294 W I S S ENS CHAFT · S P E C I A L : D U RCHF L U S S Z Y TO M E T R I E Methoden der Zellzählung Referenzverfahren zur Messung von Stammzellkonzentrationen JÖRG NEUKAMMER 1 , MARTIN KAMMEL 1 , JANA HÖCKNER 2 , ANDREAS KUMMROW 1 , ANDREAS RUF 2 1 PHYSIKALISCH-TECHNISCHE BUNDESANSTALT (PTB), BERLIN 2 STÄDTISCHES KLINIKUM KARLSRUHE Reference measurement procedures are indispensable to reliably determine blood cell concentrations, since medical diagnosis, initiation of therapy and control of blood products are often based on concentration limits of specific cell subpopulations. We have developed a reference procedure to directly determine stem cell concentrations. In the same measurement both established routine protocols, i.e. relative enumeration with respect to calibration particles or leukocytes, are simultaneously applied. DOI: 10.1007/s12268-015-0577-8 © Springer-Verlag 2015 Apheresat PBS mit 2 % Albumin in EDTA-Röhrchen Sysmex XN verdünntes Apheresat CD45 – FITC (BD) CD34 – PE (BD) 15 min, dunkel immunmarkiertes Apheresat PeliLyse (Sanquin) 15 min, dunkel immunmarkiertes lysiertes Apheresat PTBReferenzgerät TruCount (BD) ¯ Abb. 1: Probenpräparation zur Bestimmung der Stammzellkonzentration mit dem PTBReferenzgerät. Zum direkten Vergleich mit der Ein-PlattformMethode wurde die Probe in ein Röhrchen mit TruCount™Kalibrationspartikeln gegeben. Bei der Auswertung entsprechend der Zwei-Plattform-Methode werden die mit einem Hämatologieanalysator (Sysmex XN) gemessenen Leukozytenkonzentrationen benötigt. ó Die Transplantation hämatopoetischer Stammzellen wird mit zunehmender Häufigkeit zur Behandlung schwerer Erkrankungen durchgeführt. Eine Dosis von mehr als 4 × 106 vitale Stammzellen pro Kilogramm Körpergewicht des Empfängers wird für allogene Transplantationen angestrebt, um eine erfolgreiche Behandlung zu ermöglichen [1]. Die durchflusszytometrische Zellzählung ist hierbei für die Ermittlung der Stammzelldosis einzelner Stammzellprodukte und damit für die Qualifizierung der Produkte und deren Qualitätssicherung unverzichtbar. Referenzmessverfahren gestatten die Bewertung von Routineverfahren. Im Folgenden beschreiben wir die Anwendung des Referenzmessverfahrens zur direkten Konzentrationsbestimmung hämatopoetischer Stammzellen. Die Proben wurden dabei so vorbereitet, dass sich aus den mit dem Referenzgerät gemessenen Daten auch die Ergebnisse der beiden als Einund Zwei-Plattform-Methode bezeichneten Routineverfahren ergeben. Routineverfahren: Ein- und ZweiPlattform-Methode Eine spezifische immunologische Färbung mit den Antikörpern gegen CD34 und CD45 erlaubt die Identifikation der Stammzellen [2]. In der Probe befinden sich außerdem Leukozyten, die kein CD34 exprimieren. Die Relativmessung von Stammzellen zu der Leukozytenanzahl ist eines der bisher verwendeten Routineverfahren und wird als Zwei-Plattform-Methode bezeichnet, da neben einem optischen Durchflusszytometer eine weitere Plattform, in der Regel ein Hämatologieanalysator, benötigt wird. Die Ein-Plattform-Methode setzt dagegen auf fluoreszierende Partikel als Kalibratoren, die der Mess-Suspension hinzugefügt werden. Die Anzahl der Stammzellen wird relativ zur Anzahl dieser Partikel bestimmt. Zur Angabe der Konzentration der Stammzellen muss bei der Zwei-Plattform-Methode die Konzentration der Leukozyten