Bürokratie – An die Leine Die Situation in Bayern Sehr geehrte Süddeutsche-Redaktion, sehr geehrte Frau Zoch, Zunächst schicken wir Ihnen auf diesem Weg einen herzlichen Dank, für die redaktionelle Bearbeitung und Auseinandersetzung mit dem Chaos um die Umsetzung des §11 des Tierschutzgesetzes, die Hundetrainer betreffend in ihrem Artikel „Bürokratie – An die Leine“ vom 16.05.2015. Wir begrüßen das stetig wachsende Interesse der Öffentlichkeit, insbesondere vermittelt durch die Süddeutsche Zeitung, als äußerst politisch engagiertes und seriöses Printmedium. In dem Artikel wurde in aller Kürze sehr gut die aktuelle Problematik auf den Punkt gebracht. Kein Leichtes, bei einer derart komplexen Thematik, die wir nun seit ca. 1 Jahr begleiten, insbesondere um Änderungen und damit Verbesserungen zu bewirken. Unser Engagement aufzuklären, bezieht sich auf die Politik und die Medien, aber insbesondere auf die betroffenen Hundetrainer. So konnten aktive Zusammenschlüsse erreicht werden, die sich deutschlandweit unterstützen im gemeinsam erfahrenen Chaos, im „Kampf“ um Existenzen und im Bemühen um Anerkennung teils jahrzehntelanger, unbeanstandeter Erfahrung und Tätigkeit. Berichterstattungen im SPIEGEL, bei „Tiere suchen ein zu Hause“ und kleineren Zeitungen halfen uns, die Öffentlichkeit zu erreichen. Nicht einfach, bei einem so speziellen Thema mit einem doch so grundlegend sinnvollen und lobenswerten Ausgangsgedanken! Betrachtet man jedoch die (wirtschaftlichen und politischen) Hintergründe und Verquickungen näher, so wird deutlich, dass der Tierschutzgedanke schnell ins Abseits rückt. Im Interesse und Fokus der Süddeutschen Zeitung liegt sicherlich das Procedere in Bayern. Im Folgenden möchten wir die aktuelle Gelegenheit nutzen, um der SZRedaktion unsere, doch mittlerweile komplexen, Erkenntnisse nahezubringen: Die Situation in Bayern (erläutert durch Thomas Fichte, Mitglied der AG bayerischer Hundetrainer): In Bayern wird im bundesweiten Vergleich die konsequenteste und „härteste“ Schiene gefahren. Hier wird nur als sachkundig anerkannt, wer bestimmte, konkrete Voraussetzungen erfüllt. Anerkannt wurden in Bayern nur Personen, die über eine der folgenden Qualifikationen verfügen. Zertifizierung Tierärztekammer Niedersachsen Zertifizierung Tierärztekammer Schleswig Holstein Zertifizierung der IHK Potsdam/ BHV Approbation als Tierarzt 1 Öffentlich bestellte Hundesachverständige2 Diese Vorgaben sind laut eines ministerialen Schreibens strikt einzuhalten. Das bedeutet, dass folgenden Personengruppen Prüfern/Ausbildern von Rettungshunden anerkannten Ausbildern von Blindenhunden jahrelang anstandslos arbeitenden HundetrainerInnen 3 langjährigen Ausbildern von anerkannten Hundevereinen Tierheimleitern die mit Hunden arbeiten Therapiehundeausbildern (Auf eine weitere Aufzählung qualifizierter Personengruppen verzichten wir hier) „über Nacht“ die Qualifikation zur Ausübung der Tätigkeit abgesprochen wurde und sie somit erstmal pauschal als ungeeignet empfunden werden, Hunde weiterhin auszubilden. Das Bayerische Staatsministerium beruft sich dabei auf vermeintlich bindende Vorgaben des Bundesgesetzgebers, dass dieser keinen Bestandsschutz vorgesehen hat.4 Dies ist, genau betrachtet, reine Auslegungssache! Der Bundesgesetzgeber hat zwar Empfehlungen zur einheitlichen Umsetzung des § 11 Abs. 1 Ziffer 8f TSchG. an die Länder gerichtet. Diese Richtlinien wurden jedoch wiederum von der „Arbeitsgruppe Tierschutz der Länderarbeitsgemeinschaft“ aufgestellt, die unserem Wissen nach hauptsächlich aus Veterinärmedizinern besteht. Das erklärt auch warum anfangs nur die Tierärztekammern, Tierärzte und die IHK /BHV5 anerkannt