Empowerment zur Selbsthilfe

MEDIEN
PSYCHENET.DE
Empowerment zur Selbsthilfe
Auch bei psychischen Erkrankungen ermöglichen E-Health-Anwendungen einen
niederschwelligen Einstieg in das Gesundheits- und Hilfesystem und begleiten die Therapie.
A
nnähernd 85 Prozent der deutschen Bevölkerung sind Internetnutzer. Sie können sich im Netz
über psychische Erkrankungen informieren, das Ausmaß der eigenen Betroffenheit abschätzen, lokale
Behandlungsangebote finden, sich
auf Behandlerkontakte vorbereiten,
und sie werden in ihrer Entscheidungskompetenz gestärkt. All diese
Angebote und Anwendungen stellt
das vom Bundesforschungsministerium geförderte E-Mental-HealthPortal unter www.psychenet.de zur
Verfügung. Die evidenzbasierte Informationsressource ist ein Teilprojekt von „psychenet – Hamburger
Netz psychische Gesundheit“.
Das Internetportal bietet wissenschaftlich begründete Informationen
für Patienten und ihre Angehörigen
zu verschiedenen psychischen Erkrankungen, wie Depression, somatoforme Störungen, Psychosen, Magersucht, Bulimie, bipolare Störungen, Substanzmissbrauch, Panik
und Agoraphobie, soziale Phobie
und generalisierte Angststörung an.
Diese Informationen können zum
Beispiel zur Unterstützung der Aufklärung im Arzt-Patienten-Gespräch
eingesetzt werden.
Zusätzlich sind Informationen für
Ärzte und Psychotherapeuten in
Form evidenzbasierter nationaler und
internationaler Leitlinien zur Behandlung von psychischen Erkrankungen bei Kindern, Jugendlichen
(etwa für alkoholbezogene Störungen, Essstörungen, Entwicklungsstörungen) und Erwachsenen (etwa für
Depression, Angst, bipolare Störung,
somatoforme Störungen) verfügbar.
Entscheidungshilfen
Die interaktiv gestalteten Entscheidungshilfen zu Depression, Psychosen, generalisierter Angststörung
und weiteren Entscheidungssituationen, wie zum Beispiel Rückkehr zur
Arbeit nach einer psychischen Er-
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über Telefon beziehungsweise Skype
ergänzt. Ziel dieses Moduls ist es,
den Nutzern des Webportals zur
Stärkung der sozialen und emotionalen Unterstützung einen interaktiven Austausch mit Experten und
anderen Betroffenen zu ermöglichen. Als Kommunikationspartner
stehen hierfür Experten, Peer-Berater und erfahrene Angehörige psychisch Kranker zur Verfügung.
krankung, stellen den Nutzen und
die Risiken jeweils infrage kommender Optionen beziehungsweise Behandlungen in einer laienverständlichen Form dar, helfen Patienten, ihre
Präferenzen zu klären, und unterstützen die gemeinsame Entscheidung
von Arzt und Patient.
In Verbindung mit dem Aufklärungsgespräch können Ärzte, Psychotherapeuten und Einrichtungen
den Patienten somit über die Webseite evidenzbasierte Informationen
und Entscheidungshilfen anbieten.
Das trägt zum besseren Verständnis
auf Patientenseite bei, fördert die
Adhärenz und ist auch ein Instrument für die Patientenbindung.
Außerdem werden Selbsttests
(Screeningtests) in Form validierter
Fragebögen angeboten, mit denen
sich jeder Nutzer eine erste Orientierung verschaffen kann, ob möglicherweise eine psychische Erkrankung vorliegen könnte. Durch die
Selbsttests werden Menschen sensibilisiert, sich frühzeitig an das Hilfesystem zu wenden. Dies beugt einer möglichen Chronifizierung von
psychischen Beschwerden und Erkrankungen vor und verbessert damit deren Behandelbarkeit.
Das Informationsangebot wird
durch eine Kommunikationshotline
Infos zu Versorgungssettings
www.psychenet.
de: Evidenzbasierte Informationsressource für
Patienten und auch
für Fachkräfte
Zur Orientierung wird das psychosoziale Versorgungssystem ausführlich beschrieben und erklärt. Nutzer
können auf der Webseite Informationen über verschiedene Versorgungssettings (wie ambulant, stationär), Behandlungsmöglichkeiten,
Beratungsstellen oder Selbsthilfemöglichkeiten finden. Durch den
angebotenen Einstieg in das Hilfesystem und die Begleitung der Behandlung durch E-Health-Anwendungen wird die Selbstwirksamkeit
von Patienten gefördert.
Darüber hinaus sind auf dem Internetportal Materialien einer Aufklärungskampagne in Form von
Kurzfilmen zur Erfahrungssituation
mit verschiedenen psychischen Erkrankungen, Plakaten und EdgarKarten kostenfrei zugänglich. Sie
können als Unterstützung von Maßnahmen zur Sensibilisierung der
Öffentlichkeit genutzt werden.
Da das Angebot zu großen Teilen
mehrsprachig zur Verfügung steht
(Deutsch, Englisch und Türkisch),
können viele Nutzer – auch mit anderem kulturellen Hintergrund – erreicht werden. Sämtliche Inhalte
wurden und werden von klinischen
und wissenschaftlichen Experten
unter Mitwirkung von Betroffenen
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laiengerecht aufgearbeitet.
Dr. Jörg Dirmaier, Juliane Thiel, Sarah
Liebherz, Prof. Dr. Dr. Martin Härter
Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 113 | Heft 8 | 26. Februar 2016