SEIT 1848 DIENSTAG, 7. APRIL 2015 · PREIS: 2,20 EURO · NR. 20.474*** · DIEPRESSE.COM Physik. Der Teilchenbeschleuniger LHC läuft wieder, in zwei Wochen sollen die ersten Kollisionen stattfinden. Die Führung des Kernforschungszentrums CERN hat auch diesmal griffige Slogans parat. THEMEN „Aufbruch ins dunkle Universum“ FEUILLETON Höchste Kunst aus tiefstem Leid Sie war die intensivste Sängerin, die der Jazz hervorgebracht hat: Zum 100. Geburtstag von Billie Holiday. S. 19 26,7 Kilometer lange Laufbahn für Teilchen: In diesem ringförmigen Tunnel unter der Erde bei Genf befindet sich der Large Hadron Collider (LHC). [ CERN ] Genf. „Hier herrscht große Freude, es hat hervorragend geklappt.“ Mit diesen Worten meldete sich Rolf-Dieter Heuer, Generaldirektor des Europäischen Kernforschungszentrums CERN, am Ostersonntag aus dem Kontrollzentrum in Meyrin bei Genf: „Wir sind alle begeistert, wie schnell nach über zwei Jahren Bauzeit der erste Teilchenstrahl den Beschleunigerring erfolgreich passiert hat.“ Offenbar ist die kleine Panne am 21. März – ein Kurzschluss in der Leitung eines der Magneten, die die rasenden Teilchen auf ihrer Bahn halten – erfolgreich behoben. In etwa zwei Monaten, so Heuer, werden die ersten Teilchen (Protonen, wie sie in Atomkernen vorkommen) miteinander kollidieren – und dabei aus der schieren Energie andere Teilchen entstehen, womöglich solche, die die Physiker noch nicht kennen. Denn das ist der Sinn und Zweck des Teilchenbeschleunigers LHC (Large Hadron Col- lider): Die Energie der Kollisionen bestimmt – laut der von Einstein erklärten Äquivalenz von Materie und Energie – die möglichen Massen der entstehenden Teilchen. In der ersten Serie von Experimenten, von März 2010 bis Oktober 2011, stießen die Protonen mit einer Energie von sieben Teraelektronenvolt (TeV) aufeinander, nun sollen die Kollisionen fast doppelt so heftig sein: 13 TeV. Die erste Serie hat – höchstwahrscheinlich, ganz eindeutig ist es immer noch nicht – den Nachweis eines lang gesuchten Elementarteilchens gebracht: des 1964 erstmals vorhergesagten Higgs-Bosons, dessen Feld anderen Elementarteilchen ihre Massen bescheren soll. Sein Nachweis wurde im Juli 2012 bekannt gegeben, die Analyse der Experimente hatte so lang gedauert, man kann das extrem kurzlebige Teilchen (es hält gerade 10–22 Sekunden!) nur aus seinen Zerfallsprodukten bzw. deren Bahnen erschließen. KOMMENTAR BESCHLEUNIGER Der LHC (Large Hadron Collider) folgte auf den LEP, in dem bis 2000 Elektronen zur Kollision gebracht wurden. 1994 genehmigte das CERN Council den Bau, 2008 startete der Betrieb zum ersten Mal, allerdings sorgte damals ein technischer Defekt für einen einjährigen Stillstand. VON NIKOLAUS JILCH Steuerreform: Danke für fast nichts W ir haben es ja schon geahnt, aber jetzt haben es die Innsbrucker Ökonomen der Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung auch ausgerechnet. Dank der unbarmherzigen kalten Progression wird die gesamte Entlastung der mit großen Worten angekündigten Steuerreform, die ab 2016 einsetzen soll, bis 2019 wieder verpuffen. Die kalte Progression bezeichnet die fast unsichtbar stei- gende Steuerbelastung durch das Aufrücken in höhere Einkommensteuerklassen. Genau genommen war die Steuerreform nie eine Entlastung, sondern nur eine kleine Verringerung der Zusatzbelastung durch eben diese kalte Progression. Trotz Reform werden die Steuerzahler laut den Tiroler Forschern durch die kalte Progression pro Jahr fast eine Milliarde