und bei der EinPlattform-Methode die des Kalibrators bekannt sein. BIOspektrum | 03.15 | 21. Jahrgang 295 Präparation zum Vergleich des Referenzverfahrens und der Routineverfahren Zur gleichzeitigen Messung von Konzentrationen mit dem Referenzverfahren und den beiden Routineverfahren wurde zunächst die für die Zwei-Plattform-Methode erforderliche Leukozytenkonzentration nach geeigneter Verdünnung des Apheresats mit einem Hämatologiegerät bestimmt (Abb. 1). Das vorverdünnte Apheresat wird zur Färbung 15 Minuten mit den Antikörpern CD34 und CD45 inkubiert. Als Fluorochrome wurden Fluoresceinisothiocyanat (FITC) und Phycoerythrin (PE) verwendet. Nach der Färbung erfolgte die Lyse der Erythrozyten. Vor der Messung mit dem Referenzgerät der PhysikalischTechnischen Bundesanstalt (PTB) wurde die Probe zur Anwendung der Ein-PlattformMethode in TruCount™-Röhrchen mit Kalibrationspartikeln bekannter Anzahl oder Konzentration hinzugefügt. Bei der anschließenden Messung ergibt sich die Konzentration der CD34-positiven Stammzellen aus (1) ihrer direkten Zählung und Bestimmung des Pro- BIOspektrum | 03.15 | 21. Jahrgang ˚ Abb. 2: Genaue Volumendosierung mittels einer gravimetrisch kalibrierten Spritze. Der Sprit- zenvorschub erzeugt einen erhöhten Druck des Luftpolsters über der Probe, die dadurch in den Flusskanal injiziert wird. Temperatur- (T) und Drucksensoren (p) dienen der Kontrolle, dass sich während der Fluoreszenzmessung keine Änderungen der stationären Bedingungen ergeben. benvolumens, (2) ihrer relativen Anzahl zu der der CD45-positiven Leukozyten (entsprechend der Zwei-Plattform-Methode) und (3) aus ihrer Anzahl bezüglich der Kalibrationspartikel (entsprechend der Ein-PlattformMethode). 296 W I S S ENS CHAFT · S P E C I A L : D U RCHF L U S S Z Y TO M E T R I E während der Messung kontrolliert. Für die Volumenmessung wurde eine relative Messunsicherheit von kleiner 0,25 Prozent bei einer Zugabe von 200 Mikrolitern erreicht. Eine weitere Modifikation betrifft die direkte Verbindung zwischen Probe und der Durchflusszelle durch eine Platin-Iridium-Kanüle. In Routinegeräten werden Schläuche eingesetzt, die eine genaue Volumenmessung verhindern und zu Hämolyse und Adhäsionsverlusten führen können. Ergebnisse und Diskussion ˚ Abb. 3: Fluoreszenz-Streudiagramm zur Zählung der CD34-positiven Stammzellen. Gleichzeitig werden die Anzahl der Leukozyten und der Kalibrationspartikel (Beads) registriert. Damit können die Ergebnisse der direkten Referenzmessung mit den Relativmessungen der Ein- und der ZweiPlattform-Methode verglichen werden (weitere Details siehe Text). Metrologische Rückführung mit Referenzverfahren Referenzmessverfahren bieten gegenüber Routineverfahren eine höhere Messgenauigkeit und liefern Werte, die möglichst nah am wahren Wert der entsprechenden Größe liegen. Da ein höherer Zeitaufwand erforderlich ist, werden sie für bestimmte Anwendungen eingesetzt, etwa zur Bestimmung von Zielwerten bei Ringversuchen zur externen Qualitätssicherung in der Laboratoriumsmedizin [3]. Ein Beispiel ist die Konzentrationsbestimmung von roten Blutzellen [4], für die das Referenzmessverfahren in einem nationalen Standard beschrieben ist [5]. Referenzmessverfahren werden auch eingesetzt, um Kalibratoren Referenzwerte zuzuweisen und um die in ISO 17511 beschriebene Rückführung auf (abgeleitete) SI-Einheiten sicherzustellen [6]. Die Rückführungskette beinhaltet Kalibratoren und eine zuverlässige interne Qualitätssicherung der klinischen Anwender. Die Durchführung von Ringversuchen und der Vergleich von Referenzmesswerten mit Werten, die in der klinischen Routine bestimmt werden, erlauben damit eine Validierung der gesamten Rückführungskette, vorausgesetzt der Endanwender erreicht den Referenzmethodenwert innerhalb der festgelegten Bewertungsgrenzen [3]. Referenzmessgerät Derzeit sind keine kommerziellen Durchflusszytometer oder Hämatologieanalysatoren verfügbar, mit denen Referenzmesswerte bestimmt werden können. Die in der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt entwickelten Referenz-Durchflusszytometer [4] für die Bestimmung von Zielwerten bei Ringversuchen zum kleinen Blutbild und das auf der Anfertigung einer Verdünnungsreihe beruhende Referenzverfahren sind nicht für den Einsatz in einem klinischen Laboratorium geeignet. Um Referenzmessverfahren auch in der Routine einzusetzen, wurde ein kommerzielles Durchflusszytometer (Partec CyFlow ML) mit der in Abbildung 2 dargestellten Probendosierung ausgestattet. Die Volumenmessung erfolgt durch eine gravimetrisch rückgeführte Spritze [7], die von einem Linearmotor angetrieben wird. Die Druckerhöhung aufgrund des Vorschubs des Spritzenkolbens bewirkt die Injektion der Probe durch eine Kanüle in die Flusszelle des optischen Durchflusszytometers. Druck (p) und Temperatur (T) des Gaspuffers werden Abbildung 3 zeigt ein typisches Ergebnis einer Messung von Stammzellen. In dem Fluoreszenz-Streudiagramm ist die normierte Intensität der CD34-PE-Fluoreszenz gegen die der CD45-FITC-Fluoreszenz aufgetragen. Die Darstellung zeigt drei Punktwolken, die den Stammzellen, den Leukozyten und den Kalibrationskügelchen entsprechen. Aus der Anzahl der Stammzellen und der Volumenmessung folgt der Referenzmethodenwert für die Konzentration zu CRMW= (245 ± 6) μl–1. Aus der relativen Anzahl bezüglich der Leukozyten erhalten wir den Wert für die ZweiPlattform-Methode C2P = (258 ± 46) μl–1, aus dem Verhältnis zu der Anzahl der Kalibrationspartikel folgt die Konzentration basierend auf der Ein-Plattform-Methode C1P = (238 ± 12) μl–1. Die Ergebnisse stimmen gut überein, allerdings unterscheiden sich die Messunsicherheiten drastisch. Bei der Referenzmessmethode sind die Unsicherheiten von 2,5 Prozent durch die Genauigkeit der Volumenmessung und die Zählstatistik bestimmt. Bei der Zwei-Plattform-Methode tragen die Messunsicherheiten der Leukozytenmessung erheblich zur Gesamtmessunsicherheit bei und betragen im ungünstigsten Fall 18 Prozent, da derartige Abweichungen vom Zielwert für Leukozytenmessungen bei der externen Qualitätssicherung zulässig sind [3]. Bei der Ein-Plattform-Methode kommt zu den statistischen Beiträgen noch die Messunsicherheit der Anzahl von Kalibrationspartikeln, die wir für diese Charge von TruCount™-Röhrchen zu 2,1 Prozent bestimmt haben. Unsere Ergebnisse demonstrieren den Einsatz eines Referenzmessverfahrens zur Stammzellzählung in einem klinischen Laboratorium. Die direkte Messung des Volumens lieferte im Vergleich zu den Relativmessungen auf Basis der Ein-Plattform- oder Zwei-Plattform-Methode geringere Messunsicherheiten. Derzeit führen wir systematische Untersuchungen zum Vergleich