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VAKUUMTECHNIK
Schraubentechnologie
Vakuum erobert die Backstuben
Klaus Buhlmann
Backen gehört zu den ältesten
Tätigkeiten im Lebensmittelhandwerk. Fladenbrot wurde schon vor
8000 Jahren aus zerstoßenem Getreide und Wasser hergestellt. Die
Vakuumtechnik ist im Vergleich
dazu nahezu jung. Vakuum wird
technisch erst seit dem 17. Jahrhundert erzeugt und ist heute ein
fester und unverzichtbarer Bestandteil in der industriellen Praxis. Unsere hochtechnisierte Welt braucht
Vakuum. Neue technische Entwicklungen und Innovationen, beispielsweise etwa Smartphones, wären
ohne Vakuumtechnik nicht möglich.
Knusprige Kruste, lockere Krume
Vakuumtechnik bringt nun auch Innovation in das industriell orientierte
Backgewerbe. Die Kühlung von Backwaren wird revolutioniert. Im Vergleich
zu konventionell gekühlten Backwaren liegt der Vorteil eines unter Vakuum gekühlten Brotes bereits bei der
ersten Berührung im wahrsten Sinne
des Wortes auf der Hand: Die Kruste
ist knusprig, die Krume locker. Durch
die Verlängerung der so genannten
Rösche nimmt auch die Volumenbeständigkeit des Backgutes zu – ein
Umstand, der zu einer langanhaltend
stabilen und zartsplitternden Kruste
führt. Dies ist insofern ein Vorteil, weil
viele Backprodukte bei höherer Luftfeuchtigkeit dazu neigen, ihre Form
zu verlieren. Ein formstabiles Volumen
ist nicht nur für den Kunden ein Qualitätsgewinn; es bietet zudem einen
optischen Wettbewerbsvorteil, wenn
Gebackenes in der Auslage nicht nur
lecker duftet, sondern auch attraktiv
aussieht und zum Kauf lockt.
Weniger Keime im Vakuum
Kompakte Abmessungen, mehr
Nutzfläche
Die Vakuumkühlung bringt dem Backbetrieb noch weiteren Nutzen. Gegenüber der konventionellen Kühlung
an der Luft, lässt sich durch die kompakten Abmessungen einer Vakuumkühlanlage eine signifikant große Platzersparnis realisieren – bis zu einem
Zehntel der vormals genutzten Bodenstandfläche. Eine einfache Kondi-
Foto©: CETRAVAC
Neben den ersten augenscheinlichen
Vorteilen für den Käufer gibt es noch
einen weiteren wichtigen Aspekt:
Durch die Verfahrensbeschleunigung
verkleinert sich das Zeitfenster für
Keimbefall. Der für das Wachstum von
Schimmelsporen kritische Temperaturbereich von 60 ° C bis 30 ° C wird
bei der Vakuumkühlung in zwei bis
drei Minuten statt wie bisher in zwei
Stunden durchschritten. Das Kühlen
in einer geschlossenen Kammer dient
also gleichsam als Schleuse zwischen
Produktion und Verpackung und minimiert signifikant das Risiko für einen
Keimbefall aus der Luft und späteren
Schimmel als Folge. Für die Schimmelresistenz ist nach dem Verpacken somit kein aufwendiger Sterilisierungsprozess notwendig. Lediglich Reinluft
und Schutzgas könnten noch für eine
zusätzliche Verlängerung der Mindesthaltbarkeit sorgen.
Abb. 1: Vakuumkonditionierte Backwaren überzeugen durch gleichmäßige Krume und
formstabiles Volumen
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PROZESSTECHNIK & KOMPONENTEN 2015
VAKUUMTECHNIK
Schraubentechnologie
Foto©: CETRAVAC
Fördern mit Zukunft
Hygienische Pumpen –
effizienzoptimiert
Abb. 2: Batch-Anlage zur Vakuumkonditionierung: Stikkenwagen ermöglichen eine
schnelle Beladung.
tionierkammer hat lediglich eine
Kammergröße von etwa 120 x 100
Zentimeter und ist circa 2 Meter
hoch. Vakuumpumpe oder Schaltschrank sind funktionell direkt neben der Kammer in die Anlage integriert. Die wiedergewonnene
freie Nutzfläche kann im Betrieb
für zusätzliche Produktionskapazitäten genutzt werden. Brote verschiedenster Art und Größe sind
durch die Vakuumkühlung schon
nach fünf bis zehn Minuten auf
30 ° C abgekühlt.
