9.3. Rotationsvolumina

9.3. Rotationsvolumina
Rotationskörper entstehen, wenn man eine ebene Kurve um eine in der Ebene liegende Achse
kreisen läßt. Beispiele aus dem praktischen Leben sind Töpferscheibe und Drechselbank.
Die Scheibenmethode
Bei Rotation um eine Achse (z.B. die senkrechte z-Achse) kann man sich das entstehende Gebilde
aus Kreisscheiben, d.h. sehr flachen Kreiszylindern aufgebaut vorstellen. Das Volumen eines
solchen Zylinders ist das Produkt von Grundfläche und Höhe, also
r( z )2 π dz ,
wenn r( z ) den Radius, d.h. den Abstand von der Drehachse in der Höhe z, und dz die Dicke der
Scheibe beschreibt. Durch "Aufsummieren" dieser Scheiben erhält man eine Näherung für das
Volumen des Rotationskörpers, und läßt man dz gegen 0 konvergieren, so erreicht man im
Grenzwert das exakte Volumen. Verläuft die Achse zwischen den Achsenabschnitten a und b, so
ist das Volumen gegeben durch die
Erste Integralformel für Rotationsvolumina
b
⌠
V( a, b ) = π  r( z )2 dz .
⌡
a
Wir sehen, daß man keineswegs immer Quader als Volumenelemente nehmen muß. Bei
Rotationskörpern wäre dies geradezu widersinnig. Hier sind Kreisscheiben offensichtlich adäquate
"Bauelemente".
Beispiel 1: Volumen einer Vase
Wir lassen die Sinus-Kurve um die z-Achse rotieren.
2 + sin( z )



g( z ) = 
0



z

Das Volumen errechnet sich nun nach der Formel
2π
2π
⌠
⌠
=  ( 2 + sin( z ) )2 dz =  4 + 4 sin( z ) + sin( z )2 dz
⌡
π ⌡0
0
V
= 8 π − 4 ( cos( 2 π ) − cos( 0 ) ) +
2 π − cos( 2 π ) sin( 2 π )
2
=9π,
also
V=9π
2
Stückweise definierte Kurven
Gelegentlich wird man eine Profilkurve eines Rotationskörpers (oder andere Kurven) aus einzelnen
Stücken zusammensetzen. Bei der Volumenberechnung muß man dann stückweise integrieren.
Beispiel 2: Volumen eines Schach-Bauern
dessen Profilkurve aus den folgenden vier Stücken zusammengesetzt ist:
r( z ) = 1.9 − ( z − .2 )2 ,
0 ≤ z und z < .4
r( z ) = 2.6 − 1.2
.4 ≤ z und z < 2.6
z
,
r( z ) = 1 − 4 ( z − 2.9 ) , 2.6 ≤ z und z < 3.2
2
r( z ) =
1 − ( z − 4 )2 , 3.2 ≤ z und z ≤ 5 .
Die Höhe ist also 5 [cm], der Radius am Fuß knapp 2 [cm].
Wir drehen die Profilkurve wieder um die Zentralachse.
Um das Volumen des Bauern zu bestimmen, integrieren wir die vier Teilstücke nach der Formel
b
⌠
V( a, b ) = π  r( z )2 dz .
⌡
a
0.4
⌠
2
2
V1 = π 
(
1.9
−
(
z
−
0.2
)
)
dz, V1 = 4.473192305

⌡
0
2.6
⌠
2
V2 = π 
 ( 2.6 − 1.2 z ) dz, V2 = 10.16660237
⌡
0.4
3.2
⌠
2
2
V3 = π 
(
1
−
4
(
z
−
2.9
)
)
dz, V3 = 1.481424299

⌡
2.6
5
⌠
V4 = π  1 − ( z − 4 )2 dz, V4 = 4.071504079
⌡
3.2
Schließlich ist das Gesamtvolumen in Kubikzentimetern:
V = V1 + V2 + V3 + V4
V = 20.19272306
Zum Vergleich: Ein (spitzer) Kegel mit gleicher Höhe h = 5 [cm] und gleichem
Maximaldurchmesser r = 2 [cm] hat das Volumen
r2 π h
3
= 20.94395103
Kaum ein Unterschied! Die Formel für das Kegelvolumen verallgemeinern wir in
Beispiel 3: Licht- und Schatten-Kegel
Wirft eine punktförmige Lichtquelle den Schatten eines Körpers auf eine Ebene, so ist das
Volumen des entstehenden Kegels zwischen der Lichtquelle und dem Schatten stets ein Drittel der
Schattenfläche mal Höhe des Kegels:
1
VKegel = FSchatten hKegel .
3
Denn liegt die Lichtquelle im Ursprung, so hat der Querschnitt des Kegels in der Höhe z nach dem
Strahlensatz die Fläche
2
z
Fz = F0  
h
und somit ist das Volumen gleich
h
⌠
2
F h


