreiben?
M. Trüschler: Im Prinzip machen wir nichts anderes als das,
was Sie unter Teleshopping aus Deutschland kennen. Unser
Umsatz wird in den nächsten Jahren allerdings vermehrt von
den ­digitalen Sparten kommen, insbesondere vom M-Commerce. Wir verkaufen alle möglichen Produkte, wobei zurzeit
das Hauptaugenmerk auf allem liegt, was mit Küchenartikeln,
Beauty und Kosmetikprodukten zu tun hat. Geografisch gesehen
bedienen wir den gesamten Mittleren Osten und ­Nordafrika,
unser ­Fokus liegt allerdings auf den sechs Golfstaaten, vor allem
Saudi Arabien, Vereinigte Arabische Emirate und Kuwait, auch
Katar, Bahrain und Oman. Am stärksten sind wir in Saudi
­Arabien. Unsere Hauptzielgruppe sind Frauen im Alter zwischen 25 und 45 Jahren, der Orderbetrag beträgt rund 250 Dollar im Durchschnitt. Unser Sender ist komplett auf Arabisch,
denn 95 Prozent unserer Kunden sprechen die a­ rabische Sprache. Wir produzieren unsere Shopping Shows selbst und strahlen 24 Stunden über unseren eigenen Sender aus. Wir haben
aber auch Kooperationen mit anderen Sendern, zum Beispiel
mit dem größten Sender im Mittleren Osten, MBC, bei dem
wir jeden Tag eine Stunde Sendezeit haben und unsere Produkte
verkaufen. Unterstützt wird das durch e-Commerce, also eine
Website und eine Mobile App, auf der man alles kaufen kann.
Alle Produkte sind dort mit den zugehörigen Videos gelistet.
Natürlich sind wir auch im Bereich Social Media aktiv.
DMR: Wie kommt jemand, der eine Banklehre gemacht hat und
davor mit dieser Region nicht in Berührung gekommen ist, auf die
Idee, in Dubai einen Homeshopping Sender zu gründen?
M. Trüschler: Ich wollte schon immer einmal etwas alleine
machen und eine Firma gründen, also mein eigener Chef sein.
2004 liefen sehr viele Reportagen über Dubai im deutschen
Fernsehen, auch über die Dynamik Dubais und seine Vorteile, zum Beispiel Steuerfreiheit und die zentrale Lage in der
Golfregion als Handelszentrum. Das hat mich sehr interessiert.
Gleichzeitig habe ich den Beginn von Teleshopping mit QVC in
Deutschland um 1996 verfolgt. Sie begannen damals mit einer
Stunde Sendezeit und sind immer mehr gewachsen, bis sie einen
24-Stunden-Sender hatten. Da ich bereits überlegte, was ich in
dieser Region aufbauen könnte, dachte ich an Teleshopping, da
es das in dieser Region noch nicht gab.
DMR: Funktionierte das so einfach und reibungslos?
M. Trüschler: Nein, natürlich nicht. Anfangs hatte ich sogar
zwei große Probleme: Zum einen kannte ich niemanden in der
Region, zum anderen hatte ich vom TV-Geschäft keine Ahnung. Ich habe mir zwei Monate Zeit genommen, bevor ich
nach Dubai gegangen bin, habe recherchiert und einen Business
Plan aufgestellt. Danach versuchte ich, Kontakte herzustellen,
denn ich wusste ungefähr, was ich brauchte: Logistikunternehmen, ein Call Center, Produkte und IT. Dann bin ich nach
Dubai gegangen. Die Idee war, mit einem existierenden Sender zusammenzuarbeiten, der alles TV-relevante übernimmt.
Ich selbst wollte mich um das gesamte Back-Office – Logistik,
Call Center, Produkte – kümmern. Das hat aber nicht geklappt.
Ich habe zwar vier bis fünf große Sender getroffen und die Idee
vorgestellt, aber obwohl Interesse da war, hat sich nichts weiter
getan. Zu diesem Zeitpunkt sah es also gar nicht gut aus mit
der Umsetzung meiner Idee und die Ersparnisse waren nach ein
paar Monaten auch so gut wie aufgebraucht.
83
Detecon Management Report dmr • 1 / 2016
Michael Trüschler ist
­Co-Gründer und Managing
Partner von Citruss TV, dem
führenden TV
Shopping Netzwerk im
­Mittleren Osten mit Sitz in
Dubai. Er verantwortet die
Bereiche S
­ trategie (geographische ­Expansion, strategische Partnerschaften),
­Finance (Budget und Cash
Flow Control), Logistics (Warehouse Operations, Liefer­
prozess, Bestandskontrolle),
Verhandlungen mit Lieferanten
sowie weitere Vertragsgestaltungen. Das Unternehmen hat
heute bereits 100 Mitarbeiter.
