Analysis 3

Bálint Farkas
Analysis 3
Skript zur Vorlesung in WS2014/2015
21. Mai 2015
c by B. Farkas
compiled: 21-May-2015/11:13
i
VORBEMERKUNGEN
Dieses Skript beinhaltet das Material der Vorlesung Analysis 3 gehalten an
der Bergischen Universität Wuppertal im Wintersemester 2014/2015. Wegen
zeitlicher Einschränkungen wurden einige Beweise in der Vorlesung nur sehr
kurz oder gar nicht behandelt. Als “ÜA” markierte Beweise sind dem Leser
überlassen, wurden aber teilweise in den Übungsgruppen angesprochen.
Das Skript sollte mit Vorbehalt und Kritik gelesen werden. Einige Fehler sind
schon von Rebecca Braken, Fabian Cassel, Sven Karbach, Patrick Krüger, Elke Loh, Artur Mildner, Patrick Pfeifer, Lukas, Schelkes, Tom Wiersbowsky,
Sven-Ake Wegner, Alexander Wortmann entdeckt und mir übermittelt worden. Besten Dank dafür! Das Skript ist ständig unter Bearbeitung, so werde
ich wichtige Änderungen protokollieren. Sollte der aufmerksame Leser weitere
Verbesserungsvorschläge haben, würde ich mich sehr darüber freuen.
Bálint Farkas
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Inhaltsverzeichnis
2
σ-Algebren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
Algebren und Ringe von Mengen, σ-Algebren, σ-Ringe, grundlegende Eigenschaften, Mengenoperationen, Erzeugung von σ-Algebren, Borel-Mengen,
Gδ - und Fσ -Mengen, Erzeugungssysteme für B(Rd ), Dynkin-Systeme.
3
Maße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
Maße, Maßräume, Dirac-Maß, Zählmaß, endliche und σ-endliche Maße,
Lebesgue-Maß, Stetigkeit nach unten und nach oben, Vervollständigung
eines Maßraums, Borel-Regularität von Maßen.
4
Meßbare Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
Messbare Funktionen, Borel-Messbarkeit, erweiterte reelle Zahlen, grundlegende Eigenschaften und Operationen, Grenzwert, Supremum und Infimum von Folgen messbarer Funktionen, Approximationssatz für einfache
Funktionen.
5
Integrierbare Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
Integral positiver Funktionen, Satz von Beppo Levi, Integration positiver Reihen, Lemma von Fatou, Konvergenzsätze fast überall, Integral für
R- und C-wertige Funktionen, der Vektorraum integrierbarer Funktionen,
Satz von Lebesgue über dominierte Konvergenz, Vertauschen von Integral
und Summe, Differenzierbarkeit von Parameterintegralen.
6
L p Räume und Integralungleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
Hölder-, Young-, Minkowski-Ungleichung, L p -Funktionen, Jensen-Ungleichung,
die Ungleichungen von Clarkson, der Satz von Riesz–Fischer, punktweise Konvergenz in L p , der Raum L ∞ , allgemeinere Hölder-Ungleichung,
Interpolationsungleichung, Struktur von L p -Funktionen.
7
Konstruktion von Maßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
Äußere Maße, relative Äußere Maße, Konstruktion von äusseren Maßen,
Sätze von Carathéodory und Hahn, Carathéodory-messbare Mengen, das
Fortsetzungstheorem, das Eindeutigkeitstheorem, metrische äußere Maße.
8
Der Lebesguesche Maßraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
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INHALTSVERZEICHNIS
iii
Das Lebesgue-Maß, Lebesgue-Nullmengen, Charakterisierung von LebesgueMengen, Translationsinvarianz, Regularität, der Satz von Luzin, nicht
Lebesgue-messbare Mengen, Charakterisierung des Lebesgueschen Maßraums, Riemann- vs. Lebesgue-Integral.
9
Produkte von Maßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
Das Produktmaß, Sätze von Fubini und Tonelli, geometrische Bedeutung
des Integrals, Cavalierisches Prinzip.
10 Transformation des Integrals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
Maßtreue Abbildungen, Transformationssatz, Polarkoordinaten, Kugelkoordinaten, d-dimensionale Kugelkoordinaten, Rotationssymmetrische Funktionen, Volumina von Kugeln, Integral von Gaußschen Funktionen.
11 Die Lp -Räume und die Faltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
L p -Räume, Markow-Ungleichung, Lp -Räume bzgl. des Lebesgue-Maßes,
Translation, Faltung, die Banachalgebra L1 (Rd ), Young-Ungleichung, DiracFolgen, Approximative Eins, Mollifier-Folgen, C∞ -Urysohn-Lemma.
12 Das Flächenintegral . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
Flächenintegral mit Hilfe regulärer Parametrisierung, metrische Fundamentalform, Untermannigfaltigkeiten in Rd , regulärer Punkt und Wert,
die d-Sphäre, Zerlegung der Eins, Flächenintegral, Flächeninhalt, Tangentialraum, Normalenraum, C1 -Rand, Normaleneinheitsfeld, Satz von Gauß,
die Green-Formel.
13 Das Fourier-Integral . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
Das Fourier-Integral in L1 , das Riemann-Lebesgue Lemma, Translation,
Modulation, Faltung und Produkt, die Fouriertransformation und die Ableitung, der Schwartz-Raum, die Fouriertransformation in L2 , Plancherels
Theorem, die Lp -Fouriertransformation, die Hausdorff-Young-BecknerUngleichung, das Paley-Wiener Theorem, die Wärmeleitungsgleichung,
die Poisson-Gleichung.
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
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Kapitel 2
σ-Algebren
2.1 Mengensysteme
Sei X 6= ∅ beliebige Menge und bezeichne mit P(X) die Potenzmenge von
X d.h.
P(X) := A | A ⊆ X .
Definition 2.1. a) Sei A ⊆ P(X), ein s.g. Mengensystem. A heißt eine
Algebra (über X), falls gilt:
(A1) ∅, X ∈ A ,
(A2) A, B ∈ A =⇒ A ∪ B, A ∩ B und A \ B ∈ A .
Dabei heißt X die Grundmenge für A . Man sagt, dass A ∩-stabil ist
falls für A, B ∈ A gilt A ∩ B ∈ A . Analog definiert man ∪-stabil und
\-stabil. Falls zusätzlich gilt:
(A3) An ∈ A für n ∈ N
=⇒
[
n∈N
An ∈ A ,
so heißt A eine σ-Algebra.
b) Fordert man statt (A1) nur
(A10 ) ∅ ∈ A ,
so heißt A mit Eigenschaften (A10 ) und (A2) ein Ring, und mit zusätzlicher Eigenschaft (A3) ein σ-Ring.
c) Ist A eine σ-Algebra über X, so heißt das Paar (X, A ) ein messbarer
Raum.
Beispiel 2.2. 1. {X, ∅} ist die kleinste σ-Algebra über X.
2. P(X) ist die größte σ-Algebra über X.
7
2 σ-Algebren
8
3. Sei X = {0, 1}, so ist A := {∅, {1}} ein Ring, aber keine Algebra über X
und B := {∅, {0}, {1}} ist kein Ring.
4. Sei X unendlich. Dann ist
A := A ⊆ X | A endlich
ein Ring, aber keine Algebra.
5. Sei X unendlich (z.B. X = N). Dann ist
A := A ⊆ X | A endlich oder Ac endlich
eine Algebra aber keine σ-Algebra.
6. Sei X beliebig (z.B. X := R). Dann ist
A := A ⊆ X | A abzählbar oder Ac abzählbar
eine σ-Algebra.
7. Bezeichne [a, b) das halb offene Intervall {x|a ≤ x < b}. Sei
N
n o
[
R := A A =
[aj , bj ), N ∈ N, aj , bj ∈ R .
j=1
Dann ist R ein Ring aber keine Algebra über R.
Satz 2.3. A ⊆ P(X) ist genau dann eine σ-Algebra, wenn die folgenden
Eigenschaften erfüllt sind:
(1) ∅ ∈ A ,
(2) A ∈ A =⇒ Ac := X \ A[
∈A,
(3) An ∈ A für n ∈ N =⇒
An ∈ A .
n∈N
Beweis. Sei A eine σ-Algebra. Dann ist ∅, X ∈ A und somit ist (1) klar. Sei
A ∈ A . Da X ∈ A , bekommen wir X \ A ∈ A , somit ist (2) bewiesen. (3)
ist trivial.
Sei jetzt A ein Mengensystem mit den Eigenschaften (1)–(3). Aus (1) und
(2) folgt, dass ∅, X ∈ A . (3) impliziert, dass A ∪-stabil ist und wegen
[ c
\
An =
Acn ,
n
n
dass A ∩-stabil ist. Da A\B = A∩B c ist, gilt auch A\B ∈ A für A, B ∈ A .
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2.2 Konstruktionen
9
Satz 2.4 (Disjunktisierung). Sei A ⊆ P(X) ein Ring, und seien An ∈ A
für jedes n ∈ N gegeben. Dann existieren Bn ∈ A mit Bn ⊆ An , Bi ∩ Bj = ∅
für alle i 6= j und
N
[
An =
n=1
insbesondere gilt
N
[
n=1
für jedes N ∈ N,
∞
[
∞
[
n=1
Bn
An =
Bn .
n=1
Beweis. Setze B1 := A1 . Falls B1 , . . . , Bn mit den gewünschten Eigenschaften
schon definiert sind, fahren wir rekursiv fort und setzen
Bn+1 := An+1 \ B1 ∪ · · · ∪ Bn = An+1 \ A1 ∪ · · · ∪ An .
Die Mengen Bn (n ∈ N) haben die gewünschten Eigenschaften.
Korollar 2.5. Sei A ⊆ P(X). Dann ist A genau dann eine σ-Algebra,
wenn A eine Algebra ist und zusätzlich gilt:
An ∈ A für alle n ∈ N, und Ai ∩ Aj = ∅ für i 6= j
=⇒
∞
[
n=1
An ∈ A .
2.2 Konstruktionen
Anmerkung 2.6. 1. Seien A , B σ-Algebren über demselben X. So ist
A ∩B = A|A∈A, A∈B
auch eine σ-Algebra über X.
2. Allgemeiner: Sei I eine nichtleere Menge (Indexmenge) und seien Aα alle
σ-Algebren für α ∈ I über demselben X. So ist
\
A :=
Aα
α∈I
auch eine σ-Algebra.
Definition. Sei E ⊆ P(X). Dann heißt
σX (E ) := σ(E ) =
\
A
A σ-Alg.
E ⊆A
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2 σ-Algebren
10
die von E erzeugte σ-Algebra über X.
Anmerkung. σ(E ) ist wegen der obigen Anmerkung 2 tatsächlich eine σAlgebra, die kleinste σ-Algebra über X, welche E enthält. D.h. für jede σAlgebra B ⊆ P(X) mit E ⊆ B gilt σ(E ) ⊆ B.
Beispiel. 1. E = ∅ =⇒ σ(E ) = {∅, X}.
2. E = {∅} =⇒ σ(E ) = {∅, X}.
3. E = {A} =⇒ σ(E ) = {∅, A, Ac , X}.
Satz 2.7. a) Ist E selbst eine σ-Algebra, so ist σ(E ) = E . Insbesondere gilt
σ(σ(E )) = σ(E ).
b) Gilt E ⊆ F , so gilt auch σ(E ) ⊆ σ(F ).
Beweis. ÜA.
Satz 2.8. Seien X, Y beliebige nichtleere Mengen und sei f : X → Y eine
Abbildung.
a) Ist A eine σ-Algebra über X, so ist
B := A ⊆ Y f −1 (A) ∈ A
eine σ-Algebra über Y .
b) Ist B eine σ-Algebra über Y , so ist
A := f −1 (A) A ∈ B
eine σ-Algebra über X.
Beweis. Für A, B ⊆ Y gelten
f −1 (A ∩ B) = f −1 (A) ∩ f −1 (B),
f −1 (A ∪ B) = f −1 (A) ∪ f −1 (B),
f −1 (A \ B) = f −1 (A) \ f −1 (B).
Diese Identitäten verwendet man für den eigentlichen Beweis.
2.3 Die Borel-Algebra
Definition 2.9. Sei (X, d) ein metrischer Raum (z.B. eine Teilmenge von
Rm ) und sei
G := G (X) := G | G ⊆ X offen ,
F := F (X) := F | F ⊆ X abgeschlossen .
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2.3 Die Borel-Algebra
11
Dann heißt
B(X) := σ(G ) die Borelsche σ-Algebra von X.
B ∈ B(X) heißt Borelsche Menge oder Borel-Menge (in X).
Satz 2.10. Die Borel-σ-Algebra wird auch von F = F (X) erzeugt, d.h.,
B(X) = σ(F ).
Beweis. Da G (X) ⊆ B(X), muss auch F ⊆ B(X) gelten, daraus folgt
σ(F ) ⊆ B(X). Es gilt aber auch G (X) ⊆ σ(F ) und daher B(X) ⊆ σ(F ).
Als Illustration möchten wir zunächst andere, einfache Erzeuger für B(Rm )
finden.
Notation 2.11. Für a, b ∈ Rm setze
(a, b) := (a1 , b1 ) × (a2 , b2 ) × · · · × (am , bm ),
[a, b] := [a1 , b1 ] × [a2 , b2 ] × · · · × [am , bm ],
[a, b) := [a1 , b1 ) × [a2 , b2 ) × · · · × [am , bm ),
(a, b] := (a1 , b1 ] × (a2 , b2 ] × · · · × (am , bm ]
(a, ∞) := (a1 , ∞) × (a2 , ∞) × · · · × (am , ∞)
usw...,
die so genannten Quader (oder Rechtecke). Die Relation a ≤ b bzw. a < b
versteht man koordinatenweise.
Theorem 2.12. B(Rm ) wird erzeugt von jedem der folgenden Mengensysteme:
(i) E1
(ii) E2
(iii) E3
(iv) E5
(v) E7
(vi) E9
= {(a, b) : a < b}
= {[a, b] : a < b}
= {(a, b] : a < b} oder E4 := {[a, b) : a < b}
= {(a, ∞) : a ∈ Rm } oder E6 := {(−∞, a) : a ∈ Rm }
= {[a, ∞) : a ∈ Rm } oder E8 := {(−∞, a] : a ∈ Rm }
= {(a, b) : a < b, a, b ∈ Qm }
Beweis. Wir behaupten, dass
E9 ⊆ σ(Ej ) für j = 1, . . . , 9.
Wir zeigen dies zum Beispiel für j = 2. Sei also (a, b) ∈ E9 . Dann gilt
[
(a, b) =
[a + n1 , b − n1 ].
n∈N
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2 σ-Algebren
12
Dies zeigt E9 ⊆ σ(E2 ). Die anderen Fälle kann man mit ähnlichen Techniken
beweisen.
Die Mengensysteme Ej , j = 1, . . . , 9 sind alle in B(R) enthalten, denn für
j 6= 3, 4 sind die Mengen in Ej offen oder abgeschlossen. Ferner sind die
Mengen in E3 und E4 auch in B(R) enthalten. Denn
(a, b] =
∞
\
(a, b + n1 ) und [a, b) =
∞
\
(a − n1 , b).
n=1
n=1
Aus diesen Überlegungen folgt:
σ(E9 ) ⊆ σ(Ej ) ⊆ B(R) für j = 1, . . . , 9.
Schließlich erinnern wir daran, dass jede offene Menge in Rm abzählbare
Vereinigung von offenen Quadern mit rationalen Eckpunkten ist. Denn ist
G ⊆ Rm offen, so gilt
[
G=
(p, q).
p,q∈Qm
(p,q)⊆G
Daraus folgt
G ⊆ σ(E9 ),
also B(R ) ⊆ σ(E9 ) ⊆ σ(σ(Ej )) = σ(Ej ) ⊆ B(Rm ), und somit ist der Beweis
beendet.
m
Definition 2.13. a) Sei E ⊆ P(X). Wir definieren
[
Eσ := A ⊆ X | A =
An , An ∈ E ,
n∈N
und
Eδ := A ⊆ X | A =
\
n∈N
An , An ∈ E .
b) A ∈ Gδ heißt eine Gδ -Menge in X. Für Gδ -Mengen gilt also
\
A=
Gj mit Gj ⊆ X offen.
j∈N
B ∈ Fσ heißt eine Fσ -Menge in X. Für Fσ -Mengen gilt also
[
B=
Fj mit Fj ⊆ X abgeschlossen.
j∈N
Induktiv erhält man Gδσ , Fσδ , Gδσδ , Fδσδ , usw. Mengen.
Beispiel. Q ist Fσ . Denn Q ist abzählbar und einelementige Mengen sind
abgeschlossen:
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2.3 Die Borel-Algebra
13
Q=
[
{r}.
r∈Q
Q ist aber keine Gδ -Menge (siehe Übungsblatt 3, Aufgabe 4). Daraus folgt,
dass R \ Q eine Gδ aber keine Fσ -Menge ist.
Satz 2.14. a) Es gelten Fδ = F und Gσ = G .
b) Fσ und Gδ Mengen sind Borel. A ist genau dann Gδ , wenn Ac Fσ ist.
c) Jede offene und abgeschlossene Menge ist auch Fσ und Gδ . Insbesondere
G ∪ F ⊆ Fσ ∩ Gδ .
d) Die Borel-σ-Algebra wird von Fσ und Gδ erzeugt, d.h.
B(X) = σ(Gδ ) = σ(Fσ ).
Beweis. a) Die Inklusionen F ⊆ Fδ und G ⊆ Gσ sind trivial. Die umgekehrten Inklusionen sind auch wahr, denn eine beliebige Vereinigung von offenen
Mengen ist offen, und ein beliebiger Durchschnitt von abgeschlossenen Mengen ist abgeschlossen.
b) Beide Aussagen sind klar aus den Definitionen.
c) Eine abgeschlossene Menge ist trivialerweise Fσ . Sei F abgeschlossen und
für n ∈ N setze
[
Gn :=
B(x, n1 ),
x∈F
wobei B(x, 1/n) = {y ∈ X | d(x, y) < n1 } die offene Kugel um x mit Radius
1/n bezeichnet. Dann gilt F ⊆ Gn , und die Mengen Gn sind alle offen. Wir
behaupten die Gleichheit
\
F =
Gn .
n∈N
Daraus
gesagt,
T folgt dann, dass F eine Gδ -Menge ist. Nun gilt, wie schon
1
F ⊆ n∈N Gn . Sei x 6∈ F . Dann gibt es ein m ∈ N mit B(x,Tm
) ∩ F = ∅.
D.h. x 6∈ Gm . Daraus folgt die behauptete Gleichheit F = n∈N Gn . Wir
haben also gesehen, dass eine abgeschlossene Menge Fσ und Gδ ist.
Sei G eine offene Menge, so ist F = Gc abgeschlossen und somit gleichzeitig
Gδ und Fσ . Dann ist aber auch G = F c eine Fσ und Gδ -Menge.
d) Wir wissen bereits
G ⊆ Fσ ⊆ B(X) und G ⊆ Gδ ⊆ B(X).
Daraus folgt
B(X) = σ(G ) ⊆ σ(Fσ ) ⊆ B(X)
und
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2 σ-Algebren
14
B(X) = σ(G ) ⊆ σ(Gδ ) ⊆ B(X).
2.4 Dynkin-Systeme
Definition 2.15. Ein Mengensystem D ⊆ P(X) heißt Dynkin-System, falls
gilt:
(D1) X ∈ D,
(D2) A, B ∈ D, B ⊆ A =⇒ A \ B ∈ D, [
(D3) An ∈ D mit An ⊆ An+1 , n ∈ N =⇒
An ∈ D.
n∈N
Beispiel. Jede σ-Algebra ist ein Dynkin-System. Insbesondere ist D =
P(X) ein Dynkin-System.
Definition. Für E ⊆ P(X) heißt
\
D(E ) :=
D
D Dynkin-Syst.
E ⊆D
das von E erzeugte Dynkin-System. In der Tat ist D(E ) ein Dynkin-System,
und zwar das kleinste, das E enthält.
Anmerkung. Für E ⊆ P(X) gilt D(E ) ⊆ σ(E ). Ist D ein Dynkin-System,
so ist D(D) = D.
Satz 2.16. Sei D ein Dynkin-System, das auch ∩-stabil ist, d.h. für alle
A, B ∈ D gilt A ∩ B ∈ D. Dann ist D eine σ-Algebra.
Beweis. Wir benutzen Satz 2.3. X ∈ D gilt per Definitionem. Aus (D2)
bekommt man ∅ = X \ X ∈ D. Mit A ∪ B = (Ac ∩ B c )c folgt, dass D auch
∪-stabil ist. Sei An ∈ D, n ∈ N beliebig, und setze
Bn :=
n
[
Ak ,
k=1
S
so
⊆ Bn+1 , und somit nach (iii) n∈N Bn ∈ D. Es gilt aber
S gilt Bn S
n∈N Bn =
n∈N An . Damit ist der Beweis beendet.
Theorem 2.17 (Dynkin-Theorem). Sei E ⊆ P(X) ∩-stabil, und sei D ⊆
P(X) ein Dynkin-System mit E ⊆ D. Dann gilt σ(E ) ⊆ D.
Beweis. Wenn wir wüssten, dass auch D(E ) ∩-stabil ist wären wir fertig.
Denn nach Satz 2.16 ist dann D(E ) eine σ-Algebra (welche E enthält) und
somit
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2.4 Dynkin-Systeme
15
σ(E ) ⊆ D(E ) ⊆ D(D) = D.
Wir zeigen also, dass D(E ) ∩-stabil ist.
Schritt 1. Sei A ∈ D(E ) beliebig und setze
DA := B ⊆ X A ∩ B ∈ D(E ) .
Wir behaupten, dass DA ein Dynkin-System ist. Da A ∈ D(E ) ist, gilt X ∈
DA . Sind B, C ∈ DA , C ⊆ B, so gilt A ∩ B, A ∩ C ∈ D(E ), somit
(B \ C) ∩ A = (B ∩ A) \ (C ∩ A) ∈ D(E ),
d.h. B \ C ∈ D(E ). Sei Bn ∈ DA , Bn ⊆ Bn+1 (n ∈ N), dann gilt Bn ∩ A ∈
D(E ) und somit
[
[
A∩
Bn =
(Bn ∩ A) ∈ D(E ).
n∈N
n∈N
Schritt 2. Für A ∈ E und B ∈ D(E ) gilt A ∩ B ∈ D(E ). Denn: Für jedes
C ∈ E gilt A ∩ C ∈ E ⊆ D(E ), und somit C ∈ DA . D.h. E ⊆ DA . Da aber
DA ein Dynkin-System ist, folgt D(E ) ⊆ DA .
Schritt 3. Für A, B ∈ D(E ) gilt A ∩ B ∈ D(E ), d.h. D(E ) ist ∩-stabil.
Denn: DB , welches nach Schritt 2 ganz E enthält, ist ein Dynkin-System,
also D(E ) ⊆ DB .
Anmerkung (Das Dynkin-Argument). Wir wollen eine Eigenschaft ϕ
für die Elemente der σ-Algebra σ(E ) zeigen. Dies direkt zu machen kann
sehr aufwendig sein. Wir zeigen “stattdessen”: 1) Elemente von E haben diese
Eigenschaft (und E ist ∩-stabil), 2) das Mengensystem
D := A ⊆ X | A hat Eigenschaft ϕ
ist ein Dynkin-System. Diese Schritte 1) und 2) sind oft nicht schwierig zu
überprüfen. Dann folgt aus Dynkins Theorem, dass alle Elemente von σ(E )
die Eigenschaft ϕ haben. Später werden wir solche Argumentationen (z.B. in
Abschnitt 3.5) konkret sehen.
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Kapitel 3
Maße
3.1 Definition und Beispiele
Vorbemerkung. Wir vereinbaren die folgenden Regeln für a ∈ R
a + ∞ = ∞ + a = ∞,
∞ + ∞ = ∞.
Wir definieren
[0, ∞] := x x ≥ 0 ∪ ∞ .
Es sei X 6= ∅ und A ⊆ P(X) eine σ-Algebra, also (X, A ) ein messbarer
Raum.
Definition 3.1. a) Eine Abbildung µ : A → [0, ∞] heißt Maß (auf A ), falls
(M1) µ(∅) = 0,
(M2) Falls Aj ∈ A , j ∈ N, Aj ∩ Ak = ∅ für j 6= k (paarweise disjunkte
Mengen), so gilt
∞
∞
[
X
Aj =
µ(Aj ).
µ
j=1
j=1
(σ-Additivität)
Das Tripel (X, A , µ) heißt Maßraum.
b) Ist µ(X) < ∞, so heißt µ endlich und (X, A , µ) endlicher Maßraum. Ist µ(X) = 1, so heißt µ Wahrscheinlichkeitsmaß, und (X, A , µ)
Wahrscheinlichkeitsraum.
S
c) Falls eine Folge (Aj )j∈N ⊆ A mit X = j∈N Aj und µ(Aj ) < ∞ für alle
j ∈ N existiert, so heißt µ (und der Maßraum (X, A , µ)) σ-endlich.
Beispiel 3.2.
1. Das 0-Maß. Sei (X, A ) ein messbarer Raum. Wir setzen
ν(A) := 0 für alle A ∈ A .
16
3.2 Grundlegende Eigenschaften von Maßen
17
2. Das ∞-Maß. Sei (X, A ) messbarer Raum. Wir setzen
(
∞ für alle A ∈ A , A 6= ∅,
ν(A) :=
0 A = ∅.
3. Das Dirac-Maß. Wir setzen
(
δx : P(X) → R+ ,
δx (A) :=
1,
0,
x ∈ A,
x 6∈ A.
δx heiß t Dirac-Maß oder Punktmaß im Punkt x.
4. Das Zählmaß. Wir setzen
(
card(A), A endlich,
µ(A) :=
∞,
A unendlich.
Dann heißt µ : P(X) → [0, ∞] Zählmaß.
5. Sei X überabzählbar und
A := A ⊆ X A oder Ac abzählbar .
Wir setzen
(
µ : A → R+ ,
µ(A) :=
0, A abzählbar,
∞, A überabzählbar.
6. Das Lebesgue-Maß. Es gibt ein Maß λd : B(Rd ) → [0, ∞] mit
(L1) λd ([0, 1)d ) = 1,
(L2) λd (A + x0 ) = λd (A) für alle A ∈ B(Rd ), x0 ∈ Rd .
(Translationsinvarianz).
Der Maßraum (Rd , B(Rd ), λd ) heißt Borel–Lebesgue-Maßraum.
Proposition.
Für a, b ∈ Rd mit a ≤ b gilt
λd ((a, b)) = λd ([a, b]) = λd ((a, b]) = λd ([a, b)) =
d
Y
(bj − aj ).
j=1
3.2 Grundlegende Eigenschaften von Maßen
Satz 3.3. Sei (X, A , µ) ein Maßraum. Dann gelten die folgenden Aussagen:
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18
3 Maße
1. µ ist endlich additiv: Für A1 , . . . , An ∈ A paarweise disjunkt gilt
n
n
[
X
µ
Aj =
µ(Aj ).
j=1
j=1
Beweis. Für j > n wähle Aj = ∅ und verwende die σ-Additivität.
2. µ ist monoton: A ⊆ B =⇒ µ(A) ≤ µ(B).
Beweis. Für A ⊆ B gilt µ(B) = µ(A)+µ(B \A), und somit µ(B) ≥ µ(A).
3. µ(A) < ∞, A ⊆ B =⇒ µ(B \ A) = µ(B) − µ(A).
Beweis. Für A ⊆ B gilt µ(B) = µ(A) + µ(B \ A). Daher µ(B \ A) =
µ(B) − µ(A), falls µ(A) < ∞.
4. µ(A ∪ B) + µ(A ∩ B) = µ(A) + µ(B).
Beweis. Es gelten A ∪ B = A ∪ (B \ A) und B = (A ∩ B) ∪ (B \ A). Wegen
der Additivität folgt also:
µ(A ∪ B) = µ(A) + µ(B \ A) und µ(B) = µ(A ∩ B) + µ(B \ A).
Ist µ(B \ A) < ∞, so gilt µ(A ∩ B) = µ(B) − µ(B \ A), und damit
µ(A ∩ B) + µ(A ∪ B) = µ(B) − µ(B \ A) + µ(A) + µ(B \ A) = µ(A) + µ(B).
Ist µ(B \ A) = ∞, so ist µ(B) = µ(B ∪ A) = ∞ und 4. ist trivial.
5. (σ-Subadditivät): Für An ∈ A , n ∈ N gilt
∞
∞
[
X
µ
An ≤
µ(An ).
n=1
n=1
Sk−1
Beweis. Wir setzen B1 := A1 , Bk := Ak \ j=1 Aj für k > 1. Dann gilt
Sn
Sn
Bk ⊆ Ak und Bj ∩ Bk = ∅, j 6= k. Für n ∈ N gilt j=1 Aj = j=1 Bj .
Daher
∞
∞
∞
∞
[
[
X
X
µ
Aj = µ
Bj =
µ(Bj ) ≤
µ(Aj ).
j=1
j=1
j=1
j=1
6. Stetigkeit von unten. Für Aj ∈ A , A1 ⊆ A2 ⊆ A3 ⊆ . . . gilt
∞
[
µ
Aj = lim µ(Aj ).
j→∞
j=1
Notation: An % A bedeutet A =
S
n∈N
An und An ⊆ An+1 für n ∈ N.
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3.3 Linearkombinationen von Maßen
19
Beweis. Setze A0S= ∅, Bk := Ak \ ASk−1 für k ≥
1. Dann Bj ∩ Bk = ∅,
S∞
m
∞
j 6= k und Am = k=1 Bk , somit ist k=1 Bk = m=1 Am . Also gilt
∞
∞
∞
m
[
[
X
X
µ
Ak = µ
Bk =
µ(Bk ) = lim
µ(Bk ) = lim µ(Am ).
k=1
k=1
m→∞
k=1
m→∞
k=1
7. Stetigkeit von oben. Für Aj ∈ A , j ∈ N, mit A1 ⊇ A2 ⊇ A3 ⊇ . . . und
mit µ(A1 ) < ∞ gilt
∞
\
µ
Aj = lim µ(Aj ).
j→∞
j=1
Notation: An & A bedeutet A =
T
n∈N
An und An+1 ⊆ An für n ∈ N.
Beweis. Setze Bj := A1 \ Aj . So ist Bj ⊆ Bj+1 für jedes j ∈ N und damit
ist e) verwendbar:
∞
∞ ∞
\
\
\
c µ(A1 ) − µ
Aj = µ A1 \
= µ A1 ∩
Aj
j=1
j=1
j=1
∞
∞
[
[
= µ A1 ∩
Acj = µ
A1 ∩ Acj
j=1
j=1
∞
[
=µ
A1 \ Aj = lim µ(A1 \ An )
n→∞
j=1
= µ(A1 ) − lim µ(An ).
n→∞
3.3 Linearkombinationen von Maßen
Vorbemerkung. Wir vereinbaren die folgenden Regeln für a > 0
a · ∞ = ∞ · a = ∞,
0 · ∞ = ∞ · 0 = 0.
Satz 3.4. Sei (X, A ) ein messbarer Raum. Seien µ1 , µ2 , . . . , µN Maße auf
(X, A ) und c1 , . . . , cN ≥ 0. Dann definiert
µ(A) :=
N
X
j=1
cj µj (A)
(A ∈ A )
ein Maß.
Beweis. ÜA.
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20
3 Maße
Theorem 3.5 (“Baby” Fubini). Für n, m ∈ N seien anm ∈ [0, ∞]. Es gilt
∞ X
∞
X
∞ X
∞
X
anm =
anm .
m=1 n=1
n=1 m=1
Beweis. Aus Symmetriegründen genügt es
∞ X
∞
X
n=1 m=1
anm ≥
∞ X
∞
X
anm
m=1 n=1
zu zeigen.
Falls für ein M ∈ N
∞
X
n=1
anM = ∞,
so gehen wir folgenderweise vor: Für jedes R > 0 gibt es N ∈ N mit
N
X
n=1
anM ≥ R.
Dann gilt aber
∞ X
∞
X
n=1 m=1
anm ≥
N X
M
X
n=1 m=1
anm ≥ R
und
∞
∞ X
X
m=1 n=1
anm ≥
N
M X
X
m=1 n=1
anm ≥ R.
Da R > 0 beliebig war, bekommen wir
∞ X
∞
X
n=1 m=1
anm = ∞ und
∞ X
∞
X
m=1 n=1
anm = ∞.
Also ist die Behauptung in diesem Fall bewiesen.
Wir dürfen also annehmen, dass für alle m ∈ N
∞
X
n=1
anm < ∞
gilt. Für jedes m ∈ N gibt es dann Nm derart, dass
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3.3 Linearkombinationen von Maßen
Nm
X
n=1
21
anm ≥
∞
X
n=1
anm −
ε
.
2m
Dann gilt für beliebiges M ∈ N und für N := max{N1 , . . . , NM } ∈ N:
N X
M
X
anm =
n=1 m=1
M X
N
X
m=1 n=1
≥
M X
∞
X
m=1 n=1
anm ≥
Nm
M X
X
m=1 n=1
anm ≥
M X
∞
X
m=1 n=1
anm −
M
X
ε
m
2
m=1
anm − ε.
Daraus folgt (wegen anm ≥ 0)
∞ X
∞
X
n=1 m=1
anm ≥
N X
M
X
n=1 m=1
anm ≥
M X
∞
X
m=1 n=1
anm − ε,
und dann mit M → ∞
∞ X
∞
X
n=1 m=1
anm ≥
∞ X
∞
X
m=1 n=1
anm − ε.
Da ε > 0 beliebig ist, bekommen wir
∞ X
∞
X
n=1 m=1
anm ≥
∞ X
∞
X
anm .
m=1 n=1
Korollar. Sei (X, A ) ein messbarer Raum. Seien für n ∈ N die Maße µn
auf (X, A ) sowie die Zahlen cn ≥ 0 gegeben. Dann definiert
µ(A) :=
∞
X
cj µj (A)
j=1
(A ∈ A )
ein Maß.
Beweis. Zu (M1):
µ(∅) =
∞
X
cj µj (∅) =
j=1
∞
X
j=1
cj · 0 = 0.
Zu (M2): Seien An ∈ A (n ∈ N) paarweise disjunkt. Dann gilt:
∞
∞
∞
∞
∞ X
[
X
[
X
µ
An =
cj µj
An =
cj µj (An )
n=1
j=1
n=1
j=1 n=1
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22
3 Maße
∞ X
∞
X
=
cj µj (An ) =
n=1 j=1
∞
X
µ(An ),
n=1
wobei wir das obige Theorem benutzt haben.
3.4 Nullmengen
Definition 3.6. Sei (X, A , µ) ein Maßraum.
a) N ⊆ X heißt eine µ-Nullmenge falls ein C ∈ A mit µ(C) = 0 und
N ⊆ C existiert. Setze
Nµ = N := N ⊆ X | N µ-Nullmenge .
b) (X, A , µ) heißt vollständig, falls alle µ-Nullmengen zu A gehören, d.h.,
falls N ⊆ A .
Satz 3.7. Sei (X, A , µ) ein Maßraum. Für N ⊆ X sind die folgenden Aussagen äquivalent:
a) N ist eine µ-Nullmenge, d.h., N ∈ Nµ .
b) Für jedes ε > 0 gibt es C ∈ A mit µ(C) ≤ ε und N ⊆ C.
c) Für jedes ε > 0 gibt es An ∈ A (n ∈ N) mit
N⊆
∞
[
n=1
An
und
∞
X
n=1
µ(An ) ≤ ε.
Beweis. ÜA.
Beispiel 3.8. 1. Sei X = R, A = B(R) und λ1 das 1-dimensionale LebesgueMaß. Dann gilt
λ1 ({x}) ≤ λ1 ([x − 1/n, x + 1/n]) =
2
n
für jedes n, und somit λ1 ({x}) = 0. Dies impliziert, dass eine abzählbare
Menge N , z.B., N = Q, eine λ1 -Nullmenge ist.
2. Setze C0 := [0, 1], C1 := 13 C0 ∪( 23 + 31 C0 ) = [0, 31 ]∪[ 23 , 1] und dann rekursiv
Cn+1 := 13 Cn ∪ ( 32 + 13 Cn ).
Es ist leicht zu sehen, dass Cn aus 2n abgeschlossenen, disjunkten Intervallen besteht, die jeweils Länge 31n haben. Weiterhin ist klar, dass Cn
abgeschlossen, sogar kompakt, ist und enthält Cn+1 für jedes n ∈ N. Wir
definieren die Cantor-Menge (genauer: die Cantor- 31 -Menge) durch
compiled: 21-May-2015/11:13
3.4 Nullmengen
23
C :=
\
Cn .
n∈N
Dann ist C abgeschlossen, sogar kompakt. Man kann zeigen, dass C überabzählbar ist (C 6= ∅ folgt wegen der Kompaktheit). Es gilt
λ1 (C) ≤ λ1 (Cn ) =
2n
,
3n
und somit λ1 (C) = 0.
3. Sei f : [0, 1] → R stetig, und setze
B := (x, f (x)) x ∈ [0, 1] .
So gilt B ∈ Nλ2 , wobei λ2 das 2-dimensionale Lebesgue-Maß bezeichnet.
Satz 3.9. a) Sei A ∈ A und N ∈ A ∩ N . Dann gilt
µ(A) = µ(A ∪ N ) = µ(A \ N ).
b) Nµ ist ein σ-Ring.
c) Für N ∈ N und A ⊆ N , gilt A ∈ N .
Beweis. ÜA.
Theorem 3.10 (Vervollständigung eines Maßraums). Sei (X, A , µ)
ein Maßraum. Dann existiert ein vollständiger Maßraum (X, A¯, µ
¯) mit
(1) A ⊆ A¯,
¯(A) für alle A ∈ A ,
(2) µ
¯ A = µ, d.h., µ(A) = µ
(3) Für jeden (X, B, ν) vollständigen Maßraum mit (1) und (2) gilt A¯ ⊆ B.
Beweis. Setze
A¯ := A ∪ N | A ∈ A , N ∈ N .
Dann ist A¯ eine σ-Algebra. ∅, X ∈ A¯ sind trivialerweise erfüllt. Ist A ∈ A¯,
so gibt es ein B ∈ A und N ∈ N mit A = B ∪ N . Ferner gibt es ein
C ∈ A ∩ N mit N ⊆ C. Daraus folgt
Ac = (B ∪ N )c = B c ∩ N c = (B c ∩ C c ) ∪ (C ∩ N c )
| {z } | {z }
⊆C
∈A
und deswegen Ac ∈ A . Seien nun An ∈ A¯, n ∈ N, d.h., es existieren Bn ∈ A
und Nn ∈ N mit An = Bn ∪ Nn . Somit gilt
[
[
[
[
An =
(Bn ∪ Nn ) =
Bn ∪
Nn
n∈N
n∈N
n∈N
n∈N
| {z }
| {z }
∈A
∈N
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24
3 Maße
S
und n∈N An ∈ A¯. Wir haben gezeigt, dass A¯ eine σ-Algebra ist. Die Inklusion A ⊆ A¯ ist klar.
Sei A ∈ A¯, d.h., A = B1 ∪ N1 mit B1 ∈ A und N1 ∈ N . Wir behaupten,
dass µ(B1 ) nicht von dieser Darstellung abhängt. Falls A = B2 ∪ N2 eine
andere Darstellung ist, dann gibt es C1 , C2 ∈ N ∩ A mit N1 ⊆ C1 und
N2 ⊆ C2 . Daher gilt
µ(B1 ) = µ(B1 ∪ C1 ∪ C2 ) = µ(B1 ∪ N1 ∪ C1 ∪ C2 )
= µ(A ∪ C1 ∪ C2 ) = µ(B2 ∪ C1 ∪ C2 ) = µ(B2 ).
Wegen dieser Unabhängigkeit ist die folgende Funktion µ
¯ wohldefiniert. Sei
A ∈ A¯, A = B ∪ N mit A ∈ A , N ∈ N , und setze
µ
¯(A) := µ(B).
Ist A selbst in A , so gilt µ
¯(A) = µ(A), denn A = A∪∅. Also ist µ
¯|A = µ. Wir
zeigen, dass µ
¯ ein Maß ist. Es ist wiederum klar, dass µ
¯ positiv ist und dass
µ
¯(∅) = 0 gilt. Seien An = Bn ∪ Nn paarweise disjunkte Mengen für n ∈ N
mit Bn ∈ A und Nn ∈ N . Dann sind natürlich Bn auch disjunkt, und es
gilt
[
[
X
X
An = µ
Bn =
µ
¯
µ(Bn ) =
µ
¯(An ).
n∈N
n∈N
n∈N
n∈N
3.5 Borel-Maße
Satz 3.11. Sei (X, A ) ein messbarer Raum. Sei E ⊆ A ∩-stabil mit σ(E ) =
A . Seien µ, ν zwei endliche Maße auf A . Dann sind äquivalent:
(i) µ(E) = ν(E) für alle E ∈ E und µ(X) = ν(X).
(ii) µ(A) = ν(A) für alle A ∈ A .
Beweis. Nur die Implikation (i)⇒(ii) ist zu beweisen. Nehmen wir also (i)
an. Setze
D := A ∈ A | µ(A) = ν(A) .
Dann gilt nach Voraussetzung E ⊆ D. Wir zeigen, dass D ein Dynkin-System
ist. Nach Voraussetzung gilt X ∈ D, also folgt (D1). Ist A, B ∈ D, B ⊆ A,
so gilt
µ(A \ B) = µ(A) − µ(B) = ν(A) − ν(B) = ν(A \ B).
D.h. A \ B ∈ D. Sei An ∈ D und An % A. Zu zeigen ist A ∈ D. Es gilt
µ(A) = lim µ(An ) = lim ν(An ) = ν(A),
n→∞
n→∞
also A ∈ D.
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3.5 Borel-Maße
25
Definition 3.12. Sei (X, d) metrischer Raum. Ein Maß auf (X, B(X)) heißt
Borel-Maß.
Proposition.
Sei (X, d) ein metrischer Raum und seien µ, ν endliche
Borel-Maße auf X. Falls gilt
µ(G) = ν(G)
für alle offenen Mengen G,
so gilt
µ(B) = ν(B)
für alle B ∈ B(X).
Theorem 3.13. Sei X ein metrischer Raum und sei µ ein endliches BorelMaß.
a) Für jedes B ∈ B(X) gelten
(1)
µ(B) = inf µ(G) | B ⊆ G, G offen ,
(2)
µ(B) = sup µ(F ) | F ⊆ B, F abgeschlossen .
b) Für jedes B ∈ B(X) gibt es eine Fσ -Menge A und eine Gδ -Menge C mit
A ⊆ B ⊆ C,
µ(A) = µ(B) = µ(C),
d.h. C \ B, B \ A sind Nullmengen.
Beweis. a) Wegen der Monotonie gilt “≤” in (1) und “≥” in (2). Setze
D := B ∈ B(X) | B erfüllt (1) und (2) .
Wir zeigen zunächst F ⊆ D. Ist F ∈ F , also abgeschlossen, so ist (2) trivial.
Da aber F ⊆ Gδ , finden wir offene Mengen Gn mit Gn & F . Da µ endlich
ist folgt
µ(F ) = lim µ(Gn )
n→∞
und somit ist (1) auch erfüllt. Wir zeigen, dass D ein Dynkin-System ist.
Klar: X ∈ F . Seien A, B ∈ D mit B ⊆ A. Sei ε > 0, und seien F2 ⊆ F1
abgeschlossen, G2 ⊆ G1 offen mit
und
F1 ⊆ A ⊆ G1 ,
µ(G1 \ F1 ) ≤ ε,
F2 ⊆ B ⊆ G2
µ(G2 \ F2 ) ≤ ε.
Setze
G := G1 \ F2 ,
F := F1 \ G2 .
Dann gilt
F ⊆A\B ⊆G
und
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26
3 Maße
µ(G \ (A \ B)) + µ((A \ B) \ F ) = µ(G \ F ) = µ(G1 \ F1 ) + µ(G2 \ F2 ) ≤ 2ε.
Daraus folgt A \ B ∈ D. Sei nun An % A, An ∈ D. Zu zeigen ist A ∈ D.
Sei ε > 0. Für jedes n ∈ N gibt es Fn abgeschlossen und Gn offen mit
Fn ⊆ An ⊆ Gn und
ε
µ(Gn \ Fn ) ≤ n .
2
Wir können ohneSBeschränkung der Allgemeinheit annehmen,
dass Fn ⊆
S
Fn+1 . Setze G := Gn . Dann ist G offen. Setze B = Fn . Da Fn % B, gilt
µ(Fn ) → µ(B), und für n0 ∈ N geeignet groß folgt
µ(B \ Fn0 ) ≤ ε.
Mit F := Fn0 gilt F ⊆ A ⊆ G und
[
µ(G \ F ) = µ(G \ B) + µ(B \ F ) ≤ µ
Gn \ Fn + µ(B \ F )
n∈N
≤
X
n∈N
µ(Gn \ Fn ) + µ(B \ F ) ≤ 2ε.
Somit gilt auch A ∈ D und D ist ein Dynkin-System. Da F ∩-stabil ist folgt
aus Dynkins Theorem 2.17, dass σ(F ) = B(X) ⊆ D ⊆ B(X).
b) Folgt aus a).
Anmerkung. Für nicht endliche Maße gelten die obigen Sätze im Allgemeinen nicht!
3.6 Regularität des Lebesgue-Maßes
Vorbemerkung. Ist B ∈ B(Rd ) eine beschränkte Menge, dann gilt λd (B) <
∞. [Denn: ein solches B ist in einem Quader enthalten und Quader haben
endliches Lebesgue-Maß.] Insbesondere ist (Rd , B(Rd ), λd ) ein σ-endlicher
Maßraum, denn
∞
[
Rd =
B(0, n).
n=1
Theorem 3.14. Betrachte das Lebesgue-Maß auf B(Rd ). Für jedes B ∈
B(X) gelten
(OR)
λd (B) = inf λd (G) | B ⊆ G, G offen ,
(IR)
λd (B) = sup λd (K) | K ⊆ B, K kompakt .
Beweis. ...kommt noch...
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3.6 Regularität des Lebesgue-Maßes
27
Korollar. Eine Menge N ⊆ Rd ist genau dann eine λd -Nullmenge, falls für
jedes ε > 0 Quader Qn (n ∈ N) existieren mit
N⊆
∞
[
n=1
Qn
und
∞
X
λd (Qn ) < ε.
n=1
Definition 3.15. Ein Borel-Maß heißt regulär, falls für jede Borel-Menge
B (OR) (“outer regular”) und (IR) (“inner regular”) gilt.
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Kapitel 4
Meßbare Funktionen
4.1 Definition und Eigenschaften
Erinnerung:
1. Sei X eine nichtleere Menge, und A eine σ-Algebra auf X. Dann heißt
(X, A ) messbarer Raum.
2. Sei f : X → Y , wobei X, Y beliebige nichtleere Mengen sind. Ist B eine
σ-Algebra auf Y , so ist
A := f −1 (A) A ∈ B
eine σ-Algebra auf X, siehe Satz 2.8.
Definition 4.1. Seien (X, A ) und (Y, B) messbare Räume. Eine Abbildung
f : X → Y heißt (A , B)-messbar, falls
f −1 (B) ∈ A
für alle B ∈ B
(oder kurz messbar, wenn aus der Situation klar ist, welche σ-Algebren
eben betrachtet werden). Sind X, Y metrische Räume und A , B die Borelσ-Algebren auf X bzw. auf Y so sagt man auch “f sei Borel-messbar”.
Lemma 4.2. Sei B = σ(E ) die von E ⊆ P(Y ) erzeugte σ-Algebra. Dann
gilt:
f :X→Y
ist (A , B)-messbar
⇐⇒
f −1 (E) ∈ A für alle E ∈ E.
Beweis. Setze C := {A ⊆ Y | f −1 (A) ∈ A }. Dann ist C eine σ-Algebra über
Y und E ⊆ C , und somit B = σ(E ) ⊆ C .
Korollar 4.3. Sei f : Rn → Rm stetig (oder allgemeiner: f : X → Y , wobei
X, Y metrische Räume sind). Dann ist f (B(Rn ), B(Rm ))-messbar.
28
4.1 Definition und Eigenschaften
29
Beweis. Die Borel-σ-Algebra wird von den offenen Mengen G erzeugt:
B(Rn ) = σ(G ).
Ferner ist das Urbild f −1 (G) einer offenen Menge G ⊆ Rm offen, denn f ist
stetig. Daher beendet Lemma 4.2 den Beweis.
Satz 4.4. a) Seien (X, A ), (Y, B), (Z, C ) messbare Räume. Sind
f : X → Y,
g:Y →Z
messbar,
so ist g ◦ f : X → Z auch messbar.
b) Sei (X, A ) ein messbarer Raum und f = (f1 , . . . , fd )> : X → Kd . Dann
gilt
f messbar ⇐⇒ fj messbar für j = 1, . . . , d.
Beweis. a) Überprüfe die Definition.
b) Die Projektion Pj : Kd → K ist stetig und fj = Pj ◦ f . Ist also f messbar,
dann nach Teil a) auch fj . Nehme an, dass f1 , . . . , fd alle messbar sind. Da
B(Rd ) durch die offenen “Rechtecke” G = (a1 , b1 ) × · · · × (ad , bd ) erzeugt ist
(siehe Theorem 2.12), genügt es f −1 (G) ∈ A zu zeigen. Es gilt aber
f −1 (G) =
d
\
j=1
fj−1 ((aj , bj )) ∈ A .
Anmerkung 4.5. Wir betrachten R = [−∞, ∞] und definieren eine Metrik
d(x, y) := | arctan x − arctan y|
auf R. So ist also (R, d) ein metrischer Raum und eine Menge G ⊆ R ist
genau dann offen in R, wenn G ∩ R in R offen ist. Für die Borel-σ-Algebra
gilt also
B(R) = A ⊆ R : A ∩ R ∈ B(R) ,
vgl. Übung.
a) f : X → R ist messbar ⇐⇒ f −1 ({−∞}), f −1 ({∞}), f −1 (B) ∈ A für alle
B ∈ B(R).
b) B(R) wird durch die Mengen {−∞}, {∞}, (a, b), a, b ∈ R erzeugt.
c) Wir verabreden weiterhin die folgenden Konventionen für a ∈ R:
a + ∞ = ∞, a − ∞ = −∞, ∞ + ∞ = ∞, −∞ − ∞ = −∞
0 · ∞ = 0, a · ∞ = ∞ für a > 0, a · ∞ = −∞ für a < 0,
∞ · ∞ = ∞, (−∞) · ∞ = −∞.
A C H T U N G : ∞ − ∞ ist nicht definiert!
compiled: 21-May-2015/11:13
30
4 Meßbare Funktionen
d) Für f : X → R definieren wir f + := max{f, 0}, f − := max{−f, 0}. Es
gelten f = f + − f − , |f | = f + + f − , f = sgn f · |f |.
Definition 4.6. Sei (X, A ) messbarer Raum. Für Y = R, Y = R =
[−∞, ∞], Y = C, Y = Rn , Y = Cn , versehen jeweils mit der Borel-σ-Algebra,
führen wir die folgende Notation ein:
L 0 (X, A ; Y ) := L 0 (X; Y ) := f : X → Y f messbar .
Wir kürzen diese Notation oft weiter zu L 0 (X) oder zu L 0 .
Satz 4.7. Sei (X, A ) messbarer Raum.
a) Wenn f konstant ist, dann ist f auch messbar.
b) Für f ∈ L 0 (X; C) gilt Re f, Im f, |f |, f ∈ L 0 (X; R).
c) Für f, g ∈ L 0 (X; Cd ), α ∈ C gilt αf + g ∈ L 0 (X; Cd ) (Vektorraum)
d) Für f, g ∈ L 0 (X; C) gilt f g ∈ L 0 (X; C)
(Algebra)
e) Für f, g ∈ L 0 (X; R) gilt |f |, αf + g, f · g ∈ L 0 (X; R), falls die Summe
bzw. das Produkt definiert sind.