Der Backbetrieb profitiert
nicht nur von der Qualitätsverbesserung; es kommt auch zu
einer Produktivitätserhöhung. Die
neue Kühltechnik verkürzt die ursprüngliche Auskühlphase drastisch. Dennoch sind die Backwaren für die nachfolgenden
Bearbeitungsschritte Schneiden
und Verpacken optimal konditioniert. Heute übliche Anlagen sind
für einen Stikkenwagen mit einer
Blechgröße von 60 x 100 Zentimeter ausgelegt. Je nach Produkt
können so stündlich bis zu zwölf
Chargen oder 400 bis 500 Kilogramm gebackene Teigmasse konditioniert werden. Im Vergleich
dazu kann das Abkühlen an der
Umgebungsluft mehrere Stunden
dauern. Vakuumgekühlte Backwa-
ren sind für die Weiterverarbeitungskette schneller und besser
präpariert.
Vakuumkonditionierung
verbessert Backwarenqualität
Die großen technischen Herausforderungen bei der Vakuumkonditionierung von Backwaren
lassen sich in zwei Bereiche aufteilen: Einerseits sind die Anlagenhersteller gefordert, die vielen
unterschiedlichen Brotsorten in
Europa, insbesondere im deutschsprachigen Raum, zu berücksichtigen. Backwaren sind nicht gleich
Backwaren. Sie unterscheiden sich
alle. Dabei fallen nicht nur die regionalen und mundartlichen Unterschiede ins Gewicht. Brötchen,
Röggelchen, Semmel, Strippe oder
in Schwaben die Seele – alle haben unterschiedliche Rezepte und
verschiedenste Zutaten. Erweitert
man den Blick von der Vielfalt des
typischen deutschen Frühstücksbrötchens auf die Gesamtheit
der Brotarten in der europäischen
Brotkultur, werden die Unterschiede der Backwaren deutlicher:
Croissant, Baguette, Roggenbrot oder Hefezopf mit Rosinen
– sämtliche Rezepte und Eigenschaften spiegeln sich in ihrer Ein-
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Halbgebackene konditionierte Kaisersemmeln…
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…können einfach verpackt zur Backfiliale
transportiert…
…und fertig gebacken werden.
zigartigkeit in der Anlagensteuerung
wieder. Der Anlagenhersteller muss
für die jeweiligen Backwaren die entsprechenden Abkühlabläufe in der Anlagensteuerung programmieren. Dies
verlangt backspezifisches Know-how
und langjährige Erfahrung. Damit erlangt die Vakuumtechnik auf Qualität
und Güte der Ware fast so viel Einfluss
wie die Backrezeptur selbst.
Die Vakuumkonditionierung von
Backwaren ist auch für das heute übliche Konzept der Backshops oder
Backverkaufsstellen optimal. Gebacken wird meistens dezentral außerhalb der Stadt. Die Backwaren werden
an die Verkaufsstellen in den Innenstädten oder in Einkaufszentren ausgeliefert. Die Kundenerwartung, zu
jeder Tageszeit frische und warme
Brötchen kaufen zu können, kann mit
Hilfe der Vakuumkonditionierung optimal umgesetzt werden.
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Niedrigere Logistikund Lagerkosten
Kühlzeiten verkürzt,
Kondensation verhindert
Der Schlüssel ist hier das so genannte
Vorbacken. Vorgebackene Backwaren
werden unter Vakuum konditioniert
und können dann ohne Tiefkühlung
an die Verkaufsstandorte ausgeliefert und dort bis zu vier Tage gelagert
werden. Oftmals werden so viele Filialgeschäfte beliefert und große Wege
zurückgelegt. Die Produkte überstehen die Filialbelieferung durch die Vakuumkonditionierung auch bei den
unterschiedlichsten wetterbedingten
Einflüssen in einfacher Verpackung unbeschadet. Im Backshop werden die
vakuumkonditionierten Backwaren lediglich noch final gebacken, wobei die
Backzeiten durch das Vorbacken nur
noch kurz sind. Durch die Anwendung
der so genannten Unterbruch-Backmethode und dem Wegfall der bisher
notwendigen Tiefkühllogistik und -lagerung im Backbetrieb und Filialshop
kann der Energieverbrauch signifikant
reduziert werden. In der Summe sinken also die Kosten für Energie und Logistik. Der verkürzte Backvorgang ist
auch für das Personal erheblich angenehmer, da Abluft und Wärmeentwicklung deutlich gesenkt werden.
Der Kunde kommt so rund um die
Uhr in den Genuss von frischem und
warmem Brot mit nahezu optimaler
Formgebung – „verzehrbereit“, dem
modernen Lifestyle entsprechend.