der Referenzmethode BIOspektrum | 03.15 | 21. Jahrgang mit den derzeit etablierten Ein- und ZweiPlattform-Methoden an frischen und kryokonservierten Apheresaten beim Einsatz mit verschiedenen Kalibrationspartikeln durch. Zusätzlich wird in diesen Experimenten die Anwendbarkeit der Resultate auch auf Routinegeräten verschiedener Hersteller geprüft. Ziel ist die Quantifizierung der Messunsicherheiten, die Bestimmung der Abweichungen vom Referenzmesswert im klinisch relevanten Konzentrationsbereich, um die am besten für Routinemessungen geeignete Methode zu validieren. der Konzentration der Erythrozyten – Referenzmethode. DIN 58932-3 [6] Deutsches Institut für Normung (2003) In-vitroDiagnostika – Messung von Größen in Proben biologischen Ursprungs – Metrologische Rückführbarkeit von Werten, die Kalibriermaterialien und Kontrollmaterialien zugeordnet sind. DIN EN ISO 17511 [7] Reitz S, Kummrow A, Kammel M et al. (2010) Determination of micro-litre volumes with high accuracy for flow cytometric blood cell counting. Meas Sci Technol 21, doi: 10.1088/0957-0233/21/7/074006 Danksagung Wir danken Frau Nicole Bock und Frau Dagmar Oehmichen für ihre Unterstützung bei der Durchführung der Experimente. Die Arbeiten wurden gefördert durch das BMWi-Förderprogramm „Transfer von Forschungs- und Entwicklungsergebnissen (FuE) durch Normung und Standardisierung“ und von der Europäischen Union und EURAMET im European Metrology Research Programme (EMRP) SIB-54, 2012 ‘BioSITrace’. ó Literatur [1] Bundesärztekammer (2014) Richtlinie zur Herstellung und Anwendung von hämatopoetischen Stammzellzubereitungen. Dtsch Arztebl 111, doi: 10.3238/ arztebl.2014.rl_haematop_sz01 [2] Sutherland DR, Anderson L, Keeney M et al. (1996) The ISHAGE guidelines for CD35+ cell determination by flow cytometry. J Hematotherapy 5:213–226 [3] Bundesärztekammer (2014) Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen. Dtsch Arztebl 111:A1583–A1618 [4] Kammel M, Kummrow A, Neukammer J (2012) Reference measurement procedures for the accurate determination of cell concentrations: present status and future developments. J Lab Med 36:25–35 [5] Deutsches Institut für Normung (1994) Bestimmung der Blutkörperchenkonzentration im Blut – Bestimmung Korrespondenzadressen: Dr. rer. nat. Jörg Neukammer Abteilung „Medizinphysik und metrologische Informationstechnik“ Physikalisch-Technische Bundesanstalt Abbestraße 2–12 D-10587 Berlin Tel.: 030-3481-7241 Fax: 030-3481-7505 [email protected] PD Dr. med. Andreas Ruf Abteilung für Transfusionsmedizin und Hämostaseologie Städtisches Klinikum Karlsruhe gGmbH Moltkestraße 90 D-76133 Karlsruhe Tel.:0721-974-1701 Fax: 0721-974-1709 [email protected] AUTOREN Jörg Neukammer, Martin Kammel, Jana Höckner, Andreas Kummrow und Andreas Ruf (v. l. n. r.) An der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt werden in der Arbeitsgruppe „Durchflusszytometrie und Mikroskopie“ (Leitung: Dr. Jörg Neukammer) Referenzmessverfahren zur Konzentrationsbestimmung von Zellen in Körperflüssigkeiten entwickelt. Die Untersuchungen zur Bestimmung der Stammzellkonzentrationen wurden im Klinikum Karlsruhe in der Abteilung für Transfusionsmedizin und Hämostaseologie durchgeführt (Leitung: PD Dr. med. Andreas Ruf). BIOspektrum | 03.15 | 21. Jahrgang
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