Zuvor war Trüschler Mitglied
des Handelsbereichs einer
Delegation der Europäischen
Kommission in Washington
sowie Gründer und Managing
Direktor von Camida GbR
­Cologne, einem IT-Service­
unternehmen, das sich auf
Training und Beratung kleiner
Unternehmen spezialisiert hat.
84
Detecon Management Report dmr • 1 / 2016
DMR: Was brachte den Durchbruch?
M. Trüschler: Ich habe meinen heutigen Geschäftspartner getroffen. Wir haben uns am Strand beim Kitesurfen kennengelernt und sind ins Gespräch gekommen. Da er meine Idee gut
fand, haben wir beschlossen, das einfach gemeinsam zu versuchen. Wir haben über Freunde und Familie das Kapital zusammenbekommen und dann hier in Mediacity einen Fernsehsender gegründet. Die Gründung ist im Prinzip ganz einfach.
Unser Problem war es eher, 24 Stunden Sendeplatz zu füllen.
Da Homeshopping nicht die ganze Zeit füllen konnte, haben
wir nebenbei noch Immobilien, Pferde und Yachten übers TV
angeboten, mussten aber nach sechs Monaten feststellen, dass es
besser ist, sich voll auf Teleshopping zu konzentrieren.
DMR: Gab es im Verlauf Ihrer Erfolgsgeschichte weitere Rückschläge?
M. Trüschler: Aller Anfang ist schwer und natürlich gab es Rückschläge. Das schwierigste war, den Sender bekannt zu machen,
sodass die Leute bei uns gekauft haben und wir einen gewissen
Umsatz generieren konnten. Da wir kein arabisch sprechen, der
Sender aber von Anfang an auf Arabisch lief, war die Sprachbarriere eine große Herausforderung für uns. Ein Rückschlag,
an den ich mich noch gut erinnern kann, war die Schließung
unseres damaligen Callcenter innerhalb von zwei Wochen. Wir
standen plötzlich ohne Callcenter, unsere Verkaufsgrundlage,
da. Das war schon ein ziemlicher Schock. Wir haben es aber
glücklicherweise doch noch hinbekommen.
DMR: Wie haben Sie diese Zeit überstanden und durchgehalten?
War Ihre Vision der Treiber?
M. Trüschler: Das kann man nur schaffen, wenn man an sich
und seine Sache glaubt und motiviert ist. Wir waren damals
­außerdem jung [lacht]. Es gibt einen Zeitpunkt im Leben, zu
dem man dieses Risiko eingehen kann. Man hat noch ­keine
eigene Familie, lebt also ohne große Verantwortung, und
schlimmstenfalls hätte man zurück nach Deutschland gehen
und sich dort einen Job suchen müssen. Meine Existenz hing
nicht komplett daran. Deshalb war es für mich der ideale Zeitpunkt, so etwas zu versuchen. Wir haben daran geglaubt, dass
wir das schaffen können, und haben uns immer gegenseitig ermutigt. Für mich war es sehr wichtig, einen Geschäftspartner
zu haben, der genauso intensiv arbeitet wie ich und dem ich
absolut vertrauen kann. In diesem harten ersten Jahr haben wir
sehr viel gelernt. Wir haben unsere Strategie immer wieder neu
durchdacht, neu gestaltet und vor allem Wert auf Effizienz und
Kosten gelegt. Da wir unsere Büros zu Anfang in einem anderen
Fernsehsender hatten, konnten wir sehr viel von diesen L
­ euten
über das Fernsehgeschäft lernen. Wir haben unseren Sender
Schritt für Schritt aufgebaut. 2009 haben wir dann erstmals den
Break Even Point erreicht und schwarze Zahlen geschrieben.
DMR: Was waren für Sie als Deutscher im Ausland die größten
Herausforderungen?