wurden. Ein Blick auf die anzuwendende Allgemeine Verwaltungsvorschrift (AVV) 6 zur Durchführung des Tierschutzgesetzes, lässt wiederum einen Bestandsschutz, bzw. die Berücksichtigung langjähriger Tätigkeit zu. 12.2.2.2 Die für die Tätigkeit erforderlichen fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten sind in der Regel anzunehmen, wenn die verantwortliche Person 1 eine abgeschlossene staatlich anerkannte oder sonstige Aus- oder Weiterbildung absolviert hat, die zum Umgang mit den Tierarten befähigt, auf die sich die Tätigkeit erstreckt, oder Addendum mit UMS vom 11.12.2014: sofern eine mehrjährige Beschäftigung mit dem Verhalten von Hunden belegt ist. In einigen offiziellen Schreiben wird selbst noch dieses Jahr nur der Tierarzt genannt. 2 Diese Personengruppe wurde auch erst später hinzugefügt. Anlage 01-Anfrage_von_ Muetze.pdf 3 Vereine dürfen seit dem 01.08.2015 nur noch Kurse an Nichtmitgliedern anbieten, wenn sie diese deutlich unter den marktüblichen Preisen von gewerblichen Hundeschulen liigen (Anm.: rechtlich wahrscheinlich nicht haltbar). 4 1-Anfrage Hundeschulen mit Antwort.pdf 5 Berufsverband der Hundeerzieher/innen und Verhaltensberater/innen e.V. http://www.bhv-net.de/ 6 http://www.verwaltungsvorschriften-im-internet.de/bsvwvbund_09022000_32135220006.htm auf Grund ihres bisherigen beruflichen oder sonstigen Umgangs mit Tieren, beispielsweise durch langjährige erfolgreiche Haltung der betreffenden Tierarten, die für die Tätigkeit erforderlichen fachlichen Kenntnisse hat………. Bei dem Thema „Bestandsschutz“ beruft sich die Bayerische Staatsregierung jedoch auf die Ziffer 12.2.2.3 der AVV, die wie folgt lautet: 12.2.2.3 Die zuständige Behörde kann verlangen, dass unter Beteiligung des beamteten Tierarztes und erforderlichenfalls weiterer Sachverständiger im Rahmen eines Fachgesprächs der Nachweis über die erforderlichen fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten hinsichtlich Haltung, Pflege und Unterbringung der betreffenden Tierarten geführt wird (§ 11 Abs. 2 Nr. 1). Ein solches Gespräch ist insbesondere dann zu verlangen, wenn die für die Tätigkeit verantwortliche Person keine abgeschlossene staatlich anerkannte oder sonstige Aus- oder Weiterbildung absolviert hat, die zum Umgang mit den entsprechenden Tierarten befähigt. Hier reden wir von einer KANN-Regelung, im Sinne einer Empfehlung. Die uns bekannten bayerischen HundetrainerInnen besuchen jedoch regelmäßig Aus- oder Weiterbildungen. Weiter ist zu beachten, dass es den staatlich anerkannten Beruf des Hundetrainers gar nicht gibt. Selbst das oben angeführte Zertifikat der IHK Potsdam /BHV. 7 ist nicht staatlich anerkannt. Aus diesem Grund versammelten sich am 03.01.2015 15 Hundetrainer aus ganz Bayern, um sich gegen die Aberkennung ihrer Qualifikation zu wehren und ihre Rechte und Pflichten im Rahmen der Novellierung zusammenzufassen. Von diesem Treffen unabhängig wurde von meiner Person (Thomas Fichte) der Ministerpräsident Horst Seehofer über die Landesleitung der CSU per Mail 8 erstmals kontaktiert, diese Mail diente dazu, mir/uns die Tür in die Politik zu öffnen. Auf dieses Schreiben hin erhielt ich am 15.01.2015 einen Telefonanruf aus der Landesleitung der CSU und die Übermittlung von zuständigen Kontaktinformationen für eine genaue Darlegung unserer Kritik an der Umsetzung des § 11 Abs. 1 Ziffer 8f TSchG. Daraufhin erfolgte ein weiteres Treffen der bayerischen Hundetrainer, um dieser Einladung zu folgen und ein Schreiben mit unserer Kritik zu besprechen und aufzusetzen. Da die Ausarbeitung dieses Schreibens einige Zeit in Anspruch nahm, habe ich vorab durch meine Person am 25.01.2015, erneut über die Landesleitung der CSU per Mail meine Einwände und Bedenken zur Anwendung des rechtlich umstrittenen D.O.Q.