z

 F   dz = 0 .
 0h
3

⌡
0
Als Spezialfall erhält man deas Volumen eines Kreiskegels mit Grundradius r und Höhe h:
V=
r2 h π
3
Die Hülsenmethode
In vielen Fällen ist die Profilkurve so parametrisiert, daß die z-Koordinate als eine Funktion h( x )
der x-Koordinate gegeben ist, und nicht umgekehrt. Wenn diese Funktion nicht explizit
invertierbar, also z = h( x ) nicht nach x auflösbar ist, hat man mit der ersten Integralformel für
Rotationsvolumina schlechte Karten. In diesem Fall hilft eine zweite Methode, bei der man sich
Rotationskörper nicht aus Kreisscheiben,
sondern aus zylindrischen Hülsen aufgebaut vorstellt.
Statt des innerhalb der rotierenden Profilkurve liegenden Drehkörpers kann man natürlich auch den
außerhalb liegenden betrachten:
Wir greifen eine einzelne Hülse der Dicke dx heraus, die den mittleren Radius x und die Höhe h( x )
hat.
Das Volumen errechnen wir als Differenz der Volumina des äußeren und inneren Zylinders:
2
2

dx 

dx 
π  x +
 h( x ) − π  x −
 h( x ) = 2 π x h( x ) dx .

2 

2 
Damit haben wir für den Rotationskörper die
Zweite Integralformel für Rotationsvolumina
R
⌠
V( r, R ) = 2 π  x h( x ) dx
⌡
r
zwischen den Radien r und R , und zwar für das Volumen
innerhalb einer im positiven Bereich der Achse monoton fallenden oder
außerhalb einer im positiven Bereich der Achse monoton wachsenden Profilkurve.
Im negativen Bereich der Achse ist es umgekehrt.
Das Volumen innerhalb einer rotierenden, im positiven Bereich monoton wachsenden Profilkurve
bekommt man schließlich, indem man das Volumen des äußeren Rotationskörpers und das des
inneren Zylinders von dem Volumen des äußeren Zylinders abzieht:
R


⌠
2
2

VRest = π  R h( R ) − r h( r ) − 2  x h( x ) dx  .
⌡


r
Beispiel 4: Kelch oder Profile?
πx
 , -2 < x < 2
Obere Randkurve: f( x ) = 1 − cos
 2 
sin( 2 π x )
Untere Randkurve: g( x ) = − x +
, -2 < x < 2
6
Flächeninhalt des rechten Profils (untere Randkurve nach oben gespiegelt):
2
2
⌠
⌠
πx
sin( 2 π x )



 dx +  x +
FProfil = 
1
−
cos
dx = 2 + 2 = 4 .


 2 
6


⌡
⌡
0
0
Damit ist der Flächenhalt der Projektion des Kelches
FKelch = 42 − 8 = 8 , also ebenso groß wie die Restfläche.
Nun lassen wir die Profilkurve um die senkrechte Achse rotieren.
Um das Kelchvolumen nach der Formel
2
⌠
VKelch = π  r( z )2 dz
⌡
−2
zu berechnen, müßte man erst die beiden Teilfunktionen invertieren, also
πx
 bzw.
z = 1 − cos
 2 
sin( 2 π x )
z=−x+
6
nach x auflösen, was im oberen Fall auf
2 arccos( 1 − z )
x=
π
führt, im unteren Fall aber gar nicht elementar möglich ist. Und selbst das Integral für die obere
Hälfte
⌠

π


⌡
2
2
2
 2 arccos( 1 − z ) 
4 ⌠

 dz =
 [ arccos( 1 − z ) ]2 dz

π

π ⌡0
0
sieht ziemlich mühsam aus. Hier ist es eindeutig besser, die zweite Formel für Rotationsvolumina
zu benutzen:
2
⌠
V = 2 π  h( x ) x dx (mit h( x ) = f( x ) oben und h( x ) = g( x ) unten).
⌡
−2
Das Restvolumen des oberen Kelches ergibt sich mittels partieller Integration:
⌠

2π


⌡
2
x

 π x 
 1 − cos
  x dx = 2 π 
2

 2 
2
2

 −  4 x sin π x  


 2 
0
0
0
2
2
⌠
πx


 dx
4
sin
+

 2 

⌡
0
=4π+
16
.
π
Das obere Kelchvolumen beträgt somit
16
16
8π−4π−
=4π−
,
π
π
also deutlich weniger als die Hälfte des oberen Zylindervolumens 8 π.
Für das Restvolumen zum unteren Teil (Glocke) bekommen wir entsprechend
⌠

