EUREPORTsocial, Ausgabe 3/2015

DAS EUROPÄISCHE NACHRICHTENMAGAZIN DER DEUTSCHEN SOZIALVERSICHERUNG
3 / 2015
März
23. Jahrgang
Aus dem Inhalt:
o
EU-Gremien beraten über die „Europäische Investitionsunion“
o
Europäischer Rat forciert den Freihandel mit Georgien, Moldawien und Ukraine
o
Ministerrat einigt sich auf allgemeine Grundsätze beim Datenschutz
o
Deutsche Bundesbank: EU-Kommission soll Überwachung
der Staatshaushalte an neue europäische Fiskalbehörde abgeben
o
Tschechische Schuldenbremse soll Renten und Bezüge senken können
o
Griechische Regierung löst Rücklagen der Sozialversicherung auf
o
Weltgesundheitsorganisation bemüht sich um mehr Impfungen gegen Masern
o
ESIP-Konferenz, Brüssel, 4. Juni 2015:
„Europas Sozialversicherungssysteme: Sind sie zukunftsfähig?“
o
G7 Initiative für weltweiten Arbeitsschutz
Périodique mensuel, ne paraît pas en janvier, avril, juillet et septembre. Bureau de dépôt: Bruxelles X
3/2015
Brüssel, 24. März 2015
EDITORIAL
Sehr geehrte Leser!
Einmal mehr sorgt die griechische Schuldenkrise
für teilweise spektakuläre Medienberichte. Nach
einer wochenlangen Zuspitzung mit bedenklichen
pauschalierenden Vorwürfen könnte der jüngste Antrittsbesuch des neugewählten griechischen Premierministers Alexis Tsipras bei der Bundeskanzlerin
immerhin dazu geführt haben, dass man beginnt, die
aktuelle Problemlage sachgerecht und auf den dafür
diplomatisch üblichen Pfaden in Zusammenarbeit
anzugehen. Ob sich dies so darstellen wird, ist allerdings nicht unbedingt sicher. Fest steht jedoch, dass
die Wiederkehr der kurzfristigen Rettungsbemühungen für ein heftig überschuldetes Land in alarmierender sozialer Schieflage viel politische Kraft raubt, die
eigentlich strategischer Zukunftssicherung zuzuführen wäre. Eine der Ursachen für die Schärfe der Vorwürfe ist gewiss dem Umstand geschuldet, dass die
sozialökonomische Perspektivlosigkeit der verarmenden und bereits verarmten Schichten in Griechenland
eher als von außen zugefügtes Übel, denn als Resultat nationaler sozialökonomischer Fehler der Vergangenheit verstanden wird. Die Leistungsfähigkeit eines
Sozialschutzsystems hängt in hohem Maß davon ab,
wie stabil die eigene Volkswirtschaft ist und wie effizient und sachgerecht das System verwaltet wird.
Entsprechende Signale aus Griechenland vermitteln
hier oft Widersprüchliches. Sie boten auch Anlass zur
Kritik, insbesondere aus anderen EU-Staaten, etwa
Estland, wo die sozialrechtlichen Standards eindeutig
niedriger sind. Das epochale Friedenswerk Europa
ist derzeit in vielfältiger Art und Weise belastet. An
vielen Orten regt sich Protest, gelegentlich auch radikaler Wesensart, und möchte die verunsicherten oder
verärgerten Bürgerinnen und Bürger mit teilweise
aggressiven Botschaften für sich einnehmen. Klopft
man derlei Vorschläge auf tatsächliche Lösungsansätze ab, wird man selten fündig. Stattdessen finden
sich alte und neue Feindbilder, Pauschalverurteilungen und Parolen. Mit Spannung erwartete man deshalb auch im Ausland die erste Runde der französischen Regionalwahlen. Hier hatten erste Umfragen
noch auf einen überwältigenden Sieg der rechtsextremen „Front National“ gesetzt. Am Ende konnte das
konservative Bündnis um Nicolas Sarkozy den Urnengang für sich entscheiden, wiewohl der „FN“ noch
vor den Sozialisten auf den zweiten Platz kam. Auch
hier nahmen Arbeitsmarktpolitik und Sozialfragen
einen wichtigen Raum ein. Dies unterstreicht erneut
die Bedeutung des Sozialschutzes für den sozialen
Frieden. Subsidiarität, verstanden als nationalstaat2
liche Gestaltung des Sozialrechts und seiner Praxisstrukturen, gewinnt an Bedeutung in einer Zeit, die
ein immer weiteres Auseinanderklaffen der sozialen
Versorgungsrealitäten in der EU zeigt. Subsidiarität
ist auch direkt proportional zum Erfolgsgrad unseres
deutschen Sozialmodells in relativer Staatsferne und
Selbstverwaltung. Ein EU-Einheitsmodell des Sozialschutzes ist weder erstrebenswert noch realistisch.