-Test Pro© formuliert. Dieses „D.O.Q.-Test Pro©“-Schreiben wurde bis heute nicht beantwortet. Am 11.02.2015 konnte das durch die AG bayerischer Hundetrainer, der aktuell nunmehr 150 bayerische Hundetrainer angehören, verfasste „Kritik“-Schreiben über die Landesleitung CSU an Herrn Ministerpräsidenten Horst Seehofer fertiggestellt und versendet werden. 7 8 http://www.vdtt.org/aktuelles/280-ihk-lehrgaenge-nicht-immer-staatlich-anerkannt Anlage 1-Schreiben_Herr Seehofer.pdf In diesem Schreiben sind unsere Kritikpunkte bezüglich des Gesetzgebungsverfahrens und der Prüfung sachlich aufgegliedert und belegbar beschrieben worden. Explizit wurde in dem Schreiben darauf hingewiesen, dass einer Weiterleitung an ein untergeordnetes Ministerium keine Beachtung geschenkt wird. Da wir zwischenzeitlich über eine andere, politikinterne Quelle erfahren hatten, dass dieses Schreiben angeblich nicht weitergeleitet, bzw. irgendwo „hängengeblieben“ war, habe ich am 17.03.2015 aus Frust und politischer Hilflosigkeit eine entsprechend direkte Email an die Landesleitung CSU geschrieben, für die ich mich später entschuldigte. 9 Aufgrund dieser Email erhielten wir mit dem Datum vom 09.04.2015 eine Antwort von der Bayerischen Staatskanzlei. 10 In diesem Schreiben wurde darauf verwiesen, dass unser Schreiben an das zuständige Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz weitergeleitet wurde. Von diesem Ministerium erhielten wir am 30.04.2015 nach nochmaliger Nachfrage (siehe weiter unten) eine nichtssagende Antwort, die am Ende eher in eine Diffamierung übergeht. 11 Auf dieses Schreiben antworteten wir postalisch mit unserem Schreiben vom 10.05.2015. 12 Zeitgleich ging ein Schreiben an die Bayerische Staatskanzlei raus. Zwischenzeitlich erreichten uns immer wieder Meldungen, in denen das StMUV Anfragen von Mitgliedern der AG bayerische Hundetrainer beantwortete. Da diese Auskünfte belegbar nicht den praktizierten Tatsachen entsprachen, haben wir zusätzlich direkt am 29.03.2015 per Email eine Anfrage bezüglich der verschwiegenen, nicht erwünschten Einzelfallprüfungen an das Staatsministerium gestellt.13 14 Beantwortet wurde uns diese Anfrage mit dem Schreiben vom 24.04.2015. 15 Unserer Erkenntnis nach wurde die Anfrage wieder wissentlich falsch und das eigene Procedere rechtfertigend beantwortet. Da es sich um belegbare Informationen handelt, die nicht im Sinne der bayerischen, konsequenten Umsetzungspolitik waren, nahmen wir erneut Stellung zu dieser Antwort aus dem STMUV mit der Email 16 vom 29.04.2015. In der Email stellten wir klar, dass die Antwort, die wir erhalten haben, sich nicht mit den uns vorliegenden Informationen deckt. Weiterhin verwiesen wir auf die o.g Antwort auf unser Schreiben an MP Horst Seehofer. Weiter wurden über die Facebook-Seite der CSU immer wieder Fragen bezüglich der Umsetzung des § 11 Abs. 1 Ziffer 8f TSchG gestellt.17 9 5-Email_an_CSU_Landesleitung.pdf 6-antwort_Regierung.pdf 11 7-antwort_marschner_Regierung.pdf 12 11-antwort_auf_Schreiben_20150430.pdf 13 8-email_20150329.pdf 14 1-Anfrage Hundeschulen mit Antwort.pdf 15 10-antwort_marschner_email_20150329.pdf 16 11-email_20150428.pdf 10 Die CSU antwortete am 14.04.2015 wie folgt: CSU (Christlich-Soziale Union) Lieber Thomas Fichte, vielen Dank für die vielen Fragen zum Thema Tierschutz und Hundeschulen. Da es sich um sehr spezielle Themen handelt, wären wir sehr dankbar, wenn Du eine Mail an [email protected] schreiben könntest, damit wir Dir möglichst bald eine zufriedenstellende Antwort geben können. Daraufhin sendeten wir per Email am 14.04.2015 