2π


⌡
2
0
=
2
2
2
⌠
 x3 

sin( 2 π x ) 
 x cos( 2 π x ) 
 cos( 2 π x )


 x +
 x dx = 2 π   − 
 + 
dx


6

3 

6

6

0
0
⌡
16 π
0
−
1
,
3
3
also für das Glockenvolumen selbst
16 π 1
8π−
+ ,
3
3
und insgesamt
VKelch =
20 π
3
−
16
π
+
1
3
.
Das ist ungefähr 16.18432618 , also weniger als ein Drittel des gesamten Zylindervolumens
16 π = 50.26548246 .
Beispiel 5: Archimedes und das Kugelvolumen
Wie schon der geniale Ingenieur Archimedes im 3. Jahrhundert vor Chr. wußte, ist bei gleicher
Höhe und Breite das Verhälnis der Volumina
Kegel : Kugel : Zylinder = 1 : 2 : 3 .
Da ein Zylinder mit Radius R und Höhe 2R das Volumen
2 R π R2 = 2 R3 π
besitzt, findet man für das Volumen des Kegels wiederum
2 R3 π
3
und für das der Kugel
4 R3 π
3
.
Da der junge Archimedes seinen "Beweis" dadurch erbracht haben soll, daß er den Zylinder in die
eine Waagschale sowie Kegel und Kugel zusammen in die in andere Waagschale einer
Balkenwaage legte, wurde er ob solch "niedriger" Beweismethoden von der Akademie verbannt!
Später fand er aber einen mathematischen Beweis, den die Ordnungshüter der Akademie nicht
mehr anfechten konnten. Leicht abgewandelt in moderne Sprache ergeben sich die Formeln für die
drei Körper als einfache Rotationsintegrale nach dem Scheibchenprinzip:
R
⌠
VZylind = π  R2 dz = 2 R3 π
⌡
−R
R
2 R3 π
⌠ 2
VKegel = π  z dz =
⌡
3
−R
R
4 R3 π
⌠
VKugel = π  R2 − z2 dz =
⌡
3
−R
Für die Gleichung
VZylind = VKegel + VKugel
braucht man die Integrale übrigens gar nicht auszuwerten. Ein Blick auf die Integranden genügt!
Beispiel 6: Volumina von Perlen
Durchbohren wir eine kugelförmige Perle zentrisch, so entsteht ein Bohrloch der Länge 2 L.
Wir stellen die durchbohrte Perle graphisch mittels Zylinderkoordinaten dar:
R = Radius, φ = Drehwinkel, z = Höhe
R2 − z2 = Abstand von der z-Achse (in der Höhe z)
Enge Bohrung: L =
9R
Weite Bohrung: L =
3R
10
4
Wir wollen jetzt das Volumen der durchbohrten Perle bestimmen, ohne viel zu rechnen (und ohne
den Radius R zu kennen!) Ein Schnitt orthogonal zum zylindrischen Bohrloch durch die Kugel in
der Höhe H liefert einen Kreisring.
Nach dem Satz von Pythagoras beträgt sein Innenradius
R2 − L2
und sein Außenradius
R2 − H2 .
Sein Flächeninhalt ist daher
π ( R2 − H2 ) − π ( R2 − L2 ) = π ( L2 − H2 )
und somit gleich der Fläche eines kreisförmigen Schnittes durch eine Kugel vom Radius L in der
gleichen Höhe H.
Wir bauen die durchbohrte Kugel aus flachen Kreisringscheiben auf.
Das Restvolumen der durchbohrten Kugel ergibt sich als Summation über solche Kreisscheiben, ist
also gleich dem Volumen einer Vollkugel der gleichen Höhe:
V=
4 π L3
.
3
Wir zeichnen vier Perlen gleicher Höhe übereinander. Alle haben das gleiche Volumen!
Beispiel 7: Das Ei des Kolumbus
Auf ähnlichem Wege gelangt man zu einer verallgemeinerung der Archimedischen Formel für das
Volumenverhältnis von Kegel zu Kugel. Wir lassen die Ellipse
x 2 + a 2 z2 = 1
um die z-Achse rotieren, wobei ein eiförmiger Körper entsteht. Entfernt man aus dem
Rotationsellipsoid mit Radius
f( a, z ) =
1 − a2 z2 in der Höhe z
den Kegel mit Radius
g( a, z ) =
1 − a2 z in der Höhe z,
so hat der Querschnitt durch den Restkörper in der Höhe z den Flächeninhalt
( f( a, z )2 − g( a, z )2 ) π = ( 1 − a2 z2 − ( 1 − a2 ) z2 ) π = ( 1 − z2 ) π
und das ist zugleich der Flächeninhalt eines Schnittes durch die Kugel mit Radius 1 in der Höhe z.
Der Parameter a kommt gar nicht mehr vor. Die entstehenden Rotationskörper haben also alle das
gleiche Volumen! Der Grenzfall a = 0 ergibt die Differenz von Zylinder und Kegel, während der
Grenzfall a = 1 gerade die Halbkugel liefert.