Beweis. Man verwende Satz 4.4. Zum Beispiel: c) Betrachte die stetige Funktion P : Cd × Cd → Cd , P (x, y) = x + y und die nach Satz 4.4.b) messbare
Funktion F : X → Cd × Cd , F (x) = (f (x), g(x)). So ist f + g = P ◦ F , und
die Messbarkeit folgt aus Satz 4.4 a).
Satz 4.8. Sei (X, A ) ein messbarer Raum und f : X → R. Dann sind äquivalent:
(i) f ist messbar, also f ∈ L 0 (X; R).
(ii) f −1 ((a, ∞]) ∈ A für alle a ∈ R.
(iii) f −1 ([a, ∞]) ∈ A für alle a ∈ R.
(iv) f −1 ([−∞, a]) ∈ A für alle a ∈ R.
(v) f −1 ([−∞, a)) ∈ A für alle a ∈ R.
Beweis. Folgt aus 2.12, 4.2 und 4.5.c).
Theorem 4.9. Seien fn ∈ L 0 (X; R) für n ∈ N. Dann sind
a) sup fn ,
n∈N
b) inf fn ,
n∈N
c) lim sup fn ,
n→∞
d) lim inf fn
n→∞
auch in L 0 (X; R).
Beweis. a) Setze f = supn∈N fn . Nach Satz 4.8 ist f −1 ((a, ∞]) = {x | f (x) >
α} ∈ A für α ∈ R zu zeigen. Es gilt
[ x f (x) > α = x ∃ n ∈ N mit fn (x) > α =
x fn (x) > α .
n∈N
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4.2 Einfache Funktionen
31
Da nach Voraussetzung {x | fn (x) > α} ∈ A für n ∈ N ist, folgt die Behauptung sofort. Aussage b) geht analog.
c) und d) folgen aus a) und b):
lim sup fn = inf sup fk ,
n∈N k≥n
n→∞
lim inf fn = sup inf fk .
n→∞
n∈N k≥n
Theorem 4.10. Seien fn : X → R messbar für alle n ∈ N. Falls
f (x) := lim fn (x)
n→∞
für alle x ∈ X existiert, so ist f messbar.
Beweis. Folgt aus 4.9.
4.2 Einfache Funktionen
Wir betrachten nun die grundlegenden Funktionen für das Integral.
Definition 4.11. Sei X 6= ∅.
a) Die charakteristische Funktion (oder auch Indikatorfunktion) 1A von
A ist definiert durch
(
1, x ∈ A,
1A (x) :=
0, sonst.
b) Sei (X, A ) ein messbarer Raum. Eine Funktion f : X → K heißt einfach,
falls f messbar ist und f (X)endliche Teilmenge von K ist (hier und im
Folgenden bezeichnet K immer den Körper R oder C).
Anmerkung 4.12. Sei (X, A ) ein messbarer Raum.
1. 1A ist genau dann messbar, wenn A ∈ A .
2. f : X → K ist genau dann eine einfache Funktion, wenn
f=
N
X
j=1
aj 1Aj
mit aj ∈ K, Aj ∈ A ,
also endliche Linearkombination messbarer charakteristischer Funktionen.
Diese Darstellung ist dann eindeutig, wenn man fordert, dass die aj paarweise unterschiedlich und die Aj paarweise disjunkt sind. Letztere heißt
dann Standard-Darstellung und es gilt
f (X) = a1 , · · · aN
und Aj = f −1 ({aj }).
Theorem 4.13 (Approximationssatz). Sei (X, A ) ein messbarer Raum.
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32
4 Meßbare Funktionen
a) f : X → [0, ∞] ist messbar ⇐⇒ Es gibt eine Folge (fn ) von einfachen Funktionen mit 0 ≤ f1 ≤ f2 ≤ · · · ≤ f und fn % f punktweise
(d.h. fn (x) → f (x) für jedes x ∈ X). In diesem Fall kann fn so gewählt
werden, dass fn gleichmäßig auf jeder der Mengen {x | f (x) ≤ a}, a ≥ 0
gegen f konvergiert.
b) f : X → C ist messbar ⇐⇒ Es gibt eine Folge (fn ) von einfachen Funktionen mit 0 ≤ |f1 | ≤ |f2 | ≤ · · · ≤ |f | und fn → f punktweise.
Beweis. a) “⇐”: Folgt aus 4.10.
“⇒”: Für n ∈ N definiere
(
gn (t) :=
j
2n
n
n
für 2jn ≤ t < j+1
2n , j = 0, 1, 2, . . . , n2 − 1,
für n ≤ t ≤ ∞.
So sind gn : R → R einfache Funktionen. Nach Konstruktion gilt gn ≤ gn+1 .
Für alle t ∈ [0, ∞] gilt gn (t) % t. Für t = ∞ ist dies klar: gn (∞) = n % ∞.
Für t ∈ [0, ∞) haben wir
|gn (t) − t| ≤
1
für t ∈ [0, n].
2n
Dies zeigt, dass gn (t) → t sogar gleichmäßig konvergiert für t in kompakten
Intervallen [0, t0 ] (für alle festen t0 > 0). Setze fn := gn ◦ f , dann sind die fn
einfache Funktionen und haben die gewünschten Eigenschaften.
b) Sei f = g + ih. Wir wenden Teil a) auf g + , g − , h+ und h− an. So erhält
man ξn % g + , ψn % g − , ηn % h+ , ζn % h− . Setze fn := ξn −ψn +i(ηn −ζn ).
Dann gilt fn → f punktweise für n → ∞. Ferner gilt für x ∈ X
|fn (x)| ≤ |fn+1 (x)| ≤ |f (x)|.
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Kapitel 5
Integrierbare Funktionen
In diesem Abschnitt sei (X, A , µ) stets ein fester Maßraum. Ferner sei
L 0 := L 0 (X, A , µ; R) := {f : X → R, f messbar}.
Erinnerung: f ∈ L 0 einfach =⇒ f besitzt Standard-Darstellung
f=
N
X
aj 1Aj ,
j=1
wobei rg(f ) := f (X) = {a1 , · · · aN } und Aj = f −1 ({aj }), ai 6= aj für i 6= j.
5.1 Integration einfacher Funktionen
Definition 5.1.
a) Sei f ∈ L 0 , f ≥ 0 einfach mit Standard-Darstellung
f=
N
X
aj 1Aj .
j=1
Wir setzen
Z
f dµ :=
X
N
X
aj µ(Aj )
j=1
und nennen diesen Ausdruck das Lebesgue-Integral von f bzgl. µ.
b) Für A ∈ A heißt
Z
Z
f dµ := f 1A dµ
A
X
33
34
5 Integrierbare Funktionen
das Lebesgue-Integral von f über A bzgl. µ.
Anmerkung 5.2. Sei
M
X
f=
bk 1Bk
k=1
nicht unbedingt in Standard-Darstellung, aber mit bk ≥ 0, und Bk paarweise
disjunkt. Dann gilt
Z
M
X
f dµ =
bk µ(B ∩ Bk )
k=1
B
für alle B ∈ B.
Beweis. ...kommt noch...
Lemma 5.3. Seien f, g ∈ L 0 ,f, g ≥ 0 einfache Funktionen.
a) Für A ∈ A gilt
Z
Z
1 dµ =
A
1A dµ = µ(A).
X
b) Für A, B ∈ A mit A ⊆ B und für g ≤ f gilt
Z
Z
g dµ ≤ f dµ.
A
B
R
R
c) RFür α ≥ 0 ist R αf dµ =Rα f dµ.
d) (f + g) dµ = f dµ + g dµ.
e) Die Abbildung
ϕ : A → R,
Z
ϕ(A) :=
f dµ
A
ist ein Maß auf A .
Beweis. a), c) Trivial aus der Definition.
PN
PM
b) Seien f = j=1 aj 1Aj und g = k=1 bk 1Bk die Standard-Darstellungen.
Dann gilt
Z
f dµ =
N
X
j=1
A
≤
aj µ(Aj ∩ A) =
N X
M
X
j=1 k=1
M
N X
X
j=1 k=1
aj µ(Aj ∩ Bk ∩ A)
bk µ(Aj ∩ Bk ∩ B) =
M
X
k=1
bk µ(Bk ∩ B) =
Z
g dµ,
B
wobei aj = f (x) ≤ g(x) = bk für x ∈ Aj ∩ Bk und µ(Aj ∩ Bk ∩ A) ≤
µ(Aj ∩ Bk ∩ B) nach Voraussetzung gelten.
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5.2 Integration positiver Funktionen
35
PN
PM
d) Seien f =
j=1 aj 1Aj und g =
k=1 bk 1Bk Standard-Darstellungen,
d.h. insbesondere mit Aj bzw. Bk paarweise disjunkt. Dann gilt
Z
Z
f dµ +
X
g dµ =
N
X
aj µ(Aj ) +
j=1
X
=
bk µ(Bk )
k=1
N
X
aj
j=1
=
M
X
M
X
k=1
M X
N
X
k=1 j=1
µ(Aj ∩ Bk ) +
M
X
bk
N
X
j=1
k=1
(aj + bk )µ(Aj ∩ Bk ) =
µ(Aj ∩ Bk )
Z
f + g dµ,
X
wobei wir auch benutzt haben, dass
Aj =
M
[
k=1
e) Sei B =
S∞
n=1
(Aj ∩ Bk ) und Bk =
N
[
(Aj ∩ Bk ).
j=1
Bn , Bn ∈ A und Bj ∩ Bk = ∅, j 6= k. Zu zeigen ist
Z
f dµ =
∞ Z
X
f dµ.
n=1B
n
B
Dazu schreiben wir einfach die Definition hin:
∞ Z
X
f dµ =
n=1B
n
∞ X
N
X
n=1 j=1
=
N
X
j=1
aj µ(Bn ∩ Aj ) =
aj µ(B ∩ Aj ) =
N
X
j=1
aj
∞
X
n=1
µ(Bn ∩ Aj )
Z
f dµ.
B
5.2 Integration positiver Funktionen
Wir dehnen nun den Integralbegriff auf positive Elemente von L 0 aus.
Definition 5.4. Sei f ∈ L 0 , f ≥ 0, B ∈ A . Dann heißt
Z
nZ
o
f dµ := sup
g dµ | g einfach und 0 ≤ g ≤ f
B
B
das Lebesgue-Integral von f über B bzgl. µ.
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36
5 Integrierbare Funktionen
Anmerkung 5.5. 1. Für f ∈ L 0 , f ≥ 0 einfache Funktion, stimmen die
Definitionen 5.1 und 5.4 überein.
2. Es gelten
Z
Z
f dµ = 0,
0 dµ = 0.
X
∅
3. Aus der Definition folgt, dass für f, g ∈ L 0 , f, g ≥ 0 gilt
Z
Z
Z
Z
f ≤ g =⇒
f dµ ≤ g dµ und
αf dµ = α f dµ,
X
X
X
α ≥ 0.
X
4. Für A ⊆ B, A, B ∈ A gilt
Z
A
f dµ ≤
Z
f dµ.
B
Das erste fundamentale Resultat ist der folgende Konvergenzsatz.
Theorem 5.6 (Beppo Levi-Theorem; Satz der monotonen Konvergenz). Es seien 0 ≤ f1 ≤ f2 ≤ · · · ≤ fn ≤ · · · messbar (fn ∈ L 0 ). Setze
f := lim fn .
n→∞
Dann ist f messbar, und es gilt
Z
Z
f dµ = lim
fn dµ.
n→∞
X
X
R
R
Beweis. Aus der Voraussetzung wissen
R wir X fn dµ ≤ X fn+1 dµ, somit existiert der Grenzwert limn→∞ X fn dµ ∈ [0, ∞].
Wegen R4.10 ist
R
f = limn→∞ fn messbar. Ferner gilt fn ≤ f und somit X fn dµ ≤ X f dµ.
Sei jetzt 0 ≤ g ≤ f eine einfache Funktion und 0 < α < 1. Definiere die
Mengen
An := x ∈ X fn (x) ≥ αg(x) .
S∞
Es gilt X = n=1 An , denn falls g(x) = 0, so folgt x ∈ An für alle n ∈ N. Falls
aber g(x) > 0, so gilt αg(x) < g(x) ≤ f (x) und deswegen fn (x) > αg(x) für
n genügend groß, d.h. x ∈ An . Offensichtlich gilt ARn ⊆ An+1 für n ∈ N (da
fn ≤ fn+1 ). Da nach Lemma 5.3.e) durch ϕ(A) := A f dµ ein Maß definiert
wird, und da An % X gilt, bekommen wir
Z
Z
Z
Z
α g dµ = lim
αg dµ ≤ lim sup fn dµ ≤ lim
fn dµ.
X
n→∞
An
n→∞
n→∞
An
X
Dies gilt für alle α ∈ (0, 1) und für alle einfachen Funktionen g mit 0 ≤ g ≤ f ,
also nach Definition
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5.2 Integration positiver Funktionen
Z
37
Z
f dµ ≤ lim
n→∞
X
fn dµ ≤
X
Z
f dµ.
X
R
Anmerkung 5.7. X f Rdµ ist definiert als sup über eine “riesige” Menge.
f dµ direkt zu berechnen. Theorem 5.6 besagt
X
RDaher ist es schwierig
R
f dµ = limn→∞ X fn dµ, wobei fn einfach mit fn % f . Der ApproxiX
mationssatz besagt, dass solche Folgen (fn ) existieren.
Eine Anwendung von 5.6 ist:
Theorem 5.8. Sei (fn ) eine Folge in L 0 , fn ≥ 0, R 3 αn ≥ 0 und
f :=
∞
X
αn fn .
n=1
Dann gilt
Z
f dµ =
∞
X
Z
αn
n=1
X
fn dµ.
X
Beweis. Zunächst zeigen wir, dass das Integral endlich additiv ist. Seien fjn ≤
fj , j = 1 . . . , N , einfache Funktionen mit fjn % fj punktweise (siehe Theorem
4.13). Dann ergibt Lemma 5.3.b), dass
Z
Z
Z
Z
n
n
n
n
α1 f1 dµ+α2 f2 dµ+· · ·+αN fN dµ = α1 f1n +α2 f2n +· · ·+αN fN
dµ,
X
X
X
X
R
für jedes n ∈ N. Für n → ∞ konvergiert hier dieR rechte Seite gegenR X α1 f1 +
· · · + αN fN dµ und die linke Seite gegen α1 X f1 dµ + · · · + αN fN dµ
(verwende Theorem 5.6). Wir haben also die Gleichheit
Z X
N
αj fj dµ =
X j=1
N
X
j=1
Z
αj
fj dµ
X
gezeigt.
Pn
Nun definiere gn := j=1 αj fj , dann gilt gn ≤ gn+1 % f und Theorem 5.6
liefert
Z
Z
Z X
∞
gn dµ
αj fj dµ =
lim gn dµ = lim
X j=1
n→∞
n→∞
X
= lim
n→∞
X
n
X
j=1
Z
αj
fj dµ =
X
∞
X
j=1
Z
αj
fj dµ.
X
Korollar 5.9. Sei f ∈ L 0 , f ≥ 0. So definiert
compiled: 21-May-2015/11:13
38
5 Integrierbare Funktionen
Z
ν(A) :=
f dµ
A
ein Maß.
Beweis. Seien
P An ∈ A paarweise disjunkt. Setze A :=
1An f . Da n∈N fn = 1A f , so gilt nach Theorem 5.8
Z
ν(A) =
1A f dµ =
∞ Z
X
1An f dµ =
n=1
X
S
n∈N
An und fn :=
ν(An ).
n∈N
Theorem 5.10 (Fatou-Lemma). Es seien fn ∈ L 0 mit fn ≥ 0. Dann gilt
Z
Z
lim inf fn dµ ≤ lim inf fn dµ.
n→∞
n→∞
X
X
Beweis. Wir erinnern uns daran, dass
lim inf fn = lim inf fk = sup inf fk .
n→∞
n→∞ k≥n
n∈N k≥n
Sei gn := inf j≥n fj und g := lim inf n→∞ fn = limn→∞ gn . Dann gilt gn % g
und für j ≥ n gilt gn ≤ fj . Somit haben wir
Z
Z
gn dµ ≤ fj dµ.
R
R
Daraus folgt gn dµ ≤ inf j≥n fj dµ, und wegen Theorem 5.6 gilt
Z
Z
lim inf fn dµ =
lim gn dµ
n→∞
X
n→∞
X
Z
= lim
n→∞
gn dµ ≤ lim inf
Z
n→∞ j≥n
X
Z
fj dµ = lim inf
fn dµ.
n→∞
X
X
Beispiel 5.11. Sei X = R, A = P(R) und sei µ das Zählmaß. Für fn :=
1[n,∞) gelten
Z
fn & 0 punktweise und
fn dµ = ∞.
R
Dies zeigt, dass
a) der Satz von Beppo Levi für fallende Folgen im Allgemeinen nicht gilt,
b) im Lemma von Fatou in der Tat “<” stehen kann.
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5.3 Konvergenz und Gleichheit fast überall
39
5.3 Konvergenz und Gleichheit fast überall
Definition 5.12. Es seien f, fn und g messbar.
a) Wir sagen, dass eine Eigenschaft ϕ von Punkten x ∈ X µ-fast überall
gilt, falls
x ∈ X x hat Eigenschaft ϕ NICHT
eine µ-Nullmenge ist. D.h. es gibt N ∈ A mit µ(N ) = 0 und, so dass
x die Eigenschaft ϕ für alle x ∈ X \ N hat.
Beispiele hierfür:
b) f = g fast überall, falls eine Menge N ∈ A existiert mit µ(N ) = 0 und
f (x) = g(x) für alle x ∈ N c .
c) fn → f fast überall, falls eine Menge N ∈ A existiert mit µ(N ) = 0 und
fn (x) → f (x) für alle x ∈ N c .
Beispiel 5.13. Für X = R, A = B(R) die Borel-σ-Algebra und λ1 das
Lebesgue-Maß gilt
1Q = 0 fast überall.
R
Theorem 5.14. Für f ∈ L 0 , f ≥ 0 gilt X f dµ = 0 genau dann, wenn
f = 0 fast überall.
R
Pn
Beweis. Sei zunächst f einfach, f =
j=1 aj 1Aj . Dann gilt X f dµ = 0
genau dann, wenn aj = 0 oder µ(Aj ) = 0 für alle j = 1, . . . , n. Also folgt die
Behauptung in diesem speziellen Fall.
“⇐”: Sei f = 0 fast überall. Dann
0≤g≤f
R gilt für alle einfachen Funktionen
R
stets g = 0 fast überall, also X g dµ = 0 und somit auch X f dµ = 0.
S∞
“⇒”: Sei An := {x ∈ X | f (x) ≥ n1 }. Dann
R gilt {x ∈1 X | f (x) > 0} = n=1 An .
Ist µ(An ) > 0 für ein n ∈ N, so folgt
f dµ ≥ n µ(An ) > 0, denn f 1An ≥
X
R
1
1
.
D.h.
unter
der
Bedingung
f
dµ
= 0 gilt µ(An ) = 0 für alle n ∈ N.
A
n
n
S
Da {x ∈ X | f (x) > 0} = n∈N An können wir somit folgern, dass f = 0 fast
überall gilt.
Mit diesem Konzept gelten die entsprechenden Modifikationen der Sätze von
Beppo Levi und Fatou.
Korollar 5.15. Sei (fn ) ⊆ L 0 , f ∈ L 0 , f ≥ 0 und 0 ≤ f1 ≤ f2 ≤ f3 · · · ≤
fn ≤ · · · fast überall und fn → f fast überall. Dann gilt
Z
Z
f dµ = lim
fn dµ.
n→∞
X
X
Beweis. ÜA.
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40
5 Integrierbare Funktionen
Korollar 5.16. Sei (fn ) ⊆ L 0 , f ∈ L 0 , fn , f ≥ 0 mit fn → f fast überall.
Dann gilt
Z
Z
f dµ ≤ lim inf fn dµ.
n→∞
X
X
Beweis. ÜA.
Theorem 5.17. Sei f ∈ L 0 , f ≥ 0 mit
fast überall.
R
X
f dµ < ∞. Dann gilt f (x) < ∞
Beweis. ...kommt noch...
5.4 Integrierbare Funktionen
Es sei (X, A , µ) ein Maßraum. Wir dehnen den Integralbegriff aus messbare
Funktionen f : X → K auf.
Wir erinnern uns daran, dass f : X → C genau dann messbar ist, wenn
Re f, Im f : X → R beide messbar sind, und f : X → R genau dann messbar
ist, wenn f + = max(f, 0) und f − = − min(f, 0) beide messbar sind. Ferner
gelten im letzten Fall:
f = f+ − f−
und |f | = f + + f − .
0
Definition
R − 5.18. a) Sei f ∈ L (X; R). Falls nicht beide Integrale
und f dµ gleich ∞ sind, definieren wir durch
Z
Z
Z
+
f dµ := f dµ − f − dµ,
X
X
R
f + dµ
X
das Integral von f . Wir sagen, dass Integral von f existiert. Dieses Integral nennt man Lebesgue-Integral.
falls ihr Integral exib) Eine Funktion f ∈ L 0 (X; R) heißt integrierbar,
R
stiert und eine endliche Zahl ist, d.h. f dµ ∈ R.
c) Eine Funktion f ∈ L 0 (X; C) heißt integrierbar, falls Re f und Im f
beide integrierbar sind. In diesem Fall setzen wir
Z
Z
Z
f dµ := Re f dµ + i Im f dµ.
X
X
X
d) Analog definiert man Integrierbarkeit auf einer Menge B ∈ A .
e) Die Menge aller integrierbaren Funktionen f : X → K (K = R oder C),
wird mit
L 1 (µ) = L 1 (µ; K) = L 1 (X, µ; K) = L 1 (X, A , µ; K)
compiled: 21-May-2015/11:13
5.4 Integrierbare Funktionen
41
bezeichnet.
Anmerkung 5.19. Eine Funktion f : X → K ist genau dann integrierbar,
wenn |f | : X → R integrierbar ist. Denn für K = R gilt: |f | = f + + f − , und
für K = C gilt |f | ≤ | Re f | + | Im f | ≤ 2|f |.
Theorem 5.20. Die Menge L 1 (µ; K) versehen mit punktweisen Operationen ist ein Vektorraum. Es gilt ferner:
Z
Z
Z
f + αg dµ = f dµ + α g dµ.
X
X
X
Beweis. Seien f, g ∈ L 1 (µ; K), α ∈ K. Es gilt |f + αg| ≤ |f | + |α| · |g|, also
ist f + αg integrierbar wegen Bemerkung 5.19:
Z
Z
Z
|f + αg| dµ ≤ |f | dµ + |α| |g| dµ < ∞.
X
X
X
Wir können f und g in Real- und Imaginärteil zerlegen, also ohne Beschränkung der Allgemeinheit annehmen, dass f und g R-wertig sind.
Für h := f + g gilt
h+ − h− = f + − f − + g + − g −
also h+ + f − + g − = h− + f + + g + . Satz 5.8 ergibt
Z
Z
Z
Z
Z
Z
h+ dµ + f − dµ + g − dµ = h− dµ + f + dµ + g + dµ
und daher
Z
Z
Z
Z
Z
Z
Z
h dµ = h+ dµ − h− dµ = f + dµ − f − dµ + g + dµ − g − dµ
Z
Z
= f dµ + g dµ.
Ist α ∈ R, so ist
Z
Z
αf dµ = α
f dµ
mit Vorzeichen-Analyse einfach zu beweisen (benutze auch Satz 5.8).
Ist α ∈ C, so schreibt man α = Re α + i Im α und verwendet den schon
bewiesenen reellen Fall.
Theorem 5.21. Für f ∈ L 1 (µ; K) gilt
Z
Z
f dµ ≤ |f | dµ.
X
X
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42
5 Integrierbare Funktionen
R
Beweis. Ist f dµ = 0, so ist die Behauptung trivial. Für reellwertiges f gilt
Z
Z
Z
Z
Z
Z
+
−
+
−
f dµ = f dµ − f dµ ≤ f dµ + f dµ = |f | dµ.
R
R
R
Sei f : X → C und f dµ 6= 0. Setze α = | f dµ|/ f dµ, dann gilt |α| = 1
und
Z
Z
Z
Z
f dµ = α f dµ = αf dµ = Re αf dµ
Z
Z
Z
Z
= Re αf dµ ≤ | Re αf | dµ ≤ |αf | dµ = |f | dµ
Lemma 5.22. Seien f, g ∈ L 1 (µ; R), g ≤ f . Dann gelten:
Z
Z
a)
g dµ ≤ f dµ.
X
X
b) Falls für A := {x | f (x) < g(x)} gilt µ(A) > 0, so gilt
Z
Z
f dµ < g dµ.
X
X
R
Beweis. a) Da f − g ≥ 0, wir haben f − g dµ ≥ 0. Somit gilt
Z
Z
Z
0 ≤ f − g dµ = f dµ − g dµ,
X
X
X
also folgt die Behauptung.
R
b) Ist f − g dµ = 0, so folgt
R f −g =
R 0 fast überall (denn f − g ≥ 0). Falls
also µ(A) > 0 gilt, so muss g dµ < f dµ sein.
Korollar 5.23. Für f, g ∈ L 1 (µ; K) sind die folgenden Aussagen äquivalent.
Z
Z
(i) f dµ = g dµ für alle A ∈ A .
A
Z
(ii)
A
|f − g| dµ = 0.
X
(iii) f = g fast überall.
Beweis. (i) ⇒ (iii) Wir zeigen z.B., dass Re f =R Re g fast überall
(Im f = Im g
R
geht genauso). Nach Voraussetzung haben wir A Re f dµ = A Re g dµ für alle
A ∈ A . Insbesondere gilt dies für A+ := {x ∈ X | Re f (x) > Re g(x)} und
A− := {x ∈ X | Re f (x) < Re g(x)}. So erhält man µ(A− ) = 0 und µ(A+ ) = 0
und somit die Behauptung.
Die Äquivalenz (ii) ⇔ (iii) folgt aus Thoorem 5.14.
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5.4 Integrierbare Funktionen
43
(ii) ⇒ (i): Wir haben
Z
Z
Z
Z
Z
f dµ − g dµ = f − g dµ ≤ |f − g| dµ ≤ |f − g| dµ = 0.
A
A
A
A
X
Theorem 5.24 (Lebesgue, Dominierte Konvergenz). Seien fn ∈ L 0 ,
n ∈ N, derart, dass
(i) es existiert eine messbare Funktion f mit fn → f fast überall,
(ii) und es existiert g ∈ L 1 , g ≥ 0 mit |fn | ≤ g fast überall für alle n ∈ N.
Dann gelten fn , f ∈ L 1 (µ; C) und
Z
Z
f dµ = lim
fn dµ.
n→∞
1
RBeweis. Es gilt
R f ∈ L , denn |f | = limn→∞ |fn | ≤ g fast überall und somit
|f | dµ ≤ g dµ. Ausserdem gilt |fn − f | ≤ |fn | + |f | ≤ 2g und daher
hn := 2g − |fn − f | ≥ 0. Wende nun das Fatou-Lemma 5.10 auf hn an:
Z
Z
Z
Fatou
2g dµ = lim inf hn dµ ≤ lim inf 2g − |f − fn | dµ
n→∞
n→∞
X
X
X
Z
Z
=
2g dµ + lim inf
n→∞
X
X
Z
=
−|fn − f | dµ
2g dµ − lim sup
Z
n→∞
X
|fn − f | dµ.
X
R
R
Dies zeigt, dass lim supn→∞ |fn − f | dµ = 0, und somit limn→∞ |fn −
f | dµ = 0. Also
Z
Z
Z
Z
5.20 fn dµ − f dµ = fn − f dµ ≤ |fn − f | dµ → 0 für n → ∞.
X
X
X
X
Anmerkung 5.25. Die Existenz einer Majorante in Theorem 5.24 ist wesentlich. Beispiel: X = R, µ = λ1 , fn = n1(0, n1 ] . Dann fn → 0 punktweise
aber
Z
fn dλ1 = 1.
[0,1]
Eine wichtige Anwendung ist die gliederweise Integration von Reihen:
Theorem 5.26. Sei (fn ) eine Folge in L 1 (µ) mit
∞ Z
X
n=1
X
|fn | dµ < ∞.
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44
5 Integrierbare Funktionen
Dann konvergiert
P∞
n=1
fn fast überall gegen ein f ∈ L 1 (µ) und
Z X
∞
fn dµ =
X n=1
∞ Z
X
n=1
fn dµ.
X
R
P∞
P∞ R
Beweis. Setze g := n=1
|f
|.
Satz
5.8
gibt
g
dµ
=
n
n=1 X |fn | dµ < ∞.
X
P∞
Satz 5.17 liefert dann n=1 |fn (x)| < ∞ fast überall und somit konvergiert
PN
P∞
gilt j=1 fj ≤ g für alle N ∈ N. Der Satz
n=1 fn (x) fast überall.RFerner
P∞
P∞ R
von Lebesgue 5.24 zeigt
n=1 fn =
n=1 X fn dµ.
Theorem 5.27 (Differenzierbarkeit von Parameterintegralen). Seien
a, b ∈ R, a < b, sei (X, A , µ) ein Maßraum und f : X × (a, b) → C. Es gelte
(1) f (·, t) ∈ L 1 (µ; C) für alle t ∈ (a, b).
1
(2) ∂f
∂t existiert auf X × (a, b) und es existiert g ∈ L (µ; R) mit
∂f
(x, t) ≤ g(x)
∂t
für alle (x, t) ∈ X × (a, b).
Dann ist F : (a, b) → C definiert durch
Z
F (t) :=
f (x, t) dµ(x)
X
differenzierbar auf (a, b) und es gilt
Z
Z
dF
∂
d
0
(t) =
f (x, t) dµ(x) =
f (x, t) dµ(x).
F (t) =
dt
dt X
∂t
X
f (x,tn )−f (x,t0 )
Beweis. Es gilt ∂f
(mit tn → t0 ), damit ist
∂t (x, t0 ) = limtn →t0
tn −t0
∂f
die Funktion x 7→ ∂t (x, t0 ) für alle t0 ∈ (a, b) messbar. Der Mittelwertsatz
und (2) liefern
f (x, t ) − f (x, t ) n
0 ≤ |f 0 (x, s)| ≤ g(x).
tn − t0
So folgt nach dem Satz von Lebesgue 5.24
Z
Z
f (x, tn ) − f (x, t0 )
∂
lim
dµ(x) =
f (x, t0 ) dµ(x).
tn →t0 X
tn − t0
X ∂t
Dies gilt für alle (tn )n∈N mit tn → t0 , und so folgt die Behauptung:
Z
∂
0
F (t0 ) =
f (x, t0 ) dµ(x).
∂t
X
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Kapitel 6
L p Räume und Integralungleichungen
L p -Räume verallgemeinern L 1 und spielen eine wichtige Rolle in der modernen Analysis. In diesem Abschnitt sei (X, A , µ) ein fester Maßraum.
6.1 Der Raum L p
Definition 6.1. Sei f ∈ L 0 (X, A , µ; K) und sei p ∈ (0, ∞).
a) Setze
kf kp :=
Z
1/p
|f |p dµ
.
X
kf kp heißt die p-Norm von f (genauer: p-Halbnorm). Wir werden sehen,
dass es sich für p ≥ 1 dabei tatsächlich um eine s.g. Halbnorm handelt.
b) Definiere
L p := L p (X, A , µ; K) := f f ∈ L 0 (x, A , µ; K), kf kp < ∞ .
f ∈ L p heißt p-integrierbare Funktion. Wir benutzen auch die Notationen: L p (µ; K), L p (µ), usw.
Anmerkung 6.2. 1. Für f ∈ L 0 und p ∈ (0, ∞) gilt kf kp = 0 genau dann,
wenn f = 0 µ-fast überall gilt.
Denn es gelten die folgenden Äquivalenzen:
Z
kf kp = 0 ⇔
|f |p dµ = 0 ⇔ |f |p = 0 f.ü. ⇔ f = 0 f.ü.
X
2. Für α ∈ K gilt
kαf kp = |α| · kf kp .
Wir brauchen die folgenden elementaren Ungleichungen aus der Analysis I.
45
6 L p Räume und Integralungleichungen
46
Lemma 6.3. Seien a, b ≥ 0.
a) Youngsche Ungleichung. Für p, q ∈ [1, ∞) gilt
ab ≤
ap
p
+
bq
q ,
wenn
1
p
+
1
q
= 1.
“=” gilt genau dann, wenn a = b.
b) Für p > 1 gilt
(a + b)p ≤ 2p−1 (ap + bp ).
“=” gilt genau dann, wenn a = b.
c) Für p ∈ (0, 1) gilt
(a + b)p ≤ ap + bp .
“=” gilt genau dann, wenn a = 0 oder b = 0.
Beweis. ...kommt noch...
Satz 6.4. Für p ∈ [0, ∞) ist L p (X, A , µ; K) ein Vektorraum.
Beweis. Die Fälle p = 0 oder p = 1 haben wir schon erledigt. Für p > 1 und
f, g ∈ L p können wir schreiben
Z
Z
Z
Z
p
p
p−1
p
|f + g| dµ ≤ (|f | + |g|) dµ ≤ 2 |f | dµ + 2p−1 |g|p dµ < ∞,
X
X
X
X
d.h. f + g ∈ L p (benutze Lemma 6.3.b)).
Für p < 1 und f, g ∈ L p gilt wegen Lemma 6.3.c)
Z
Z
Z
Z
|f + g|p dµ ≤ (|f | + |g|)p dµ ≤ |f |p dµ + |g|p dµ < ∞,
X
X
X
X
d.h. f + g ∈ L p .
Theorem 6.5 (Höldersche Ungleichung).
a) Es seien 0 < p, q, r < ∞ mit
1 1
1
+ = .
p q
r
Dann gilt für alle f, g ∈ L 0 die Ungleichung
kf gkr ≤ kf kp · kgkq .
b) Ist f ∈ L p , g ∈ L q mit p, q ∈ (1, ∞) und
so gilt
fg ∈ L 1
1 1
+ = 1,
p q
und kf gk1 ≤ kf kp kgkq .
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6.1 Der Raum L p
47
c) Für f, g ∈ L 2 gilt f g ∈ L 1 , und
kf gk1 ≤ kf k2 kgk2 .
Diese heißt Cauchy–Schwarz-Ungleichung (oder: Cauchy–Bunjakowski–
Schwarz-Ungleichung).
Beweis. b) ist Spezialfall von a). Auch c) folgt aus b) mit p = q = 2.
a) Natürlich ist f g messbar, d.h. f g ∈ L 0 . Gilt kf kp = 0 oder kgkq = 0, so
gilt f g = 0 fast überall. Somit steht auf beiden Seiten die Zahl 0. Seien also
kf kp , kgkq > 0. Ist eines der beiden ∞, so ist die Ungleichung trivial. Seien
also kf kp , kgkq ∈ (0, ∞) und setze G := g/kgkq und F := f /kf kp . Anwenden
der Young-Ungleichung in jedem Punkt x ∈ X ergibt nach Integration
Z
Z
|f (x)g(x)|r
dµ
=
|F (x)G(x)|r dµ(x)
kf krp kgkrq
X
X
Z
Z
r
r
r
r
rp/r
|F (x)|
|G(x)|rq/r dµ(x) = + = 1,
≤
dµ(x) +
p
q
p q
X
X
und die Behauptung folgt.
Theorem 6.6 (Minkowskische Ungleichung). Sei 1 ≤ p < ∞ und f, g ∈
L p . Dann
kf + gkp ≤ kf kp + kgkp .
Beweis. Für p > 1 verwende die Höldersche Ungleichung:
Z
Z
kf + gkpp ≤ |f | · |f + g|p−1 dµ + |g| · |f + g|p−1 dµ
X
X
≤ kf kp · k(f + g)p−1 kq + kgkp · k(f + g)p−1 kq
= (kf kp + kgkp ) · kf + gkp/q
p .
p/q
Da p − p/q = 1 folgt die Behauptung folgt per Dividieren durch kf + gkp
(wenn dies nicht 0 ist). Für p = 1 kann man einige Schritte aus dem obigen
Argument aussparen.
Korollar. Für p ≥ 1 ist k · kp : L p → [0, ∞) eine Halbnorm, d.h., k · kp hat
die folgenden Eigenschaften:
1. Für alle f ∈ L p und α ∈ K gilt kαf kp = |α|kf kp .
(Homogenität)
2. Für alle f, g ∈ L p gilt kf + gkp ≤ kf kp + kgkp .(Dreiecksungleichung)
Theorem 6.7. Sei p ∈ (0, 1) und f, g ∈ L p . Dann gilt
kf + gkpp ≤ kf kpp + kgkpp .
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6 L p Räume und Integralungleichungen
48
Beweis. Folgt aus Lemma 6.3.c) (siehe den Beweis vom Theorem 6.4).
Lemma 6.8. Sei g : R → R eine konvexe Funktion. Dann gilt
g(x) = sup `a,b (x)
`a,b ≤g
für jedes x ∈ R, wobei
`a,b (x) := ax + b
lineare Funktionen bezeichnet.
Beweis. ...kommt noch...
Theorem 6.9 (Jensen-Ungleichung). Sei (X, A, µ) ein Wahrscheinlichkeitsraum, d.h., µ(X) = 1. Sei f ∈ L 1 (X) und sei g : R → R konvex. Dann
gilt
Z
Z
g
f dµ ≤ g ◦ f dµ.
X
X
Beweis. Da g stetig ist und f messbar, ist die Verkettung g ◦ f messbar. Sei
`a,b ≤ f . Es gilt
Z
Z
Z
Z
Z
`a,b
f dµ = a
f dµ + b = af + b dµ = `a,b ◦ f dµ ≤ g ◦ f dµ.
X
X
X
X
X
Betrachtet man das Supremum bzgl. `a,b ≤ f und verwendet man Lemma
6.8, so folgt die Behauptung.
Korollar. Sei µ ein Wahrscheinlichkeitsmaß auf A . Für p ≥ 1 und f ∈
L p (µ) gilt
kf k1 ≤ kf kp .
Beweis. Die Funktion t 7→ tp ist konvex, und somit liefert die JensenUngleichung:
p Z
Z
|f | dµ ≤ |f |p dµ = kf kpp .
kf kp1 =
X
X
(Alternativ kann man auch die Hölder-Ungleichung verwenden, vgl. Satz
6.16.)
Theorem 6.10 (Clarkson-Ungleichungen). Sei (X, A , µ) ein Maßraum,
und seien f, g ∈ L 0 (X; C).
a) Für p ≥ 2 gilt:
f + g p f − g p
1
+
≤ (kf kpp + kgkpp ).
2
2
2
p
p
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6.1 Der Raum L p
49
b) Für p ∈ (1, 2) gilt
f + g q f − g q 1
q/p
1
kf kpp + kgkpp
,
+
≤
2
2
2
2
p
p
wobei
Lemma.
1
p
+
1
q
= 1.
Für a, b ≥ 0 und p ≥ 2 gilt
ap + bp ≤ (a2 + b2 )p/2 .
Beweis. Wir können OBdA annehmen, dass a2 +b2 = 1. In diesem Fall gelten
a ≤ 1, b ≤ 1 und somit ap ≤ a2 und bp ≤ b2 . Dies impliziert
ap + bp ≤ a2 + b2 = 1 = (a2 + b2 )p/2 .
Beweis (Theorem 6.10). b) ist schwierig.
a) (Wir können f, g ∈ L p annehmen, sonst ist die Aussage trivial.) Wir
benutzen das vorige Lemma:
Z Z Z f + g p
f + g 2 f − g 2 p/2
f − g p
dµ
dµ + dµ ≤
+
2
2
2
2
X
X
X
Z 2
|f | + |g|2 + f g + f g + |f |2 + |g|2 − f g − f g p/2
=
dµ
4
X
Z 2
Z
|f | + |g|2 p/2
|f |p + |g|p
dµ.
=
dµ ≤
2
2
X
X
In dem letzten Schritt haben wir die Konvexität von t 7→ tp/2 benutzt.
Anmerkung 6.11. a) Für n ∈ N, m ∈ N seien an,m ∈ C gegeben. Wir
schreiben
an,m → 0 (n, m → ∞),
falls für jedes ε > 0 einen Grenzindex N ∈ N existiert mit
|an,m | ≤ ε für alle n, m ≥ N .
b) Sei (bn ) ∈ C eine Folge und b ∈ C. Setze an,m := bn − b. Dann
an,m → 0
(n, m → ∞)
⇐⇒
bn → b (n → ∞),
d.h., (bn ) ist konvergent mit Grenzwert b.
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6 L p Räume und Integralungleichungen
50
c) Sei (bn ) ∈ C eine Folge und b ∈ C. Setze an,m := bn − bm . Dann
an,m → 0
(n, m → ∞)
⇐⇒
(bn ) ist eine Cauchy-Folge.
Theorem 6.12. Seien fn ∈ L p . Falls gilt kfn − fm kp → 0 für n, m → ∞,
dann existiert eine Teilfolge (fnk ) und eine Funktion f ∈ L p derart, dass
und
fnk (x) → f (x)
kfn − f kp → 0
für µ-fast alle x ∈ X,
für n → ∞.
Beweis. (Nur für p ≥ 1, der Fall p ∈ (0, 1) geht ähnlich.) Sei (fn ) ⊆ L p
eine Cauchy-Folge. Zu εk := 2−k wähle Nk ∈ N mit kfn − fm kp ≤ 2−k falls
n, m ≥ Nk . So findet man eine Teilfolge (fnk ) mit
1
2k
kfnk+1 − fnk kp ≤
Setze gk := fnk+1 − fnk , Gn :=
kGN kp ≤
N
X
j=1
PN
j=1
für alle k ∈ N..
|gj | und G :=
kgj kp ≤
∞
X
j=1
P∞
j=1
|gj |. Dann gilt
kgj kp ≤ 1 < ∞.
Da GpN % Gp gilt, liefert der Satz von der monotonen Konvergenz 5.6
Z
Z
p
GpN dµ ≤ 1 < ∞.
G dµ = lim
N →∞
X
X
Dass heißt G ∈ L p und somit
G(x) =
∞
X
j=1
|gj (x)| < ∞
µ-fast überall.
Insbesondere konvergiert die Reihe
F (x) :=
∞
X
gj (x)
j=1
für fast alle x ∈ X.
Wir sehen auch, dass |F | ≤ G gilt und daher F ∈ L p . Ferner
k−1
k−1
X p
X p |F − fnk + fn1 |p = gj = F −
gj ≤ (2G)p ∈ L 1 ,
j=1
j=1
also nach dem Satz von Lebesgue 5.24
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6.2 Der Raum L ∞
51
k|F − fnk +
fn1 kpp
n
n
p
p Z X
X
fj dµ → 0
= F −
fj = F −
j=1
p
X
j=1
für k → ∞. Also folgt die Behauptung mit f (x) := F (x) + fn1 (x).
Theorem (Riesz–Fischer). Sei p ∈ (0, ∞), und seien fn ∈ L p . Äquivalent
sind die folgenden Aussagen:
(i) kfn − fm kp → 0 für n, m → ∞ (d.h. (fn ) ist eine L p -Cauchy-Folge).
(ii) Es gibt f ∈ L p mit kfn − f kp → 0 für n → ∞.
Beweis. (Nur für p ≥ 1, der Fall p ∈ (0, 1) geht ähnlich.) (ii) ⇒ (i) ist die
triviale Implikation: Für ε > 0 gilt
kfn − fm kp ≤ kfn − f kp + kf − fm kp ≤ ε,
falls n, m ≥ N .
(i) ⇒ (ii) Sei (fn ) eine Cauchy-Folge. Nach Theorem 6.12 gibt es eine konvergente Teilfolge (fnk ) mit Grenzwert f ∈ L p . Für ε > 0 gilt dann
kfn − f kp ≤ kfn − fnk kp + kfnk − f kp ≤ ε,
falls n ≥ N (in einem Zwischenschritt wählt man nk groß).
6.2 Der Raum L ∞
Definition 6.13. a) Sei f : X → K messbar. Dann heißt f wesentlich
beschränkt, falls ein c ≥ 0 mit µ({x ∈ X | |f (x)| > c}) = 0 existiert, d.h.,
falls gilt |f | ≤ c fast überall.
b) Setze
kf k∞ := inf{α ≥ 0 : µ({x ∈ X : |f (x)| > α}) = 0}.
Ist f nicht wesentlich beschränkt, so setzt man kf k∞ := ∞. kf k∞ heißt
das wesentliche Supremum von f .
c) Der Raum L ∞ ist definiert durch
L ∞ := L ∞ (X, A , µ; K) := f ∈ L 0 | kf k∞ < ∞ .
Theorem 6.14 (Eigenschaften von L ∞ ).
a) |f | ≤ kf k∞ µ-fast überall und es gilt:
|f | ≤ c fast überall
⇐⇒
kf k∞ ≤ c.
b) Es gilt kf k∞ = 0 genau dann, wenn f = 0 fast überall.
c) L ∞ ist ein Vektorraum und k · k∞ ist eine Halbnorm darauf.
compiled: 21-May-2015/11:13
6 L p Räume und Integralungleichungen
52
d) Für fn , gm ∈ L ∞ sind die folgenden Aussagen äquivalent:
(i) kfn − gm k∞ → 0 für n, m → ∞.
(ii) Es gibt eine µ-Nullmenge N ∈ A , so dass
|fn (x) − gm (x)| → 0
gleichmäßig für x ∈ X \ N für n, m → ∞.
e) Für fn ∈ L ∞ sind die folgenden Aussagen äquivalent:
(i) kfn − fm k∞ → 0 für n, m → ∞.
(ii) Es gibt ein f ∈ L ∞ , so dass
kfn − f k∞ → 0
für n → ∞.
Beweis. a) Setze
A := x ∈ X |f (x)| > kf k∞ , An := x ∈ X |f (x)| > kf k∞ + n1 .
S∞
Dann gilt A = n=1 An und µ(An ) = 0. Somit gilt auch µ(A) = 0, d.h. |f | ≤
kf k∞ fast überall.
Nach Definition gilt kf k∞ ≤ c, falls |f | ≤ c fast überall. Da |f | ≤ kf k∞ ist
die behauptete Äquivalenz bewiesen.
b) Folgt direkt aus a): kf k∞ = 0 gilt genau dann, wenn |f | ≤ 0 fast überall.
c) Seien f, g ∈ L ∞ . Dann gilt
|f + g| ≤ |f | + |g| ≤ kf k∞ + kgk∞ < ∞.
D.h. f + g ∈ L ∞ und es folgt sogar kf + gk∞ ≤ kf k∞ + kgk∞ . Sei α ∈ K,
α 6= 0. Dann gelten
|αf | = |α| · |f | ≤ |α| · kf k∞
kα
−1
αf k∞ ≤ |α
−1
| · kαf k∞
und daher
und daher
kαf k∞ ≤ |α|kf k∞ ,
|α|kf k∞ ≤ kαf k∞ .
Insgesamt folgt also kαf k∞ = |α|kf k∞ . Für α = 0 ist diese letzte Gleichheit
trivial, denn beide Seiten sind dann 0.
d) Für n, m ∈ N gilt
c
, µ(Nn,m ) = 0.
|fn (x) − gm (x)| ≤ kfn − gm k∞ für alle x ∈ Nn,m
S
Setze N := n,m∈N Nn,m . Dann gilt µ(N ) = 0 und
|fn (x) − gm (x)| ≤ kfn − gm k∞
für alle x ∈ N c .
Also gilt für ε > 0
|fn (x) − gm (x)| ≤ kfn − gm k∞ ≤ ε für alle x ∈ N c
compiled: 21-May-2015/11:13
6.3 Vergleich der L p Räume
53
falls n, m ≥ n0 , und das war genau die Behauptung.
e) Die Implikation (i) ⇒ (ii) ist einfach (siehe Theorem 6.1).
(ii) ⇒ (i) Setze gm := fm und verwende Teil d) um eine Nullmenge zu finden
mit
|fn (x) − fm (x)| → 0 gleichmäßig auf X \ N für n, m → ∞.
Wir sehen dass (fn (x)) ⊆ K eine Cauchyfolge ist, also einen Grenzwert f (x)
(für jedes x ∈ N c ) hat. Auf N definiere f als 0, dann ist f auf jedem Fall
messbar (Grenzwert messbarer Funktionen ist auch messbar). Für ε > 0 gilt
|fn (x) − fm (x)| ≤ kfn − fm k∞ ≤ ε,
falls n, m ≥ n0 . Mit m → ∞ bekommen wir
|fn (x) − f (x)| ≤ ε für alle x ∈ N c ,
für n ≥ n0 , d.h. kf − fn k∞ → 0. Aus
|f | ≤ |f − fn0 | + |fn0 | ≤ ε + kfn0 k∞ < ∞,
folgt f ∈ L ∞ .
Nun ist der folgende Satz ein direktes Korollar.
Satz 6.15. Für f ∈ L 1 und g ∈ L ∞ gilt
kf · gk1 ≤ kf k1 · kgk∞ .
6.3 Vergleich der L p Räume
Im Allgemeinen gibt es für p < r keinen Zusammenhang zwischen L p und
L r , d.h.
L p 6⊆ L r und L p 6⊃ L r .
Trotzdem kann man einiges über den Vergleich von L p und L r sagen. Die
folgenden Resultaten beruhen auf der Hölderschen Ungleichung.
Theorem 6.16. Sei (X, A , µ) ein endlicher Maßraum, und seien 0 < p <
r ≤ ∞. So gilt
L r (X, A , µ) ⊆ L p (X, A , µ)
Im Allgemeinen steht hier “6=”.
Beweis. Sei f ∈ L r . Dann liefert die Anwendung der Hölder-Ungleichung
6.5 auf f und g = 1X das Folgende:
compiled: 21-May-2015/11:13
6 L p Räume und Integralungleichungen
54
kf kp ≤ kf kr µ(X)1/q
mit
1
p
=
1
r
+ 1q .
Theorem 6.17. Sei (X, A , µ) ein endlicher Maßraum. Ist f ∈ L ∞ , so gilt
kf k∞ = lim kf kp .
p→∞
Beweis. Der Fall kf kp = 0 ist trivial. Insbesondere können wir µ(X) > 0 und
kf k∞ > 0 annehmen. Da f ∈ L ∞ , können wir schreiben
Z
|f |p dµ ≤ kf kp∞ µ(X).
lim sup kf kp ≤ kf k∞ lim µ(X)1/p = kf k∞ .
Daraus folgt
p→∞
p→∞
Anderseits gilt für alle 0 < α < kf k∞
Z
|f |p dµ ≥ αp µ(|f | > α),
und somit
lim inf kf kp ≥ α.
p→∞
Dies beendet den Beweis.
Theorem 6.18 (Interpolationsungleichung). Seien p0 , p1 ∈ (0, ∞], θ ∈
(0, 1) und
θ
1
1−θ
pθ := p0 + p1 .
Falls f ∈ L p0 ∩ L p1 gilt , so gilt auch f ∈ L pθ mit
θ
kf kpθ ≤ kf k1−θ
p0 kf kp1 .
Beweis. Setze g := |f |(1−θ)pθ und h := |f |θpθ . Dann gilt
gh = |f |(1−θ)pθ +θpθ = |f |pθ .
Ferner gelten
g∈L
sowie
kf kppθθ
p0
(1−θ)pθ
(X, µ) und h ∈ L
p1
θpθ
(X, µ)
(1−θ)pθ
θ
p1 = kf k
p0
· khk θp
· kf kθp
= kghk1 ≤ kgk (1−θ)p
p0
p1
θ
θ
mit der Verwendung der Hölderschen Ungleichung.
Theorem 6.19. Für p ∈ [1, ∞) gilt
L p (X, A , µ) ⊆ L 1 (X, A , µ) + L ∞ (X, A , µ),
compiled: 21-May-2015/11:13
6.3 Vergleich der L p Räume
55
d.h. jedes f ∈ L p läßt sich als f = g + h zerlegen, mit g ∈ L 1 und h ∈ L ∞ .
Beweis. Der Fall p = ∞ ist trivial, also sei p < ∞. Sei f ∈ L p (X, µ). Setze
A := {x ∈ X | |f | ≥ 1} und h := 1A f , g := 1X\A f . Dann g ∈ L ∞ (X, µ) und
h ∈ L 1 (X, µ), denn
Z
Z
Z
Z
|h| dµ = |f | dµ ≤ |f |p dµ ≤ |f |p dµ.
X
A
A
X
Es ist üblich für L p (N, P(N), µ; C), µ das Zählmaß, die Abkürzung `p einführen. Mit dieser Notation haben wir die Folgenden: Für x : N → C, p ∈ (0, ∞)
gilt
∞
X
1/p
kxkp =
, kxk∞ = sup |xn |.
|xn |p
n=1
n∈N
Satz 6.20. Für 0 < r < p ≤ ∞ gilt `r ⊆ `p , und für x = (xn ) ∈ `r gilt
k(xn )kp ≤ k(xn )kr .
Beweis. ...kommt noch...
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Kapitel 7
Konstruktion von Maßen
Ziel dieses Paragraphen ist es Techniken zu entwickeln um Maße zu konstruieren.
7.1 Äussere Maße
Definition 7.1. Sei X 6= ∅, E ⊆ P(X) mit ∅ ∈ E . Eine Funktion ϕ : E →
[0, ∞] heißt relativ Säusseres Maß über X, falls gilt ϕ(∅) = 0 und für alle
A, An ∈ E mit A ⊆ n∈N An gilt
ϕ(A) ≤
∞
X
ϕ(An ).
n=1
Ist darüber hinaus E = P(X), so heißt ϕ äusseres Maß.
Anmerkung 7.2. a) Jedes Maß ist ein relativ äusseres Maß.
b) Ein relativ äusseres Maß ist monoton, d.h. A ⊆ B impliziert ϕ(A) ≤Sϕ(B).
c) Ein relativ äusseres Maß ist σ-subadditiv: Falls A, Aj ∈ E mit A = j Aj ,
so gilt
X
ϕ(A) ≤
ϕ(Aj ).
j
Theorem 7.3 (Hahn). Es sei E ⊆ P(X) mit ∅ ∈ E , und α : E → [0, ∞]
mit α(∅) = 0. Für A ⊆ X definiere