unseren offenen Brief 18 vom 12.04.2015 an die Landesleitung der CSU. Der Eingang unserer Email wurde uns am 15.04.2015 bestätigt mit der Bitte um Geduld, da aufgrund der Komplexität des Anliegens die Bearbeitung einen gewissen Zeitraum in Anspruch nehmen wird. 19 Summa summarum lässt sich sagen, dass Fragen an das STMUV bezüglich der Thematik situationsschönend oder gar nicht beantwortet werden. Anfragen, die von Abgeordneten an den Bayerischen Landtag gestellt werden, werden ebenfalls nur unzureichend oder den Tatsachen, angepasst an die eingeschlagenen Wege, beantwortet. Jeder in der CSU windet sich zurzeit um handfeste, klare Aussagen, auf die man Bezug nehmen könnte. Siehe unseren offenen Brief, der bis heute nicht beantwortet wurde. Obwohl das Gesetz im ursprünglichen Sinne überaus begrüßenswert ist, wird es unserer Ansicht nach unterwandert von einer Lobbygruppe, die mit Unterstützung der Regierung daraus Kapital schlägt. Natürlich ist dieser Blickwinkel eingefärbt durch die Sicht der Betroffenen, aber die Betrachtung der Fakten, die Recherche im Rahmen der personellen Zusammenhänge, lässt auch objektiv kaum einen anderen Schluss zu. Interessanter wird dies zusätzlich, wenn man sich die Zusammensetzung der „Arbeitsgruppe Tierschutz der Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz“ vor dem Hintergrund eines Schreibens 20 von einem befreundeten Hundetrainer aus dem hohen Norden betrachtet. Dies zu lesen, möchten wir herzlichst einladen. Im Rest von Deutschland sind weitere Auswüchse der chaotischen Umsetzungspraxis zu beobachten. Diese in einem bereits schon sehr komplexen, informativen Anschreiben zusätzlich auszuführen würde den Rahmen der Übersichtlichkeit deutlich sprengen. 2 kurze Beispiele: 17 Der Sachverständigenstatus NRW und die damit verbundene, dortige und umgehende Erlaubniserteilung, wird in den übrigen Bundesländern nicht anerkannt Die personelle Veränderung in einem Veterinäramt hatte zur Folge, dass das zunächst eingeforderte, unverhältnismäßige Überprüfungsprocedere (3-teilig bestehend aus Computertest, theoretischem und praktischem Teil) in ein moderates Überprüfen des tierschutzbezogenen Wissens und einer Besichtigung des Geländes abgeändert wurde. 12-fragen_facebook.pdf 12-Offener_brief_CSU.pdf 19 13-Antwort_CSU_Facebook.pdf 20 14-Wie geht es weiter.pdf 18 Für weitere, auch personenbezogene Informationen, legen wir Ihnen und der Redaktion die Schilderungen und Erfahrungsberichte auf der Internetseite www.sachkunde-hundetrainer.info nahe. Zusätzlich finden Sie und die Redaktion in der verfassten Petition (https://www.openpetition.de/petition/online/hunde-brauchen-schutz-ihre-trainerauch-hundetrainer-fordern-einheitliche-umsetzung-der-erlaubnis verfasst u.a. von der Absenderin Annika Spiegel) weitere Informationen, Ziele und Änderungsvorschläge, mit denen wir aktuell die Öffentlichkeit erreichen und über die Hintergründe des Gesetzes informieren und aufklären möchten. Aber eben auch in der Politik, bei Behörden und bei IHNEN, den Medienvertretern wollen wir ein Signal setzen. Nach Ablauf der Zeichnungsfrist wird die Petition bei den Landtagen der Bundesländer eingereicht werden. Wir, als Vertreter der AG bayerischer Hundeschulen und der AG Hundetrainer NRW, bedanken uns für das Interesse bis hierher und stehen für Rückfragen und weitere Informationen jederzeit und gerne zur Verfügung. Mit dieser Informationsflut wünschen wir ihnen allen einen guten Start in die Woche und verbleiben mit freundlichen Grüßen Annika Spiegel Arbeitsgemeinschaft Hundetrainer NRW Thomas Fichte Arbeitsgemeinschaft bayerischer Hundetrainer
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