Sein Leistungsniveau auf dem kleinsten gemeinsamen volkswirtschaftlichen Nenner der EU-Staaten
würde niemanden befriedigen, jedoch höchstwahrscheinlich viele enttäuschen. Subsidiaritätsbewahrung ist folgerichtig nicht pauschale EU-Gegnerschaft
sondern ein subtiler und bewährter Weg zur belastbaren Sicherung des generationsübergreifenden sozialen Konsenses. Deutschland wird, gerade im Lichte
der Euroverbilligung, auch künftig als Exportmotor
der EU seine High-End Technologieprodukte und andere Qualitätserzeugnisse weltweit absetzen. Dieses
Wachstum sichert heimische Arbeitsplätze und Beitragseinnahmen der Sozialversicherungsträger ebenso, wie die Steuereinkünfte des Staates. Noch niemals zuvor in der Wirtschaftsgeschichte konnte sich
eine Volkswirtschaft so günstig auf dem Kapitalmarkt
refinanzieren. Die Anstrengungen der EU-Politik dürften sich vermehrt der Wachstumsstimulation an anderen Orten zuwenden. Diese ist ebenso geboten, wie
gehalten, die soziale Dimension nicht zu verkennen.
Sozialpolitik ohne wirtschaftliche Grundlage ist weder
nachhaltig noch realistisch. Wachstum um den Preis
der sozialen Verelendung bedeutet eine Gefahr für
die Demokratie. Die Synthese aus beiden Handlungsfeldern hingegen war und ist eine wirtschaftshistorische Errungenschaft. Als Deutschland aus Trümmern
aufstieg, nannte man dies das „Wirtschaftswunder“.
Die ursächliche Politik war diejenige der „sozialen
Marktwirtschaft“ – sozialrechtlich mitgestaltet von den
Sozialpartnern und einer dazu bereiten Politik. Es ist
mit Händen zu greifen, dass eine solche Politik versuchen wird, ideologiefrei und zweckorientiert Problemfelder zu definieren und nach ökonomisch tragbaren,
bestmöglichen Lösungswegen zu suchen. Griechenland und andere Krisenstaaten mussten erleben, was
es heißt, oft nur Klientelpolitik für „übermorgen“ zu
machen, statt zukunftsfeste Wege zu beschreiten.
Deutschland hat seit 2010 in großem Umfang dazu
beigetragen, dass die Gemeinschaftswährung erhalten blieb und – dies ist zu betonen – nach wie vor
eine hohe Kaufkraft hat. Dies geschah im Weg von
Übereinkommen, deren Einhaltung mithin von grundsätzlicher Bedeutung für die Zukunft sein dürfte.
Ihr
Günter Danner
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Europäisches Parlament
Entschließung zum
Europäischen Semester
Am 11. März verabschiedete das Europäische Parlament seine Entschließung zum
„Europäischen Semester für die Koordinierung der Wirtschaftspolitik und zum Jahreswachstumsbericht 2015.“ Entsprechend
der thematischen Breite des Europäischen
Semesters geriet auch die Entschließung
recht weitschweifig, allerdings ohne größere
Überraschungen. An die Feststellung, dass
nur 9% der länderspezifischen Empfehlungen umgesetzt worden seien, knüpft sich die
Forderung an, die nationalen Parlamente
stärker in die Verantwortung einzubeziehen.