S
∞ falls 6 ∃(An ) ⊆ E mit A ⊆ n An ,
nP
o
∞
∞
S
ϕα (A) :=
inf
α(An ) An ∈ E und A ⊆
An .
n=1
n=1
Dann gelten die folgenden Aussagen.
a) ϕα ist ein äußeres Maß auf X.
56
7.2 Carathéodory-Messbarkeit
57
b) Ist ϕ ein relativ äußeres Maß definiert mindestens auf E mit ϕ ≤ α,
dann gilt ϕ ≤ ϕα (die Ungleichungen hier sollen gelten, wenn beide Seiten
definiert sind).
c) Es gilt ϕα |E = α genau dann, wenn α selbst ein relativ äußeres Maß ist.
Beweis. a) ϕα (∅) = 0 ist klar.
S
Sei A ⊆ n An . Falls ϕα (An ) = ∞ für ein n ∈ N, so ist die gewünschte
Ungleichung trivialerweise wahr. Also können wir annehmen, dass ϕα (An ) <
∞. Sei ε > 0 und für jedes n ∈ N wähle Bnk ∈ E mit
An ⊆
∞
[
Bnk
und
k=1
∞
X
k=1
α(Bnk ) ≤ ϕα (An ) +
ε
.
2n
Dann gilt
A⊆
∞
[
n=1
An ⊆
∞ [
∞
[
Bnk ,
n=1 k=1
und somit
ϕα (A) ≤ ϕα
≤
∞
[
n=1
∞ X
∞
∞ X
X
α(Bnk )
An ≤
n=1 k=1
ϕα (An ) +
n=1
∞
ε X
ϕα (An ) + ε,
=
2n
n=1
denn ϕα ist trivialerweise monoton. Da hier ε > 0 beliebig ist, erhält man
die Behauptung.
b) Sei A ⊆ X derart, dass ϕ(A) definiert
ist. Wenn ϕα (A) = ∞ gilt, dann ist
S
ϕ(A) ≤ ϕα (A) trivial. Sei also A ⊆ n∈N An mit An ∈ E . Dann gilt
ϕ(A) ≤
X
n∈N
ϕ(An ) ≤
X
α(An ).
n∈N
Dies liefert ϕ(A) ≤ ϕα (A).
c) Ist α ein relativ äußeres Maß, so gilt α ≤ ϕα auf E wegen b). Aber ϕα ≤ α
ist ohne weiteres immer wahr, also ϕα = α auf E .
7.2 Carathéodory-Messbarkeit
Definition 7.4. Sei ϕ äußeres Maß auf X. Dann heißt eine Menge A ⊆ X
ϕ-messbar, falls gilt
compiled: 21-May-2015/11:13
58
7 Konstruktion von Maßen
ϕ(H) = ϕ(H ∩ A) + ϕ(H \ A) für alle H ⊆ X.
Wir führen noch die folgende Notation ein:
Mϕ := A A ⊆ X ϕ-messbar .
Anmerkung 7.5. a) H = (H ∩A)∪(H \A) =⇒ ϕ(H) ≤ ϕ(H ∩A)+ϕ(H \A),
d.h., A ist ϕ-messbar ⇐⇒ ϕ(H) ≥ ϕ(H ∩ A) + ϕ(H \ A) für alle H ⊆ X.
b) A ist ϕ-messbar ⇐⇒ Ac ϕ-messbar.
Theorem 7.6 (Carathéodory). Es sei ϕ äußeres Maß auf X. Dann ist
Mϕ eine σ-Algebra und (X, Mϕ , ϕ|Mϕ ) ist ein vollständiger Maßraum. Für
jedes H ⊆ X definiert µH (A) := ϕ(A ∩ H) ein Maß auf der σ-Algebra
Mϕ |H := A ∩ H A ∈ Mϕ .
Zum Beweis benötigen wir eine Vorbemerkung: Eine Algebra ist genau dann
eine σ-Algebra, wenn sie unter abzählbaren disjunkten Vereinigungen stabil
ist. Dies kann man leicht mithilfe der Disjunktisierungstechnik einsehen (siehe
Korollar 2.5).
Beweis. Klar ist ∅ ∈ Mϕ . Die obige Bemerkung b) liefert, dass Ac ∈ Mϕ ,
falls A ∈ Mϕ .
Zunächst zeigen wir, dass Mϕ eine Algebra ist. Seien also A, B ∈ Mϕ und es
sei H ⊆ X beliebig. Es gilt
ϕ(H) = ϕ(H ∩ A) + ϕ(H \ A)
= ϕ(H ∩ A ∩ B) + ϕ(H ∩ A ∩ B c ) + ϕ(H \ A ∩ B) + ϕ(H \ A ∩ B c )
≥ ϕ(H ∩ (A ∪ B)) + ϕ(H ∩ (A ∪ B)c ).
Damit folgt aus Bemerkung a), dass A∪B ∈ Mϕ gilt. Laut unserer Vorbemerkung bleibt zu zeigen, dass Mϕ unter abzählbaren, disjunkten Vereinigungen
stabil ist. Bemerke, dass für A, B ∈ Mϕ mit A ∩ B = ∅ gilt
ϕ(H ∩ (A ∪ B)) = ϕ(H ∩ A) + ϕ(H ∩ B).
In der Tat haben wir für solche A und B
ϕ(H ∩ (A ∪ B)) = ϕ(H ∩ (A ∪ B) ∩ A) + ϕ((H ∩ (A ∪ B)) \ A)
= ϕ(H ∩ A) + ϕ(H ∩ B).
Dies impliziert durch Induktion, dass µH endlich additiv ist.
S∞
Nun seien An ∈ Mϕ , n ∈ N, paarweise disjunkt. Zu zeigen ist n=1 An ∈ Mϕ .
Für H ⊆ X beliebig gilt
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7.3 Das Fortsetzungstheorem
59
∞
n
n
X
[
[
ϕ H∩
Aj ≥ ϕ H ∩
Aj =
ϕ(H ∩ Aj ).
j=1
j=1
j=1
Dies gilt für alle n ∈ N und somit bekommen wir
∞
∞
X
[
ϕ H∩
Aj ≥
ϕ(H ∩ Aj ).
j=1
j=1
Da die Ungleichung “≤” wegen σ-Subadditivität erfüllt ist, bekommen wir,
dass µH σ-additiv ist.
Da Mϕ eine Algebra ist, es gilt
n
n
n
∞
X
[
[
[
ϕ(H) = ϕ H ∩
Aj + ϕ H \
Aj ≥
ϕ(H ∩ Aj ) + ϕ H \
Aj .
j=1
j=1
j=1
j=1
Daraus bekommen wir mit n → ∞
ϕ(H) ≥
∞
X
j=1
∞
∞
∞
[
[
[
ϕ(H ∩ Aj ) + ϕ H \
Aj = ϕ H ∩
Aj + ϕ H \
Aj .
j=1
j=1
j=1
S∞
Dies zeigt j=1 Aj ∈ Mϕ . Schließlich ist also Mϕ , und somit auch Mϕ |H
eine σ-Algebra.
Zur Vollständigkeit: Sei N ⊆ X mit N ⊆ C ∈ Mϕ , ϕ(C) = 0. Für alle H ⊆ X
gilt dann
ϕ(H) ≤ ϕ(H ∩ N ) + ϕ(H \ N ) ≤ ϕ(N ) + ϕ(H) ≤ ϕ(C) + ϕ(H) = 0 + ϕ(H).
Es gilt hier also überall “=”, und so ist N ∈ Mϕ .
7.3 Das Fortsetzungstheorem
Theorem 7.7 (Fortsetzungstheorem). Es sei X 6= ∅, E ⊆ P(X) ein
\-stabiles Mengensystem mit ∅ ∈ E . Ferner sei α : E → [0, ∞] ein relativ
äußeres Maß und additiv auf E . Dann gilt E ⊆ Mϕ und ϕα |E = α, d.h. ϕα
ist eine Fortsetzung von α.
Bemerke zunächst, dass A ∩ B = A \ (A \ B), also ist E ∩-stabil.
Beweis. Wegen Theorem 7.3.c) sehen wir, dass ϕα |E = α gilt. Es bleibt also
die Inklusion E ⊆ Mϕα zu zeigen. Sei A ∈ E und H ⊆ X beliebig. Falls
ϕα (H) = ∞, dann gilt
ϕα (H) ≥ ϕα (H ∩ A) + ϕα (H \ A).
compiled: 21-May-2015/11:13
60
7 Konstruktion von Maßen
Sei also ϕα (H) < ∞, und seien An ∈ E mit H ⊆
H ∩A⊆
[
n
(An ∩ A),
H \A⊆
S
n
[
n
An . Da
(An \ A)
gelten, bekommen wir die folgende Abschätzung
X
X
ϕα (H ∩ A) + ϕα (H \ A) ≤
ϕα (An ∩ A) +
ϕα (An \ A)
n
=
n
X
n
α(An ∩ A) +
X
n
α(An \ A) =
X
α(An ),
n
wobei wir auch benutzt haben, dass α additiv ist und dass ϕα |E = α gilt.
Wegen der Definiton von ϕα implizert die obige Ungleichung
ϕα (H ∩ A) + ϕα (H \ A) ≤ ϕα (H),
d.h. A ∈ Mϕα .
Theorem 7.8 (Eindeutigkeitstheorem I.). Es sei X 6= ∅, E ⊆ P(X)
ein \-stabiles Mengensystem mit ∅ ∈ E . Ferner sei α : E → [0, ∞] ein relativ
äußeres Maß und additiv auf E . Sei A eine σ-Algebra mit E ⊆ A ⊆ Mϕα
und µ ein Maß auf A , das α fortsetzt. Gilt zusätzlich ϕα (X) < ∞, so gilt
ϕα |A = µ,
d.h. ϕα ist die eindeutige Fortsetzung von α.
Beweis. Sei µ eine weitere Fortsetzung von α auf A . Dann ist insbesondere
µ ein relativ äußeres Maß und es gilt µ ≤ α. Wegen Theorem 7.3 b) gilt
µ ≤ ϕα . Da ϕα (X) < ∞ gilt, definiert ν := ϕα − µ ein Maß auf A . Aber
für AS∈ E gilt nach Voraussetzung ν(A) = 0, somit auch ν(X) = 0, denn
X ⊆ n∈N An für geeignete An ∈ E . Das heißt µ = ϕα auf A .
Der obige Eindeutigkeitssatz gilt unter schwächeren Bedingungen, nämlich
wenn X σ-endlich bzgl. E ist. Die Idee dabei ist, dass
S wir X durch paarweise
disjunkte Elemente von E überdecken, d.h. X ⊆ n∈N Cn , α(Cn ) < ∞, und
den obigen Eindeutigkeitssatz separat für jedes Cn verwenden. Wir brauchen
zum Beweis das folgende Lemma.
Lemma 7.9. Sei E ⊆ P(X) \-stabil mit ∅ ∈ E und sei α monoton (z.B.
ein relativ äußeres Maß) auf E . Für C ∈ E setze γ := α|E |C (wobei E |C :=
{A ∩ C | A ∈ E }). Betrachte das äußere Maß ϕγ auf P(C). Dann gilt
Mϕα |C ⊆ Mϕγ ,
und ϕα |P(C) = ϕγ . Falls C ∈ Mϕα gilt, so gilt auch die Gleichheit
Mϕα |C = Mϕγ .
compiled: 21-May-2015/11:13
7.3 Das Fortsetzungstheorem
61
Beweis. Bemerke zunächst, dass E |C auch \-stabil ist. Für H ⊆ C gilt
ϕα (H) ≤ ϕγ (H),
denn bei der Definition von
S ϕα wird das Infimum über einer größeren Menge
betrachtet. Sei nun H ⊆ n An mit An ∈ E . Dann gilt
ϕγ (H) ≤
X
n
γ(An ∩ C) =
X
n
α(An ∩ C) ≤
X
α(An ),
n
also ϕγ (H) ≤ ϕα (H) und eigentlich sogar ϕγ (H) = ϕα (H).
Sei A ∈ Mϕα und sei H ⊆ C. Dann gilt
ϕγ (H) = ϕα (H) = ϕα (H ∩ (A ∩ C)) + ϕα (H \ (A ∩ C))
= ϕγ (H ∩ (A ∩ C)) + ϕγ (H \ (A ∩ C))
und daher A ∩ C ∈ Mϕγ .
Sei nun C ∈ Mϕα , und A ∈ Mϕγ (also insbesondere A ⊆ C) Für H ⊆ X gilt
ϕα (H) = ϕα (H \ C) + ϕα (H ∩ C) = ϕα (H \ C) + ϕγ (H ∩ C)
= ϕα (H \ C) + ϕγ (H ∩ C ∩ A) + ϕγ ((H ∩ C) \ A)
= ϕα (H \ C) + ϕα (H ∩ C ∩ A) + ϕα ((H ∩ C) \ A)
≥ ϕα (H \ A) + ϕα (H ∩ A),
also A ∈ Mϕα .
Theorem 7.10 (Eindeutigkeitstheorem II.). Es sei X 6= ∅, E ⊆ P(X)
ein \-stabiles Mengensystem mit ∅ ∈ E . Ferner sei α : E → [0, ∞] ein relativ
äußeres Maß und additiv auf E . Sei A eine σ-Algebra mit
S E ⊆ A ⊆ Mϕα
und µ ein Maß auf A , das α fortsetzt. Gilt zusätzlich X = n An mit An ∈ E
und α(An ) < ∞, so gilt
ϕα |A = µ,
d.h. ϕα ist die eindeutige Fortsetzung von α.
Beweis. Statt A1 , A2 , . . . , An . . . , können wir A1 , A2 \ A1 , A3 , \A2 , . . . betrachten (E ist \-stabil), die aber paarweise disjunkt sind und immer noch X
überdecken. Also nehmen wir ohne Beschränkung der Allgemeinheit an, dass
die An paarweise disjunkt sind. Sei µ ein Maß auf A und eine Fortsetzung
von α. Für γn := α|E |An gilt nach dem obigen Lemma
Mϕγn = Mϕα |An
und ϕγn (A) = ϕα (A) für A ⊆ An .
Wir können Theorem 7.8 auf µ|A |An verwenden, denn
E |An ⊆ A |An ⊆ Mϕα |An = Mϕγn .
compiled: 21-May-2015/11:13
62
7 Konstruktion von Maßen
Dies ergibt
und somit
µ(A ∩ An ) = ϕγn (A ∩ An ) = ϕα (A ∩ An )
X
X
µ(A) =
µ(A ∩ An ) =
ϕα (A ∩ An ) = ϕα (A).
n
n
7.4 Metrische äussere Maße
Es sei (X, d) ein metrischer Raum, und es seien A, B ⊆ X. Wir setzen
dist(A, B) :=
inf
a∈A, b∈B
d(a, b),
diam(A) := sup d(x, y),
x,y∈A
der Abstand der Mengen A und B, bzw. der Durchmesser von A.
Definition 7.11. Sei ϕ ein äußeres Maß auf X. Dann heißt ϕ metrisch, falls
ϕ(A ∪ B) = ϕ(A) + ϕ(B)
für alle A, B ⊆ Rn mit dist(A, B) > 0.
Theorem 7.12. Sei ϕ ein äußeres Maß auf X. Dann gilt
B(X) ⊆ Mϕ
⇐⇒
ϕ ist metrisch.
Beweis. “⇐”: Es seien A, B ⊆ X mit dist(A, B) > 0. Dann A ∩ B = ∅ und
nach Voraussetzung gilt A ∈ Mϕ . D.h.
ϕ(A ∪ B) = ϕ((A ∪ B) ∩ A) + ϕ((A ∪ B) ∩ \A) = ϕ(A) + ϕ(B).
“⇒”: Wir zeigen, dass G ∈ Mϕ gilt, wenn G offen ist. Setze
n
1o
.
Gk := x ∈ G dist(x, X \ G) ≥
k
Sei ferner Uk := Gk \ Gk−1 . Für alle H ⊆ X und m ∈ N gilt
H ∩ G = H ∩ Gm ∪
∞
[
k=m+1
H ∩ Uk .
Setze ak := ϕ(H ∩ Uk ). So erhält man
ϕ(H ∩ G)∩ ≤ ϕ(H ∩ Gm ) +
Falls
P
k
∞
X
ak .
k=m+1
ak < ∞, dann gilt
compiled: 21-May-2015/11:13
7.4 Metrische äussere Maße
63
ϕ(H ∩ G) ≤ lim ϕ(H ∩ Gm ).
m→∞
P∞
P∞
P∞
Falls k=1 ak = ∞, dann gilt Pk=1 a2k = ∞ oder k=1 a2k+1 = ∞. Aus
∞
Symmetriegründen können wir
k=1 a2k = ∞ annehmen. Bemerke, dass
dist(U2k , U2l ) > 0 falls k 6= l. Nach Voraussetzung ist ϕ metrisch, also gilt
N
X
a2k =
k=1
N
X
k=1
N
[
ϕ(H ∩ U2k ) = ϕ
H ∩ U2k ≤ ϕ(H ∩ G2N ).
k=1
So folgt limN →∞ ϕ(H ∩ G2N ) = ∞ und damit
ϕ(H ∩ G) ≤ lim ϕ(H ∩ Gm ).
m→∞
Wir haben gezeigt, dass in den beiden obigen Fällen gilt
ϕ(H ∩ G) ≤ lim ϕ(H ∩ Gm ).
m→∞
Daraus folgt:
ϕ(H) ≥ ϕ((H ∩ Gm ) ∪ (H \ G)) = ϕ(H ∩ Gm ) + ϕ(H \ G).
Für m → ∞ erhält man
ϕ(H) ≥ lim ϕ(H ∩ Gm ) + ϕ(H \ G) ≥ ϕ(H ∩ G) + ϕ(H \ G)
m→∞
und damit die Behauptung.
compiled: 21-May-2015/11:13
Kapitel 8
Der Lebesguesche Maßraum
8.1 Konstruktion des Lebesgue-Maßes
Vorbereitungen.
1. Für a, b ∈ Rd mit a ≤ b (d.h. aj ≤ bj für j = 1, . . . , d) setze
[a, b) := [a1 , b1 ) × [a2 , b2 ) × · · · × [ad , bd ).
Analog definieren wir [a, b] und (a, b). Alle diese Mengen nennen wir Intervall (oder Rechteck, oder Quader). Wir benutzen aber nur Intervalle
vom Typ [a, b). So führen wir weiterhin die Notation
E0 := [a, b) a, b ∈ Rd , a ≤ b
ein.
2. Für ein Intervall I = [a, b) setzen wir
vold (I) :=
d
Y
(bj − aj ),
j=1
das Volumen von I.
3. Wir setzen
E :=
N
n[
k=1
o
Ik Ik ∈ E0 , N ∈ N .
Lemma 8.1. a) E ist ein Ring, insbesondere gilt ∅ ∈ E und E ist \-stabil.
b) Jedes A ∈ E kann als disjunkte Vereinigung
A=
N
[
j=1
Ij
mit
I j ∈ E0
64
8.1 Konstruktion des Lebesgue-Maßes
65
dargestellt werden. Die Funktion α definiert man mit Hilfe solcher disjunkter Darstellungen als
N
X
α(A) :=
vold (Ij ).
j=1
α ist wohldefiniert, additiv und ein relativ äusseres Maß auf E . Für I ∈ E0
gilt
α(I) = vold (I).
Beweis. a) Offensichtlich ist E0 ∩-stabil, und somit ist E auch ∩-stabil und
trivialerweise ∪-stabil. Da für A, B ∈ E0 stets A \ B ∈ E gilt, bekommen wir,
dass E auch \-stabil ist, insgesamt also ein Ring. Am besten überzeugt man
sich von der Gültigkeit dieser Aussagen durch Zeichnen von Bildern (vgl.
Übung).
b) Gelten für A ∈ E0
N
[
A=
Rj
und A =
j=1
M
[
Sk
k=1
mit Rj , Sk ∈ E0 , so gilt auch
A=
M
N [
[
j=1 k=1
(Sk ∩ Rj )
mit Sk ∩ Rj ∈ E0 . Daraus bekommt man die Wohldefiniertheit von α leicht
SN
und danach ist die Additivität von α auch leicht zu zeigen. Sei A ⊆ k=1 Ak
mit A, Ak ∈ E . Durch Schneiden aller Intervallen, die in der Darstellung von
A und Ak vorkommen, gelangen wir zu den disjunkten Intervallen Ij ∈ E0 ,
j = 1, . . . , M . So ist A die Vereinigung bestimmter Intervalle Ij , d.h.
[
A=
Ij
j∈J
mit J ⊆ {1, . . . , M }. Ferner gilt
N
[
M
[
Ak =
Ij .
j=1
k=1
Aus der Additivität von α folgt dann
α(A) =
X
j∈J
α(Ij ) ≤
M
X
k=1
α(Ik ) ≤
N
X
α(Ak ).
k=1
compiled: 21-May-2015/11:13
66
8 Der Lebesguesche Maßraum
S
Nun sei A ⊆ k Ak eine abzählbare Überdeckung mit A, Ak ∈ E . Bezeichne
die Intervalle die in der Darstellung von allen Ak auftauchen mit Ij , j ∈ N (in
dem wir sie miteinander schneiden, können wir annehmen, das sie paarweise
disjunkt sind). Vergrössere jedes Ij um den Mittelpunkt mit dem Faktor 1+δ,
◦
◦
um die Intervalle Ijδ zu erhalten. Somit gilt I j ⊆ Ijδ (Ijδ bezeichnet das Innere
von Ijδ ). Da A eine endliche Vereinigung von Intervallen ist, ist A kompakt.
Somit wird A durch endlich viele Ijδ , j = 1, . . . , K überdeckt. Nach dem, was
wir schon bewiesen haben, gilt
α(A) ≤
K
X
α(Ijδ ) = (1+δ)d
j=1
K
X
j=1
α(Ij ) ≤ (1+δ)d
∞
X
j=1
α(Ij ) ≤ (1+δ)d
∞
X
α(Ak ).
k=1
Da dies für jedes δ > 0 gilt, erhalten wir
α(A) ≤
∞
X
α(Ak ),
k=1
d.h., α ist ein relativ äusseres Maß.
Definition 8.2. Betrachte α, E wie oben, und das zugehörige äusseres Maß
ϕα .
a) λd? := ϕα heißt das d-dimensionale äußere Lebesgue-Maß.
b) Die σ-Algebra Mϕα der λd? -messbaren Mengen wird mit L (Rd ) bezeichnet (siehe das Theorem von Carathéodory 7.6). Die Mengen A ∈
L (Rd ) heißen Lebesgue-Mengen oder Lebesgue-messbare Mengen.
Das Lebesgue-Maß ist λd := λd? |L (Rd ) . Der Lebesguesche Maßraum
ist
(Rd , L (Rd ), λd ).
Theorem 8.3. a) λd? ist ein metrisches äußeres Maß.
b) Die Borel-Mengen sind Lebesgue-messbar, d.h. B(Rd ) ⊆ L (Rd ).
c) Der Lebesguesche Maßraum (Rd , L (Rd ), λd ) ist vollständig.
d) Für A ∈ E gilt
λd (A) = α(A).
Insbesondere gilt
λd (I) = vold (I)
für Intervalle I = [a, b).
e) Für K ⊆ Rd kompakt gilt
λd (K) < ∞.
f) Der Lebesguesche Maßraum (Rd , L (Rd ), λd ) ist σ-endlich. Es gilt sogar
[
X=
Kn
n∈N
compiled: 21-May-2015/11:13
8.1 Konstruktion des Lebesgue-Maßes
mit Kn kompakt.
g) Für a ≤ b gilt
67
λd ([a, b)) = λd ([a, b]) = λd ((a, b)).
h) Ist A eine σ-Algebra mit E ⊆ A ⊆ L (Rd ) und ist µ ein Maß auf A mit
µ|E = α so gilt
λd |A = µ.
Beweis. a) Den Beweis zeigen wir separat am Ende dieses Abschnitts.
b) Folgt aus a) und Theorem 7.12. Wir geben aber einen anderen Beweis,
der auf dem Gebrauch von a) verzichtet. Wegen des Fortsetzungstheorems
7.7 gilt E ⊆ L (Rd ). Da aber R ⊆ E , und R die Borel-σ-Algebra erzeugt,
bekommen wir
σ(R) ⊆ σ(R) ⊆ σ(L (Rd )) = L (Rd ).
c) Folgt aus Konstruktion, mit der Anwendung des Theorems von Caratéodory bekommt man immer vollständige Maßräume.
d) λd? setzt α und somit vold fort (wegen Satz 7.7 und Lemma 8.1).
e) Den Fall [a, b) wissen wir aus d) schon. Die andere Behauptungen folgen
daraus, denn gelten:
∞
[
(a, b) =
[a + n1 1, b),
[a, b] =
∞
\
[a, b + n1 1),
n=1
n=1
wobei 1 den Vektor (1, 1, . . . , 1) ∈ Rd bezeichnet. So kann man die Stetigkeit
des Maßes λd verwenden (siehe 3.2.6–7).
f) Da eine kompakte Menge K ⊆ Rd beschränkt ist, gibt es ein Rechteck
I ∈ R mit K ⊆ I. Somit gilt
λd (K) ≤ λd (I) = vold (I) < ∞.
g) Es gilt
Rd =
∞
[
B(0, n),
n=1
und B(0, n) ist kompakt.
Das ist genau die Aussage des Eindeutigkeitstheorems 7.10 für diesen speziellen Fall (beachte, dass wir die σ-Endlichkeit haben).
Anmerkung 8.4. 1. Statt E und α kann man
E2 :=
N
n[
k=1
o
Ik Ik = [ak , bk ) ∈ R, ak , bk ∈ Qd , N ∈ N .
compiled: 21-May-2015/11:13
68
8 Der Lebesguesche Maßraum
und α2 := α|E2 betrachten und dieselbe Konstruktion durchführen. So
bekommt man den gleichen Maßraum (Rd , L (Rd ), λd ).
2. Dasselbe gilt für
E3 := A ⊆ Rd A Jordan-messbar
und α3 =Jordan-Maß.
Theorem 8.5. Für jedes A ⊆ Rd und a ∈ Rd gilt
λ?d (a + A) = λ?d (A),
d.h. das äußere Lebesgue-Maß ist translationsinvariant.
a) A ∈ L (Rd ) ⇐⇒ a + A ∈ L (Rd ),
b) A ∈ B(Rd ) ⇐⇒ a + A ∈ B(Rd ).
D.h. das Lebesgue-Maß ist translationsinvariant (auch nach Einschränkung
auf B(Rd )).
Beweis. Es ist klar, dass vold translationsinvariant ist und daher ist auch λd?
translationsinvariant. Die Äquivalenz unter a) folgt auch sofort.
Für a ∈ Rd setze fa : Rd → Rd , fa (x) := x − a. Ist G offen, so ist a + G =
fa−1 (G) auch offen. Sei ferner
A := A ⊆ Rd fa−1 (A) ∈ B(Rd ) .
Dann ist A eine σ-Algebra und enthält alle offene Mengen. Daher B(Rd ) ⊆
A . Somit ist die Äquivalenz unter b) bewiesen.
Korollar 8.6. Das Lebesgue-Maß λd ist das einzige translationsinvariante
Maß auf B(Rd ) (oder auf L (Rd )) mit λd ([0, 1)d ) = 1.
Beweis. Sei µ ein translationsinvariantes Maß definiert auf allen Intervallen
und normiert per µ([0, 1)d ) = 1. Sei a, b ∈ Qd mit a ≤ b. Translationsinvarianz
ergibt
µ([a, b)) = µ([0, b − a) + a) = µ([0, b − a)).
Da b − a ∈ Qd gilt, folgt
md
1 m2
b − a = (m
m , m ,..., m )
für ein mj , m ∈ Z. D.h. [0, b − a) ist darstellbar als paarweise disjunkte Ver1 d
einigung von m1 m2 · · · md Intervallen, welche aus [0, m
) durch Translation
entstehen. Wegen der Translationsinvarianz erhalten wir
1 d
µ([0, b − a)) = m1 m2 · · · md µ([0, m
) ).
1 d
Wir bestimmen zunächst µ([0, m
) ). Da
compiled: 21-May-2015/11:13
8.1 Konstruktion des Lebesgue-Maßes
69
1 d
) ),
µ([0, 1)d ) = md µ([0, m
1 d
folgt µ([0, m
) )=
1
.
md
Dies zeigt
µ([a, b)) = µ([0, b − a)) =
m1 m2 · · · md
= λd ([0, b − a)) = λd ([a, b)).
md
Wir haben also gezeigt, dass µ = vold = λd auf Quadern mit rationalen
Eckpunkten. Dann gilt dieser Gleichung aber auch auf der Menge E2 aus
Bemerkung 8.4. Schließlich zeigt Theorem 8.3.g) die Gleichheit λd = µ auf
A = B(Rd ) (oder A = L (Rd )).
Das äußere Lebesgue-Maß ist metrisch
Wir beweisen jetzt Theorem 8.3.a).
Theorem 8.7. Das d-dimensionale äußere Lebesguesche Maß ist ein metrisches äußeres Maß.
Beweis. Es seien A, B ⊆ Rd mit dist(A, B) > 0. Sei jetzt 0 < δ <
Betrachte das Gitter δZd mit Seitenlänge δ.
dist(A,B)
√
.
2 d
Wähle die abgeschlossenen Würfel Ij , j = 1, . . . , N bzw. Ji , i = 1, . . . , M in
diesem Gitter mit Ij ∩ A
√ 6= ∅ und Ji ∩ B 6= ∅. Dann gilt Ij ∩ Ji = ∅ (denn
diam(Ij ) = diam(Ji ) = dδ < dist(A, B)/2). Somit gilt
A⊆
und
N
[
B⊆
Ij ,
j=1
N
X
vold (Ij ) +
j=1
M
[
A∪B ⊆
Ji ,
i=1
M
X
i=1
N
[
j=1
Ij ∪
M
[
Ji ,
i=1
vold (Ji ) ≥ λd? (A) + λd? (B).
Daher erhält man λd? (A ∪ B) ≥ λd? (A) + λd? (B). Dies zusammen mit der
Subadditivität liefert die Behauptung.
δ
A
dist(A, B)
B
δ
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70
8 Der Lebesguesche Maßraum
8.2 Regularität
Theorem 8.8. Für A ∈ L (Rd ) und für ε > 0 existieren F ⊆ Rd abgeschlossen und G ⊆ Rd offen mit
F ⊆A⊆G
und
λd (G \ F ) ≤ ε.
F kann sogar als abzählbare Vereinigung von kompakten Mengen gewählt werden.
Beweis. Sei zunächst A beschränkt undSsomit λd (A) < ∞. Für ε > 0 gibt es
nach Definition eine Überdeckung A ⊆ j∈N Ij durch Intervalle Ij mit
X
j∈N
vold (Ij ) ≤ λd (A) + 4ε .
Sei Ijδ die Vergrößerung des Intervalls Ij um den Mittelpunkt mit Faktor 1+δ,
◦
◦
so dass I j ⊆ Ijδ (Ijδ bezeichnet das Innere von Ijδ ). Dadurch wird das Maß
◦
S
um den Faktor (1 + δ)d vergrößert. Setze G := j∈N Ijδ . Dann ist G ⊆ Rd
offen und wegen der σ-Subadditivität gilt
X
X
λd (G) ≤
λd (Ijδ ) = (1 + δ)d
λd (Ij ) ≤ (1 + δ)d (λd (A) + 4ε ) ≤ λd (A) + 2ε ,
j∈N
j∈N
falls δ > 0 klein genug ist. Da A beschränkt ist, gilt A ⊆ B(0, R) für ein
R > 0. Nach dem was wir schon bewiesen haben gibt es eine offene Menge
G0 so dass
B(0, R) \ A ⊆ G0
und λd (G0 ) ≤ λd (B(0, R) \ A) + 2ε .
Setze F := B(0, R) \ G0 . Dann ist F abgeschlossen mit F ⊆ A und es gilt
λd (F ) = λd (B(0, R) \ G0 ) ≥ λd (B(0, R)) − λd (G0 )
≥ λd (B(0, R)) − λd (B(0, R)) + λd (A) −
ε
2
= λd (A) − 2ε .
Also haben wir die gewünschten Mengen F und G gefunden: Es gilt
λd (G \ F ) = λd (G \ A) + λd (A \ F ) ≤ ε.
Natürlich ist F kompakt.
Sei jetzt A unbeschränkt. Setze A1 := B(0, 1) und Aj := A ∩ (B(0, j) \
B(0, jS− 1)) für j ≥ 2. Die Aj sind natürlich disjunkt und beschränkt. Es gilt
A = j Aj . Nach dem ersten Teil existieren für ε > 0 und j ∈ N die Mengen
Fj ⊆ Aj ⊆ Gj mit λd (Gj \ Fj ) ≤ ε/2j . Wir setzen
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8.2 Regularität
71
G :=
[
Gj
und F :=
[
Fj .
j∈N
j∈N
So ist G offen (klar) und F abgeschlossen (denn jede kompakte Menge schneidet nur endlich viele von den Mengen Fj ). Schließlich gilt
λd (G \ F ) ≤
∞
X
j=1
λd (Gj \ Fj ) =
∞
X
ε
= ε,
2j
j=1
was den Beweis beendet.
Theorem 8.9. a) Der Lebesguesche Maßraum (Rd , L (Rd ), λd ) ist die Vervollständigung von (Rd , B(Rd ), λd ).
b) Sei A ∈ L (Rd ). Dann existiert eine Fσ -Menge F und eine Gδ -Menge G
derart, dass
F ⊆A⊆G
und
λd (F ) = λd (A) = λd (G).
c) Für A ∈ L (Rd ) gilt
λd (A) = inf λd (G) G ⊆ Rd offen, A ⊆ G
= sup λd (K) K ⊆ Rd kompakt, K ⊆ A .
Beweis. a) Folgt direkt aus b).
b) Folgt direkt aus Theorem 8.8. Denn für jedes n ∈ N seien Gn , Fn offen
bzw. abgeschlossen mit
Fn ⊆ Fn+1 ⊆ A ⊆ Gn+1 ⊆ Gn
Die Mengen G :=
T
n∈N
Gn und F :=
S
und λd (Gn \ Fn ) ≤
n∈N
1
.
n
Fn sind so wie gewünscht.
c) Folgt direkt aus Theorem 8.8.
Theorem 8.10. Eine Menge A ⊆ Rd ist genau dann Lebesgue-messbar,
wenn sie als
A=S∪N
dargestellt werden kann, mit N eine Lebesgue-Nullmenge und S die abzählbare
Vereinigung von kompakten Mengen.
Beweis. Seien S und N wie in der Aussage, so gilt S ∈ B(Rd ) ⊆ L (Rd ) und
daher S ∪ N ∈ L (Rd ).
S
Umgekehrt: λd ist σ-endlich: A = j∈N Aj mit λd (Aj ) < ∞. Für alle j ∈
N existiert Sj ⊆ Aj , Sj abzählbare Vereinigung kompakten Mengen und
λd (Sj )S= λd (Aj ). Setze Nj := Aj \Sj . Dann gilt λd (Nj ) = λd (ASj \Sj ) = 0 und
N := j∈N Nj ist auch eine Lebesgue-Nullmenge. Es gilt A = j∈N Nj ∪Sj =
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72
S
8 Der Lebesguesche Maßraum
S
S
Nj ∪ j∈N Sj = N ∪ S mit S = j∈N Sj . Hier ist S auch abzählbare
Vereinigung von kompakten Mengen. Also folgt die Behauptung.
j∈N
Theorem 8.11 (Luzin). Es sei f : Rd → R Lebesgue-messbar, d.h. (L (Rd ), B(R))messbar und H ⊆ Rd Lebesgue-messbar mit λd (H) < ∞. Dann existiert für
jedes ε > 0 eine abgeschlossene Menge F ⊆ H mit
λd (H \ F ) < ε
und
f :F →R
stetig.
Beweis. Wir behandeln zunächst den Fall, wenn f eine einfache Funktion ist
und betrachten dann die Standard-Darstellung
f=
N
X
aj 1Aj .
j=1
Mit Theorem 8.9 finden wir zu jedem Aj eine abgeschlossene Menge Fj ⊆ Aj
SN
mit λd (Aj \ Fj ) ≤ ε/N . Die Menge F := j=1 Fj ist wie gewünscht und
f : F → R ist stetig, denn f ist konstant auf der disjunkten abgeschlossenen
Mengen Fj .
Sei jetzt f eine beliebige messbare Funktion. Wir können annehmen, dass f
beschränkt ist. Denn mit Hn := {x ∈ X | |f (x)| ≤ n} gilt
Hn % H
und somit
λd (Hn ) → λd (H).
Da λd (H) < ∞, gilt λd (H \ Hn ) → 0 auch. Für ein n ∈ N gilt also λd (H \
Hn ) < ε/2. Mit einem Verlust vom Maß ε/2 können wir also statt H die
Menge Hn betrachten, und auf Hn ist aber f beschränkt.
Nun, da f beschränkt ist, können wir f gleichmäßig durch einfache Funktionen fn approximieren (siehe Theorem 4.13), d.h. |f − fn | ≤ n1 gilt für
alle n ∈ N. Für jedes n ∈ N wenden wir den schon bewiesenen Teil auf fn
an. Genauer: sei F1 ⊆ H abgeschlossen, so dass f1 : F1 → R stetig ist und
λd (H \ F1 ) ≤ ε/2. Ist Fn abgeschlossen und schon definiert, so geht man
n+1
rekursiv vor und wählt Fn+1 ⊆ Fn mit λ(Fn+1 \ Fn ) ≤ ε/2
und sogar
T
derart, dass fn+1 : Fn+1 → R stetig ist. Wir setzen F := n∈N Fn . Somit
ist F abgeschlossen und erfüllt λd (H \ F ) ≤ ε. Nun muss man sich daran erinnern, dass ein gleichmäßiger Grenzwert von stetigen Funktionen stetig ist
und bemerken, dass fn → f gleichmäßig auf F gilt, und dass alle fn : F → R
stetig sind.
Lebesgue-Nullmengen
Theorem 8.12. Eine Menge N ⊆ Rd ist genau dann eine Lebesgue-Nullmenge (λd (N ) = 0), wenn für alle ε > 0 eine Folge von Intervallen (Ij )
mit
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8.2 Regularität
73
N⊆
∞
[
∞
X
Ij und
j=1
vold (Ij ) < ε
j=1
existiert. In diesem Fall kann man sogar offene Intervalle Ij wählen.
Beweis. Dass N eine Lebesgue-Nullmenge ist, bedeutet λd? (N ) = λd (N ) = 0.
Die Behauptung folgt also aus der Definition von λd? (siehe 7.3).
Korollar 8.13. Ist A ⊆ Rd abzählbar so ist A eine Lebesgue-Nullmenge.
Beweis. Wir zeigen, dass für x ∈ Rd gilt λd ({x}) = 0. In der Tat: {x} ⊆
(x−ε1, x+ε1), und λd ((x−ε1, x+ε1)) = (2ε)d . Also ist λd ({x}) = 0, und die
Behauptung folgt aus der σ-Additivität von λd . (Hier ist 1 = (1, 1, . . . , 1) ∈
Rd .)
Sei X ⊆ Rd . f : X → Rd2 heißt Lipschitz-stetig, falls L ≥ 0 existiert mit
|f (x) − f (y)| ≤ L|x − y| für alle x, y ∈ X. Die Funktion f : Rd → Rd2 heißt
lokal Lipschitz-stetig, falls sie auf jeder kompakten Menge Lipschitz stetig
ist.
Theorem 8.14. Sei N ⊆ Rd eine Lebesgue-Nullmenge und f : Rd → Rd2
Lipschitz-stetig mit d2 ≥ d. Dann ist f (N ) auch eine Lebesgue-Nullmenge.
Beweis. Sei Nn := B(0, n) ∩ N . Wir betrachten auf Rd die ∞-Norm:
kxk∞ := max{|x1 |, |x2 |, . . . , |xn |}
(auf Rd sind alle Normen äquivalent). Nach Voraussetzung gibt es ein L ≥ 0
mit
kf (x) − f (y)k∞ ≤ Lkx − yk∞
für alle x, y ∈ B(0, n).
S∞
Da
P Nn eine Nullmenge ist, existiert eine Überdeckung Nn ⊆ j=1 Ij mit
j∈N vold (Ij ) < ε. OBdA können wir annehmen, dass die Ij jeweils Würfel mit Kantenlänge `j < 1 sind. Wegen (8.1) existiert ein Würfel Wj mit
Kantenlänge L · `j so dass f (Nn ∩ Ij ) ⊆ Wj . Dann gilt
[
[
[
f (Nn ) = f (
N ∩ Ij ) =
f (N ∩ Ij ) ⊆
Wj ,
(8.1)
j∈N
und
X
j∈N
vold2 (Wj ) ≤
X
j∈N
Ld2 `dj 2
j∈N
d2
≤L
X
j∈N
j∈N
`dj
d2
=L
X
vold (Ij ) < Ld2 ε.
j∈N
Hier ist ε > 0 beliebig, und somit ist f (Nn ) und auch f (N ) eine LebesgueNullmenge.
Theorem 8.15. Sei f : Rd → Rd2 lokal Lipschitz-stetig mit d2 ≥ d (z.B. stetig differenzierbar). Ist A ⊆ Rd Lebesgue-messbar, so ist auch f (A) ⊆ Rd2 .