M. Trüschler: Grundsätzlich ist es hier als Unternehmer viel
einfacher als in Deutschland. Es gibt keine Sozialversicherung
und Steuern, die Gesetze sind sehr arbeitgeberfreundlich. Für
Angestellte ist es in Dubai dagegen nicht einfach. Sie sind sehr
abhängig vom Arbeitgeber, zum Beispiel im Hinblick auf Aufenthaltsgenehmigung und Visa, das läuft alles über das Unternehmen. Wenn ein Mitarbeiter keinen „Manager“-Titel hat,
dann kann er auch nicht einfach ohne unser Einverständnis verreisen. Das Umfeld ist also sehr auf den Arbeitgeber zugeschnitten. Die Herausforderungen für uns ergeben sich eher auf der
Interaktionsebene mit Mitarbeitern und Geschäftspartnern. Es
gibt hier einfach ganz andere Vorstellungen, was das Leben und
das Arbeiten betrifft – insbesondere die Einstellung zur Arbeit
ist eine andere. Streitereien geraten öfter von der beruflichen
auf die persönliche Ebene und im Hintergrund laufen Dinge,
die man gar nicht nachvollziehen kann und so auch nicht aus
Deutschland kennt. Generell würde ich auch sagen, dass wir in
Deutschland zielorientierter und motivierter sind, uns ist Karriere sehr wichtig. Natürlich gibt es auch kulturelle Herausforderungen. Die jeweiligen Nationalitäten spielen eine wichtige
Rolle, wenn es darum geht, wer mit wem Geschäfte macht und
wer nicht. Viel läuft über Beziehungen, man muss darauf achten, mit wem man Verträge abschließt.
DMR: Haben Sie sich einheimische Vertragspartner an Bord geholt
für Verhandlungen oder alltägliche Geschäftsbeziehungsangelegenheiten?
Wir haben einen arabischen Anwalt, der uns hilft. Sonst haben
wir sehr viel allein gemacht und auch alleine gelernt. Generell
ist unser großer Vorteil, dass wir direkt mit Endkunden, also
Privatpersonen, Geschäfte machen, die das Produkt nur erhalten, wenn sie dafür bezahlen.
85
Detecon Management Report dmr • 1 / 2016
DMR: Wenn man das Gründungsumfeld in Deutschland mit dem
in den USA vergleicht, fällt ein Unterschied direkt ins Auge: der
Zugang zu Kapital. Wie sehen die Rahmenbedingungen dafür in
­Dubai und Umgebung aus?
M. Trüschler: Ich würde sagen, dass sich in den letzten Jahren
einiges getan hat. Es gab vermehrt größere Summen, auch internationale Firmen und Venture Capitalists sind hier präsent.
Beeindruckende Investments kommen meist von den internationalen Playern und wurden vor allem im Technologiebereich
getätigt. Grundsätzlich ist es aber immer noch sehr schwierig,
an Kapital zu kommen, insbesondere für Neugründungen. Im
Vergleich zu den USA ist es natürlich unterentwickelt.
M. Trüschler: Für Gründer ist vor allem eine Sache wichtig: die
Freiheit. Man braucht gewisse Freiheiten, um sich entfalten und
neue Ideen entwickeln zu können. Was ein Großkonzern aber
bieten kann, ist ein unterstützendes Framework sowie die Infrastruktur. Professioneller Support im Bereich von IT oder auch
von einem erfahrenen Manager kann einem Gründer sehr helfen. Als wir unser Büro noch in den Räumlichkeiten des anderen
Fernsehsenders hatten, haben wir genau das erlebt. Wir ­haben
dort vom Wissen der anderen profitiert und so viel gelernt – das
ist von unschätzbarem Wert. Wenn man das Know-how und
die Infrastruktur gepaart mit Freiheiten und Hierarchiearmut in
einem Großunternehmen bekäme, wäre das die ideale Situation
für einen Gründer.
DMR: Was zeichnet aus Ihrer Sicht einen „Entrepreneur“ aus, was
sollte er mitbringen?
DMR: Wie können wir uns die Unternehmenskultur bei Ihnen
vorstellen?
M. Trüschler: Zuerst einmal muss man an seine Idee glauben
und bereit sein, länger als gedacht durchzuhalten. Ein guter
Partner oder ein gutes Team, dem man vertrauen kann, sind
sehr wichtig. Dieses sollte möglichst aus unterschiedlichen Bereichen mit verschiedenen Hintergründen kommen. Man kann
dann zum Beispiel Know-how aus dem Technologiebereich mit
Marketing und Finanzen kombinieren. Als Gründerteam ist
man damit einfach besser aufgestellt. Man kann sich die Leute selbstverständlich auch einkaufen. Das Team ist auf jeden
Fall sehr wichtig – und dabei geht es nicht nur um kognitive
Fähigkeiten und Skills, sondern auch um die Motivation. Alle
müssen gleich hart daran arbeiten, denn sonst entstehen schnell
Probleme, die alles auseinander brechen lassen. Sonst ist auf jeden Fall Durchhaltevermögen für Gründer elementar, ebenso
die Neugier. Wir haben immer wieder an unserer Geschäftsidee
gearbeitet und einen Learning Loop integriert, um kontinuierlich besser zu werden. Es ist zudem immer gut, wenn man
relativ schnell an den Markt geht und nicht zu lange an einem
möglichst perfekten Konzept schraubt. Einfach loslegen und
schauen, was passiert, ist oft der beste Weg.