Die Aussagen zur Finanzierung der sozialen
Sicherheit sind in sich nicht immer stimmig.
Zwar sollen „die Löhne zur nachhaltigen Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme
beitragen“. Auf der anderen Seite sei „die
Steuerlast von der Arbeit weg zu verlagern“,
ja sogar „eine Senkung der Steuern und Sozialabgaben in Betracht zu ziehen“, um private Investitionen zu stimulieren.
Europäische Investitionsunion
Am 17. Februar hat der Rat den Vorschlag
eines „Europäischen Fonds für strategische
Investitionen“ (EFSI) erörtert und wird ihm
voraussichtlich noch im März zustimmen.
Mit seiner Hilfe sollen 315 Mrd. Euro mobilisiert werden, wobei im Wesentlichen private
Investoren aufgerufen sind, ihren Beitrag zu
leisten. Naturgemäß ist es sehr umstritten,
wofür genau die Mittel eingesetzt werden
sollen. Eine selbst ernannte Expertengruppe der so genannten „Freunde Europas“ –
bestehend aus ehemaligen hochrangigen
Kommissionsbeamten und Europa-Parlamentariern – hat sich in einem Bericht vom
23. Februar in de Debatte eingemischt und
gefordert, dass auch die soziale Eingliederung benachteiligter Personengruppen
unterstützt wird, etwa durch Bildung und
Training. Es sei nicht genug, sich auf die
langfristige ökonomische Wirksamkeit der
Ausgaben zu konzentrieren. Investitionen in
das Humankapital müssten gleichberechtigt
neben Investitionen in Infrastrukturen treten.
Der Entschließungsantrag des Beschäftigungsausschusses des Europäischen Parlaments zum Europäischen Semester vom
5. März (Berichterstatter: Sergio Guitérrez
Prieto) wünscht ebenfalls einen breiteren
Einsatz des Investitionsfonds. Die Investitionen sollten nicht nur am Ziel gemessen werden, später einmal einen Ertrag abzuwerfen,
sondern sollten einen sozialen Mehrwert
erzeugen, einschließlich sozialer Eingliederung, Armutsbekämpfung, etwa durch
Sozialschutzsysteme und soziale Dienste.
Im Plenum konnte sich diese Auffassung
allerdings nicht durchsetzen, im Gegenteil:
In der Entschließung des EP vom 11. März
zum europäischen Semester „besteht“ die
Mehrheit darauf, dass die im Rahmen des
EFSI bereit gestellten Mittel für die Finanzierung von Projekten verwendet werden
sollte, „die eine Rendite abwerfen“ und nicht
an die Stelle nationaler Mittel treten, „die in
den Konsum gehen würden“. Interessant ist
in diesem Zusammenhang vom Parlament
wahrgenommene Feststellung, dass schon
heute die von den europäischen Strukturund Investitionsfonds getätigten Ausgaben
im Durchschnitt 10% aller öffentlichen Investitionen ausmachen, in manchen Mitgliedstaaten sogar bis zu 80%.