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74
8 Der Lebesguesche Maßraum
Beweis. Nach Satz 8.10 läßt A sich als A = SS
∪ N mit S σ-kompakt und N
Lebesgue-Nullmenge zu schreiben.
So
ist
S
=
j∈N Kj mit Kj kompakt und
S
f (A) = f (S) ∪ f (N ) = j∈N f (Kj ) ∪ f (N ). Hier ist f (Kj ) kompakt (denn
f ist stetig) und f (N ) Lebesgue-Nullmenge (verwende Satz 8.14). Dies zeigt
f (A) ∈ L (Rd2 ).
8.3 Nicht Lebesgue-messbare Mengen
Die Vitali-Menge aus Übungsblatt 8, Aufgabe 4 ist nicht Lebesgue-messbar,
d.h. es gibt nicht Lebesgue-messbare Mengen. Viel mehr ist aber wahr:
Theorem 8.16. Für H ⊆ Rd gilt P(H) ⊆ L (Rd ) genau dann, wenn
λd (H) = 0.
Beweis. Da der Lebesgue-Maßraum vollständig ist, ist jede λd -Nullmenge
Lebesgue-messbar.
Um die andere Implikation zu sehen definieren wir eine Äquivalenzrelation auf
Rd : x ∼ y falls x−y ∈ Q. Sei A eine Menge, welche aus jeder Äquivalenzklasse
genau ein Element enthält. Dann ergeben
[
[
Rd =
(A + p) und H =
(H ∩ (A + p))
p∈Qd
p∈Qd
jeweils eine Partition von Rd bzw. H. Sei p ∈ Qd fest und sei K ⊆ H ∩
(A + p) eine kompakte Menge. Dann gilt K ⊆ B(0, R) für ein R > 0. Für
unterschiedliche q ∈ Qd sind K + q disjunkt, denn es gilt K ⊆ A + p. Dies
impliziert
S
X
X
(K + q) =
λd (K + q) =
λd (K).
λd (B(0, R + 1)) ≥ λd
q ∈ Qd
|q| < 1
q ∈ Qd
|q| < 1
q ∈ Qd
|q| < 1
Da λd (B(0, R + 1)) < ∞, sehen wir λd (K) = 0. Nach Theorem 8.9 gilt dann
λd (H ∩ (A + p)) = 0 und somit λd (H) = 0.
Anmerkung 8.17. Wenn man die Mächtigkeiten von B(Rd ) und L (Rd )
miteinander vergleicht, sieht man, dass nicht alle Lebesgue-messbare Mengen
Borel sind. Man kann Mengen die nicht Borel- aber Lebesgue-messbar sind
auch explizit angeben.
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8.4 Das Riemann-Integral
75
8.4 Das Riemann-Integral
Wir wollen die zwei Integralbegriffe, den von Riemann und den von Lebesgue miteinander vergleichen. Zunächst erinnern wir an die Definition des
Riemman-Integrals einer beschränkten Funktion f : [a, b] → R.
Sei t0 = a < t1 < · · · < tn = b eine Partition P von [a, b], und setze
OP f :=
n
X
j=1
wobei
Mj :=
Mj (tj − tj−1 ),
sup
f (x),
UP f :=
n
X
j=1
und
mj :=
x∈[tj−1 ,tj ]
mj (tj − tj−1 ),
inf
x∈[tj−1 ,tj ]
f (x).
Dann heißt
Zb
f (x) dx := inf OP f
das obere Integral von f
f (x) dx := sup UP f
das untere Integral von f .
P
a
Zb
P
a
Stimmen diese beide Werte miteinander überein, so heißt f Riemannintegrierbar
Zb
f (x) dx := inf OP f = sup UP f
P
P
a
heißt das Riemann-Integral von f . (Das ganze Prozedere kann man in Rd
fast ohne Änderungen durchführen und somit zum Jordan-Integral gelangen.)
Theorem 8.18. Eine Funktion f : [a, b] → R ist genau dann Riemannintegrierbar, wenn sie beschränkt ist und λ1 ([a, b]\Cf ) = 0 gilt (Cf bezeichnet
die Menge der Stetigkeitstellen von f ). In diesem Fall gilt die Gleichheit
Zb
Z
f (x) dx =
a
f dλ1 .
[a,b]
Um dieses Theorem beweisen zu können, brauchen wir einige Vorbereitungen.
Definition 8.19. Seien H ⊆ Rd und f : H → R beliebig. Wir setzen
f (x) := lim sup f (y) : y ∈ B(x, r) ∩ H ,
r→0+
und
f (x) := lim inf f (y) : y ∈ B(x, r) ∩ H .
r→0+
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76
8 Der Lebesguesche Maßraum
f und f heißen die obere bzw. die untere Einhüllende von f . Ist f (x0 ) =
f (x0 ) (oder f (x0 ) = f (x0 )) so heißt f halbstetig von oben (bzw. von
unten) an der Stelle x0 . (Die Terminologien unterhalbstetig und oberhalbstetig sind auch gängig.)
Lemma 8.20. Für H ⊆ Rd und f : H → R beliebig gelten die folgenden
Aussagen:
a) f ≤ f ≤ f .
b) Gelte g ≤ f , so gelten auch g ≤ f und g ≤ f .
c) f ist halbstetig von oben, f ist halbstetig von unten.
d) Ist g halbstetig von unten [oder von oben] und g ≤ f so gilt, g ≤ f [oder
g ≤ f ].
e) f ist genau dann halbstetig von unten [oder von oben], wenn {x : f (x) > α}
für jedes α ∈ R offen (in H) [oder wenn {x : f (x) > α} für jedes α ∈ R
abgeschlossen] ist. Insbesondere sind f und f Borel-messbar.
f) f ist genau dann stetig an der Stelle x0 ∈ H, wenn f (x0 ) = f (x0 ).
Beweis. ...kommt noch...
Lemma 8.21. Für a, b ∈ R und f : [a, b] → R beschränkt gelten
Zb
Z
f (x) dx =
a
f dλ
1
Zb
Z
f (x) dx =
und
[a,b]
f dλ1 .
[a,b]
a
Beweis. Kommt noch.
Beweis (vom Theorem 8.18). Sei f Riemann-integrierbar, dann muss natürlich f beschränkt sein. Nach Lemma 8.21 gilt
Z
1
Zb
f dλ =
[a,b]
Zb
f (x) dx =
a
D.h.
Z
f (x) dx =
[a,b]
a
Z
f dλ1 .
f − f dλ1 = 0,
[a,b]
d.h., aber f − f = 0 fast überall (denn f − f ≥ 0). Lemma 8.20.f) zeigt dann,
dass f für fast alle x0 ∈ [a, b] an der Stelle x0 stetig ist.
Gilt λ([a, b] \ Cf ) = 0 und ist f beschränkt, so gilt f − f = 0 fast überall
(wegen Lemma 8.20.f)) und somit nach Lemma 8.21 gilt
Zb
Zb
f (x) dx =
a
f (x) dx.
a
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8.4 Das Riemann-Integral
77
Daher ist f Riemann-integrierbar. Die behauptete Gleichheit folgt auch.
Beispiel 8.22. Sei Q := Q ∩ [0, 1]. Dann 1Q ist nicht Riemann-integrierbar
(da überall unstetig),
aber 1Q = 0 fast überall, also ist 1Q auch LebesgueR
Integrierbar mit 1Q dλ = 0.
Man kann mit der selben Methode das Folgende zeigen:
Theorem 8.23. Sei H ⊆ Rd eine Jordan-messbare Menge. Eine Funktion
f : H → R ist genau dann Jordan-integrierbar, wenn sie beschränkt ist und
λd (H \ Cf ) = 0 gilt (Cf bezeichnet die Menge der Stetigkeitstellen von f ). In
diesem Fall gilt die Gleichheit
Z
Z
f (x) dx = f dλd .
H
H
Vereinbarung + Notationen. Wir benutzen die Notationen: x ∈ Rd1 ,
y ∈ Rd2 , z = (x, y) ∈ Rd1 × Rd2 = Rd1 +d2 . Wir schreiben weiterhin
Z
Z
f (x, y) dx :=
f (x, y) dλd1 (x),
R d1
R d1
Z
Z
f (x, y) dλd2 (y),
f (x, y) dy :=
R d2
R d2
Z
Z
f (z) dz :=
Rd1 +d2
f dλd1 +d2 .
Rd1 +d2
Diese Vereinbarung ist mit der Notation des Riemann-Integrals konsistent.
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Kapitel 9
Produkte von Maßen
Gegeben seien die Maßräume (X, A , µ), (Y, B, ν). Das Ziel in diesem Kapitel
ist ein Maß ϕ auf dem direkten Produkt Z = X × Y zu finden für das gilt
ϕ(A × B) = µ(A)ν(B) für alle A ∈ A , B ∈ B.
Unsere Forderung über ϕ beinhaltet, dass ϕ auf eine σ-Algebra C definiert
ist, welche die sogenannten messbaren Rechtecke A × B enthält. Außerdem
möchten wir Bedingungen über f : X × Y → R finden, welche implizieren:
Z Z
Z
f (x, y) dν(y) dµ(x) =
f dϕ.
X
Y
X×Y
9.1 Das Produktmaß
Vorbereitungen.
Es seien (X, A , µ) und (Y, B, ν) Maßräume. Wir setzen
E0 := A × B A ∈ A , B ∈ B
und nennen die Elemente von E0 (messbare) Rechtecke. Weiterhin definieren
wir
nS
o
N
E :=
Ij Ij ∈ E0 , N ∈ N .
j=1
Lemma 9.1. a) E ist eine Algebra über Z := X × Y (insbesondere ist E
\-stabil und enthält ∅).
b) Die Abbildung
β : E0 → [0, ∞],
β(A × B) := µ(A)ν(B),
78
9.1 Das Produktmaß
79
ist σ-additiv auf E0 .
c) Jedes C ∈ E kann als disjunkte Vereinigung von Elementen aus E0 geschrieben werden:
C=
N
[
Ij ∈ E0 , Ij ∩ Ik = ∅ für j 6= k.
Ij ,
j=1
d) Somit definiert man α : E → [0, ∞] durch
α(A) :=
N
X
β(Ij ).
j=1
Die Abbildung α ist wohldefiniert (d.h. sie hängt nicht von die Darstellung
durch die Ij ab), σ-additiv und ein relativ äußeres Maß auf E .
Beweis. a) Trivialerweise gilt X × Y, ∅ ∈ E . Da E0 ∩-stabil ist, so ist auch
E0 , das auch offensichtlich ∪-stabil ist. Da für A, B ∈ E0 gilt A \ B ∈ E , folgt
die \-Stabilität von E auch sofort (vgl. mit dem Beweis von Lemma 8.1 für
das Lebesgue-Maß).
b) Sei also A × B, Ak × Bk ∈ E0 derart, dass
R=A×B =
∞
[
k=1
Ak × Bk
mit Ak × Bk paarweise disjunkt.
Wir haben
1A (x)1B (y) = 1A×B (x, y) =
∞
X
1Ak ×Bk (x, y) =
k=1
∞
X
1Ak (x)1Bk (y).
k=1
Gliederweise Integration bezüglich µ und dann bezüglich ν liefert
Z Z
β(A × B) = µ(A)ν(B) =
1A (x)1B (y) dµ(x) dν(y)
Y
=
∞ Z Z
X
k=1 Y
=
∞
X
k=1
X
1Ak (x)1Bk (y) dµ(x) dν(y)
X
µ(Ak )ν(Bk ) =
∞
X
k=1
β(Ak × Bk ).
c) und d) folgen aus b).
Definition 9.2. Betrachte α und E von oben und das zugehörige äusseres
Maß ϕα (siehe Theorem 7.3). Setze A × B = Mϕα die σ-Algebra der ϕα messbaren Mengen, µ ⊗ ν = ϕα |A ⊗B
(siehe den Satz von Carathéodory 7.6).
¯
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80
9 Produkte von Maßen
¯ und dass
Aus Kapitel 7 wissen wir, dass E ⊆ A ⊗B
ϕ(A × B) = µ(A)ν(B) für alle A ∈ A , B ∈ B gilt.
a) Das vollständige Produkt der Maßräume (X, A , µ) und (Y, B, ν) ist
¯
(X × Y, A ⊗B,
µ ⊗ ν).
Das Maß µ ⊗ ν heißt Produktmaß.
b) Die σ-Algebra A ⊗ B := σ(E0 ) = σ(E ) heißt die Produkt-σ-Algebra.
Der Maßraum
(X × Y, A ⊗ B, µ ⊗ ν)
heißt das Produkt der Maßräume (X, A , µ) und (Y, B, ν).
¯
Anmerkung. Es gilt A ⊗ B ⊆ A ⊗B,
denn laut Konstruktion gilt E0 ⊆
¯
A ⊗B.
Aus dem Eindeutigkeitssatz bekommen wir sofort das Folgende:
Theorem 9.3. Falls die Maßräume (X, A , µ) und (Y, B, ν) Maßräume σ¯ (oder auf A ⊗ B) das Produktmaß µ ⊗ ν das
endlich sind, so ist auf A ⊗B
einzige Maß mit
(µ ⊗ ν)(A × B) = µ(A)ν(B)
für A ∈ A , B ∈ B.
Die folgenden Eigenschaften lassen sich leicht aus der Konstruktion ablesen.
¯
Anmerkung 9.4. 1. Der Produkt-Maßraum (X ×Y, A ⊗B,
µ⊗ν) ist immer
vollständig, auch wenn die ursprüngliche Faktoren (X, A , µ) und (Y, B, ν)
nicht vollständig waren.
2. Für die Lebesgue-Maßräume haben wir das Folgende:
¯ d2 , L (Rd2 ), λd2 ) = (Rd1 +d2 , L (Rd1 +d2 ), λd1 +d2 ),
(Rd1 , L (Rd1 ), λd1 )⊗(R
wenn man die übliche Identifizierung Rd1 +d2 = Rd1 × Rd2 macht.
3. Wenn man zunächst die Maßräume (X, A , µ) und (Y, B, ν) vervollständigt (siehe Theorem 3.10) und dann ihr Produkt konstruiert, erhält man
dennoch den Produktraum der nicht vervollständigten Räume:
¯
(X × Y, A ⊗B,
µ ⊗ ν).
4. Für die Borel–Lebesgue-Maßräumen haben wir das Folgende:
¯ d2 , B(Rd2 ), λd2 ) = (Rd1 +d2 , L (Rd1 +d2 ), λd1 +d2 ),
(Rd1 , B(Rd1 ), λd1 )⊗(R
also ergibt das vollständige Produkt die Lebesgue-Mengen.
(Rd1 , B(Rd1 ), λd1 ) ⊗ (Rd2 , B(Rd2 ), λd2 ) = (Rd1 +d2 , B(Rd1 +d2 ), λd1 +d2 ),
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9.2 Das Fubini-Theorem
81
d.h. die Produkt-σ-Algebra beinhaltet nur Borel-Mengen. Die letztere Aussage sprechen wir später im Abschnitt 9.5 an.
5. Rekursiv (oder analog) kann man das Produkt von endlich vielen Maßräumen definieren. Dieses wird mit
N
O
(Xj , Aj , µj )
j=1
bezeichnet.
9.2 Das Fubini-Theorem
In diesem Abschnitt sind (X, A , µ) und (Y, B, ν) stets vollständige und σendliche Maßräume.
Definition 9.5. a) Für M ⊆ X × Y und x ∈ X definiere
Mx := y ∈ Y (x, y) ∈ M ,
den Schnitt von M an x, und analog
M y := x ∈ X (x, y) ∈ M .
¯
A C H T U N G : Selbst wenn M ∈ A ⊗B
muss Mx (bzw. M y ) nicht
unbedingt messbar (also ein Element von A bzw. B) sein. Anders ist die
Situation falls M ∈ A ⊗ B, siehe Abschnitt 9.5.
b) Sei f : X × Y → Z. Wir setzen
fx (y) := f (x, y) und f y (x) = f (x, y).
Dann sind fx : Y → Z und f y : X → Z Funktionen.
Theorem 9.6 (Fubini). Seien (X, A , µ) und (Y, B, ν) vollständige und σ¯
derart, dass
endliche Maßräume. Sei f : X × Y → R A ⊗B-messbar
Z
f dµ ⊗ ν
X×Y
existiert. Dann gelten die folgenden Aussagen:
a) Es gilt
Z
X×Y
f dµ ⊗ ν =
Z Z
X
f (x, y) dν(y) dµ(x).
Y
b) Für µ-fast alle x ∈ X ist fx : Y → R messbar und es existiert
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82
9 Produkte von Maßen
Z
g(x) =
Z
fx dν =
f (x, y) dν(y).
Y
Y
c) Das Integral von g bzgl. µ existiert und es gilt
Z Z
Z
Z
f (x, y) dν(y) dµ(x) = g(x) dµ(x) =
X
Y
X
f dµ ⊗ ν.
X×Y
Wir beweisen dieses Theorem später, und zeigen zunächst einige Korollare.
Das erste wird eigentlich schon im Beweis des Fubini-Theorems gezeigt (vgl.
Abschnitt 9.4).
¯
Korollar 9.7. Sei M ∈ A ⊗B.
Dann ist der Schnitt Mx für µ-fast alle x ∈ X
messbar, d.h., Mx ∈ B.
¯
Beweis. Sei M ∈ A ⊗B.
Dann existiert das Integral von 1M . Wir können
also das Theorem von Fubini verwenden, d.h. insbesondere, dass für µ-fast
alle x ∈ X die Funktion
y 7→ 1M (x, y) = 1Mx (y)
B-messbar ist.
¯ und f ∈ L 1 (M, µ ⊗ ν), d.h.,
Theorem
9.8 (Fubini). Es seien M ∈ A ⊗B
R
|f (z)| dµ ⊗ ν < ∞. Dann gelten:
M
a) Für µ-fast alle x ∈ X
R ist die Funktion fx B-messbar und integrierbar.
b) Die Funktion x 7→ Y f (x, y) dy ist A -messbar und integrierbar, und es
gilt
Z
Z Z
f (x, y) dν(y) dµ(x).
f dµ ⊗ ν =
M
X
Mx
Beweis. Wir können seperat Re f und Im f betrachten, also OBdA annehmen, dass f reellwertig ist. Für fast alle x ∈ X ist Mx messbar wegen des
vorigen Korollars. Die Aussage folgt dann aus Theorem 9.6, denn
Z
Z
Z Z
f dµ ⊗ ν =
f 1M dµ ⊗ ν =
f (x, y)1M (x, y) dν(y) dx
M
X×Y
X Y
Z Z
f (x, y) dν(y) dµ(x).
=
X Mx
¯
Theorem 9.9 (Tonelli). Es seien M ∈ A ⊗B
und f : X × Y → [0, ∞]
¯
A ⊗B-messbar.
Dann gelten:
a) Für µ-fast alle x ∈ X ist die Funktion fx B-messbar und integrierbar.
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9.3 Anwendungen
83
R
b) Die Funktion x 7→ Y f (x, y) dy ist A -messbar und integrierbar, und es
gilt
Z
Z Z
f dµ ⊗ ν =
f (x, y) dν(y) dµ(x).
M
X
Mx
Beweis. Geht genauso wie der Beweis von Theorem 9.8.
Wenn man die beiden obigen Aussagen kombiniert erhält man die folgende
nützliche Form:
¯
Korollar 9.10 (Fubini–Tonelli). Sei M ∈ A ⊗B,
f : M → K messbar
und f˜ die triviale Fortsetzung (durch 0) von f auf X × Y . Ist eines der drei
Integrale
Z Z
Z Z
Z
˜
˜
|f (x, y)| dν(y) dµ(x),
|f (x, y)| dµ(x) dν(y),
|f˜| dµ ⊗ ν
X Y
Y X
X×Y
endlich, so sind alle endlich, einander gleich und es gelten die Aussagen a)
und b) in Theorem 9.8.
9.3 Anwendungen
Satz 9.11. Seien f : X → R und g : Y → R A - bzw. B-messbar. Setze
h(x, y) := (f (x), g(y)).
¯ (sogar bzgl. der kleineren σ-Algebra A ⊗ B).
Dann ist h messbar bzgl. A ⊗B
Beweis. Seien G1 , G2 ⊆ R2 offen. Dann gilt
¯
h−1 (G1 × G2 ) = f −1 (G1 ) × g −1 (G2 ) ∈ A ⊗B.
Die Mengen G1 × G2 mit G1 , G2 ⊆ R offen erzeugen aber B(R2 ), somit folgt
die Behauptung.
Korollar 9.12. Sei f : X → R messbar. So sind die Mengen
Graph(f ) := (x, t) ∈ X × R f (x) = t ,
und
Subgraph(f ) := (x, t) ∈ X × R t ≤ f (x)
¯
beide messbar, d.h. Elemente von A ⊗B(R).
Beweis. Setze h(x, t) = t − f (x). So gilt
Graph f = h−1 ({0}) und
Subgraph(f ) = h−1 ((−∞, 0]).
Verwende den vorigen Satz.
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84
9 Produkte von Maßen
1. Geometrische Interpretation des Integrals
Sei M ∈ A und f : M → [0, ∞) messbar. Dann gilt
Z
f (x) dµ(x) = µ ⊗ λ1 {(x, t) ∈ X × R | 0 ≤ t ≤ f (x), x ∈ M })
|
{z
}
M
=:A
= “Maß der Punktmenge unter dem Graphen”.
Beweis. Wegen Korollar 9.12 ist die Menge A überhaupt messbar. Wende
Tonelli auf f = 1A an:
Z
1
µ ⊗ λ (A) =
1A (x, t) dµ ⊗ λ1 (x, t)
X×R
Z Z
1A (x, t) dt dµ(x)
Tonelli
=
X
Ax
Z Z
=
Z
1[0,f (x)] (t) dt dµ(x) =
M R
f (x) dµ(x).
M
2. Cavalierisches Prinzip
Sei M ⊆ Rd+1 Lebesgue-messbar. Dann gilt
Z
d+1
λ (M ) = λd (Mt ) dt
R
mit
Mt = x ∈ Rd (x, t) ∈ M
Beweis. Die Anwendung des Satzes von Tonelli auf 1M liefert:
Z
λd+1 (M ) =
1M d(x, t)
Rd+1
Z Z
Tonelli
=
R
1M (x, t) dx dt
Rd
Z Z
=
Z
1Mt (x) dx dt =
R Rd
λd (Mt ) dt.
R
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9.3 Anwendungen
85
3. Volumen der Einheitskugel in Rd
Für x0 ∈ Rd und r > 0 setze
Bd (x0 , r) := x x ∈ Rd , |x − x0 | < r ,
und Bd := Bd (0, 1).
Satz 9.13. Für r ≥ 0 gilt
λd (Bd (x0 , r)) = rd ωd ,
wobei
ωd = λd (Bd )
ω2k =
πk
,
k!
ω2k+1 =
2k+1
πk .
1 · 3 · 5 · · · (2k + 1)
Beweis. Wegen der Translationsinvarianz können wir x0 = 0 annehmen. Wir
beweisen die Aussage per Induktion für die Dimension d, wobei der Fall d = 1
ziemlich trivial ist. Es gilt
d
ωd := λ (B)
Z1
Cavalieri
=
λd−1 (Bdt ) dt mit Bdt = Bd−1 (0,
−1
p
1 − t2 ).
√
Hier gilt λd−1 (Bdt ) = ( 1 − t2 )d−1 λd−1 (Bd−1 ) (Induktionsvoraussetzung),
|
{z
}
=ωd−1
und daher
Z1
(?)
ωd = ωd−1
−1
|
(1 − t2 )
d−1
2
{z
dt
}
=:bd
So haben wir eine Rekursion für ωd gefunden. Berechne bd via Substitution
t := − cos x, dt = sin x dx.
Zπ
bd =
π
sind x dx = 2
0
Z2
sind x dx.
0
Aus Analysis I/II ist bekannt:
b2d = π
d
Y
2l − 1
l=1
2l
,
b2d+1 = 2
d
Y
l=1
2l
.
2l + 1
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9 Produkte von Maßen
Daraus folgt bd bd−1 =
2π
d .
Die Identität (?) liefert
ωd = bd bd−1 ωd−2 ,
und somit
ωd =
2π
ωd−2 .
d
Nun muss man nur ω1 und ω2 bestimmen, und dann kann auch ωd rekursiv
bestimmt werden. Wir haben
ω1 = λ1 ((−1, 1)) = 2
ω2 = b2 ω1 = 2b2 = π.
Daraus bekommen wir
ω2d =
πd
,
d!
ω2d+1 =
2d+1
πd .
1 · 3 · 5 · · · (2d + 1)
Wir werden für diese Formel in Kapitel 10 noch einen weiteren Beweis angeben.
4. Volumina von Zylindern
Sei M ⊆ Rd Lebesgue-messbar und sei a ∈ Rd+1 . Die Menge
Z := (x, 0) + ta ∈ Rd+1 x ∈ M, t ∈ [0, 1]
heißt “Zylinder mit Basis M und Kante a”.
Setze T : Rd+1 → Rd+1 , T (x, t) := (x, 0) + ta. Dann ist T : Rd+1 → Rd+1
eine lineare Abbildung f ür die gilt Z = T (M × [0, 1]). Eine lineare Abbildung
ist Lipschitz-stetig, so gilt Z ∈ L (Rd+1 ) nach Theorem 8.15. Wir setzen nun
voraus, dass ad+1 > 0. Das Cavalierische Prinzip liefert
Z
Z
λd (M ) dt = ad+1 λd (M ).
λd+1 (Z) = λd (Zt ) dt =
R
[0,ad+1 ]
Ist ad+1 < 0, so können wir statt Z die Menge −Z betrachten, und somit
λd+1 (Z) = λd+1 (−Z) = −ad+1 λd (−M ) = |ad+1 |λd (M )
bekommen (beachte, dass λm (A) = λm (−A) für jedes A ∈ L (Rm ) gilt).
Zusammenfassend gilt also
λd+1 (Z) = |ad+1 |λd (M ) = “Höhe × Fläche der Basis”.
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9.4 Beweis des Fubini-Theorems
87
5. Volumina von Kegeln
Vorbemerkung: Es ist leicht einzusehen, dass unter Skalierung das Lebesgue-Maß sich folgenderweise ändert:
λd (rA) = |r|d λd (A)
für alle r ∈ R. In der Tat ist es so für Intervalle A (!), und dann muss man
nur beachten wie das Lebesgue-Maßkonstruiert wurde. Später in Abschnitt
10.2 werden wir ein viel allgemeineres Resultat beweisen.
Sei M ⊆ Rd Lebesgue-messbar, a ∈ Rd+1 . Setze
K := (1 − t)(x, 0) + ta ∈ Rd+1 x ∈ M, t ∈ [0, 1]
“Kegel mit Basis M und Kante a”. Sei f (x, t) = (1−t)(x, 0)+ta, dann ist
f lokal Lipschitz-stetig, und es gilt K = f (M × [0, 1]). Somit ist K ∈ L (Rd ).
Da λd+1 unter Spiegelungen und Translationen invariant ist, können wir a =
(0, α), α > 0 annehmen. Das Cavalierische Prinzip liefert dann
λ
d+1
(
Z
(K) =
d
λ (Kt ) dt mit Kt =
R
Z
=
λd
1−
t
α
∅,
t 6∈ [0, α]
t
1 − α M, t ∈ [0, α]
M dt
[0,α]
Z
=
1−
t d d
α λ (M )
dt
[0,α]
= λd (M ) ·
1
α
=
λd (Z),
d+1
d+1
wobei Z der Zylinder mit Basis M und Kante a ist.
9.4 Beweis des Fubini-Theorems
¯
Wir bezeichnen mit Φ die Menge aller A ⊗B-messbaren
Funktionen f : X ×
Y → R für die gilt:
R
(1) Das Integral X×Y f dµ ⊗ ν existiert.
(2) Für µ-fast alle x ∈ X ist fx : Y → R messbar und
Z
g(x) = fx dν
Y
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88
9 Produkte von Maßen
existiert.
(3) Es gilt
Z
X×Y
f dµ ⊗ ν =
Z Z
X
f (x, y) dν(y) dµ(x).
Y
So kann Theorem 9.6 folgenderweise umformuliert werden
R
Theorem (Fubini). ∃ X×Y f dµ ⊗ ν =⇒ f ∈ Φ.
Der Beweis besteht aus einigen Schritten:
Schritt 1: Für A ∈ A , B ∈ B gilt 1A×B ∈ Φ.
Schritt 2: Für f ∈ Φ und c ∈ R gilt cf ∈ Φ.
Schritt 3: Seien f1 , f2 ∈ Φ derart, dass die Summe
R
f dµ ⊗ ν existiert. Dann gilt f1 + f2 ∈ Φ.
X×Y 2
R
X×Y
f1 dµ ⊗ ν +
Schritt 4: Seien 0 ≤ fk ∈ Φ mit fk % f . Dann gilt f ∈ Φ.
R
Schritt 5: Seien 0 ≤ f1 ≤ f2 mit f2 ∈ Φ und X×Y f2 dµ ⊗ ν = 0. Dann ist
f1 ∈ Φ.
S
Schritt 6: Sei C ∈ E0σ , d.h., C = k∈N Ck mit Ck ∈ E0 . Dann gilt 1C ∈ Φ.
T∞
Schritt 7: Sei C = j=1 Cj mit Cj ∈ E und µ⊗ν(C1 ) < ∞. Dann ist 1C ∈ Φ.
Schritt 8: Sei C eine µ ⊗ ν-Nullmenge. Dann gelten
a) 1C ∈ Φ
b) ν(Cx ) = 0
für µ-fast alle x ∈ X.
¯ mit µ ⊗ ν(C) < ∞. Dann ist 1C ∈ Φ.
Schritt 9: Sei C ∈ A ⊗B
¯ gilt 1C ∈ Φ.
Schritt 10: Für C ∈ A ⊗B
Schritt 11: Eine positive einfache Funktion f gehört zu Φ.
Schritt 12: Sei f ≥ 0 messbare Funktion. Dann gilt f ∈ Φ.
Schritt 13 [Beweis des Theorems]: Zerlege f = f + − f − , und wende Schritt
12 auf f + und f − separat an. Benutze schließlich Schritt 3.
9.5 Die Produkt-σ-Algebra
Gegeben seien die Maßräume (X, A , µ), (Y, B, ν). Die Produkt-σ-Algebra ist
A ⊗ B := σ({A × B | A ∈ A , B ∈ B}).
Vorteile des Produktes gegenüber dem vollständigen Produkt werden aus dem
nächsten Satz klar.
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9.6 Vorsicht beim Vertauschen von Integralen
89
Satz 9.14. a) Sei M ∈ A ⊗ B. Dann gilt Mx ∈ B für alle x ∈ X und
M y ∈ A für alle y ∈ Y .
b) Sei (Z, C ) messbarer Raum. Sei f : X × Y → Z (A ⊗ B, C )-messbar.
Dann sind fx bzw. f y für alle x und alle y messbar.
Beweis. a) Wir setzen
M := M ⊆ X × Y Mx ∈ B, M y ∈ A für alle x ∈ X und y ∈ Y .
Dann ist M eine σ-Algebra, wie man das leicht einsehen kann. Da (A×B)x =
B falls x ∈ A und (A × B)x = ∅ falls x 6∈ A (und analog für (A × B)y ), sehen
wir, dass A × B ∈ M für A ∈ A , B ∈ B gilt. Dies impliziert A ⊗ B =
σ(E0 ) ⊆ σ(M ) = M .
b) Sei x ∈ X fest und sei C ∈ C . Es gilt
fx−1 (C) = y ∈ Y fx (y) ∈ C = y ∈ Y f (x, y) ∈ C
= y ∈ Y (x, y) ∈ f −1 (C) = f −1 (C) x .
Da aber f −1 (C) ∈ A ⊗ B, folgt f −1 (C) x ∈ B aus Teil a).
Satz 9.15. Seien X, Y metrische Räume mit den jeweiligen Borel-σ-Algebren.
Dann gilt
B(X) ⊗ B(Y ) = B(X × Y ).
Beweis.
Anmerkung 9.16. 1. Für das Produkt von Borel–Lebesgue-Maßräumen haben wir also:
(Rd1 , B(Rd1 ), λd1 ) ⊗ (Rd2 , B(Rd2 ), λd2 ) = (Rd1 +d2 , B(Rd1 +d2 ), λd1 +d2 ).
¯
2. Die Theoreme von Fubini und Tonelli bleiben auch wahr wenn man A ⊗B
durch A ⊗ B ersetzt. Wegen Satz 9.14 ist dann fx für alle x ∈ X messbar.
3. Sei A ⊆ R eine nicht Lebesgue-messbare Menge (vgl. Abschnitt 8.3), dann
ist B := {0}×A ⊆ R2 eine λ2 -Nullmene (siehe Abschnitt 8.2), insbesondere
gilt B ∈ L (R2 ). Da wir für den Schnitt B0 = A 6∈ L (R) haben, sehen
wir B 6∈ L (R) ⊗ L (R). Dies zeigt die Vorteile des vollständigen Produkts
gegenüber dem “normalen” Produkt.
9.6 Vorsicht beim Vertauschen von Integralen
A C H T U N G : Die Voraussetzungen in den Theoremen von Fubini und
Tonelli sind wesentlich wie das folgende Beispiel zeigt: Setze
f (x, y) =
x2 − y 2
(x2 + y 2 )2
für x, y ∈ (0, 1).
compiled: 21-May-2015/11:13
90
9 Produkte von Maßen
Dann ist f : (0, 1) × (0, 1) → R stetig (also Borel-messbar) und es gelten:
Z Z
Z
1
π
1
und
f (x, y) dy dx = arctan = .
f (x, y) dy = 2
x +1
4
0
(0,1) (0,1)
(0,1)
Aus Symmetriegründen gilt also
Z
(0,1)
−1
f (x, y) dx = 2
y +1
Z
Z
und
f (x, y) dx dy = −
π
4
(0,1) (0,1)
Die doppelten Integrale in unterschiedlicher Reihenfolge ergeben also unterschiedliche Werte.
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Kapitel 10
Transformation des Integrals
10.1 Maßtreue Abbildungen
Definition 10.1. Es seien (X, A , µ) und (Y, B, ν) Maßräume, und h : X →
Y messbar.
a) Das Bildmaß h∗ µ von µ unter h ist definiert durch
h∗ µ(B) := µ(h−1 (B)) für B ∈ B.
b) h heißt maßtreu (oder maßerhaltend), falls ν = h∗ µ, d.h. falls gilt
ν(B) = µ(h−1 (B)) für jedes B ∈ B.
Beispiel 10.2. 1. Für X = Y = Rd , A = B = L (Rd ), µ = ν = λd , a ∈ Rd
ist die Translation τa : Rd → Rd , definiert durch
τa (x) = x − a,
eine maßtreue Abbildung.
2. Betrachte [0, 1]2 mit der Lebesgue-σ-Algebra. Die Abbildung
(
2x
x ∈ [0, 1/2)
2
2
h : [0, 1) → [0, 1) , h(x, y) :=
2x − 1 x ∈ [1/2, 1),
ist maßtreu.
Theorem
10.3. Es sei h : X → Y maßtreu, und sei f : Y → K derart, dass
R
f
dν
existiert.
Dann gilt
Y
Z
Z
f ◦ h dµ = f dν.
X
Y
91
92
10 Transformation des Integrals
Außerdem gilt
Z
Z
f dν =
f ◦ h dµ
h−1 (B)
B
für jedes B ∈ B.
Beweis. Wir können K = C annehmen, sonst betrachten wir Re f und Im f
separat.
Wir beweisen die Aussage zunächst für positive einfache Funktionen. Sei also
f=
N
X
bj 1Bj
in Standarddarstellung.
j=1
Wir setzen Aj := h−1 (Bj ). So können wir schreiben:
Z
f dν =
N
X
j=1
X
bj ν(Bj ) =
N
X
−1
bj µ(h
(Bj )) =
j=1
N
X
Z
bj µ(Aj ) =
j=1
f ◦ h dµ.
X
Bei der letzten Gleichheit haben wir benutzt, dass
f ◦h=
N
X
bj 1Aj
gilt.
j=1
Ist f ≥ 0 messbar, so können wir f durch eine Folge von einfachen Funktionen
monoton approximieren: fn % f (siehe Theorem 4.13). Wegen des Beppo
Levi-Theorems 5.6 gilt dann
Z
Z
Z
Z
f ◦ h dµ = lim
fn ◦ h dµ = lim
fn dν = f dν,
n→∞
X
n→∞
X
Y
Y
wobei wir benutzt haben, dass die Aussage für einfache Funktionen schon
bekannt ist.
Für beliebige messbare Funktionen geht der Beweis durch Zerlegung f :=
f + − f − , mit der Bemerkung, dass (f ◦ h)+ = f + ◦ h und (f ◦ h)− = f − ◦ h
gelten.
10.2 Lineare Transformation des Lebesgue-Maßes
Anmerkung 10.4. Eine lineare Abbildung T : Rd → Rm ist Lipschitzstetig. Es gilt nämlich:
kT x − T yk ≤ kT k · kx − yk,
compiled: 21-May-2015/11:13
10.2 Lineare Transformation des Lebesgue-Maßes
93
mit
kT k := sup kT xk x ∈ Rd mit kxk ≤ 1 .
Theorem 10.5. Sei T : Rd → Rd linear und A ∈ L (Rd ). Dann ist T (A) ∈
L (Rd ) und es gelten:
a) λd (T (A)) = | det T | · λd (A).
b) Ist det T 6= 0 (also T invertierbar), so ist
T∗ λd =
λd
| det T |
das Bildmaß von λd unter T .
Beweis. Die erste Aussage ist ein direktes Korollar vom Theorem 8.14, da
wie oben schon erwähnt, eine lineare Abbildung Lipschitz-stetig ist.
b) Folgt aus a):
λd (B) = λd (T (T −1 (B))) = | det T |λd (T −1 (B)).
a) Sei erst det(T ) 6= 0. D.h. T : Rd → Rd ist invertierbar und sogar ein Homöomorphismus. So ist auf jeden Fall T (und auch T −1 ) eine lokal Lipschitz
stetige Abbildung. Es gilt B ∈ L (Rd ) genau dann, wenn T (B) ∈ L (Rd ).
Setze
µ(B) := λd (T (B)) für alle B ∈ L (Rd ).
Dann ist µ ein Maß auf L (Rd ). Natürlich ist µ auch translationsinvariant:
µ(A + x0 ) = λd (T (A + x0 )) = λd (T (A) + T (x0 )) = λd (T (A)) = µ(A).
Im Folgenden rechnen wir µ([0, 1)d ) = λd (T ([0, 1)d )) aus.
Nun bestimmen wir µ([0, 1)), zunächst in speziellen Fällen (1 = (1, 1, . . . , 1) ∈
Rd ). Betrachte Matrizen der folgenden Form:




1 1 0 ··· 0
a 0 0 ··· 0
0 1 0 · · · 0
0 1 0 · · · 0






0 0 1 · · · 0
α) Permutationsmatrix, β) 
 , oder γ) 0 0 1 · · · 0
 .. .. .. . . .. 
 .. .. .. . . .. 
. . . . .
. . . . .
0 0 0 ··· 1
0 0 0 ··· 1
Sei erst T der Form α). Dann ist T ([0, 1)) = [0, 1), und somit µ([0, 1)) =
λd ([0, 1)) = 1 = det(T ).
Sei jetzt T der Form β) mit a 6= 0. Dann ist
(
[0, a) × [0, 1) × · · · × [0, 1) für a > 0
T ([0, 1)) =
(a, 0] × [0, 1) × · · · × [0, 1) für a < 0.
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94
10 Transformation des Integrals
D.h. es gilt µ([0, 1)) = λd (T ([0, 1))) = |a| = | det(T )|.
Sei T der Form γ). Wir schreiben [0, 1) = [0, 1)2 × [0, 1)d−2 , und somit
T ([0, 1)) = B × [0, 1)d−2 mit
B = (x1 , x2 ) 0 ≤ x2 < 1, x2 ≤ x1 < x2 + 1 .
Da B ein Zylinder mit Basis [0, 1) und Höhe 1 ist, gilt λ2 (B) = 1 = λ2 ([0, 1)2 )
(siehe Seite 86).
So haben wir gesehen, dass für solche Matrizen T gilt µ([0, 1)) = | det(T )|,
µ
d
und somit ist | det
T | ein translationsinvariantes Maß auf L (R ) mit der zuµ
d
sätzlichen Eigenschaft | det
T | ([0, 1) ) = 1. Nach Korollar 8.6 gilt also
µ
= λd ,
| det T |
d.h., die Behauptung ist bewiesen für Matrizen vom Typ α), β) oder γ).
Wir erinnern(?!) uns an das folgende Resultat der Linearen Algebra: Jede
Matrix läßt sich als Produkt T = T1 T2 · · · Tk von Matrizen Tj der Form α),
β) oder γ) schreiben. Damit gilt
µ(A) = λd (T (A)) = λd (T1 T2 · · · Tk (A)) = | det(T1 )|λd (T2 · · · Tk (A))
= | det(T1 )|| det(T2 )|λd (T3 · · · Tk (A))
= · · · = | det(T1 )|| det(T2 )| · · · | det(Tk )|λd (A) = | det(T )| · λd (A).
Es bleibt also nur den Fall det(T ) = 0 zu erledigen. In diesem Fall ist T nicht
surjektiv, also T (A) liegt in einem Unterraum V ( Rd . Damit ist λd (T (A)) ≤
λd (V ). Wir zeigen nun, dass λd (V ) = 0 für alle Unterräume V ⊆ Rd mit
d2 := dim V < d gilt, und daraus folgt die Behauptung. Man betrachte eine
orthogonale Transformation O mit O(V ) = Rd2 × {0}. Dann ist λd (O(V )) =
| det O|λd (V ) = λd (V ). Es ist einfach λd (O(V )) = λd (Rd2 × {0}) = 0 zu
zeigen (z.B. mit Fubini).
Korollar 10.6 (Skalierung des Lebesgue-Maßes). Für r ∈ R und A ∈
L (Rd ) gilt
λd (rA) = |r|d λd (A),
wobei
rA := ra a ∈ A .
10.3 Der Transformationssatz
Satz 10.7 (Transformationssatz für affine Abbildungen). Sei h : Rd →
Rd eine affine Abbildung, d.h., h(x) = T x + x0 für eine lineare Abbildung
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10.4 Beispiele und Anwendungen
95
T : Rd → Rd und für ein x0 ∈ Rd . Sei M ⊆ Rd Lebesgue-messbar, und sei
f ∈ L 1 (x0 + T (M )). Dann gilt
Z
Z
0
(f ◦ h)(y)| det g (y)| dy =
f (x) dx
M
h(M )
für f ∈ L 1 (h(M )).
Beweis. Ist det(T ) = 0, so steht auf der rechten Seite 0, aber auch auf der
linken Seite, denn T (M ) dann eine Nullmenge ist (siehe Theorem 10.5). Sei
also det(T ) 6= 0, d.h. T invertierbar. Die Behauptung folgt aber, dann aus
Theorem 10.3 und Theorem 10.5.b).
Definition 10.8. Seien U, V ⊆ Rd offen und h : U → V eine Funktion. h
heißt C 1 -Diffeomorphismus, falls h bijektiv ist, und h als auch h−1 stetig
differenzierbar sind. Die Ableitung von h wird stets durch h0 bezeichnet.
Theorem 10.9 (Transformationssatz). Seien U, V ⊆ Rd offen und sei h :
U → V ein C 1 -Diffeomorphismus. Dann gilt f ∈ L 1 (V ) ⇐⇒ (f ◦h)| det h0 | ∈
L 1 (U ). Ferner gilt in diesem Fall:
Z
Z
f (x) dx = (f ◦ h)(y)| det h0 (y)| dy.
V
U
Der Ausdruck det h0 heißt die Jacobi-Determinante der Integraltransformation.
Den Beweis präsentieren wir am Ende des Kapitels.
10.4 Beispiele und Anwendungen
1. Ebene Polarkoordinaten
Sei (x, y) ∈ R2 \ {(0, 0)}. Dann existieren eindeutig bestimmte r > 0 und
ϕ ∈ [0, 2π) mit
x =r cos ϕ
y =r sin ϕ.
Definiere h : R2 → R2 durch
h(r, ϕ) = (r cos ϕ, r sin ϕ),
und setze
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96
10 Transformation des Integrals
U := (0, ∞) × (0, 2π), V := R2 \ ((−∞, 0] × {0}) = geschlitzte Ebene.
Dann ist h : U → V bijektiv mit Umkehrabbildung h−1 (x, y) = (r, ϕ)
r := (x2 + y 2 )1/2 ,

arctan xy ,



π,
ϕ := 2 π

− ,


 2
sgn(y) π2 − arctan xy ,
falls
falls
falls
falls
x > 0,
x = 0, y > 0,
x = 0, y < 0,
x < 0.
Die Abbildung h ist differenzierbar mit Jacobi-Matrix
cos ϕ −r sin ϕ
h0 (r, ϕ) =
.
sin ϕ r cos ϕ
(x, y)
r
ϕ
Daraus folgt det h0 (r, ϕ) = r > 0 für alle (r, ϕ) ∈ U . Somit ist h : U → V ein
C 1 -Diffeomorphismus. Da R2 \ V und U \ U Nullmengen in R2 sind gilt:
Korollar 10.10. Eine Funktion f : R2 → R ist genau dann Lebesgue-integrierbar (d.h., f ∈ L 1 (R2 )), wenn
(r, ϕ) 7→ rf (r cos ϕ, r sin ϕ) ∈ L 1 ([0, ∞) × [−π, π]) gilt.
Es gilt in diesem Fall
Z
Z
f (x, y) dx dy =
R2
Z
f (r cos ϕ, r sin ϕ)r dr dϕ.
[0,2π] [0,∞)
Man kann durch geeignete Festlegung eines Zweigs der arctan-Funktion, beliebige Intervalle der Form [a, a + 2π] für den “ϕ-Bereich” wählen.
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10.4 Beispiele und Anwendungen
97
2. Gausßsche Funktionen
Theorem 10.11. Für a > 0 gilt
Z
π d2
2
.
e−a|x| dx =
a
Rd
Beweis. Satz von Fubini liefert:
Z
Z
Z
2
2
−a|x|2
Id,a := e
dx = · · · e−a(x1 +···+xd ) dx1 · · · dxd
Rd
R
Z
=
e
−ax21
dx1 · · ·
R
Z
R
2
d
e−axd dxd = Id,a
.
R
Nun bestimmen wir I2,a . Es gilt
Z
I2,a =
e
−a|x|2
dx
Polar.Koord
Z2πZ∞
=
re
0
R2
d/2
d
Daher gilt Id,a = I1,a
= I2,a =
−ar 2
−e−ar
dr dϕ = 2π
2a
0
2
∞
π
= .
a
r=0
π d/2
.
a
3. Kugelkoordinaten
Definiere h : R3 → R3 durch
h(r, ϕ, ϑ) = (r cos ϕ cos ϑ, r sin ϕ cos ϑ, r sin ϑ),
und setze
U : = (0, ∞) × (−π, π) × (− π2 , π2 )
V : = R3 \ ((−∞, 0] × {0} × R)
Dann ist h|U ein C 1 -Diffeomorphismus von U auf V mit