M. Trüschler: Recht entspannt, würde ich sagen. Wir als Gründer binden jeden einzelnen Mitarbeiter so gut ein, wie wir
können. Statt Anweisung von oben nutzen wir zielgerichtete
­Meetings mit unseren Abteilungsleitern. Jeder hat hier eine
Stimme. Wir suchen sehr viel Interaktion mit unseren Mitarbeitern und pflegen eine gelebte Open Door Policy.
DMR: Großkonzerne in Deutschland arbeiten oftmals zwar effizient, tun sich aber mit Innovationen und Start-ups eher schwer.
Was wäre wichtig für einen Großkonzern, der Gründer anziehen
möchte?
86
Detecon Management Report dmr • 1 / 2016
DMR: Schafft das Transparenz, vor allem auch im Hinblick auf
die Geschäftsprozesse?
M. Trüschler: Ja, Transparenz ist uns sehr wichtig. Von täglichen
Rund-Emails mit Verkaufszahlen bis zu monatlichen Meetings
mit allen Mitarbeitern versuchen wir, die Geschäftsprozesse sowie aktuelle Themen mit allen zu teilen.
DMR: Wie sieht es mit dem Wachstum bei Citruss TV aus? Halten
Sie die Firma zu 100 Prozent oder haben Sie Beteiligungen?
M. Trüschler: Letztes Jahr haben wir erstmals externes Kapital
über eine Minderheitsbeteiligung aufgenommen. Wir sind in
den ersten Jahren sehr stark gewachsen, könnten aber die Ziele,
die wir uns nun gesteckt haben, nicht ohne externes Kapital erreichen. Jetzt haben wir einen Finanzinvestor mit an Bord, dem
es primär um die Rendite geht, das heißt, er mischt sich nicht in
die Strategie ein. Unsere Interessen hinsichtlich der langfristigen
Entwicklung dieser Firma sind die gleichen. Von Investorenseite
gibt es eine Person, die regelmäßig bei uns in der Firma ist und
sich mit uns berät. Wir haben sehr viel von ihr gelernt, da sie
Erfahrung und Ideen mitbringt, aus dieser Region kommt und
uns dadurch viele Türen öffnen und Kontakte herstellen kann,
die wir allein niemals bekommen würden.
DMR: Wie sieht die Zukunft von Citruss TV aus? Was sind Ihre
Visionen für den Sender und die Firma?
M. Trüschler: Citruss TV soll in den nächsten Jahren zum Synonym für Teleshopping im Mittleren Osten werden. Wichtig
ist, zu verstehen, dass wir kein reiner TV Shopping Sender sind,
sondern einen Multichannel-Ansatz verfolgen. Wir verkaufen
über TV, e-Commerce, m-Commerce und Social Media. Die
mobile App soll in ein paar Jahren zirka ein Drittel unseres Umsatzes generieren. Zurzeit gibt es noch keinen anderen Sender,
der uns im Homeshopping Konkurrenz macht. Allerdings sind
schon einige internationale Homeshopping-Sender auf die Region und Citruss TV aufmerksam geworden, und das ist natürlich sehr interessant für uns. Als Exit-Szenario haben wir den
Verkauf der Firma an einen stragtegischen Investor, ein großes
regionales Unternehmen aus dem Bereich Retail oder einen
IPO im Hinterkopf.
DMR: Es gibt also ein Leben nach Citruss TV für Sie?
M. Trüschler: Klar [lacht]. Ich werde das auf jeden Fall noch
eine Weile machen, aber sicher nicht ewig. Ich bin noch an vielen anderen Geschäftsmodellen interessiert. Das nächste Projekt
kann auch gerne an einem anderen Ort sein, nicht zwingend in
Dubai. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, irgendwann wieder
nach Deutschland zurückzukommen. Was ich dann in Deutschland machen würde, wäre auf jeden Fall etwas anderes als TV.
DMR: Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führten Marc Wagner (Partner), Marcel Widjaja
(Consultant) und Elisa Voggenberger (Business Analyst).
Powered by
Detecon Entrepreneurship Club.
87
Detecon Management Report dmr • 1 / 2016