Antibiotikaresistenz
Das Europäische Parlament sowie die Europäische Kommission haben Berichte zur
Bekämpfung der antimikrobiellen Resistenz
veröffentlicht. In dem vom Parlament veröffentlichten Entwurf gilt die Priorität der Sicherheit von Patienten, damit diese keine
Erfahrungen mit möglichen Folgeschäden
nach einer Behandlung machen müssen. Es
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werden eventuelle Ursachen dargelegt, die Berichtsentwurf des Parlaments:
eine Gesundheitsbedrohung von Patienten h t t p : / / w w w . e u r o p a r l . e u r o p a . e u /
wahrscheinlich machen, wie beispielsweise s i d e s / g e t D o c . d o ? p u b R e f = - / / E P / /
das Fehlen von Frühwarn- oder Überwa- N O N S G M L + C O M P A R L + P E chungssystemen, ein unangemessener Ge- 5 4 9 . 1 2 4 + 0 1 + D O C + P D F + V 0 / /
brauch von Medikamenten bzw. Antibiotika, DE&language=DE
da daraufhin Resistenzen hervorgerufen
werden können oder die in einigen Ländern Fortschrittsbericht der Kommission:
vollzogene Praktik Arzneimittel außerhalb http://ec.europa.eu/health/antimicrobial_
resistance/docs/2015_amr_progress_report_
der festgesetzten Dosierung zu verschreien.pdf
ben. Aus diesem Grund sei es von Bedeutung, dass Gesundheitssysteme nicht von
Sparmaßnahmen betroffen und VorkehrunEURES soll umfassend über
gen zur Überwachung von eventuellen GeSozialversicherung informieren
fahren getroffen werden. Damit die Antibiotikaresistenz eingedämmt werden könne, Am 26. Februar beschloss der Parlamentsmüssten Hygienemaßnahmen getroffen, die ausschuss für regionale Entwicklung (REVerwendung von Arzneimitteln gemäßigt GIO) seine Stellungnahme für den Ausschuss
und die Forschung im Bereich der Antibiotika für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten betreffend den „Vorschlag für eine Vervorangetrieben werden.
ordnung des Europäischen Parlaments und
Die Kommission hat einen Zwischenbericht des Rates über ein Europäisches Netz der
über den fünfjährigen Aktionsplan gegen die Arbeitsvermittlungen, den Zugang von Arsteigenden Bedrohungen durch Antibioti- beitskräften zu mobilitätsfördernden Dienskaresistenzen (AMR) publiziert. Es wurden ten und die weitere Integration der Arbeitsdie bisherigen Fortschritte der zwölf Maß- märkte“ (KOM/2014/006); Verfasserin der
nahmen im Aktionsplan im Bereich der AMR Stellungnahme: Viorica Dăncilă. U.a. schlägt
zusammengefasst. Beispielsweise werden, REGIO zu Artikel 7 Absatz 3 Buchstabe a
um die erste Aktion, also die Förderung der die Ergänzung vor, dass die Begünstigten,
angemessenen Anwendung von Antibio- die vom EURES-Netz ein Stellenangebot
tika, durchführen zu können, Studien von bekommen, über die Gebühren und Steuern
der Union finanziert um die Treiber hinter informiert werden, die in anderen Mitgliedder Erlangung von Antibiotika ohne ärztli- staaten zu entrichten sind, damit sie die Entche Verschreibung zu identifizieren. Außer- scheidung darüber, ob sie das Stellenangedem ist, um Überwachungssysteme in der bot annehmen möchten, in voller Kenntnis
Nahrungskette zu verstärken, ein Durchfüh- der Sachlage treffen können.
rungsbeschluss (2013/652/EU) der Kommission in Kraft getreten, der harmonisierte
Überwachungssysteme in Europa, die Vergleichbarkeit zwischen den Mitgliedstaaten
und Menschen sowie Veterinärbereichen
gewährleistet und die Beaufsichtigung der
Muster der Mehrfachresistenz in der Union
erleichtert. Laut den Schlussfolgerungen soll
AMR auch nach 2016 eine Priorität darstellen.
4
Gemäß Änderungsantrag 62 soll dem Artikel 19 der neue Absatz 1 a mit folgendem
Wortlaut hinzugefügt werden: „Alle Arbeitssuchenden haben Anspruch auf umfassende Informationen hinsichtlich der arbeitsrechtlichen Bedingungen wie beispielsweise
Rentenansprüche, Sozialversicherung oder
Krankenversicherung, im Land und am Ort
der Arbeitsstelle.“ Begründet wird diese Ergänzung mit der erheblichen Bedeutung der
Informationen für den Arbeitssuchenden.