cos ϕ cos ϑ −r sin ϕ cos ϑ −r cos ϕ sin ϑ
h0 (r, ϕ, ϑ) =  sin ϕ cos ϑ r cos ϕ cos ϑ −r sin ϕ sin ϑ 
sin ϑ
0
r cos ϑ
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98
10 Transformation des Integrals
(x, y, z)
r
ϑ
ϕ
Für die Jacobi-Determinante ergibt sich:
det h0 (r, ϕ, ϑ) = sin ϑ [r2 sin2 ϕ sin ϑ cos ϑ + r2 cos2 sin ϑ cos ϑ]
+r2 cos ϑ [cos2 ϕ cos2 ϑ + sin2 ϕ sin2 ϑ]
= · · · = r2 cos ϑ > 0
Wie im Fall von ebenen Polarkooridnaten erhalten wir das folgende Korollar:
Korollar 10.12. Eine Funktion f : R3 → R ist Lebesgue-integrierbar
⇐⇒ die Funktion (r, ϕ, ϑ) 7→ f (r cos ϕ cos ϑ, r sin ϕ cos ϑ)r2 cos ϑ ∈ L1 (R+ ×
[0, 2π] × [− π2 , π2 ]). Es gilt dann
Z
f (z) dz
R3
Z
Z
Z
=
f (r cos ϕ cos ϑ, r sin ϕ cos ϑ, r sin ϑ)r2 cos ϑ dϑ dϕ dr.
π
[0,∞) [0,2π] [− π
2,2]
Beweis. Verwende den Transformationssatz 10.9, den Satz von Fubini 9.6
und ähnliche Argumente wie für die Polarkooordinatentransformation.
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10.4 Beispiele und Anwendungen
99
4. d-dimensionale Kugelkoordinaten
Analog zu Kugelkoordinaten führen wir die folgende Transformation ein. h :
Rd → Rd ist gegeben durch
h(r, ϕ1 , ϕ2 , . . . ϕd−1 ) = (x1 , x2 , . . . , xd ) mit
xd = r sin ϕd−1 ,
xd−1 = r cos ϕd−1 sin ϕd−2 ,
xd−2 = r cos ϕd−1 cos ϕd−2 sin ϕd−3 ,
..
.
x2 = r cos ϕd−1 cos ϕd−2 cos ϕd−3 · · · cos ϕ2 sin ϕ1 ,
x1 = r cos ϕd−1 cos ϕd−2 cos ϕd−3 · · · cos ϕ2 cos ϕ1 .
Dann ist
h : (0, ∞) × (−π, π) × ( π2 , π2 ) × ( π2 , π2 ) × · · · ( π2 , π2 ) → Rd
{z
}
|
d−2
ein C 1 -Diffeomorphismus. Die Jacobi-Determinante det h0 (r, ϕ1 , . . . , ϕd−1 ) ist
cos ϕd−1 · · · cos ϕ2 cos ϕ1
cos ϕd−1 · · · cos ϕ2 sin ϕ1
.
..
cos ϕ
d−1 sin ϕd−2
sin ϕ
d−1
−r cos ϕd−1 · · · cos ϕ2 sin ϕ1
r cos ϕd−1 · · · cos ϕ2 cos ϕ1
..
.
0
0
. . . −r sin ϕd−1 · · · cos ϕ2 cos ϕ1
. . . −r sin ϕd−1 · · · cos ϕ2 sin ϕ1
..
.
. . . −r sin ϕd−1 sin ϕd−2
. . . r cos ϕd−1
.
Daher erhält man
det h0 (r, ϕ1 , . . . , ϕd−1 ) = rd−1 Ad (ϕ1 , . . . , ϕd−1 )
Ad (ϕ1 , . . . , ϕd−1 ) = det h0 (1, ϕ1 , . . . , ϕd−1 ).
Man kann Ad (ϕ1 , . . . , ϕd−1 ) durch Entwicklung der Determinante nach der
letzten Zeile genau bestimmen. So erhält man nach kurzer Rechnung:
det h0 (r, ϕ1 , . . . , ϕd−1 ) = rd−1 (cos ϕd−1 )d−2 (cos ϕd−2 )d−3 · · · cos ϕ2 .
Im Folgenden werden wir aber den genauen Wert der Jacobi-Determinante
nicht verwenden.
Korollar 10.13. Eine Funktion f : Rd → K ist Lebesgue-integrierbar
⇐⇒ die Funktion
g(r, ϕ1 , . . . , ϕd−1 ) := f (h(r, ϕ1 , . . . , ϕd−1 ))rd−1 Ad (ϕ1 , . . . , ϕd−1 )
liegt in L 1 (R+ × [0, 2π] × [ π2 , π2 ] × · · · [ π2 , π2 ]). Es gilt dann
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100
10 Transformation des Integrals
Z
f (z) dz
Rd
Z
Z
Z
Z
···
=
f (h(r, ϕ1 , . . . , ϕd−1 ))rd−1 Ad (ϕ1 , . . . , ϕd−1 ) dϕd−1 . . . dϕ1 dr.
[0,∞) [−π,π] [− π
, π ] [− π
,π]
2 2
2 2
5. Rotationssymmetrische Funktionen
Eine Funktion f : Rd → C, d ≥ 2 heißt rotationssymmetrisch, falls ein
fe : R+ → C existiert mit f (x) = fe(|x|) für alle x ∈ Rd . Es ist leicht zu sehen,
dass fe messbar ist, falls f eine messbare rotationssymmetrische Funktion ist.
Satz 10.14. Für eine messbare, rotationssymmetrische Funktion f gilt:
f ∈ L 1 (Rd ) ⇐⇒ [r 7→ rd−1 fe(r)] ∈ L 1 (R+ ). In diesem Fall gilt
Z
Z
f (x) dx = σd−1
fe(r)rd−1 dr,
Rd
[0,∞)
wobei σd−1 > 0 nur von d und nicht von f abhängt.
Beweis. Sei f rotationssymmetrisch und fe wie in der Definition. Wir substituieren d-dimensionale Kugelkoordinaten und bemerken zuerst, dass
|h(r, ϕ1 , . . . , ϕd−1 )| = r.
So erhalten wir
Z
Z
Z
Z
···
[0,∞) [−π,π] [− π
,π]
2 2
Z
Z
f (h(r, ϕ1 , . . . , ϕd−1 ))rd−1 Ad (ϕ1 , . . . , ϕd−1 )dϕd−1 . . .dϕ1dr
[− π
,π]
2 2
Z
Z
fe(r)rd−1 Ad (ϕ1 , . . . , ϕd−1 ) dϕd−1 . . . dϕ1 dr
···
=
[0,∞) [−π,π] [− π
,π]
2 2
Z
fe(r)rd−1
=
[− π
,π]
2 2
Z
Z
Z
···
Ad (ϕ1 , . . . , ϕd−1 ) dϕd−1 . . . dϕ1 dr
[−π,π] [− π
, π ] [− π
,π]
2 2
2 2
[0,∞)
Z
= σd−1
fe(r)rd−1dr,
[0,∞)
wobei
Def.
Z
Z
[−π,π]
π
[− π
2,2]
σd−1 :=
···
Z
Ad (ϕ1 , . . . , ϕd−1 ) dϕd−1 . . . dϕ1 .
π
[− π
2,2]
Um σd−1 zu bestimmen, könnten wir direkt die Form von Ad (ϕ1 , . . . , ϕd−1 )
verwenden, aber wir geben einen anderen, einfacheren, Zugang:
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10.4 Beispiele und Anwendungen
101
6. Berechnung von σd−1
d
Theorem 10.15. Für d ≥ 2 gilt σd−1 =
Γ unten definiert ist.
2π 2
,
Γ(d
2)
wobei die Gamma-Funktion
2
Beweis. Sei a = 1 und betrachte Id,1 aus 10.4.2. Da e−|x| rotationssymmetrisch ist, gilt nach Satz 10.14
Z∞
Id,1 = σd−1
2
rd−1 e−r dr.
0
Nach Definition der Gamma-Funktion Γ (siehe unten) erhalten wir
Z∞
d
2
π = Id,1 = σd−1
r
d−1 −r 2
e
dr
s = r2
=
Z∞
σd−1
0
=
σd−1
2
s
d−1
2
1
e−s √ ds
2 s
0
Z∞
Def!
d
s 2 −1 e−s ds =
σd−1 d
Γ ( 2 ).
2
0
7. Die Gamma-Funktion
Für x > 0 ist das uneigentliche Riemann-Integral
Z∞
Γ (x) :=
sx−1 e−s ds
0
absolut konvergent und definiert die sogenannte Gamma-Funktion.
Anmerkung 10.16. 1. Γ (1) = 1.
2. Für x > 0 gilt Γ (x + 1) = xΓ (x).
3. Für n ∈ N, n ≥ 1 gilt Γ (n) = (n − 1)!.
8. Volumen der Einheitskugel
Für die Einheitskugel B := Bd (0, 1) gilt
Z
Z
ωd := λd (B) = 1 dλd = σd−1
rd−1 dr
B
[0,1]
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102
10 Transformation des Integrals
d
d
σd−1
2π 2
π2
=
=
=
,
d
d
d
dΓ ( 2 )
Γ ( 2 + 1)
da Γ (x + 1) = x Γ (x).
Korollar. Es gilt Γ ( 12 ) =
√
π.
Beweis. Bekannt ist ω3 = 43 π. Anderseits haben wir gerade die Identität
3
2π 2
ω3 =
3Γ ( 32 )
gesehen. Daraus folgt 12 Γ ( 12 ) = Γ ( 32 ) =
√
π
2 .
9. Volumina von Zylindern
Sei M ⊆ Rd Lebesgue-messbar und sei a ∈ Rd+1 . Betrachte den Zylinder
Z := (x, 0) + ta ∈ Rd+1 x ∈ M, t ∈ [0, 1]
mit Basis M und Kante a (vgl. Seite 9.3). Setze T : Rd+1 → Rd+1 , T (x, t) :=
(x, 0) + ta. Dann ist T : Rd+1 → Rd+1 eine lineare Abbildung für die gilt
Z = T (M × [0, 1]). Aus Theorem 10.5 folgern wir
λd+1 (Z)=| det T | · λd+1 (M × [0, 1]) = | det T | · λd (M ).
Für die Determinante von T hat man:
1 0 · · · 0 a1 ..
0 .
a2 .. = a .
..
det T = ...
d+1
.
. .
..
1 ad 0 · · · · · · 0 ad+1 Es gilt also
λd+1 (Z) = |ad+1 |λd (M ) = “Höhe × Fläche der Basis”
vgl. Seite 86.
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10.5 Beweis des Transformationssatzes
103
10.5 Beweis des Transformationssatzes
Lemma 10.17. Seien U, V ⊆ Rd offen, h : U → V eine C 1 -Abbildung. Dann
gilt:
a) h is lokal Lipschitz-stetig.
b) A ∈ L (Rd ) =⇒ h(A) ∈ L (Rd )
Beweis. ...kommt noch...
Lemma 10.18. Seien U, V ⊆ Rd offen, h : U → V ein C 1 -Diffeomorphismus,
W ⊆ U ein kompakter Würfel mit Kantenlänge `. Dann gilt
λd (h(W )) ≤ max | det h0 (x)| · λd (W ).
x∈W
Beweis. ...kommt noch...
Lemma 10.19. Seien U, V ⊆ Rd offen, h : U → V ein C 1 -Diffeomorphismus,
B ∈ L (Rd ) eine beschränkte Menge mit B ⊆ U . Dann gilt
min | det h0 (x)| · λd (B) ≤ λd (h(B)) ≤ max | det h0 (x)| · λd (B).
x∈B
x∈B
Beweis. ...kommt noch...
Lemma 10.20. Seien U, V ⊆ Rd offen, h : U → V ein C 1 -Diffeomorphismus.
Sei K ⊆ V kompakt. Dann gilt
Z
Z
Z
1K (y) dy =
| det h0 (x)| dx = (1K ◦ h)(x)| det h0 (x)| dx.
h−1 (K)
V
U
Beweis. ...kommt noch...
Lemma 10.21. Seien U, V ⊆ Rd offen, h : U → V ein C 1 -Diffeomorphismus.
Sei f ≥ 0 eine einfache Funktion.
Z
Z
f (y) dy = f ◦ h(x)| det h0 (x)| dx.
V
U
Beweis. ...kommt noch...
Beweis (des Transformationssatzes). Sei f ∈ L 1 (V ) und seien fn einfache
Funktionen mit fn → f und |fn | % |f | punktweise (siehe Theorem 4.13).
Nach dem Satz von Beppo Levi, Theorem 5.6 und nach Lemma 10.21 gilt
Z
Z
|f (y)| dy = lim
|fn (y)| dy
n→∞
V
V
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104
10 Transformation des Integrals
Z
= lim
n→∞
0
|fn (h(x))| · | det h (x)| dx =
U
Z
|f (h(x))| · | det h0 (x)| dx.
U
Daher ist f ◦ h · | det h0 | ∈ L 1 (U ), und diese Funktion ist eine integrierbare
Majorante zu der Folge fn ◦h·| det h0 |. Da aber fn ◦h·| det h0 | → f ◦h·| det h0 |
punktweise konvergiert, folgt aus dem Theorem 5.24 von Lebesgue
Z
Z
f (y) dy = lim
fn (y) dy
n→∞
V
V
Z
= lim
n→∞
0
fn (h(x)) · | det h (x)| dx =
U
Z
f (h(x)) · | det h0 (x)| dx.
U
Umgekehrt nehmen wir an, dass f ◦ h · | det h0 | ∈ L 1 (U ). Da h−1 : V → U
ein C 1 -Diffeomorphismus ist, können wir schließen, dass
0
f ◦ h ◦ h−1 · | det h0 ◦ h−1 | · | det h−1 | ∈ L 1 (V ).
Laut Kettenregel gilt aber
0
f ◦ h ◦ h−1 · | det h0 ◦ h−1 | · | det h−1 | = f,
was den Beweis beendet.
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Kapitel 11
Die Lp-Räume und die Faltung
11.1 Die Lp Räume
In diesem Kapitel sei (X, A , µ) ein fester Maßraum.
Vorbemerkung: Sei f ∈ L p := L p (X, A , µ; C), p ∈ (0, ∞]. Genau dann
gilt kf kp = 0, wenn f = 0 µ-fast überall.
Definition 11.1. a) Wir führen eine Relation auf L 0 := L 0 (X, A , µ; C)
ein: f ∼ g genau dann, wenn f − g = 0 fast überall. Es ist leicht zu zeigen, dass ∼ eine Äquivalenzrelation ist. Wir führen zusätzlich die folgende
Notation ein:
[f ] := g ∈ L 0 | f ∼ g .
D.h. [f ] ist die Äquivalenzklasse von f .
b) Wir setzen
Lp := Lp (X, A , µ; K) := [f ] f ∈ L p (X, A , µ) .
D.h. die Elemente von Lp sind Äquivalenzklassen von Funktionen. Gilt
g ∈ [f ], so ist f = g fast überall. (Beachte: f ∼ g und f ∈ L p implizieren
g ∈ L p .)
c) Für f, g ∈ Lp (X, A , µ; C), p ∈ [0, ∞] und α ∈ C setzen wir
[f ] + α[g] := [f + αg].
Es ist leicht zu zeigen, dass diese Operationen auf Lp wohldefiniert sind,
d.h. [f ] + α[g] hängt nicht von der Wahl von f, g sondern nur von [f ], und
[g] ab. So wird Lp ein Vektorraum.
d) Für [f ] ∈ Lp und p ∈ (0, ∞) setzen wir
k[f ]kp := kf kp .
105
11 Die Lp -Räume und die Faltung
106
Wegen der Vorbemerkung sehen wir, dass k[f ]kp nur von [f ] und nicht von
f abhängt.
Die obige Definition bedeutet, dass wir Funktionen, welche fast überall einander gleich sind, miteinander identifizieren wollen, also sie als gleich betrachten
möchten. Dies tut man z.B. wegen des folgenden Theorems, das sich sofort
mit den Resultaten im Kapitel 6 beweisen läßt.
Theorem 11.2. a) Für p ∈ [1, ∞] ist k · kp eine Norm auf Lp , und damit ist
Lp ein normierter Raum, d.h., es gelten:
(N1) k[f ]kp ≥ 0 und k[f ]kp = 0 =⇒ [f ] = 0,
(N2) [f ], [g] ∈ L p =⇒ k[f ] + [g]kp ≤ k[f ]kp + k[g]kp ,
(N3) kα[f ]kp = |α| · kf kp .
b) ρ([f ], [g]) := k[f ] − [g]kp definiert eine Metrik auf Lp , und somit ist (Lp , ρ)
ein vollständiger metrischer Raum.
c) Gilt [fn ] → [f ] in (L p , ρ), so existiert eine Teilfolge (fnk ) von (fn ) mit
fnk → f µ-fast überall.
Ab jetzt schreiben wir f statt [f ], aber behalten auch im Kopf, dass die Notation f ∈ Lp eine Äquivalenzklasse von Funktionen bedeutet. Die Notation
f ∈ L p bedeutet, dass f wirklich eine Funktion ist, die auch p-integrierbar
(oder wesentlich beschränkt) ist.
11.2 Berechnen der Lp -Norm
Die Themen in diesem Abschnitt wurden in der Vorlesung sehr kurz angesprochen.
Theorem 11.3. Sei (X, A , µ) σ-endlich. Für alle p ∈ [1, ∞] und f ∈ L0 gilt
nZ
o
kf kp = sup
|f g| dµ g ∈ Lq , kgkq ≤ 1 ,
X
wobei p und q sogenannte konjugierte Exponenten sind, d.h.
1 1
+ = 1.
p q
Beweis. Ist kf kp = 0 so ist die behauptete Ungleichung trivial. Sei also
kf kp > 0. Setze
nZ
o
S := sup
|f g| dµ : g ∈ Lq , kgkq ≤ 1 .
Für g ∈ Lq , kgkq ≤ 1 liefert die Hölder-Ungleichung
compiled: 21-May-2015/11:13
11.2 Berechnen der Lp -Norm
Z
107
|f g| dµ = kf gk1 ≤ kf kp · kgkq ≤ kf kp .
D.h. S ≤ kf kp .
Für p = 1 setze
(
g(x) :=
f (x)
|f |(x)
0
Dann gilt kgk∞ ≤ 1, und
Z
f (x) 6= 0,
sonst.
Z
|f | dµ = kf k1 .
f g dµ =
Dies zeigt kf k1 ≤ S, also kf k1 = S.
Für 1 < p < ∞ und f ∈ Lp mit kf kp = 1 setze
(
f (x)
|f (x)|p−1 f (x) 6= 0,
g(x) := |f |(x)
0
sonst.
Dann gilt
Z
q
|g| dµ =
Z
|f |
(p−1)q
Z
dµ =
|f |p dµ = 1,
d.h. kgkq ≤ 1. Es folgt
Z
Z
f g dµ =
|f |p dµ = 1.
D.h. S ≤ kf kp = 1, also S = kf kp = 1. Für allgemeines f ∈ Lp kann
man durch Umskalieren mit kf kp die gewünschte Ungleichung beweisen. Sei
jetzt kf kp = ∞ und r > 0. Wegen der σ-Endlichkeit existiert A ∈ A mit
µ(A) < ∞ und
Z
|f |p dµ > r + 1.
A
Betrachte Bm := {x ∈ A | |f (x)| ≤ m}, dann gilt Bm % A. Für das Maß
Z
ϕ(C) := |f |p dµ
C
gilt also ϕ(Bm ) % ϕ(A), d.h. für ein m ∈ N gilt
Z
∞>
|f |p dµ > r.
Bm
Da f ∈ Lp (Bm , µ) gilt, finden wir g ∈ Lq (Bm , µ) mit
compiled: 21-May-2015/11:13
11 Die Lp -Räume und die Faltung
108
Z
Z
f g dµ =
Bm
|f |p dµ ≥ r.
Bm
Wir setzen nun
(
G(x) =
g(x) falls x ∈ Bm ,
0
sonst.
Es gilt dann G ∈ Lq und
Z
Z
f g dµ =
X
f g dµ ≥ r.
Bm
Dies zeigt S ≥ r, also S = ∞ = kf kp .
Es bleibt nur den Fall p = ∞ zu behandeln. Sei 0 < α < kf k∞ . Wegen der
σ-Endlichkeit gibt es A ∈ A mit µ(A) < ∞ und |f (x)| ≥ α für x ∈ A. Dann
1A
integrierbar mit kgk1 = 1. Es gilt ferner
ist g := |ff | µ(A)
Z
1
f g dµ =
µ(A)
Z
|f | dµ ≥ α.
A
X
Dies zeigt S ≥ α, und somit S ≥ kf k∞ .
Theorem 11.4. Sei f ∈ L0 und p ∈ [1, ∞). Es gilt f ∈ Lp genau dann, wenn
Z∞
ptp−1 µ({x ∈ X | |f (x)| > t}) dt < ∞,
0
und in diesem Fall ergibt dieser Ausdruck kf kpp .
Beweis. Wir beweisen die Aussage nur im σ-endlichen Fall. (Nach kurzer
Überlegung sieht man, dass dies ausreicht. Denn die beiden Aussagen implizieren, dass f außerhalb einer σ-endlichen Menge A verschwindet. So kann
man die folgenden Überlegungen auf A einschränken.)
Sei zunächst p = 1, und f ∈ Lp . Betrachte das Produktmaß µ ⊗ λ1 und die
Menge
M := (x, t) ∈ X × R : 0 ≤ t ≤ |f (x)| .
Dann gilt nach dem Satz von Fubini 9.6 (vgl. auch 9.3.1)
Z
Z
Z Z
kf k1 = |f | dµ = µ ⊗ λ(M ) =
1M dµ =
1M (x, t) dµ(x)λ(t)
X
Z
=
X×R
R X
µ {x ∈ X |f (x)| ≥ t} dt.
[0,∞]
compiled: 21-May-2015/11:13
11.2 Berechnen der Lp -Norm
109
Wir zeigen, dass
µ {x ∈ X |f (x)| = t} > 0
(11.1)
nur für abzählbar viele t ∈ [0, ∞] gelten kann. Da eine abzählbare Menge
Lebesgue-Nullmenge ist, erhalten wir daraus
Z
Z
µ {x ∈ X |f (x)| > t} dt =
µ {x ∈ X | |f (x)| ≥ t} dt = kf k1 ,
[0,∞]
[0,∞]
d.h. die Behauptung. Gilt (11.1) für überabzählbar viele t, so findet man
n, k ∈ N derart, dass
1
µ {x ∈ X | |f (x)| = t} >
n
für unendlich viele t ≥
1
k
gilt. Dies ist ein Widerspruch zu kf k1 < ∞.
R
Umgekehrt nehmen wir an, dass [0,∞] µ({x ∈ X | |f (x)| > t}) dt < ∞. Es
gilt dann µ({x ∈ X | |f (x)| > t}) < ∞ für alle t > 0. Wir setzen
An := x ∈ X n1 < |f (x)| ≤ n .
Dann gilt µ(An ) < ∞ und somit ist fn := f 1An ∈ L1 (hier geht ein, dass fn
beschränkt ist). Nach dem schon bewiesenen Teil gilt
Z
Z
|fn | dµ =
µ {x ∈ X | |fn (x)| > t} dt
[0,∞]
≤
Z
µ {x ∈ X | |f (x)| > t} dt < ∞.
[0,∞]
Da |fn | % |f |, so liefert der Satz von monotonen Konvergenz, dass
Z
Z
Z
µ {x ∈ X | |f (x)| > t} dt < ∞.
|f | dµ = lim
|fn | dµ ≤
n→∞
[0,∞]
Dies zeigt, dass f ∈ L1 .
Nun beweisen wir den Fall p > 1. Wie wir gesehen haben (und mit der
Verwendung der Substitution t = sp ) gilt:
Z
Z
p
p
kf kp = |f | dµ =
µ {x ∈ X |f (x)|p > t} dt
[0,∞]
compiled: 21-May-2015/11:13
11 Die Lp -Räume und die Faltung
110
Z
psp−1 µ {x ∈ X |f (x)|p > sp } ds
| {z }
=
[0,∞] Jacobi-Det.
Z
=
psp−1 µ {x ∈ X |f (x)| > s} ds.
[0,∞]
11.3 Dichte Teilmengen in Lp
Satz 11.5 (Markow-Ungleichung). Für f ∈ L 0 , α > 0 und p ∈ [1, ∞)
gilt
1
µ {x ∈ X | |f (x)| ≥ α} ≤ p kf kpp .
α
Beweis. Setze A := {x ∈ X | |f (x)| ≥ α}. Dann gilt α1A ≤ |f |, und somit
αp 1A ≤ |f |p . Integration bzgl. µ liefert die Behauptung.
Theorem 11.6. Sei (X, A , µ) ein Maßraum. Für jedes p ∈ [1, ∞] bilden
die einfachen Lp -Funktionen in Lp einen dichten Unterraum, d.h. für jedes
f ∈ Lp und für jedes ε > 0 existiert eine einfache Funktion g ∈ Lp mit
kf − gkp ≤ ε.
Beweis. Wir können kf kp > 0 annehmen, sonst ist die Aussage trivial. Der
Fall p = ∞ ist wegen des Approximationstheorems 4.13 bekannt: Jede beschränkte messbare Funktion ist durch einfachen Funktionen gleichmäßig approximierbar.
Sei also p ∈ [1, ∞). Setze
An := x ∈ X 1
n
≤ |f (x)|p ≤ n ∈ A .
S
Es gilt An = {x ∈ X | 0 < |f (x)|p < ∞} =: A und An % A. Wegen des
Theorems von der monotonen Konvergenz bekommen wir
Z
Z
Z
Z
p
p
p
|1An f | dµ =
|f | dµ % |f | dµ = |f |p dµ.
X
An
A
X
D.h. für genügend großes n ∈ N gilt µ(An ) > 0 und kf − f 1An kp ≤ 2ε .
Da f ∈ Lp , schließen wir µ(An ) < ∞ mit Hilfe der Markow-Ungleichung.
Die Funktion f 1An ist beschränkt, wir finden also eine einfache Funktion
g : X → C mit
ε
kf 1An − g1An k∞ ≤
2µ(An )1/p
Da µ(An ) < ∞, gilt g ∈ Lp . Weiterhin gilt
compiled: 21-May-2015/11:13
11.4 Die Translation auf Lp (Rd )
111
kf − gkp ≤ kf − f 1An kp + ≤ kf 1An − g1An kp ≤
ε +
2
Z
1/p
|f − g|p dµ
An
ε ε
ε
≤ + µ(An )1/p kf − gk∞ ≤ + = ε.
2
2 2
Definition 11.7. a) Sei f : Rd → C stetig. Der Träger von f ist die Menge
supp f := {x ∈ Rd | f (x) 6= 0}.
Wir definieren
Cc (Rd ; C) := f : Rd → C f ist stetig und supp f ist kompakt .
1
b) Sei f ∈ Lloc
(Rd ; C), d.h., f ∈ L 0 (Rd ) und für jede kompakte Menge
d
K ⊆ R gilt
Z
|f (x)| dx < ∞.
K
Der Träger von f ist definiert durch
[
supp f := Rd \
{G | G offen und f = 0 fast über all in G} .
So ist der Träger wiederum eine abgeschlossene Teilmenge von Rd . Sind
1
so gilt supp g = supp f .
f ∼ g beide in Lloc
Theorem 11.8. Sei p ∈ [1, ∞] und betrachte den Lebesgueschen Maßraum
(Rd , L (Rd ), λd ), sowie Lp (Rd ) = Lp (Rd , L (Rd ), λd ; C).
a) Die Abbildung
J : Cc (Rd ) → Lp (Rd ),
f 7→ [f ]
ist linear und injektiv. Somit können wir Cc (Rd ) mit dem Unterraum
J(Cc (Rd )) von Lp (Rd ) identifizieren.
b) Ist p < ∞, so liegt
Cc (Rd ) ⊆ Lp (Rd )
dicht. (D.h. für jedes f ∈ Lp und für jedes ε > 0 existiert g ∈ Cc (Rd ) mit
kf − gkp ≤ ε.)
Beweis. ...kommt noch...
11.4 Die Translation auf Lp (Rd )
Vorbemerkung: Für f ∈ L0 (Rd ) und y ∈ Rd gilt
compiled: 21-May-2015/11:13
11 Die Lp -Räume und die Faltung
112
Z
f (x − y) dx =
Rd
Z
Z
f (x + y) dx =
Rd
f (x) dx.
Rd
Definition 11.9. Für f ∈ L0 (Rd , L (Rd ), λd ) und a ∈ Rd setzen wir
(τa f )(x) := f (x + a),
die Translation durch a. Weiterhin definieren wir
f˜(x) := f (−x),
˜ τa f ∈ L0 gelten.
die Inversion. Aus den Definitionen ist klar, dass f,
Theorem 11.10. a) Sei p ∈ [1, ∞] und f ∈ Lp . Dann gilt
kf kp = kf˜kp = kτa f kp .
Die Abbildungen f →
7 τa f und f 7→ f˜ sind beide linear.
b) Sei p ∈ [1, ∞) und f ∈ Lp . Dann ist die Abbildung
a 7→ τa f ∈ Lp (Rd ),
Rd → Lp (Rd )
stetig.
Beweis. a) Linearität ist trivial. Die andere Aussagen folgen aus der Translations- und Inversionsinvarianz von λd (siehe Theorem 10.5).
b) Wir zeigen die Aussage zunächst für f ∈ Cc (Rd ). Sei a0 ∈ Rd fest. Für
|a − a0 | < 1 gilt supp τa f = supp τa0 f + (a0 − a) ⊆ K für eine geeignete
kompakte Menge K ⊆ Rd mit λd (K) > 0. Da f ∈ Cc (Rd ) gleichmäßig stetig
ist, existiert für ε > 0 ein δ ∈ (0, 1) derart, dass
sup |f (x + a) − f (x + a0 )| = sup |f (x + a) − f (x + a0 )| <
x∈K
x∈Rd
ε
λd (K)1/p
.
Dies impliziert
kτa f −
τa0 f kpp
≤
Z
|f (x + a) − f (x + a0 )|p dx ≤
εp
λd (K) = ε
λd (K)
Rd
für alle |a − a0 | < δ. Dies beweist die Behauptung im speziellen Fall f ∈
Cc (Rd ).
Sei nun f ∈ Lp (Rd ) beliebig. Wegen Theorem 11.8 finden wir g ∈ Cc (Rd )
mit kf − gkp < 3ε und auf g können wir den schon bewiesenen Fall anwenden
(benutze auch Teil a):
kτa f − τa0 f kp ≤ kτa f − τa gkp + kτa g − τa0 gkp + kτa0 g − τa0 f kp
compiled: 21-May-2015/11:13
11.5 Die Faltung
113
≤ kf − gkp + kτa g − τa0 gkp + kg − f kp
≤
ε
3
+
ε
3
+
ε
3
= ε,
für alle |a − a0 | < δ (δ > 0 ist zu g und ε geeignet gewählt).
11.5 Die Faltung
Für f, g ∈ L0 (Rd ) möchten wir untersuchen unter welchen Bedingungen das
Integral
Z
f ∗ g(x) := f (x − y)g(y) dy
Rd
(mindestens) für fast alle x ∈ R existiert. In diesem Fall nennen wir f ∗ g
die Faltung von f und g. Im Folgenden werden wir Kriterien finden, so dass
f ∗ g existiert und sogar in einem Lp liegt.
d
Satz 11.11. Sei f, g ∈ L1 (Rd ). Dann existiert für fast alle x ∈ Rd das Integral
Z
(f ∗ g)(x) := f (x − y)g(y) dy.
Rd
1
d
Ferner gilt f ∗ g ∈ L (R ) mit
kf ∗ gk1 ≤ kf k1 · kgk1 .
Beweis. Für f, g ∈ L1 (Rd ) gilt mit der Verwendung des Satzes von FubiniTonelli:
Z Z
Z
Z
|f (x − y)| · |g(y)| dy dx = |g(y)| |f (x − y)| dx dy
Rd Rd
Rd
Z
=
Rd
|g(y)| · kf k1 dy = kf k1 · kgk1 .
Rd
Dies impliziert alle Aussagen.
Satz 11.12. Der Raum L1 = L1 (Rd ) versehen mit der Multiplikation f ∗ g
(Faltung) ist eine kommutative Algebra, d.h. für alle f, g, h ∈ L1 und α ∈ C
gilt:
a) f ∗ g = g ∗ f ,
b) f ∗ (g ∗ h) = (f ∗ g) ∗ h,
c) (f + αg) ∗ h = f ∗ h + α(g ∗ h).
Es gilt
compiled: 21-May-2015/11:13
11 Die Lp -Räume und die Faltung
114
kf ∗ gk1 ≤ kf k1 · kgk1 ,
d.h. die Norm ist submultiplikativ. Somit ist L1 eine s.g. normierte Algebra,
und da L1 vollständig ist, sogar eine Banachalgebra.
Beweis. Seien f, g, h ∈ L1 (Rd ). Man rechnet leicht nach, dass (f + λg) ∗ h =
f ∗ h + λ(g ∗ h), f ∗ (g ∗ h) = (f ∗ g) ∗ h und f ∗ g = g ∗ f gelten (Fubini,
Transformationssatz, Linearität des Integrals). Die Submultiplikativität der
Norm wurde im Satz 11.11 bewiesen.
Theorem 11.13. Seien p, q ∈ [1, ∞] mit p1 + 1q = 1. Für f ∈ Lp (Rd ) und
g ∈ Lq (Rd ) existiert f ∗ g(x) für alle x ∈ Rd , und wir haben f ∗ g ∈ L∞ (Rd ).
Es gilt ferner
kf ∗ gk∞ ≤ kf kp kgkq ,
sowie f ∗ g = g ∗ f . Die Funktion f ∗ g ist gleichmäßig stetig und, falls p, q > 1
gelten, verschwindet im Unendlichen, d.h.
f ∗ g(x) → 0
für
|x| → ∞.
Beweis. Sei f ∈ Lp , g ∈ Lq . Mit der Hölder-Ungleichung bekommen wir
Z
|f (x − y)| · |g(y)| dy ≤ kτ−x f˜kp · kgkq = kf kp · kgkq < ∞.
Rd
Dies impliziert, dass f ∗ g(x) existiert und kf ∗ gk∞ ≤ kf kp · kgkq . Dass
f ∗ g = g ∗ f gilt, folgt durch Variablensubstitution. Sei z.B. p < ∞. Für
ε > 0 können wir schreiben
Z
|f ∗ g(z) − f ∗ g(x)| ≤ |f (x − y) − f (z − y)||g(y)| dy ≤ kτx−z f − f kp · kgkq .
Da die Translation in Lp (Rd ) stetig ist, folgt, dass
|f ∗ g(z) − f ∗ g(x)| < ε,
falls |z−x| < δ (δ > 0 zu ε geeignet gewählt). Dies zeigt, dass f ∗g gleichmäßig
stetig ist.
Seien p, q ∈ (1, ∞) und sei ε > 0. Gilt kf kp = 0 oder kgkq = 0, so gilt
f ∗ g = 0 und die Behauptung ist trivial. Wir können also kf kp > 0, kgkq > 0
annehmen. Wegen Satz 11.8 gibt es f1 , g1 ∈ Cc (Rd ) mit
kf − f1 kp ≤
ε
,
2kgkq
kg − g1 kq ≤
ε
.
2kf1 kp
Daraus schliessen wir
|f ∗ g(x)| ≤ |(f − f1 ) ∗ g(x)| + |f1 ∗ (g − g1 )(x)| + |f1 ∗ g1 (x)|
compiled: 21-May-2015/11:13
11.5 Die Faltung
115
≤
ε
ε
kgkq +
kf1 kp + |f1 ∗ g1 (x)|.
2kgkq
2kf1 kp
Da supp f1 ∗g1 kompakt ist (siehe Satz 11.15), bekommen wir, dass für |x| > R
(R > 0 groß genug) gilt f1 ∗ g1 (x) = 0. D.h.
|f ∗ g(x)| ≤ ε für |x| > R
Lemma 11.14. Seien A, B ⊆ Rd kompakte Mengen. Dann ist
A + B := a + b a ∈ A, b ∈ B
wiederum kompakt.
Satz 11.15. Seien f, g ∈ Cc (Rd ). Dann gilt
supp f ∗ g ⊆ supp f + supp g.
Insbesondere ist f ∗ g kompakt.
Beweis. Wegen Lemma 11.14 ist supp f + supp g kompakt. Sei x ∈ Rd mit
x 6= supp f + supp g. Dann gilt supp g ∩ (x − supp f ) = ∅, und somit
Z
Z
f (x − y)g(y) dy
f ∗ g(x) = f (x − y)g(y) dy =
supp g
Rd
Z
f (x − y)g(y) dy = 0.
=
supp g∩(x−supp f )
Wir haben also gesehen
x ∈ Rd f ∗ g(x) 6= 0 ⊆ supp f + supp g.
Da aber supp f + supp g selber abgeschlossen ist, folgt die Behauptung.
Theorem 11.16 (Young-Ungleichung).
a) Sei p ∈ [1, ∞] und f ∈ Lp (Rd ), g ∈ L1 (Rd ). So existiert f ∗ g ∈ Lp mit
kf ∗ gkp ≤ kf kp kgk1 .
b) Seien p, q, r ∈ [1, ∞] mit
1 1
1
+ = + 1.
p q
r
(Dies impliziert r ≥ p, q.) Gilt f ∈ Lp (Rd ) und g ∈ Lq (Rd ), so existiert
f ∗ g ∈ Lr (Rd ) mit
kf ∗ gkr ≤ kf kp kgkq .
compiled: 21-May-2015/11:13
11 Die Lp -Räume und die Faltung
116
Beweis. a) Sei f ∈ Lp , g ∈ L1 und h ∈ Lq mit khkq ≤ 1, p1 + 1q = 1. Wir
schätzen das folgende Integral ab
Z
Z
Z Z
|f (x − y)g(y)h(x)| dy dx = |g(y)| |f (x − y)h(x)| dx dy
Rd Rd
Rd
≤
Z
Rd
|g(y)||f˜| ∗ |g|∞ dy = kgk1 kf˜kp khkq
Rd
≤ kgk1 kf kp ,
wobei wir Theorem 11.11 und Theorem 11.13 auch benutzt haben. Wegen
Theorem 11.3 bekommen wir, dass f ∗ g ∈ Lp mit kf ∗ gkp ≤ kf kp kgk1 .
b) ...kommt noch...
Anmerkung 11.17. Die Ungleichung
kf ∗ gkr ≤ kf kp kgkq .
im Young-Theorem kann als
d
kf ∗ gkr ≤ Cp,q,r
kf kp kgkq
mit der Konstante
Cp,q,r = (Ap Aq Ar0 )1/2 ,
As =
s1/s
s01/s0
verbessert werden, wobei s0 den zum s konjugierten Exponent bezeichnet,
d
d.h., 1s + s10 = 1. Diese Konstante Cp,q,r
ist die beste. Dies ist ein Resultat von
Babenko und Beckner und der Beweis ist wirklich tiefgehend. Man bemerke
aber, dass für r = 1 und r = ∞ die optimale Konstante 1 ist, genau jene,
welche wir im Theorem 11.11 und Theorem 11.13 bekommen haben.
11.6 Dirac-Folgen und Approximative Eins
Definition 11.18. Sei ϕn ∈ L1 (Rd ) eine Folge mit den Eigenschaften
(1) ϕn ≥ 0.
(2) kϕn k1 = 1.
(3) Für alle r > 0 gilt
Z
lim
n→∞
B(0,r)
ϕn dx = 1.
Dann heißt (ϕn ) eine Dirac-Folge.
compiled: 21-May-2015/11:13
11.6 Dirac-Folgen und Approximative Eins
117
Satz 11.19. Sei (ϕn ) eine Dirac-Folge in L1 (Rd ). Dann gilt für alle f ∈
Lp (Rd ), p ∈ [1, ∞) die Konvergenz
f ∗ ϕn → f
in Lp -Norm.
Beweis. Der Fall kf kp = 0 ist trivial, also nehmen wir kf kp > 0 an. Da
y 7→ τy f ∈ Lp stetig ist (siehe Theorem 11.10), gibt es für gegebenes ε > 0
ein δ > 0 mit kf − τy f kp ≤ ε/2 falls |y| ≤ δ. Sei n0 ∈ N so groß, dass für
n ≥ n0 gilt
Z
ε
ϕn ≥ 1 −
4kf kp
B(0,δ)
(benutze (3)). Für n ≥ n0 und h ∈ Lq mit khkq ≤ 1 und
Z Z
Rd
1
p
+
1
q
= 1 gilt dann
|f (x − y) − f (x)| · |ϕn (y)| · |h(x)| dy dx
Rd
Z
Z
=
|f (x − y) − f (x)| · |h(x)| dx ϕn (y) dy
|y|≤δ Rd
Z
Z
+
|f (x − y) − f (x)| · |h(x)| dx ϕn (y) dy
|y|>δ Rd
≤
Z
kτ−y f − f kp khkq ϕn (y) dy + 2kf kp khkq
|y|≤δ
Z
ϕn (y) dy
|y|>δ
ε ε
≤ + = ε.
2 2
Wegen Theorem 11.3 zeigt dies
kf ∗ ϕn − f kp ≤ ε für n ≥ n0 .
Anmerkung 11.20. 1. Der obige Satz zeigt, dass eine Folge (ϕn ) mit den
genannten Eigenschaften approximative Eins in der Banachalgebra
L1 (Rd ) ist.
2. Die Algebra L1 hat kein neutrales Element (Einselement). Denn wäre
e ∈ L1 ein neutrales Element, so würde e ∗ ϕn = ϕn gelten. Da aber wegen
Satz 11.19 ϕn = e ∗ ϕn → e gilt, bekommen wir kek1 = limn→∞ kϕn k1 = 1
und
Z
Z
0 = lim
ϕn dλd =
e dλd
n→∞
B(0,r)c
B(0,r)c
für jedes r > 0. Daraus folgt e = 0 und kek1 = 1, was unmöglich ist.
Beispiel 11.21. Eine allgemeine Konstruktion für die Folge (ϕn ) aus dem
obigen Satz geht folgenderweise: Für ϕ ≥ 0, kϕk1 = 1 setze
compiled: 21-May-2015/11:13
11 Die Lp -Räume und die Faltung
118
ϕn (x) := nd ϕ(nx).
Mit Variablensubstitution y = nx sieht man kϕn k = 1. Trivialerweise gilt
ϕn ≥ 0. Für r > 0 gilt
Z
Z
Z
ϕ(x) dx → 1.
nd ϕ(nx) dx =
ϕn (x) dx =
B(0,r)
B(0,rn)
B(0,r)
Daher hat ϕn die Eigenschaften (1)–(3).
a) Als konkretes Beispiel können wir
ϕn :=
1B(0,1/n)
λd (B(0, 1/n))
betrachten. Aus Satz 11.19 erhalten wir also
Z
1
f (y) dy → f (x),
λd (B(x, 1/n))
B(x,1/n)
wobei die Konvergenz in L1 -Norm zu verstehen ist. Ein tiefes Resultat von
Lebesgue besagt (etwa der Lebesguescher Dichtesatz), dass man hier
auch Konvergenz für fast alle x ∈ Rd hat.
b) Ein anderes wichtiges Beispiel ist durch die Gauß-Funktion
g(x) :=
1 −|x|2
e
π d/2
gegeben. (Ein Vorteil dieser Funktion ist, dass sie glatt ist, andere Vorteile
werden wir später sehen.) Nach Konstruktion hat die Folge
gn (x) =
nd/2 −n|x|2
e
π d/2
die gewünschten Eigenschaften (i)–(iii).
11.7 Die Faltung und die Ableitung
Definition 11.22. a) ∂j f bezeichnet die partielle Ableitung von f bzgl.
der j-ten Koordinatenrichtung. Wir verwenden manchmal ∂xj f (x) auch
als Notation.
b) Ein α ∈ Nd0 heißt Multiindex, deren Länge als
|α| = α1 + · · · + αd
compiled: 21-May-2015/11:13
11.7 Die Faltung und die Ableitung
119
definiert ist.
c) Für eine Funktion bezichnet ∂ α f die partielle Ableitung von f :
∂ α f = ∂1α1 . . . ∂dαd f.
Beachte, dass wenn f |α|-mal stetig differenzierbar ist, ist die Reihenfolge
hier eigentlich egal.
d) Wir definieren für k ∈ N0 den Raum
Ck (Rd ) = f ∂ α f existiert und ist stetig für alle α ∈ Nd0 , |α| ≤ k .
Wir setzen ferner
\
C∞ (Rd ) =
Ck (Rd ).
k∈N
Definition 11.23. Eine Dirac-Folge (ρn )n≥1 in L1 (Rd ) mit der zusätzlichen
Eigenschaft
d
(4) ρn ∈ C∞
c (R )
heißt Mollifier (oder Mollifier-Folge).
d
Beispiel 11.24. Betrachte ein beliebiges ρ ∈ C∞
c (R ) derart, dass
Z
ρ(x) dx = 1.
supp(ρ) ⊆ B(0, 1), ρ ≥ 0,
Rd
Ein Beispiel hierfür ist
(
ρ(x) :=
wobei c so bestimmt ist, dass
1
ce |x|2 −1
0
R
Rd
für |x| < 1
für |x| ≥ 1,
ρ(x) dx = 1 gilt. Wir definieren
ρn (x) := nd ρ(nx).
So ist (ρn ) eine Mollifier-Folge.
Satz 11.25. Sei f ∈ Ckc (Rd ), g ∈ Lp (Rd ). Dann f ∗ g ∈ Ck (Rd ) und
∂ α (f ∗ g) = (∂ α f ) ∗ g.
d
p
d
∞
d
Insbesondere gilt für f ∈ C∞
c (R ), g ∈ L (R ), dass f ∗ g ∈ C (R ).
Beweis. Man kann Theorem 5.27 verwenden.
d
p
d
Korollar 11.26. Für 1 ≤ p < ∞ ist C∞
c (R ) dicht in L (R ).
compiled: 21-May-2015/11:13
11 Die Lp -Räume und die Faltung
120
Beweis. Sei (ρn ) eine Mollifier-Folge. Sei f ∈ Lp (Rd ) beliebig und ε > 0.
Wegen Theorem 11.8 finden wir g ∈ Cc (Rd ) mit kf −gkp < ε/2. Wir glätten g
d
durch den Mollifier: gn := g∗ρn ∈ C∞
c (R ) (wegen Theorem 11.15 und 11.25).
p
Theorem 11.19 liefert gn → g in L , also für n groß genug gilt kgn −gkp < ε/2.
Dies ergibt
kf − gn kp ≤ kf − gkp + kg − gn kp ≤ ε.
Korollar 11.27 (Urysohn-Lemma, C ∞ -Version). Sei ∅ =
6 Ω ⊆ Rd offen,
∞
d
K ⊆ Ω kompakt. Es existiert dann f ∈ Cc (R ) mit supp f ⊆ Ω, 0 ≤ f ≤ 1
und f (x) = 1 für alle x ∈ K.
Beweis. Sei (ρn ) eine Mollifier-Folge und sei 0 < 1/n < ε < ε + 1/n <
dist(K, Ω c ). Setze
Uε := y ∈ Ω dist(y, K) < ε ⊆ Ω.
Dann gilt f := ρn ∗ 1Uε ∈ C∞ (Rd ) und supp ρn ∗ 1Uε ⊆ B(0, 1/n) + U ε ⊆ Ω,
also ist supp f ⊆ Ω kompakt. Sei x ∈ K, dann
Z
Z
f (x) =
1Uε (x − y)ρn (y) dy =
ρn (y) dy = 1.
|y|≤1/n
|y|≤1/n
Ferner gilt kf k∞ ≤ kρn k1 ·k1Uε k∞ = 1. Da f ≥ 0 gilt, so folgt auch 0 ≤ f ≤ 1.
compiled: 21-May-2015/11:13
Kapitel 12
Das Flächenintegral
Ziel: Flächeninhalt gekrümmter Flächen; Integral auf gekrümmten Flächen.
12.1 Flächeninhalt eines Parallelotops
Definition 12.1 (Parallelotop). Es seien a1 , a2 , . . . , am ∈ Rd , m ≤ d. Das
von a1 , a2 , . . . , am erzeugte Parallelotop ist
P (a1 , a2 , . . . , am ) :=
m
nX
j=1
o
αj aj 0 ≤ αj ≤ 1 .
Die Dimension des Parallelotops ist Rang(A), wobei A die Matrix mit Spalten a1 , . . . , am ist. (Kann also kleiner als m sein, wenn die Vektoren linear
abhängig sind.)
Wir suchen eine Funktion
volm,d : Rm → R+ ,
welche die m-dimensionale Oberfläche von Parallelotopen P (a1 , . . . , am ) angibt.
Ist P = P (a1 , . . . , am ) ⊆ Rm × {0} ' Rm so können wir das m-dimensionale
Lebesgue-Maß von P in Rm bestimmen. Wir möchten, dass λm (P ) =
volm,d (P ) gilt. Ergänzen wir die Vektoren a1 , . . . am mit em+1 , . . . ed , so dass
ej (die kanonischen Basisvektoren) alle senkrecht zu Rm stehen. Dann ist das
Volumen (d-dimensionales Lebesgue-Maß) von
Q = P (a1 , . . . , am , em+1 . . . , ed )
gleich | det(B)|, wobei B die Matrix mit Spalten a1 , . . . , am , em+1 , . . . , ed ist
(vgl. Satz 10.5). Es gilt natürlich
121
122
12 Das Flächenintegral
Q = P × [0, 1]d−m
und somit
det(B) = λd (Q) = λm (P )λd−m ([0, 1]d−m ) = λm (P ).
Sei C die Matrix mit Spalten em+1 , . . . , ed , so hat B die Blockmatrixform
B = (A C). Nun rechnen wir det B aus
>
> A
A A
A> C
A
C
det(B)2 = det(B > B) = det
=det
C>
C > A I(d−m)×(d−m)
>
A A
0
= det
= det(A> A),
0 I(d−m)×(d−m)
p
d.h. det B = det(A> A).
Sei nun P = P (a1 , . . . , am ) ⊆ Rd ganz allgemein, so bringen wir es durch
eine orthogonale Transformation O auf Rm × {0}. Durch solche starren Bewegungen soll der Flächeninhalt nicht geändert werden, also es muss
volm,d (P ) = volm,d (OP ) = volm,d (P (Oa1 , Oa2 , . . . , Oam ))
q
q
= det(A> O> OA) = det(A> A)
gelten. Somit haben wir den folgenden Satz motiviert.
Satz 12.2. Es gibt eine eindeutige Funktion volm,d : Rm → [0, ∞) mit Eigenschaften:
1. volm,d (a1 , a2 , . . . , λai , . . . am ) = |λ| · volm,d (a1 , a2 , . . . , ai , . . . , am ) für i =
1, . . . , m und λ ∈ R.
2. volm,d (a1 , a2 , . . . , ai + aj , . . . am ) = volm,d (a1 , a2 , . . . , ai , . . . am ) für i, j =
1, . . . , m mit i 6= j.
3. Für a1 , a2 , . . . , am ∈ Rd orthogonale Einheitsvektoren gilt
volm,d (a1 , a2 , . . . , am ) = 1.
Diese Funktion ist gegeben durch
volm,d (a1 , a2 , . . . , am ) =
q
det(A> A)
(hier ist A die d × m-Matrix mit Spalten a1 , a2 , . . . , am ∈ Rd ).
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12.2 Integral auf Flächenstücke
123
12.2 Integral auf Flächenstücke
Definition 12.3. a) Sei Ω ⊆ Rm offen. Dann heißt γ ∈ C1 (Ω; Rd ) eine Immersion oder eine reguläre Parameterdarstellung, falls für alle x ∈ Ω
γ 0 (x) : Rm → Rd
injektiv ist (d.h. falls der Rang γ 0 (x) = m für alle x ∈ Ω). Dabei heißt
γ(Ω) ein Flächenstück.
b) Eine Immersion γ : Ω → Rn ist eine Einbettung, wenn γ : Ω → U :=
γ(Ω) ein Homöomorphismus (d.h. stetig und stetig invertierbar) ist.
Definition 12.4 (Maßtensor einer Immersion).
a) Sei A : Rm → Rd linear. Definiere eine quadratische Form q auf Rm durch
q(x) := qA> A (x) := hAx, Axi = x> A> Ax,
x ∈ Rm .
Falls A injektiv ist, so ist q positiv definit. [Denn x 6= 0 =⇒ Ax 6= 0 =⇒
q(x) > 0] Die Matrix A> A heißt der von h·, ·i (Skalarprodukt auf Rd )
induzierte Maßtensor von A oder auch Gramsche Matrix von A.
b) Sei speziell A := γ 0 (x) und γ Immersion, x ∈ Ω. Dann heißt die induzierte quadratische Form q auf Rd metrische Fundamentalform mit
Matrixdarstellung γ 0 (x)> γ 0 (x). Diese d × d-Matrix heißt Gramsche Matrix oder auch Maßtensor. Die quadratische Form q ist positiv definit, da
γ 0 nach Voraussetzung injektiv ist. Wir setzen
gγ (x) = det(γ 0 (x)> γ 0 (x)),
die s.g. Grammsche Determinante. (Übrigens ist gγ (x) ≥ 0, und beschreibt die lokale Verzerrung des Flächeninhalts.)
Definition 12.5. Sei γ : Ω → U eine Einbettung. Eine Funktion f : U → C
heißt integrierbar über U , wenn die Funktion
(f ◦ γ) ·
Der Ausdruck
√
gγ
über Ω integrierbar ist.
Z
Z
f dσm :=
U
f (γ(x)) ·
q
gγ (x) dx
Ω
heißt (m-dimensionales) Flächenintegral von f auf U . Ist die Funktion 1
über U integrierbar, so heißt
Z
Z q
νm (U ) := 1 dσ =
gγ (x) dx
U
Ω
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124
12 Das Flächenintegral
der Flächeninhalt oder das m-dimensionale (Oberflächen-)Maß von
U . (Manchmal schreibt man nur σ bzw. dσ, wenn die Dimension aus dem
Kontext klar ist.)
Anmerkung 12.6. Es seien γi : Ωi → U Einbettungen für i = 1, 2. Es gilt
Z
Z
q
q
f (γ1 (x)) · gγ1 (x) dx = f (γ2 (x)) · gγ2 (x) dx.
Ω1
Ω2
Damit ist die obige Definition von der Parametrisierung unabhängig.
Beweis. Sei Φ : γ1−1 ◦ γ2 : Ω2 → Ω1 . Man zeigt, dass Φ ein C1 -Diffeomorphismus ist (also sind Φ und Φ−1 C1 -Abbildungen). Dann gilt γ1 ◦φ = γ2 , und so
folgt γ20 = (γ10 ◦ Φ)Φ0 aus der Kettenregel. Daher gilt gγ2 = det(Φ0> ((γ10> γ10 ) ◦
Φ) · Φ0 ) = (det Φ0 )2 gγ1 ◦ Φ. Der Transformationssatz 10.9 liefert
Z
Z
q
q
f (γ1 (x)) · gγ1 (x) dx = f (γ1 (Φ(x))) gγ1 (Φ(x))det Φ0 (x) dx
Ω1
Ω2
Z
q
f (γ2 (x)) gγ1 (Φ(x))det Φ0 (x) dx
=
Ω2
Z
q
f (γ2 (x)) gγ2 (x) dx.
=
Ω2
12.3 Beispiele
1. Bogenlänge, Kurveintegral.
Sei γ : I → Rd eine Einbettung, I = (a, b), U = γ(I). Dann heißt U reguläre
>
Kurve. Es gilt γ 0 · γ 0 = |γ 0 |2 , also
Zb
Z
f dσ1 =
U
f (γ(t))|γ 0 (t)| dt,
a
das s.g. Kurvenintegral.
2. Zweidimensionale Flächen in R3 .
Sei Ω ⊆ R2 , γ : Ω → R3 eine Einbettung. Dann gilt
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12.3 Beispiele
125