Euro mehr abgeben müssen. Stark betroffen sind die mittleren Einkommen – auch das haben wir schon geahnt. Wäre es der Regierung ernst mit einer Entlastung der Bürger, müsste sie die kalte Progression entschärfen – durch die jährliche automatische Anpassung der Steuerklassen. Bis dahin heißt es: DanSeite 15 ke für fast gar nichts. [email protected] Welche Teilchen im nunmehr zur Verfügung stehenden Energie- respektive Massenbereich gefunden werden könnten, ist offen. Das Standardmodell der Teilchenphysik ist ja nach der Entdeckung des Higgs-Bosons komplett: Es enthält neben diesem die Teilchen, aus denen die gewöhnliche, atomare Materie besteht – Fermionen: Quarks, Neutrinos, Elektronen und je zwei schwerere Geschwister dieser Teilchen – und die sogenannten Austauschteilchen (Bosonen), die drei der vier Grundkräfte verkörpern: Photonen für den Elektromagnetismus, Gluonen für die starke Kraft, Vektorbosonen für die schwache. Für die vierte Grundkraft, die Gravitation, kennt man die Bosonen (noch) nicht. Supersymmetrische Teilchen? Es gibt eine Theorie, die starke, schwache und elektromagnetische Kraft in einem Formalismus vereinen könnte, die Supersymmetrie (Susy): Sie sagt voraus, dass es zu jedem bekannten Fermion ein (bisher unbekanntes) Boson gibt und umgekehrt. Manche Physiker hoffen, dass sich im LHC solche supersymmetrischen Teilchen zeigen. Eine andere Hoffnung gilt der Dunklen Materie, von der keiner weiß, woraus sie bestehen soll. Der „enorme Energieschub“ im LHC eröffne die Möglichkeit, „fundamentale Fragen der Menschheit nach dem Wesen des Universums zu beantworten, darunter Fragen nach der Beschaffenheit der Dunklen Materie“, sagt Fabiola Gianotti, die das CERN ab 2016 leiten wird, im DPA-Interview; „vielleicht gelingt uns der Aufbruch in das dunkle Universum“, formuliert es der aktuelle Generaldirektor Heuer noch plakativer. Ängste seien jedenfalls unberechtigt: „Die Dunkle Materie existiert schon seit Milliarden von Jahren, ohne dass sie Schaden anrichtet.“ (ag./tk) Säubert Alexis Tsipras seine Partei? Die Geldgeber Griechenlands hoffen auf einen Bruch des griechischen Premierministers mit dem linken Flügel von Syriza. S. 3 ARGENTINIEN Keine Rinder aus der Pampa? Die feinen Rinderfilets werden ins Ausland exportiert. Den Argentiniern bleibt nur ungesundes Mastfleisch. S. 12 ECONOMIST Progression frisst Entlastung Schon 2017 wird ein Teil des Entlastungseffekts der Steuerreform verpufft sein. Mittlere Einkommen trifft das besonders. S. 15 NAVIGATOR Veranstaltungen, Kino, Radio & TV ..... S. 9, 11 Sport ...................... S. 16 Wetter ................... S. 24 Impressum ......... S. 24 24 Stunden ........ S. 24 [ Fotos: Sony Music ] Leitartikel: Seite 2 DER NEUE DISCOVERY SPORT. 36 Monate Jetzt entdecken: landrover.at Bringen auch Sie Ihre Kunst DETAIL T+43 1 532 42 00, [email protected] Verbrauchswerte: Kraftstoffverbrauch 4,5 – 8,5 l/100 km kombiniert; CO2-Emission kombiniert 119 – 197 g/km GRIECHENLAND Maria Lassnig Brettl vorm Kopf, 1967 verkauft um € 450.700 Auktionshaus im Kinsky GmbH Palais Kinsky 1010 Wien, Freyung 4 www.imkinsky.com 1,8 %* Die sichere Adresse für Sparer Eröffnen Sie jetzt Ihr Sparkonto und profitieren Sie von den attraktiven Zinsen der DenizBank. * Zinssatz p.a., gültig nur für Privatpersonen und bis auf Widerruf. www.denizbank.at Contact Center 0800 88 66 00 Tagesgeld 1,0 %* DenizBank ist ein Unternehmen der Sberbank Gruppe. 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