Die zweite große technische Herausforderung liegt in der vakuumtechnischen Auslegung der Kühl- und
Konditionierungsanlage. Anwendung
findet hier das Prinzip der Vakuumkühlung. Bei atmosphärischem Druck
kocht Wasser bei 100 ° C. Sinkt der
Atmosphärendruck, verringert sich
auch der Siedepunkt. Liegt der Druck
bei 42 mbar, verdampft das Wasser bereits bei 30 ° C. Die zum Sieden
notwendige Energie wird dem nahezu noch ofenwarmen Backprodukt
entzogen. Übliche Kühlzeiten liegen
produktspezifisch zwischen 2 und
6 Minuten. In dieser Zeit kühlt das
Backgut gleichmäßig über das ganze Produkt hinweg. Der gleichmäßige
Entzug des Wasseranteils verhindert
auch eine mögliche Kondensation im
Gebäck selbst, oft auch als Verkleisterung bezeichnet. Dies ist für den
Brotliebhaber wiederum ein Gewinn
an Qualität.
Der aus dem Prozess resultierende heiße (warme) Wasserdampf ist
die Herausforderung bei der vakuumtechnischen Auslegung der Kühl- und
Konditionierungsanlage. Der Dampf
ist zudem nicht rein, sondern mit
Backzutaten wie Mehl, Hefe, Zucker
und Salz versetzt. Für die Auswahl
der Vakuumpumpentechnologie ist
dies entscheidend. Keine Vakuum-
Foto©: CETRAVAC
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VAKUUMTECHNIK
Schraubentechnologie
Abb. 3: Zwei-Kammer-Konditionieranlage mit optimal integrierten ölfreien Vakuumpumpen
in der Montage.
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pumpe würde die Belastung mit Wasserdampf und einer breiig, süßklebrigen Masse langfristig aushalten,
sieht man vom Einsatz einer Flüssigkeitsringpumpe einmal ab. Prinzipiell wäre diese Technologie zwar ideal,
die Abhängigkeit des Enddruckes von
der Wassertemperatur ist hier aber
nicht prozessdienlich. Letztendlich
stellt sich die Frage, eine Pumpe mit
klassisch ölgedichteter Drehschiebertechnik einzusetzen, oder die modernere ölfreie Schraubentechnologie zu
verwenden. Eine Präferenz lässt sich
an dieser Stelle nur schwer nennen.
Beide Pumpen sind prinzipiell geeignet, allerdings ist die Konzeption der
Vakuumkühlanlage entscheidend.
Trend geht zur trockenen
Schraubentechnologie
Für einen reibungslosen Betrieb
kommt es auf das Geschick des Anlagenherstellers an, die richtigen Maßnahmen in Betrieb und Service zu
implementieren, um die Pumpe der
Wahl vor dem Gemisch aus Wasserdampf und Backzutaten zu schützen.
Betrachtet man die auf dem Markt
angebotenen Vakuumkühlanlagen,
so ist jedoch ein Trend zur Verwendung der ölfreien Schraubentechnologie feststellbar. Dieser Sachverhalt beruht sicherlich auch darauf,
dass sich moderne Schraubenpum-
Foto©: Oerlikon Leybold Vacuum
Abb. 4: Moderne ölfreie Schraubenvakuumpumpen mit integriertem Frequenzumrichter sind
zur Vakuumkonditionierung von Backwaren optimal geeignet.
pen mit Frequenzumrichter optimal
mit der Anlagensteuerung verbinden und kompakt integrieren lassen.
Auch im Hinblick auf Geräuschemission bieten diese Schraubenpumpen
den Komfort eines geräuscharmen
Betriebes. Hygienevorschriften in der
Lebensmittelproduktion werden diesem Sachverhalt zudem Rechnung
tragen. Viele Backbetriebe scheuen
häufige Ölwechsel, die zudem mit Kosten verbunden sind.
Konsumenten dort, wo Vakuum angewandt wird, gleichermaßen in den
sprichwörtlichen Genuss der Vorteile
kommen. Sie alle profitieren vom Zuwachs an Qualität und Produktivität,
und das Verbesserungspotential in
puncto Produktionszeit, Infrastruktur, Personal, Logistikkosten sowie
Rohstoff- und Energieverbrauch ist
enorm. Die technischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für
eine Marktdurchdringung sind also
zweifellos gegeben.
Profitables Vakuum
Doch das wird sich ändern: Bei näherer Betrachtung der neuen Backtechnologie fällt auf, dass Anlagenhersteller, Produzenten, Bäckereien und
Autor: Klaus Buhlmann
Markt Segment Manager
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