γ1 (x, y)
γ(x, y) = γ2 (x, y) .
γ3 (x, y)
mit Koordinatenfunktionen γ1 , γ2 , γ3 . Daraus bekommt man


∂x γ1 ∂y γ1
γ 0 = ∂x γ2 ∂y γ2 
∂x γ3 ∂y γ3
und somit

2 2 2
∂x γ1 + ∂x γ2 + ∂x γ3

∂
γ
∂
γ
+
∂
γ
∂
γ
+
∂
γ
∂
γ
x
1
y
1
x
2
y
2
x
3
y
3
>
.
γ0 γ0 = 
2 2 2
∂x γ1 ∂y γ1 + ∂x γ2 ∂y γ2 + ∂x γ3 ∂y γ3
∂y γ1 + ∂y γ2 + ∂y γ3
So erhält man durch etwas Rechnen
2
>
gγ = det γ 0 γ 0 = ∂x γ × ∂y γ (Kreuzprodukt).
3. Fundamentaltensor von Graphen.
Sei Ω ⊆ Rd−1 offen und f ∈ C1 (Ω; R). Wir definieren dadurch eine Einbettung
x
γ : Ω → Rd γ(x) = f (x)
, x ∈ Ω.
p
p
1 + |f 0 (x)|2 . Um dies zu zeigen brauchen wir den
Dann gilt gγ (x) =
folgenden Begriff.
Definition 12.7 (Äusseres Produkt). Es seien a1 , a2 , . . . , ad−1 ∈ Rd . Betrachte die d × (d − 1)-Matrix A mit Spalten a1 , a2 , . . . , ad−1 , und deren
(d − 1) × (d − 1) Teilmatrizen Aj , welche aus A durch Weglassen der j-ten
Zeile entstehen. Setze αj := (−1)j+1 det Aj . So definiert man das äusseres
Produkt a1 ∧ a2 ∧ · · · ∧ ad−1 der Vektoren a1 , a2 , . . . , ad−1 durch
a1 ∧ a2 ∧ · · · ∧ ad−1 := (α1 , α2 , . . . , αd )> ∈ Rd .
Lemma 12.8. Sei b ∈ Rd und betrachte die Matrix Bb mit Spalten b, a1 , a2 , . . . , ad−1 .
a) Es gilt det Bb = hb, a1 ∧ a2 ∧ · · · ∧ ad−1 i.
b) Für j = 1, . . . , d − 1 steht aj senkrecht zu a1 ∧ a2 ∧ · · · ∧ ad−1 , d.h.
haj , a1 ∧ a2 ∧ · · · ∧ ad−1 i = 0.
c) Sei A die (d − 1) × d-matrix mit Spalten a1 , . . . , ad−1 . Dann gilt
2
det A> A = a1 ∧ a2 ∧ · · · ∧ ad−1 .
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126
12 Das Flächenintegral
Beweis. a) Man entwickelt det Bb nach der ersten Spalte:
(12.1)
det Bb =
d
X
(−1)j+1 bj det Aj = hb, a1 ∧ a2 ∧ · · · ∧ ad−1 i.
j=1
b) Für b = aj (j = 1, . . . , d − 1) hat Bb zwei gleiche Spalten, somit gilt
det Bb = 0 nach Teil a).
c) Wählt man nun b := a1 ∧a2 ∧· · ·∧ad−1 , so erhält man für Bb das Folgende:
>
>
b
b b 0
>
bA =
B B=
.
A>
0 A> A
Somit gilt
(det B)2 = det(B > B) = |b|2 det(A> A).
Aus (12.1) wissen wir |b|2 = det B und daher folgt |b|2 det(A> A) = |b|4 .
Daraus folgt die Behauptung, falls |b| 6= 0. Ist b = 0, so sind det(Aj ) in der
Definition von a1 ∧ a2 ∧ · · · ∧ ad−1 alle gleich 0. D.h. Rang(A) < m und somit
folgt Rang(A> A) < m und det(A> A) = 0.
x
Nun zurück zu unserem ursprünglichen Problem. Für γ(x) = f (x)
gilt

1
0
0
..
.
0
1
0
..
.
0 ···
0 ···
1 ···
..
.
0
0
0
..
.









0
γ =
.




 0 0 0 ···
1 
∂1 f ∂2 f ∂3 f . . . ∂d−1 f
Sei nun A := γ 0 (x), und bezeichne die Spalten von A mit a1 , a2 , . . . , ad−1 .
Mit Hilfe vom Lemma 12.8 ist es leicht zu zeigen, dass


∂1 f (x)
 ∂2 f (x) 



..
d
a1 ∧ a2 ∧ · · · ∧ ad−1 = (−1) 
 gilt.
.


∂d−1 f (x)
−1
Aus den obigen Überlegungen folgt dann
q
p
√
gγ = det(A> A) = |a1 ∧ a2 ∧ · · · ∧ ad−1 | = 1 + |f 0 (x)|2 ,
d.h. die Behauptung.
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12.3 Beispiele
127
4. Integration über (geschlitze) Sphäre.
Betrachte die Sphäre
Sr2 := x ∈ R3 |x|2 = r
und die Menge A := (x, 0, z) ∈ Sr2 x ≤ 0 .
Die längs A geschlitzte Sphäre Sr2 \ A hat die reguläre Parameterdarstellung


cos θ cos ϕ
γ(ϕ, θ) = r  cos θ sin ϕ  ∈ R3 , (ϕ, θ) ∈ Ω := (−π, π) × (− π2 , π2 ).
sin θ
So gilt
0
> 0
2
cos2 θ 0
0 1
γ (ϕ, θ) γ (ϕ, θ) = r
q
gγ (ϕ, θ) = r2 cos θ.
und somit
Für f : Sr2 \ A → C gilt also
π
Z
f dσ2 = r2
Sr2 \A
Z
f (γ(ϕ, θ)) cos θ d(ϕ, θ) = r2
Zπ Z2
−π
Ω
f (γ(ϕ, θ)) cos θ dθ dϕ.
−π
2
Für f = 1 ergibt sich
π
σ2 (Sr2 \ A) = r2
Z2 Zπ
cos θ dϕ dθ = 4πr2 ,
−π
−π
2
die Oberfläche der (geschlitzen) Sphäre.
5. Oberfläche der d-Sphäre.
Für d ≥ 1 setze
d
S d := x ∈ Rd+1 |x| = 1
und S+
:= x ∈ S d xn+1 > 0 .
d
Dann heißt S d die d-dimensionale Sphäre (d-Sphäre). Die Menge S+
ist darp
2
stellbar als Graph von f : Ω → R, f (x) = 1 − |x| ,
Ω := x ∈ Rd |x| < 1 = Bd (0, 1).
Es gilt
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128
12 Das Flächenintegral
f 0 (x) = √−x1
1−|x|2
1−|x|2
Damit gilt für die Einbettung γ(x) =
r
q
gγ (x) = 1 +
|x1 |2
1−|x|2
+
, . . . , √−xd
, √−x2
1−|x|2
.
x
f (x)
|x2 |2
1−|x|2
+ ··· +
|xd |2
1−|x|2
=
q
1
1−|x|2 .
Wegen Rotationssymmetrie gilt nach 10.4
d
σ(S+
)
Z
=
dσ =
Z q
Z1
gγ (x) dx = σd−1
0
Ω
d−1
S+
rd−1
√
dr.
1 − r2
Ferner gelten
Z1
(12.2)
0
Z1
(12.3)
0
rd+1
√
dr
1 − r2
Part.Int.
=
Z1
d
rd−1
p
1 − r2 dr,
0
rd+1
√
dr =
1 − r2
Z1
0
Z1
=
0
r2 rd−1
√
dr =
1 − r2
rd−1
√
dr −
1 − r2
Z1
0
Z1
rd−1
(1 − r2 )rd−1
√
− √
dr
1 − r2
1 − r2
rd−1
p
1 − r2 dr.
0
So erhalten wir aus (12.2) und (12.3)
1
Z1
(d + 1)
r
d−1
Z
p
rd−1
√
1 − r2 dr =
dr.
1 − r2
0
0
Aber wieder wegen Rotationssymmetrie gilt
Z1
σd−1
rd−1
0
Z p
p
1 − r2 dr =
1 − |x|2 dx = 21 λd+1 (Bd+1 (0, 1)) = 12 ωd+1 .
Ω
So erhält man (siehe auch 10.4)
d+1
d
σ(S+
)=
d+1
d+1
π 2
d+1
ωd+1 =
=
d+1
2
2 Γ ( 2 + 1)
2
d+1
d+1
π 2
π 2
=
.
d+1
d+1
Γ ( d+1
2 Γ( 2 )
2 )
d
) gilt (nur anschaulich klar, σ(S d ) haben wir noch nicht
Da σ(S d ) = 2σ(S+
definiert!), erhalten wir
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12.4 Untermannigfaltigkeiten des Rd
129
d+1
π 2
σ(S ) = 2 d+1 = σd ,
Γ( 2 )
d
siehe Abschnitt 10.4.6.
12.4 Untermannigfaltigkeiten des Rd
Definition 12.9. a) Sei ∅ =
6 M ⊆ Rd . M heißt m-dimensionale (C1 -) Untermannigfaltigkeit von Rd , falls für alle a ∈ M eine offene Umgebung
U ⊆ Rd von a existiert, sowie ein C1 -Diffeomorphismus ϕ : U → V auf
eine offene Teilmenge des Rd mit
ϕ(M ∩ U ) = V ∩ (Rm × {0}).
(Ist m = d so interpretiert man Rm × {0} als Rd . D.h. d-dimensionale
Untermannigfaltigkeiten des Rd sind einfach die offenen Teilmengen von
Rd .)
b) Ein solcher Diffeomorphismus ϕ heißt Karte für M , und M ∩ U heißt
deren Kartengebiet.
c) (d − 1)-dimensionale Untermannigfaltigkeiten des Rd heißen Hyperflächen.
U
Rd−m
U ∩M
V
ϕ
−→
V ∩ (Rm × {0})
Rm
M
Satz 12.10. Sei f : Ω → Rn eine C1 -Abbildung wobei Ω ⊆ Rm offen ist.
Dann ist
Graph f = (x, f (x)) x ∈ Ω ⊆ Rm+n
eine m-dimensionale Untermannigfaltigkeit des Rm+n .
Beweis. Sei U := Ω×Rn , und ϕ : U → Rm ×Rn , ϕ(x, y) = (x, y−f (x)). Dann
ist ϕ ein Diffeomorphismus mit ϕ(U ) ⊆ U und ϕ(U ∩ Graph f ) = Ω × {0}.
Definition 12.11. Sei U ⊆ Rd und f : U → Rn differenzierbar. Dann heißt
x ∈ U regulärer Punkt von f , falls f 0 (x) : Rd → Rn surjektiv ist, sonst
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130
12 Das Flächenintegral
heißt x singulärer (oder kritischer) Punkt. Weiterhin heißt c ∈ Rn regulärer Wert von f , falls alle Elemente von f −1 ({c}) reguläre Punkte sind
(sonst heißt c singulärer (oder kritischer) Wert).
Anmerkung 12.12. 1. Ist d < n, so kann die lineare Abbildung f 0 (x) :
Rd → Rn nicht surjektiv sein. Also sind alle Punkte x ∈ Rd singulär.
2. Ist y ∈ Rn ein regulärer Wert von f , so hat f 0 (x) in allen Punkten x ∈
f −1 ({y}) den Rang n.
3. Der Satz von Morse–Sard besagt, dass singuläre Werte von Ck -Abbildungen in Rn eine λn -Nullmenge bilden (für k ≥ max{d − n + 1, 1}).
Theorem 12.13 (Implizite Funktion). Sei W ⊆ Rm × Rn offen und f :
W → Rn stetig differenzierbar. Ferner sei (x0 , y0 ) = z0 ∈ W eine Nullstelle
von f , d.h., f (x0 , y0 ) = 0. Sei ∂yf (x0 , y0 ) : Rn → Rn invertierbar. Dann gibt
es offene Mengen U ⊆ Rm , V ⊆ Rn mit (x0 , y0 ) ∈ U ×V ⊆ W und eine stetig
differenzierbare Abbildung g : U → V derart, dass für alle (x, y) ∈ U × V gilt
f (x, y) = 0 ⇐⇒ y = g(x).
Theorem 12.14 (Satz vom regulären Wert). Sei U ⊆ Rd offen, f ∈
C1 (U ; Rn ), c ∈ Rn sei regulärer Wert von f , so dass f −1 ({c}) 6= ∅. Dann ist
M = f −1 ({c}) eine Untermannigfaltigkeit des Rd der Dimension m = d − n.
Beweis. Verwende den Satz über implizite Funktionen 12.13.
Beispiel 12.15. Wir betrachten die
Funktion f : R×R → R definiert durch
f (x, y) = (x2 + y 2 )2 − 8xy.
Es ist leicht zu zeigen, dass (0, 0),
(1, 1) und (−1, −1) die einzige regulären Punkte von f sind und, dass
c = 0 und c = −4 die singuläre
Werte von f sind. Für c < −4 gilt
f −1 ({c}) = ∅. Für c = −4 hat die Gleichung f (x, y) = c genau zwei Lösungen (die zwei globale Minimalstellen
von f ). Diese sind (−1, −1) und (1, 1).
Für c ∈ (−4, 0) ∪ (0, ∞) ist die Niveaumenge f −1 ({c}) eine 1-dimensionale
Untermannigfaltigkeit des R2 .
Die Niveaumengen f −1 ({c}) sind auf der rechten Seite für unterschiedliche
Werte von c gezeichnet. Für c = 0 bekommt man die Kurve mit einer “Kreuzung” im (0, 0), diese Niveaumenge ist also keine Untermannigfaltigkeit. Für
c ∈ (−4, 0) ist die Untermannigfaltigkeit f −1 ({c}) unzusammenhängend.
Korollar 12.16. a) Sei n = 1 in Theorem 12.14 und f 0 (x) 6= 0 für alle x ∈
f −1 ({c}). Dann ist f −1 ({c}) eine Hyperebene des Rd (falls f −1 ({c}) 6= ∅).
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12.5 Integration auf Untermannigfaltigkeiten
131
b) Die d-Sphäre
S d := {x ∈ Rd+1 | |x| = 1}
ist eine Hyperfläche (d-dimensionale Untermannigfaltigkeit) des Rd+1 .
Beweis. a) ist klar.
b) Betrachte die C1 -Abbildung f : Rd+1 → R, f (x) = |x|2 . Es gilt
S d = f −1 ({1}).
Da f 0 (x) = 2x 6= 0 für alle x ∈ f −1 ({1}), ist 1 ein regulärer Wert von f und
12.14 liefert die Behauptung.
Satz 12.17. Sei M eine d-dimensionale Untermannigfaltigkeit des Rd . Dann
ist jedes Kartengebiet U ⊆ M das Bild einer offenen Menge Ω ⊆ Rd unter
einer Einbettung γ : Ω → Rd .
Beweis. Sei ϕ : G → V eine Karte und U = G∩M , G ⊆ Rd offen. Sei Ω ⊆ Rd
derart, dass Ω × {0} = V ∩ (Rd × {0}). Setze γ(x) := ϕ−1 (x, 0). Dann ist
γ : Ω → Rd eine Einbettung mit U = γ(Ω) (der Rang von γ 0 (x) ist gleich d
für alle x ∈ Ω).
12.5 Integration auf Untermannigfaltigkeiten
Theorem 12.18 (Zerlegung der Eins). Sei M eine Untermannigfaltigkeit
des Rd und
∞
[
Uj
M=
j=1
eine offene Überdeckung mit Kartengebieten Uj (solche Überdeckungen heißen
Atlas). Zusätzlich nehmen wir an, dass die Überdeckung lokal finit (oder:
lokal endlich) ist, d.h., für alle x ∈ M existiert eine Umgebung Vx , die
nur endlich viele der Mengen Uj , j = 1, 2, . . . schneidet. Dann existieren
Funktionen ψj : M → R, j ∈ N mit den Eigenschaften:
(1) 0 ≤ ψj ≤ 1,
(2) supp ψj ⊆ Uj , d.h., existiert eine Vj ⊆ Uj offen mit V j ⊆ Uj und ψj (x) =
0 für alle x ∈ M \ V j ,
(3) Für alle x ∈ M gilt
∞
X
ψj (x) = 1.
j=1
(4) ψj : Uj → R ist differenzierbar, d.h., ψj ◦ γi : Ωi → R ist für i, j ∈ N
differenzierbar (wobei γi : Ωi → Ui eine Einbettung ist, welche nach Satz
12.17 existiert).
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132
12 Das Flächenintegral
Anmerkung 12.19. a) Man kann zeigen, dass Überdeckungen mit den im
Satz stehenden Eigenschaften immer existieren.
b) Das System (ϕj )j∈N heißt der Überdeckung untergeordnete Zerlegung der Eins zu M .
c) Ist M kompakt, so kann man aus der abzählbaren Überdeckung eine endliche auswählen.
Definition 12.20 (Integral auf Untermannigfaltigkeiten). Sei M eine
Untermannigfaltigkeit des Rd und f : M → R (oder C) eine Funktion. Betrachte eine Überdeckung (Uj )j∈N von M und eine zu dieser Überdeckung
untergeordnete Zerlegung der Eins (ϕj )j∈N aus Theorem 12.18. Betrachte
ferner die Einbettungen γj : Ωj → Uj aus Satz 12.17.
a) Ist f ≥ 0 so setzt man
Z
f dσ :=
∞ Z
X
j=1U
M
f ϕj dσ =
∞ Z
X
f (γj (x))ϕj (γj (x))
q
gγj (x) dx.
j=1Ω
j
j
b) Die Funktion heißt integrierbar auf M , falls die Funktionen f ·ϕj : Uj →
C, j ∈ N, alle integrierbar sind, und falls
∞ Z
X
j=1U
j
|f |ϕj dσ =
∞ Z
X
j=1Ω
j
|f (γj (x))|ϕj (γj (x))
q
gγj (x) dx < ∞ gilt.
In diesem Falls definiert man das Flächenintegral von f auf M durch
Z
f dσ :=
∞ Z
X
f ϕj dσ.
j=1U
M
j
c) Für A ⊆ M Borel-Menge (A ∈ B(M )) definieren wir
Z
σM (A) := 1A dσ,
M
das Oberflächenmaß von A.
Anmerkung 12.21. 1. Es ist möglich zu zeigen, dass der Begriff “f ist integrierbar” und “das Integral von f über M ” beide von der Wahl der Überdeckung und der Zerlegung der Eins unabhängig sind.
2. σM : B(M ) → R ist ein Maß auf M , und für positive Borel-messbare
Funktionen gilt
Z
Z
f dσM = f dσ
M
M
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12.6 Der Satz von Gauß
133
(auf der linken Seite steht also Integral bzgl. des Maßes σM , auf der rechten
Seite das Flächenintegral auf M ).
3. Es gilt
L 1 (M, B(M ), σM ; C)
= f ist Borel-messbar und integrierbar im Sinne des Flächenintegrals ,
und für f ∈ L 1 (M, σM ; C) gilt
Z
Z
f dσM = f dσ.
M
M
4. Die Sätze von Lebesgue, Fatou und Beppo Levi gelten für das Flächenintegral.
12.6 Der Satz von Gauß
Definition 12.22. Sei M ⊆ Rd Untermannigfaltigkeit des Rd und x0 ∈ M .
Wir nennen a ∈ Rd Tangentialvektor an M in x0 , falls eine C1 -Kurve
γ : (−ε, ε) → M mit γ(0) = x0 und γ 0 (0) = a existiert. Die Menge
Tx0 M := a ∈ Rd a ist Tangentialvektor an M in x0
heißt Tangentialraum von M im Punkt x0 .
Lemma 12.23. Sei M eine m-dimensionale Untermannigfaltigkeit des Rd ,
und sei x0 ∈ M . Dann gelten die folgenden Aussagen:
a) Tx0 M ist ein m-dimensionaler Untervektorraum des Rd .
b) Ist U ⊆ Rd offen, f ∈ C1 (U ; Rn ), c ∈ Rn regulärer Wert von f und
∅=
6 M = f −1 ({c}), so gilt
Tx0 M = ker f 0 (x0 ) = a ∈ Rd f 0 (x0 )a = 0 .
c) Sei Nx0 M := (Tx0 M )⊥ (das Orthogonalkomplement von Tx0 M ). Dann ist
Nx0 M ein Untervektorraum von Rd der Dimension n = d − m, und heißt
der Normalenraum in x0 .
d) Unter den Bedingungen in b) bilden f10 (x0 )> , · · · , fn0 (x0 )> eine Basis im
Nx0 M . (Hier ist f = (f1 , . . . , fn )> ).
Beweis. ...kommt noch...
Definition 12.24. Sei K ⊆ Rd kompakt. Wir sagen, dass K glatten Rand
(genauer: C1 -Rand) hat, falls für alle x0 ∈ ∂K eine offene Umgebung U ⊆ Rd
von x0 und ϕ ∈ C1 (U ; R) existiert mit:
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134
12 Das Flächenintegral
K ∩ U = x ∈ U ϕ(x) ≤ 0 und ϕ0 (x) 6= 0 für alle x ∈ U .
Anmerkung 12.25. Sei K ⊆ Rd kompakt mit glattem Rand.
1. Es gilt
∂K ∩ U = x ∈ U ϕ(x) = 0 .
2. Die Menge ∂K ⊆ Rd ist kompakt und eine Untermannigfaltigkeit des Rd ,
d.h. eine kompakte Hyperfläche. Für jedes x0 ∈ ∂K existiert genau ein
Vektor ν(x0 ) ∈ Rd mit den folgenden Eigenschaften:
(1) ν(x0 ) ∈ Nx0 ∂K,
(2) |ν(x0 )| = 1,
(3) es existiert ε > 0, so dass x0 + tν(x0 ) 6∈
K für alle t ∈ (0, ε).
∂K
Außerdem ist die Abbildung
K
ν : ∂K → Rd
x0
ν(x0 )
stetig, sie heißt Normaleneinheitsfeld.
Der Vektor ν(x0 ) nennen wir den Normaleneinheitsvektor an x0 .
Notationen
a) Die Ableitung einer Funktion f : Rd → Rn an der Stelle x ist eine lineare
Abbildung
f 0 (x) : Rd → Rn ,
also eine n × d-Matrix. Der Gradient von f an der Stelle x ist
grad(f ) = ∇f (x) = f 0 (x)> : Rn → Rd .
Für den Gradienten gilt also
f 0 (x)y = hy, ∇(x)i.
b) Der Laplace-Operator ∆ ist definiert durch
∆f := ∂12 f + ∂22 f + · · · + ∂d2 f,
also ∆f = div ∇f .
c) Die Divergenz von f : Rd → Rd (f = (f1 , f2 , . . . , fd )> ) ist definiert
durch
div f := ∂1 f1 + ∂2 f2 + · · · + ∂d fd .
Rein formal gilt “div f = h∇, f i”.
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12.6 Der Satz von Gauß
135
Theorem 12.26 (Satz von Gauß). Sei K ⊆ Rd kompakt mit glattem Rand,
ν : ∂K → Rd äußeres Normaleneinheitsfeld. Ferner sei K ⊆ U, U ⊆ Rd offen
und F ∈ C1 (U ; Rd ). Dann gilt
Z
Z
d
div F dλ = hF, νi dσ.
K
∂K
Korollar 12.27 (Partielle Integration in Rd ). Seien K, U ⊆ Rd wie im
Satz 12.26. Ferner seien g ∈ C1 (U ; R) und F ∈ C1 (U ; Rd ). Dann gilt
Z
Z
Z
g div F dλd =
ghF, νi dσ − hgrad g, F i dλd .
K
K
∂K
Beweis. Verwende den Satz von Gauß 12.26 für das Vektorfeld gF , und bemerke div(gF ) = g div F + hgrad g, F i.
Korollar 12.28 (Die Green-Formeln). Seien K, U ⊆ Rd wie im Satz
12.26. Ferner seien f, g ∈ C2 (U ; R). Dann gilt
Z
Z
Z
d
I.
hgrad f, grad gi dλ =
g∂ν f dσ − g∆f dλd ,
K
∂K
Z
II.
K
d
(f ∆g − g∆f ) dλ =
Z
K
(f ∂ν g − g∂ν f ) dσ,
∂K
wobei ∂ν g(x) = hgrad f (x), ν(x)i die Ableitung in Normalenrichtung bezeichnet.
Beweis. Die erste Formel folgt aus Korollar 12.27 mit der Wahl F = grad(f ) .
Die zweite Formel erhält man indem man die erste Formel für f und g bzw. g
und f aufschreibt und die so entstandenen Gleichungen subtrahiert.
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Kapitel 13
Das Fourier-Integral
13.1 L1 -Theorie
Definition 13.1. Sei f ∈ L1 (Rd ). Dann heißt fˆ, definiert durch
Z
1
fˆ(ξ) =
f (x)e−ihx,ξi dx, ξ ∈ Rd
d
(2π) 2
Rd
die Fouriertransformierte von f . Hier ist
hx, ξi :=
d
X
xi ξi .
i=1
Wir führen noch die Notation
fˇ(ξ) := fˆ(−ξ) =
1
Z
(2π)
d
2
f (x)eihx,ξi dx
Rd
ein.
Man bemerke zunächts, dass die Voraussetzung f ∈ L1 (Rd ) impliziert, dass
das obige Integral überhaupt existiert.
Satz 13.2. Für f ∈ L1 (Rd ) gelten fˆ ∈ L∞ (Rd ) und
kfˆk∞ ≤
1
d
(2π) 2
kf k1 .
Außerdem gilt fˆ ∈ C(Rd ) (d.h. fˆ stetig).
Beweis. Aus der Definition folgt
136
13.1 L1 -Theorie
|fˆ(ξ)| ≤
137
1
(2π)
Z
d
2
|f (x)| =
Rd
1
d
(2π) 2
kf k1 ,
für ξ ∈ Rd .
D.h. fˆ ∈ L∞ (Rd ) mit der gewünchten Normabschätzung.
Sei ξ ∈ Rd und (ξk ) ⊂ Rd mit ξk → ξ. Dann gilt
Z
1
Lebesgue
=
0,
lim |fˆ(ξk ) − fˆ(ξ)| ≤ lim
|f (x)| e−ihx,ξk i − e−ihx,ξi dx
d
k→∞
k→∞ (2π) 2
Rd
d.h. fˆ ist stetig.
Definition 13.3. Wir nennen die Abbildung
F : L1 (Rd ) → L∞ (Rd )
f 7→ fˆ
die Fouriertransformation, fˆ heißt die Fouriertransformierte von f .
Satz 13.4. Es gelten die folgenden Aussagen:
a) F : L1 (Rd ) → L∞ (Rd ) ist linear.
b) Für f, g ∈ L1 (Rd ) gilt
Z
Z
fˆ(ξ)g(ξ) dξ = f (x)ˆ
g (x) dx.
c) Für f, g ∈ L1 (Rd ) gilt
d
f[
∗ g = (2π) 2 fˆ · gˆ.
d) Für f ∈ L1 (Rd ), a ∈ Rd gilt
iha,ξi ˆ
[
(τ
f (ξ).
a f )(ξ) = e
Beweis. a) Das Integral ist linear.
b) Wir erhalten mit Fubini:
Z
Z Z
1
fˆ(ξ)g(ξ) dξ =
f (x)e−ihx,ξi dx g(ξ) dξ
d
(2π) 2
Rd
Rd Rd
Z
Z
Z
1
−ihx,ξi
=
f (x) g(ξ)e
dξ dx = f (x)ˆ
g (x) dx.
d
(2π) 2
Rd
Rd
Rd
c) Es gilt (wieder mit Fubini):
compiled: 21-May-2015/11:13
138
13 Das Fourier-Integral
1
f[
∗ g(ξ) =
Z Z
d
(2π) 2
Rd Rd
1
=
f (x − y)g(y) dy e−ihx,ξi dx
Z
g(y)e−ihy,ξi
d
2
Z
f (x − y)e−ihx−y,ξi dx dy
(2π)
Rd
Rd
Z
d
= g(y)e−ihy,ξi fˆ(ξ) dy = (2π) 2 gˆ(ξ)fˆ(ξ),
ξ ∈ Rd .
Rd
d) Es gilt
[
(τ
a f )(ξ) =
1
Z
d
(2π) 2
f (x + a)e−ihx,ξi dx =
Rd
1
Z
d
(2π) 2
f (y)e−ihy−a,ξi dy
Rd
= eiha,ξi fˆ(ξ).
Theorem 13.5 (Riemann–Lebesgue). Für f ∈ L1 (Rd ) gilt fˆ ∈ C0 (Rd ),
d.h.
fˆ(ξ) → 0 für |ξ| → ∞.
Beweis. Aus Theorem 13.4.d) wissen wir
iha,ξi ˆ
[
(τ
f (ξ).
a f )(ξ) = e
Für festes ξ ∈ Rd setze a =
πξ
|ξ|2 .
Damit gilt also
iha,ξi ˆ
[
(τ
f (ξ) = −fˆ(ξ).
a f )(ξ) = e
Dies liefert
[
2fˆ(ξ) = fˆ(ξ) − (τ
a f )(ξ),
und somit
[
|2fˆ(ξ)| ≤ kfˆ − (τ
a f )k∞ ≤
1
d
(2π) 2
kf − τa f k1 .
Für |ξ| → ∞ gilt a → 0, so ergibt die Stetigkeit der Translation auf L1 (Rd )
(Theorem 11.10), dass für |ξ| → ∞ |fˆ(ξ)| → 0 gilt.
Wir sehen also, dass die Fouriertransformierte einer L1 -Funktion gegen 0
konvergiert. Wenn man mehr “Glattheit” über f fordert, kann man diese
Konvergenz im gewissen Sinne quantitativ machen, d.h. Abfallrate (oder
Konvergenzgeschwindigkeit) bekommen. Das ist das Thema des nächsten
Abschnitts.
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13.2 Fouriertransformation und die Ableitung
139
13.2 Fouriertransformation und die Ableitung
Für ein Multiindex α ∈ Nd0 und für x ∈ Cd führen wir die Notation
αd
1 α2
xα = xα
1 x2 · · · xd .
So ist also xα ein Polynom vom Grad |α| in d Veränderlichen. Bemerke zum
Beispiel xej = xj (ej ist der übliche kanonische Basisvektor).
Theorem 13.6. Es sei f ∈ L1 (Rd ) und 1 ≤ j ≤ d derart, dass xj f (x) ∈
L1 (Rd ). Dann existiert ∂j fˆ, es ist stetig und erfüllt
\
∂j fˆ = (−ix
j f ).
Beweis. Da ∂ξj e−ihx,ξi = (−ixj )e−ihx,ξi gilt, so folgt sofort
Z
1
ˆ
∂j f (ξ) = ∂j
f (x)e−ihx,ξi dx
d
(2π) 2
Rd
Z
e−ihx,ξ+hej i − e−ihx,ξi
1
f (x)
= lim
dx
d
h→0 (2π) 2
h
d
R
Z
Z
1
1
Lebesgue
−ihx,ξi
=
f
(x)∂
e
dx
=
−ixj f (x)e−ihx,ξi dx
ξj
d
d
(2π) 2
(2π) 2
Rd
Rd
\
= (−ix
j f )(ξ).
Um den Satz von Lebesgue anwenden zu können brauchen wir eine intgerierbare Majorante:
−ihx,ξ+hej i
e−ihxj − 1 − e−ihx,ξi f (x) e
= xj f (x) ixj h ≤ C|xj f (x)|.
h
Die Funktion auf der rechten Seite ist nach Voraussetzung in L1 (Rd ).
Mit Hilfe dieses Satzes beweist man das folgende Korollar induktiv.
Korollar 13.7. Sei k ∈ N0 und sei f ∈ L1 (Rd ) derart, dass xα f (x) ∈ L1 (Rd )
für alle α ∈ Nd0 mit |α| ≤ k. Dann gilt fˆ ∈ Ck (Rd ) und
αf
\
∂ α fˆ = (−ix)
für alle α ∈ Nd0 mit |α| ≤ k.
Nun wollen wir aus “Glattheit” von f “Abfallrate” für fˆ folgern. Dazu brauchen wir einige Vorbereitungen.
Lemma 13.8 (Partielle Integration). Sei f ∈ L1 (Rd ) ∩ C(Rd ) mit kompaktem Träger, so dass ∂j f existiert. Dann gilt
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140
13 Das Fourier-Integral
Z
∂j f (x) dx = 0.
Rd
Beweis.
Lemma 13.9. Sei f ∈ L1 (Rd ) ∩ C(Rd ) mit ∂j f ∈ L1 (Rd ). Dann existieren
fn ∈ Cc (Rd ) mit ∂j fn → ∂f und fn → f in L1 .
d
Beweis. Der Beweis ist benutzt eine Abschneidetechnik. Sei ρ ∈ C∞
c (R )
derart, dass ρ(x) = 1 auf B(0, 1) und ρ(x) = 0 für |x| > 2, ansonstens sei 0 ≤
ρ ≤ 1. Wir setzen ρn (x) = ρ(x/n). Dann gilt ρn (x) = 1 für x ∈ B(0, n) und
d
ρ ∈ C∞
c (R ). Wir behaupten, dass fn := ρn f die gewünschten Eigenschaften
hat. Wir haben
Z
Z
kf − fn k1 =
|f (x) − ρn (x)f (x)| dx ≤ 2
|f (x)| dx → 0 für n → ∞.
Rd \B(0,n)
Rd \B(0,n)
Desweiteren gilt
k∂j f − ∂j fn k1 =
Z
|∂j f (x) − ∂j (ρn (x)f (x))| dx
Rd
≤
Z
|∂j f (x) − ρn (x)∂j f (x)| dx +
Rd
|f (x)∂j ρn (x)| dx
Rd
Z
|∂j f (x) − ρn (x)∂j f (x)| dx +
=
Rd \B(0,n)
≤2
Z
Z
Z
|f (x)∂j ρn (x)| dx
Rd \B(0,n)
|∂j f (x)| dx +
1
sup |∂j ρ(y)|
n y∈Rd
Z
|f (x)| dx → 0
Rd \B(0,n)
Rd \B(0,n)
für n → ∞.
Theorem 13.10. Sei f ∈ L1 (Rd ) ∩ C(Rd ), so dass ∂j f existiert und ∂j f ∈
L1 (Rd ) gilt. Dann gilt für die Fouriertransfomierte
ˆ
∂d
j f (ξ) = iξj f (ξ).
Beweis. Sei f zunächst mit kompaktem Träger. Dann gilt wegen Lemma 13.8:
Z
Z
1
1
−ihx,ξi
d
∂j f (ξ) =
(∂j f )(x)e
dx =
f (x)(iξj )e−ihx,ξi dx
d
d
(2π) 2
(2π) 2
Rd
= iξj fˆ(ξ),
Rd
ξ∈R .
d
Ein allgemeines f ∈ L1 (Rd ) approximiere durch fn mit kompaktem Träger,
so dass fn → f in L1 und ∂j fn → ∂j f in L1 (siehe Lemma 13.9). Nach Satz
13.2 gilt dann
compiled: 21-May-2015/11:13
13.3 Fouriertransformierte von Gauß-Funktionen
∞
d
∂d
j fn → ∂j f in L ,
141
und iξj fˆn (ξ) → iξj fˆ(ξ) in L∞ .
ˆ
Da nach dem ersten Teil ∂d
j fn (ξ) = iξj fn (ξ) gilt, die Behauptung folgt auch.
Nun kann man induktiv den folgenden Satz beweisen:
Korollar 13.11. Sei k ∈ N0 und sei f ∈ Ck (Rd ) derart, dass ∂ α f ∈ L1 (Rd )
gilt für alle α ∈ Nd0 mit |α| ≤ k. Dann gilt
α f )(ξ) = (iξ)α fˆ(ξ).
\
(∂
Anmerkung 13.12. In allen obigen Resultaten kann man auf die Bedingung f ∈ C(Rd ) oder auf die Existenz von ∂j f (x) an allen Punkte x ∈ Rd
verzichten. So werden die Resultate etwas technischer, aber nicht wesentlich
schwieriger.
13.3 Fouriertransformierte von Gauß-Funktionen
2
Beispiel 13.13. Sei a > 0 und f (x) = e−a|x| . Dann gilt:
fˆ(ξ) =
1
2a
d2
e−
|ξ|2
4a
.
Beweis. Sei d = 1. Dann gilt
2
(fˆ)0 (ξ) = F ((−ix)e−a|x| )(ξ) = F
=
i
2
(e−a|x| )0 (ξ)
2a
1
i
(iξ)fˆ(ξ) = − ξ fˆ(ξ),
2a
2a
ξ ∈ Rd .
Damit folgt:
d
dξ
also ist e|ξ|
2
/4a
2
|ξ|
ˆ
4a
e f (ξ) = 0,
ξ ∈ Rd ,
fˆ(ξ) konstant. Die Konstante ergibt sich aus
1
fˆ(0) = √
2π
Z
e
−a|x|2
dx =
1
2a
21
.
Rd
Somit erhalten wir die Behauptung für d = 1. Der allgemeine Fall folgt nun
mit Fubini:
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142
13 Das Fourier-Integral
d
fˆ(ξ) =
2
d Z
Y
|ξ|2
1
1
−ax2j −ixj ξj
e
dx
=
e− 4a .
e
j
d/2
2a
(2π)
j=1
R
13.4 Fourier Inversion
Unser Ziel ist jetzt aus fˆ die Funktion f auszurechnen.
Notation: Für f ∈ L1 (Rd ) definieren wir
fˇ(ξ) := fˆ(−ξ) =
1
Z
d
(2π) 2
f (x)eihx,ξi dx.
Rd
Das folgende Lemma (im Satz 13.4 bewiesen) ist für unsere Inversionsformel
entscheidend.
Lemma 13.14. Für f, g ∈ L1 (Rd ) gilt
Z
Z
fˆ(ξ)g(ξ) dξ = f (x)ˆ
g (x) dx.
Theorem 13.15 (Inversionsformel der Fouriertransformation). Sei
f ∈ L1 (Rd ) derart, dass auch fˆ ∈ L1 (Rd ) gilt. Dann gilt
ˇ
fˆ = fˆˇ = f
Beweis. Setze
gn (x) :=
fast überall.
−|x|2
1
4n2
e
(2π)d/2
So gilt nach Abschnitt 13.3 (mit a =
1
4n2 )
2
2
nd
(2n2 )d/2 −n2 |ξ|2
e
= d/2 e−n |ξ| = nd g(nξ)
d/2
(2π)
π
1 −|ξ|2
g(ξ) = d/2 e
.
π
gˇn (ξ) =
mit
Bemerke: kgk1 = 1 (siehe Abschnitt 10.4.5) und g ≥ 0. Somit efüllt die Folge
(ˇ
gn ) die Bediengung des Theorems 11.19, also ist eine approximative Eins
(siehe auch Besipiel 11.21).
Sei nun a ∈ Rd beliebig, so gilt
Z
Z
f ∗ gˇn (a) = f (x)ˇ
gn (a − x) dx = f (x)(τa gˇn )(−x) dx
Rd
Rd
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13.5 Der Schwartz-Raum
143
Z
=
f (x)F −1 (eih·,ai gn )(−x) dx
Rd
Z
=
f (x)F (eih·,ai gn )(x) dx.
Rd
Wegen Lemma 13.14 ist dies weiter gleich
Z
=
fˆ(y)eihy,ai gn (y) dy.
Rd
Da gn punktweise gegen (2π)1d/2 konvergiert, mit dem Satz von Lebesgue 5.24
erhalten wir, dass die rechte Seite gegen
Z
1
ˇ
fˆ(y)eihy,ai dy = fˆ(a)
(2π)d/2
Rd
konvergiert. Da aber (ˇ
gn ) eine approximative Eins ist, konvergiert f ∗ˇ
gn gegen
ˇ
ˆ
ˆ
ˇ
f . So muß f = f gelten, und somit folgt f = f auch.
Wir erhalten sofort auch das folgende Korollar:
Korollar 13.16. a) Sei f ∈ L1 (Rd ) und fˆ = 0. Dann gilt f = 0.
b) Für f, g ∈ L1 (Rd ) mit fˆ = gˆ gilt f = g fast überall.
13.5 Der Schwartz-Raum
Die Resultate aus Abschnitt 13.2 motivieren die folgende Definition.
Definition 13.17. a) Eine Funktion f : Rd → C heißt schnellfallend, falls
für jedes n ∈ N0 gilt
pn (f ) := sup |x|n · |f (x)| < +∞.
x∈Rd
Dies ist trivialerweise dazu äquivalent, dass
sup |xα | · |f (x)| < +∞
x∈Rd
für jedes α ∈ Nd0 gilt. Aus dieser Definition sehen wir, dass eigentlich auch
|x|n |f (x)| → 0 für |x| → ∞
für eine schnellfallende Funktion gelten muß. Dies erklärt die Bezeichnung
“schnellfallend”.
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144
13 Das Fourier-Integral
b) Eine glatte Funktion f ∈ C∞ (Rd ) heißt eine Schwartz-Funktion, falls
alle ihre partielle Ableitungen schnellfallend sind, d.h., für jedes α, β ∈ Nd0
gilt
sup |xα | · |∂ β f (x)| < +∞,
x∈Rd
oder äquivalent
pn,k (f ) :=
sup
x∈Rd ,|β|≤k
|x|n · |∂ β f (x)| < +∞,
Die Menge aller Schwartz-Funktionen bezeichnen wir mit S (Rd ).
1. S (Rd ) ist ein Vektorraum, ein Unterraum in C0 (Rd ).
Beweis. Klar aus der Definition.
2. S (Rd ) ist für p ∈ [1, ∞] in Lp (Rd ) enthalten, und für p ∈ [1, ∞) liegt dort
sogar dicht.
Beweis. Der Fall p = ∞ ist trivial: Schwartz-Funtionen konvergieren im
Unendlichen gegen 0 und sind stetig, sind also insbesondere beschränkt.
Sei nun p < ∞, und bemerke zunächst, dass (1+|x|)−m für geeignet großes
m ∈ N in Lp (Rd ) liegt, wähle nun m so. Wir dann können schreiben:
Z
Z
1
dx
|f (x)|p dx = |f (x)|p (1 + |x|)pm ·
(1 + |x|)mp
Rd
Rd
Z
1
≤C
dx < ∞,
(1 + |x|)mp
Rd
wobei |f (x)|p (1 + |x|)pm ≤ C gilt, denn f ist schnellfallend.
d
d
d
Da offensichtlich gilt C∞
c (R ) ⊆ S (R ), wegen der Dichtheit von Cc (R )
p
d
d
p
d
in L (R ) (Theorem 11.8) liegt S (R ) in L (R ) dicht.
3. Ist f ∈ S (Rd ) eine Schwartzfunktion, so liegt für jedes β ∈ Nd0 die Funktion ∂ β f (x) auch in S (Rd ).
Beweis. Ist offensichtlich aus der Definiton.
4. Für f ∈ S (Rd ) und γ ∈ Nd0 liegt die Funktion xγ f (x) auch in S (Rd ).
Beweis. Zum Beweis benötigt man die folgende allgemeine Form der Produktregel für partielle Ableitungen: sind g und f genügend glatt und
α ∈ Nd0 ein Multiindex, so gilt
X
∂ α (f g) =
cα,β ∂ β f · ∂ α−β g,
β≤α
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13.6 L2 -Theorie
145
1
wobei cα,β = α
β die verallgemeinerte Binomialkoeffizienten sind (für uns
ist es wichtig, dass wir diese Konstanten haben, die eigentlichen Werte sind
für uns egal).
Nun verwendet man diese Formel für das Produkt xγ f (x) um zu sehen,
dass ∂ β (xγ f (x)) Linearkombination von Schwartz-Funktionen ist. So endet Punkt 1. den Beweis.
5. Für f, g ∈ S (Rd ) ist auch das Produkt f · g eine Schwartzfunktion. (Insbesondere ist S (Rd ) mit punktweisem Produkt eine Algebra; eigentlich
sogar ein Modul über dem Ring der Polynome in d-Variablen.)
Beweis. Verwende die allgemeine Binomialformel aus 4.
6. Ist f ∈ S (Rd ), so gilt fˆ ∈ S (Rd ), d.h.
F : S (Rd ) → S (Rd ), F (f ) = fˆ
ist eine lineare Abbildung.
Darüber hinaus F ist invertierbar und
ˇ
F −1 : S (Rd ) → S (Rd ), F −1 (f ) = f.
Beweis. Linearität ist klar, sofern wir fˆ ∈ S (Rd ) für f ∈ S (Rd ) zeigen.
Dies folgt aber aus den Resultaten im Abschnitt 13.2 und aus den obigen
Aussagen 1-4. Die Invertierbakeit folgt aus der Inversions-Formel, Theorem 13.15.
7. Für f, g ∈ S (Rd ) ist auch das Faltung f ∗ g eine Schwartzfunktion.
Beweis. Folgt aus 5., 6., und Theorem 13.4.4).
13.6 L2 -Theorie
Vorbemerkung. Die Abbildung
(f, g) 7→ hf, gi :=
Z
f (x)g(x) dx
Rd
ist ein Skalarprodukt auf L2 (Rd ) (die Existenz des Integrals folgt aus der
Hölderschen Ungleichung). Da
p
kf k2 = hf, f i
gilt, und da L2 (Rd ) vollständig ist, folgt, dass L2 (Rd ) ein Hilbertraum ist
(übrigens hat man hier nicht genutzt, dass es um den Lebesgueschen Maßraum handelt; L2 ist ein Hilbertraum auch für allgemeine Maßräume).
1
Per Definitionem gilt
α
β
=
α1
β1
·
α2
β2
···
αd
βd
.
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146
13 Das Fourier-Integral
Theorem 13.18 (Plancherel). Für f, g ∈ S (Rd ) gilt
und insbesondere
ˆ gˆi = hf,
ˇ gˇi,
hf, gi = hf,
kf k2 = kfˆk2 = kfˇk2 .
ˆ gˆ ∈ S (Rd ). Bemerke,
Beweis. Seien f, g ∈ S (Rd ) ⊆ L1 (Rd ). Es gilt dann f,
dass b
g = gˆ gilt (warum?). Lemma 13.14 und Theorem 13.15 liefern dann
Z
Z
Z
Z
ˆ
d
d
d
ˇ gˇi.
ˇ
ˇ
b
hf, gi = f g dλ = f g dλ = f g dλ = fˇgˇ dλd = hf,
Rd
Rd
Rd
Rd
ˆ gˆi auch.
Daraus folgt hf, gi = hf,
Lemma 13.19. Für f ∈ L2 (Rd ) ∩ L1 (Rd ) existiert eine Folge (fn ) ⊆ S (Rd )
derart, dass
fn → f in L2 , und fn → f in L1 .
d
p
d
Beweis. Man erinnere daran, wie man die Dichtheit von C∞
c (R ) in L (R )
gezeigt hat (siehe Satz 11.26). Die dort konstruierte Folge fn hat die gewünschten Eigenschaften.
Theorem 13.20. Sei f ∈ L2 (Rd ) und (fn ) ⊆ S (Rd ) mit
fn → f.
Dann gelten die folgenden Aussagen.
a) Es gibt ein g ∈ L2 (Rd ) mit
fˆn → g.
b) Sei (gn ) ⊆ S (Rd ) eine andere Folge mit gn → f . Dann gilt gˆn → g (g ist
aus a)).
c) Ist zusätzlich f ∈ L1 (Rd ), so gilt für das g aus a)
g = fˆ fast überall.
Beweis. a) und b) Sei f ∈ L2 (Rd ) und gn , fn ∈ S (Rd ) mit fn → f , gn → f
in L2 (Rd ). Wir zeigen, dass fˆn eine Cauchyfolge ist. Es gilt nach Plancherels
Theorem 13.18
kfˆn − fˆm k2 = kfn − fm k2 ≤ kfn − f k2 + kf − fm k2 → 0 für n, m → ∞.
D.h. fˆn ist eine Cauchyfolge in L2 (Rd ) und somit hat einen Grenzwert g in
L2 (Rd ). Weiterhin gilt
kfˆn − gˆn k2 = kfn − gn k2 ≤ kfn − f k2 + kf − gn k2 → 0 für n → ∞.
Dies zeigt, dass gˆn → g gilt.
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13.6 L2 -Theorie
147
c) Sei f ∈ L1 (Rd ) ∩ L2 (Rd ) und fn ∈ S (Rd ) mit fn → f bzgl. der L1 und der
L2 -Norm (siehe Lemma 13.19). So gilt wegen a) fˆn → g bzgl. der L2 -Norm
für ein g ∈ L2 (Rd ). Nach Theorem 6.12 gibt es eine Teilfolge (nk ) ⊆ N mit
fˆnk (x) → g(x) für fast alle x ∈ Rd . Da aber wegen Satz 13.2
kfˆn − fˆk∞ ≤
1
kfn − f k1 → 0
(2π)d/2
gilt, wir sehen g(x) = fˆ(x) für fast alle x ∈ Rd .
Wegen b) ist der Grenzwert in a) von der Wahl der Folge (fn ) ⊆ S (Rd )
unabhängig. Dies erlaubt die folgende Definition.
Definition 13.21 (Fouriertransformation in L2 ). Sei f ∈ L2 (Rd ). Wähle
eine Folge (fn ) ⊆ S (Rd ) mit fn → f in L2 . Die nach Theorem 13.20.a)
existierende Funktion g ∈ L2 (Rd ) heißt die Fouriertransformierte der L2 Funktion f . Wir behalten dafür die Notationen F (f ) = fˆ bei (diese ist wegen
c) im gennanten Theorem mit unserer L1 -Notation konsistent). Wir setzen
wieder
fˇ(ξ) := fˆ(ξ) (ξ ∈ Rd ).
Theorem 13.22. Die Abbildung
F : L2 (Rd ) → L2 (Rd ),
F (f ) = fˆ
ist eine lineare und surjektive Isometrie, d.h.
kF (f )k2 = kf k2 ,
insbesondere ist sie injektiv. Weiterhin gelten
F −1 (f ) = fˇ und
hF (f ), F (g)i = hf, gi = hF −1 (f ), F −1 (g)i.
Beweis. Dass F den Raum L2 in sich bildet ist aus der Definition klar. Die
Linearität folgt auch sofort, denn F ist auf dem Schwartz-Raum auch. Sei
f ∈ L2 (Rd ) und (fn ) ⊆ S (Rd ) eine Folge mit fn → f in L2 (Rd ). So gilt
kf k2 = lim kfn k2 = lim kfˆn k2 = kfˆk2 .
n→∞
n→∞
Wir zeigen nun die Sürjektivität von F . Sei also f ∈ L2 (Rd ) und fn → f
in L2 , fn ∈ S (Rd ). Wie im Theorem 13.20.a) konvergieren fˇn gegen ein
g ∈ L2 (Rd ). Wegen Theorem 13.15 gilt fˆˇn = fn . Da fˇn ∈ S (Rd ), nach
Definition gilt auch
fn = fˆˇn → gˆ,
d.h. F (g) = f . Da aber fˇn (ξ) = fˆn (−ξ), so folgt g = fˇ auch, also F −1 (f ) =
fˇ.
compiled: 21-May-2015/11:13
148
13 Das Fourier-Integral
Die allerletze Aussage folgt aus der Definition und aus der Stetigkeit des L2 Skalarproduktes.
Anmerkung 13.23. 1. Ist f ∈ L2 (Rd ), so gilt f 1B(0,R) ∈ L2 (Rd ) ∩ L1 (Rd )
für jedes R > 0. Theorem 13.20.c) liefert dann
Z
1
f (x)e−ihx,ξi dx.
F (f 1B(0,R) )(ξ) =
(2π)d/2
B(0,R)
Da f 1B(0,R) → f in L2 für R → ∞, das obige Theorem 13.20 liefert
Z
1
F (f ) = lim
f (x)e−ihx,·i dx,
R→∞ (2π)d/2
B(0,R)
wo man die Konvergenz in L2 -Norm verstehen muß.
2. Ein tiefes Resultat ist es, dass für d = 1 man hier punktweise fast
überall Konvergenz hat. Für d > 1 ist diese eine bekannte offene Frage
aus der Fourier-Analysis.
13.7 Anwendungen
1. Die Poisson-Gleichung
Der Laplace-Operator ∆ ist definiert durch
∆f := ∂12 f + ∂22 f + · · · + ∂d2 f,
f ∈ C∞ (Rd ).
Wir suchen nun die Lösung der Poisson-Gleichung
f − ∆f = g,
wobei g geeignet gegeben ist, z.B. g ∈ S (Rd ). Betrachten wir die Fouriertransformierte dieser Gleichung
c = gˆ.
fˆ − ∆f
Die linke Seite können wir mit Hilfe des Abschnitts 13.2 folgenderweise umschreiben:
fˆ(ξ) − ((iξ1 )2 + (iξ2 )2 + · · · + (iξd )2 )fˆ(ξ) = (1 + |ξ|2 )fˆ(ξ).
So haben wir die Differentialgleichung auf eine algebraische Gleichung
(1 + |ξ|2 )fˆ(ξ) = gˆ(ξ)
compiled: 21-May-2015/11:13
13.7 Anwendungen
149
zurückgeführt. Diese können wir leicht lösen: wir dividieren einfach mit 1+|ξ|2
fˆ(ξ) =
gˆ(ξ)
.
1 + |ξ|2
Nun müssen wir die inverse Fouriertransformation anwenden:
gˆ(ξ)
f = F −1 (fˆ(ξ)) = F −1
.
1 + |ξ|2
Aus Produkt wird dadurch eine Faltung (Theorem 13.4.c) und FourierInversion in S (Rd )), so erhalten wir
1
1
−1
f=
g∗F
.
1 + |ξ|2
(2π)d/2
Mit etwas (trickiges) Rechnen können wir die explizite Form der Lösung der
Poisson-Gleichung bekommen
1
g ∗ Bd ,
(2π)d/2
f=
wobei
Bd (x) =
1
Z∞
2d/2
|x|2
e−t− 4t
dt (x ∈ Rd )
td/2
0
ist die (eine) so genannte Bessel-Funktion.
2. Die Wärmeleitungsgleichung
Mit zu den obigen ähnlichen Methoden kann man die Wärmeleitungsgleichung
∂t u(t, x) = ∆u(t, x)
u(0, x) = f (x)
t ≥ 0, x ∈ Rd
x ∈ Rd
auch lösen. Die Funktion f ist hier bekannt und heißt Anfangswert (vgl.
Gew. Dgl.), z.B. f ∈ S (Rd ). Wir suchen also eine Funktion
u : [0, ∞) × Rd → C,
welche diese Gleichung löst. Wir betrachten die Fouriertransformierte der
Gleichung bzgl. der Raumvariabel x ∈ Rd , und erhalten die folgende äquivalente Form:
∂t u
ˆ(t, ξ) = −|ξ|2 u
ˆ(t, ξ)
t ≥ 0, ξ ∈ Rd
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150
13 Das Fourier-Integral
u
ˆ(0, ξ) = fˆ(ξ)
x ∈ Rd .
(Hier muß man noch überlegen, dass man ∂t und F vertauschen kann). Nun
ist diese Gleichung eine gewöhnliche Differentialgleichung für u
ˆ. Für jedes
ξ ∈ Rd können wir sie sogar explizit lösen:
2
u
ˆ(t, ξ) = e−t|ξ| fˆ(ξ).
Jetzt müssen wir wieder zurücktransformieren, und beachten, dass hier eine
Gaußsche Funktion auftaucht. Da durch die inverse Fouriertransformation
Produkt in Faltung übergeht (siehe Theorem 13.4.c)), mit Abchnitt 13.3 bekommen wir
u(t, x) = F −1 (ˆ
u(t, ξ)) =
2
1
F −1 (fˆ) ∗ F −1 (e−t|ξ| ) = f ∗ gt (x),
(2π)d/2
wobei
gt (x) =
|x|2
1
e− 4t
d/2
(4πt)
ist die so genannte Gauß-Kern oder Wärmeleitungskern.
13.8 Lp -Theorie
Wir haben es gesehen, dass die Fouriertransformation F
1. L1 (Rd ) nach L∞ (Rd ) bildet, mit
kF f k∞ ≤
1
kf k1 ;
(2π)d/2
2. L2 (Rd ) nach L2 (Rd ) bildet, mit
kF f k2 = kf k2 ;
Insbesondere haben wir für f ∈ S (Rd ) ⊆ L1 ∩ L2 beide Abschätzungen.
Die Interpolationsungleichung (Theorem 6.18 mit θ = 2q ) liefert dann für
q ∈ [2, ∞] das Folgende:
2
2
1
1
1− 2
1− 2
kF (f )kq ≤ kF (f )k2q kF (f )k∞ q ≤ (2π)d 2 − q kf k2q kf k1 q
Wir möchten auf der rechten Seite anstatt des Produktes von kf k1 und kf k2
nur eine Norm haben, also zeigen, dass für geeigentes p (für das p mit p1 + 1q =
1)
1
1
kfˆkq ≤ (2π)d 2 − q kf kp gilt.
compiled: 21-May-2015/11:13
13.8 Lp -Theorie
151
1− 2
2
Wenn die “umgekehrte Interpolationsgleichung” kf k2q kf k1 q ≤ kf kp gültig
wäre, wären wir also fertig. Diese Ungleichung stimmt aber leider nicht!
Durch “geeigentes Mischen” beider Abschätzungen 1. und 2. können wir auch
auf der rechten Seite zwischen p = 1 und p = 2 geeignet interpolieren, und
das folgende Theorem erhalten:
Theorem 13.24. Für 1 ≤ p ≤ 2 und q ∈ [2, ∞] mit
Konstante Cp , so daß
kfˆkq ≤ Cp kf kp
1
p
+
1
q
= 1 gibt es eine
für alle f ∈ S (Rd ).
Der folgende Beweis folgt Ideen von Marcinkiewicz, und dient als die Grundlage des Marcinkiewicz-Interpolationssatzes.
Beweis. Die Fälle p = 2, p = 1 haben wir schon diskutiert, sei also p ∈
(1, 2) und sei q die konjugierte Exponente. Wir können auch kf kp = 1 gleich
annehmen, denn für kf kp = 0 ist die Ungleichung mit beliebiger Konstante
Cp wahr. Im Weiteren wird die folgende Formel für die Lq -Norm wichtig:
kfˆkqq = q
Z∞
sq−1 λd (A(s)) ds,
0
wobei
A(s) = ξ ∈ Rd : |fˆ(ξ)| > s ,
siehe Theorem 11.4. Nun machen wir die Variablesubstitution s = 2t (damit
alles bequemer wird)
kfˆkq = q2q
Z∞
tq−1 λd (A(2t)) ds.
0
Um die Lq -norm von fˆ möglichst scharf abschätzen zu können brauchen wir
gute Abschätzungen für das Lebesgue-Maß von A(2t). Die Idee ist nun die
Funktion f (und dadurch fˆ) so zu zerlegen, f = f1 + f2 , dass wir auf f1 die
L1 -L∞ Abschätzung (Punkt 1. oben) verwenden können. Dies liefert dann
eine Abschätzung nach oben für |fˆ1 (ξ)| und somit für ξ ∈ A(2t) eine Abschätzung nach unten für |fˆ2 (ξ)|. So kriegen wir eine geeignete Kontrolle für
λd (A(2t) durch die L2 -Norm von fˆ2 . Mit der Verwendung der L2 -L2 Abschätzung (Punkt 2. oben) können wir λd (A(2t)) durch die Norm von f2
kontrollieren. Hier sind die Details:
Sei M > 0 eine Konstante die wir später genau wählen. Wir setzen
B := x ∈ Rd : |f (x)| > M }, f1 := f 1B , f2 := f 1B c .
So gelten natürlich
compiled: 21-May-2015/11:13
152
13 Das Fourier-Integral
f = f1 + f2 ,
und, da F linear ist,
fˆ = fˆ1 + fˆ2 .
Da f1 ∈ L1 (Rd ), wir können schreiben
Z
Z
1
1
|f1 (x)|p |f1 (x)|1−p dx
|fˆ1 (ξ)| ≤
|f
(x)|
dx
=
1
(2π)d/2
(2π)d/2
B
Rd
Z
Z
1
1
1
1
p
≤
|f1 (x)| dx ≤
|f (x)|p dx
(2π)d/2 M p−1
(2π)d/2 M p−1
B
=
Rd
1
1
.
(2π)d/2 M p−1
1
1
(2π)d/2 M p−1
Für t > 0 wählen wir M so, dass
M=
= t, d.h.
1
p−1
1
.
(2π)d/2 t
Für t > 0 möchten wir λd (A(2t)) abschätzen. Natürlich hängt unserer Zerlegung, also die Menge B, von M d.h. von t ab. Diese Abhängigkeit notieren
wir mit t im Index: Bt . Nach dem Obigen gilt |fˆ1 (ξ)| ≤ t für alle ξ ∈ Rd . Für
ξ ∈ A(2t) muss also |fˆ2 (ξ)| > t gelten. Dies erlaubt die folgende Abschätzung
Z
Z
Z
2 d
2
2
ˆ
ˆ
t λ (A(2t)) ≤
|f2 (ξ)| dξ ≤ |f2 (ξ)| dξ = |f2 (x)|2 dx
Rd
A(2t)
Z
=
Btc
Rd
|f (x)|2 dx.
Wir haben hier auch benutzt, dass kf2 k2 = kfˆ2 k2 gilt (Punkt 2. oben).
Nach dieser Überlegungen können wir kfˆkq wie folgt abschätzen:
kfˆkqq
= q2
q
Z∞
t
q−1 d
λ (A(2t)) dt ≤ q2
q
0
Fubini
= q2q
Z
Rd
q
=
=
q2
q−2
Z∞
0
|f (x)|2
tq−3
Z
Btc
|f (x)|2 dx dt
−d/2
|f (x)|1−p
Z (2π)
tq−3 dt dx
0
Z
t=|f (x)|1−p (2π)−d/2
dx
|f (x)|2 tq−2 t=0
Rd
q2q
1
q − 2 (2π)(q−2)d/2
Z
|f (x)|2 |f (x)|(1−p)(q−2) dx.
Rd
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13.9 Komplexe Theorie
153
Da 2 + (1 − p)(q − 2) = q − pq − 2 − 2p = p, dies ist weiter gleich
=
1
q2q
q − 2 (2π)(q−2)d/2
Z
|f (x)|p dx =
Rd
1
q2q
.
q − 2 (2π)(q−2)d/2
Wir haben also die Ungleichung
kfˆkq ≤ 2
q
q−2
q1
(2π)
d
1
1
q−2
kf kp
bewiesen.
Anmerkung 13.25. Den optimalen Wert von Cp läßt sich bestimmen.
1. Mit etwas mehr Mühe, und eigentlich mit ganz anderen Techniken, läßt
sich die Ungleichung
1
1
q−2
d
kfˆkq ≤ (2π)
kf kp
zeigen. Diese ist die bekannte Hausdorff-Young-Ungleichung.
2. Die präzise Konstante Cp hat Beckner ausgerechnet:
d
kfˆkq ≤ Ap (2π)
mit
s
Ap =
1
1
q−2
kf kp
p1/p
.
q 1/q
Wir sehen, dass für p = 1 und p = 2 die optimalen Konstanten (2π)d/2
bzw. 1 sind, genau jene, die wir gesehen haben.
3. Für p > 2 gibt es keine Konstante Cp mit kfˆkq ≤ Cp kf kp für alle f ∈
S (Rd ).
4. Für p, r ∈ [1, ∞] mit p1 + 1r 6= 1 gibt es wieder keine Konstante Cp mit
kfˆkq ≤ Cp kf kp für alle f ∈ S (Rd ).
13.9 Komplexe Theorie
Wir haben gesehen, dass “Abfall” für f “Glattheit” von fˆ verursacht. Das
ist zum Extremum so: hat f kompakten Träger (also sehr “schnelle” Konvergenz gegen 0), so ist sein Fouriertransformierte holomorph (unendlich oft
C-differenzierbar). Dies und eine Umkehrung möchten wir jetzt zeigen.
compiled: 21-May-2015/11:13
154
13 Das Fourier-Integral
Vorbemerkungen.
1. Für ξ, x ∈ Cd setze
hξ, xi =
d
X
j=1
ξj xj
für x ∈ Rd .
(Beachte, dass diese Definition ist NICHT das komplexe Skalarprodukt
auf Cd , denn hier steht keine Konjugation der Komponenten xj .)
2. Eine Funktion f : Cd → C nennen wir holomorph, falls ihre komplexe
partielle Ableitungen
∂z1 f, ∂z2 f, . . . , ∂zd f
alle existieren, d.h., falls bezüglich jeden Variablen ist f holomorph. (Man
kann zeigen, dass in deisem Fall die totale komplexe Ableitung von f
existiert, und sogar ist f unendlich oft C-differenzierbar. Dies ist wieder
ein enormer Unterschied zum reelen Fall.)
Theorem 13.26 (Paley-Wiener).
d
ˆ d
a) Sei f ∈ C∞
c (R ) mit supp f ⊆ B(0, a) (a ≥ 0). Dann hat f : R → C eine
d
holomorphe Fortsetzung g auf C , welche die folgende Eigenschaft hat. Für
jedes m ∈ N existiert ein cm ≥ 0, so daß
|g(z)| ≤ cm (1 + |z|)−m ea| Im z|
für alle z ∈ Cd .
b) Sei g : Cd → C eine holomorphe Funktion derart, dass ein a ≥ 0 existiert,
so dass für jedes m ∈ N gibt es ein cm ≥ 0 mit
|g(z)| ≤ cm (1 + |z|)−m ea| Im z|
für alle z ∈ Cd .
d
d
ˆ
Dann gibt es ein f ∈ C∞
c (R ) mit f (ξ) = g(ξ) für alle ξ ∈ R und es gilt
supp f ⊆ B(0, a).
Beweis. Falls f ∈ Cc (Rd ) kompakten Träger innerhalb B(0, a) hat, existiert
das Fourier-Integral nicht nur für reelles ξ ∈ Rd sondern auch für ξ ∈ Cd . So
können wir setzen
Z
Z
1
1
−ihx,zi
g(z) :=
f
(x)e
dx
=
f (x)e−ihx,zi dx.
(2π)d/2
(2π)d/2
Rd
B(0,a)
Natürlich gilt g(ξ) = fˆ(ξ) für ξ ∈ Rd . Um die Holomorphie zu sehen, kann
man z.B. die Cauchy-Riemann Differentialgleichungen bezüglich jeder komplexen Variablen z1 , . . . , zd überprüfen. Für z ∈ Cd und k ∈ N0 gilt
Z
1 k k −ihx,zi
k
|zj g(z)| =
f
(x)i
∂
e
dx
j
(2π)d/2
B(0,a)
compiled: 21-May-2015/11:13
13.9 Komplexe Theorie
155
Z
1 Part.Int.
=
(2π)d/2
∂jk f (x)ik e−ihx,zi dx
B(0,a)
1
≤
(2π)d/2
Z
|∂j f (x)|e− Imhx,zi dx
B(0,a)
1
≤
ea| Im z|
(2π)d/2
Z
|∂jk f (x)| dx = C(k)ea| Im z| .
B(0,a)
Sei nun m ∈ N0 , so gilt
(1 + |z|)m =
Wenn wir
cm
m X
m
k=0
k
|z|k .
X m
:=
C(k)
k
k=0
setzen, die Ungleichung
(1 + |z|)m |g(z)| ≤ cm ea| Im z|
folgt sofort, und das war die Behauptung.
b) Wir beweisen nur den Fall d = 1. Für den allgemeinen Fall kann man
dies koordinateweise verwenden. Sei nun g : C → C wie in der Aussage, wir
bezeichnen die Einschränkung g|R auch mit g. Zunächst bemerken wir, dass
für alle α ∈ N0 gilt xα g(x) ∈ L1 (R). Denn für ξ ∈ R und k ∈ N0 gilt
|ξ α g(ξ)| ≤
cm |ξ|k
(1 + |ξ|)m
nach Voraussetzung (mit geeigneten Konstanten cm ). Die Funktion auf der
rechten Seite liegt in L1 , falls m geeignet groß ist. Inbesondere können wir
also
f := gˇ
definieren, und wegen Theorem 13.7 gilt dann f ∈ C∞ (R).
Wir müssen nur noch supp f ⊆ B(0, a) zeigen. Um überhaupt die komplexe
Veränderliche ausnutzen zu können, wählen wir einen komplexen Integrationsweg. Sei γ1 die Kurve (−∞, ∞) und γ2 die Kurve (−∞+iδ, ∞+iδ) (δ ∈ R
ein Parameter). Klar ist
Z
Z
1
1
ixξ
f (x) =
g(ξ)e dξ =
g(z)eixz dz.
(2π)1/2
(2π)1/2
R
γ1
compiled: 21-May-2015/11:13
156
13 Das Fourier-Integral
Gleich beweisen wir, dass
Z
Z
1
1
ixz
g(z)e dz =
g(z)eixz dz
(13.1)
(2π)1/2
(2π)1/2
γ1
γ2
gilt. Wenn es aber so ist, gehen wie folgt vor: Für x ∈ R gilt
Z
Z
e−xδ
1 ix(ξ+iδ)
≤
|f (x)| =
g(ξ
+
iδ)e
dξ
|g(ξ + iδ)| dξ
(2π)1/2
(2π)1/2
R
R
Z
c2 e−xδ
≤
(1 + |x|)−2 ea|δ| dξ = Ce−xδ+a|δ| ,
(2π)1/2
R
wobei in der letzen Zeile die exponentielle Abschätzung ausgenutz wurde. Für
gegebenes x ∈ R sei δ := t sgn(x), t > 0. So sehen wir
|f (x)| ≤ Cet(a−|x|) .
Wenn wir nun t gegen ∞ konvergieren lassen, bekommen wir |f (x)| = 0 für
|x| > a. D.h. supp f ⊆ B(0, a).
Zu dem fehlenden Teil: Seien γ1R und γ2R die Kurven [−R, R] und [−R +
iδ, R + iδ]. Trivialerweise gilt dann für R → ∞
Z
Z
Z
Z
ixz
ixz
ixz
g(z)e dz → g(z)e dz und
g(z)e dz → g(z)eixz dz.
γ1R
γ1
γ2R
γ2
Seien γ3R und γ4R die Kurven, welche zwischen R und R + iδ bzw. zwischen
−R + iδ und −R vertikal verlaufen. So ist Γ = γ1R + γ3R − γ2R + γ4R ein geschlossener (und rektifizierbarer) Weg. Das Cauchy-Theorem aus der Funktionentheorie liefert
Z
g(z)eixz dz = 0.
Γ
γ3R , γ4R
Das Wegintegral auf
reicht es trivial abzuschätzen: für k = 3, 4 gilt
Z
g(z)eixz dz ≤ C |δ| (1 + R)−1 → 0,
|{z}
γkR
Integrationsweg
als R → ∞. Insgesamt bekommen wir also die Gültigkeit von (13.1), und der
Beweis ist fertig.
compiled: 21-May-2015/11:13
Sachverzeichnis
Fσ -Menge, 12
Gδ -Menge, 12
∩, ∪, \-stabil, 7
∞-Norm, 73
µ-fast überall, 39
σ-Algebra, 7
σ-Ring, 7
σ-Subadditivität, 18
σ-additiv, 16
σ-endlicher Maßraum, 16
ϕ-messbar, 58
d-dimensionale Kugelkoordinaten, 99
äußeres Lebesgue-Maß, 66
Satz der monotonen Konvergenz, 36
Volumen der Einheitskugel, 85
Algebra (von Funktionen), 113
Algebra (von Mengen), 7
Approximationssatz, 31
approximative Eins, 117
Banachalgebra, 114
Borel-σ-Algebra, 11
Borel–Lebesgue-Maßraum, 17
Borel-Maß, 25
Borel-Menge, 11
Cantor-Menge, 22
Carathéodory-messbar, 58
Cauchy–Bunjakowski–SchwarzUngleichung, 47
Cauchy–Schwarz-Ungleichung, 47
Cavalierisches Prinzip, 84
charakteristische Funktion, 31
Clarkson-Ungleichungen, 48
Diffeomorphismus, 95
Dirac-Folge, 116
Dirac-Maß, 17
Disjunktisierung, 9
dominierte Konvergenz, 43
einfache Funktion, 31
Einselement, 117
endlich additiv, 18
endlicher Maßraum, 16
endliches Maß, 16
erzeugte σ-Algebra, 10
Faltung, 113
fast überall, 39
Fatou-Lemma, 38
Gauß-Funktion, 97, 118
Grammsche Determinante, 123
Grundmenge, 7
Halbstetigkeit, 76
Indikatorfunktion, 31
Integral, 33
Integral messbarer Funktionen, 40
integrierbare Funktion, 40
Intervall, 64
Inversion, 112
Jensen-Ungleichung, 48
Kugelkoordinaten, 97
Kurvenintegral, 124
Lebesgue-Integral, 33, 40
Lebesgue-Maß, 17, 66
Lebesgue-Maßraum, 66
Lebesgue-Menge, 66
Lebesgue-messbare Menge, 66
157
158
Lebesguescher Dichtesatz, 118
Lipschitz-stetig, 73
lokal Lipschitz-stetig, 73
maßerhaltend, 91
maßtreu, 91
Maßraum, 16
Markow-Ungleichung, 110
messbare Abbildung, 28
messbare Funktion, 28
messbarer Raum, 7, 28
messbares Rechteck, 78
Minkowski-Ungleichung, 47
Mollifier-Folge, 119
monoton, 18
Nullmenge, 22
obere/untere Einhüllende, 76
oberhalbstetig, 76
Parallelotop, 121
partielle Ableitung, 118
Polarkoordinaten, 95
Potenzmenge, 7
Produkt von Maßräumen, 80
Produkt-σ-Algebra, 80
Produktmaß, 80
Punktmaß, 17
Quader, 64
Rechteck, 64
reguläres Maß, 27
Riemann-Integral, 75
Ring (von Mengen), 7
Sachverzeichnis
rotationssymmetrische Funktion, 100
Satz von Beppo Levi, 36
Schnitt einer Menge, 81
Standard-Darstellung, 31
Stetigkeit von oben, 19
Stetigkeit von unten, 18
Theorem von Beckner, 116
Theorem von Carathéodory, 58
Theorem von Fubini, 81
Theorem von Fubini–Tonelli, 83
Theorem von Hahn, 56
Theorem von Lebesgue, 43
Theorem von Tonelli, 82
Träger, 111
Transformationssatz, 95
Translation, 112
Translationsinvarianz, 17, 68
unterhalbstetig, 76
vollständiger Maßraum, 22
vollständiges Produkt von Maßräumen, 80
Volumen einer Kugel, 101
Volumen eines Kegels, 87
Volumen eines Quaders, 64
Volumen eines Zylinders, 86, 102
Wahrscheinlichkeitsmaß, 16
Wahrscheinlichkeitsraum, 16
Young-Ungleichung, 46
Zählmaß, 17
compiled: 21-May-2015/11:13