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REGIO-Stellungnahme:
Institutionen an Entscheidungsabläufen teilhttp://www.europarl.europa.eu/RegData/
nehmen und ihnen finanzielle Mittel zur Becommissions/regi/avis/2015/539800/REGI_
kämpfung der Armut zur Verfügung gestellt
AD(2015)539800_DE.doc
werden. Eine neue Statistik, die sich auf das
Jahr 2013 bezieht, zeigt auf, dass das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen in der
Strategie nach 2015 gegen DiskrimiEU im Durchschnitt bei 16,4 Prozent liegt. In
nierung von Frauen und Männern
Deutschland haben Frauen 2013 zwar über
Der EP-Ausschuss für Beschäftigung und ein Fünftel weniger verdient, jedoch ist das
soziale Angelegenheiten hat einen „Entwurf nicht der schlechteste Wert, denn Estland
einer Stellungnahme zur Strategie der EU für weist mit 29,9 Prozent das höchste Lohngedie Gleichstellung von Männern und Frauen fälle in der gesamten EU auf.
nach 2015“ vorgelegt. Darin wird u.a. auf
den Ausfall von 24 Millionen Beschäftigten
Rat der Europäischen Union
bis zum Jahr 2040 aufmerksam gemacht,
was das Erfordernis einer Integration von
Frauen in den Arbeitsmarkt bekräftigt. DaEuropäischer Rat forciert Freihandel
rüber hinaus würde die Gleichstellung von
mit Georgien, Moldawien, Ukraine
Männern und Frauen das Bestreben, eine
Erwerbsquote von 75 Prozent zu erreichen Am 19. März 2015 forcierte der Europäische
sowie nachhaltige Rentensysteme zu erhal- Rat das Vorhaben, mit einigen südlichen
ten, begünstigen. Außerdem wird ausdrück- und östlichen EU-Nachbarn intensivere
lich festgehalten, dass eine gleichberechtig- Handelsbeziehungen einzugehen. Im Hinte Stellung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt blick auf die östlichen Partner soll dies durch
großenteils durch eine Vereinbarkeit von Be- die schnellstmögliche Ratifizierung der Asruf und Familie zustande komme. Aufgrund soziierungsabkommen bzw. der Abkommen
dessen sollen Förderinitiativen für die Mitwir- über vertiefte und umfassende Freihandelskung von Männern im Haushalt und Rege- zonen mit Georgien, Moldawien und der Uklungen zu flexiblen Arbeitszeiten ermöglicht raine erreicht werden.
werden. Die abschließenden Ausführungen
in der Stellungnahme beschäftigen sich mit
Länderspezifische Empfehlungen
der Bekämpfung von Armut und der Wichtigkeit, die Vergabe von Spitzenpositionen In seinen Schlussfolgerungen vom 9. März
gleichmäßig auf beide Geschlechter zu ver- zum Jahreswachstumsbericht und zum
teilen.
Gemeinsamen Beschäftigungsbericht hat
Unterdessen hat der EP-Ausschuss für die
Rechte der Frau und die Gleichstellung der
Geschlechter ein Arbeitsdokument veröffentlicht, in dem betont wird, dass jegliche
Diskriminierung von Männern und Frauen
beseitigt werden müsse. Es wird u.a. hervorgehoben, dass Mobbing und andere Formen
der Gewalt gegenüber Frauen verhindert
werden müssen, das Lohngefälle einzudämmen sowie Strategien zu entwickeln, damit
Frauen Beruf und Familie besser vereinbaren könnten. Weiterhin sollen mehr Frauen in
der Rat neben zahlreichen routinemäßigen
Empfehlungen die EU-Kommission unter anderem aufgefordert, sich „bei den länderspezifischen Empfehlungen auf die vorrangigen
Bereiche zu konzentrieren und hinsichtlich
der Durchführung der Maßnahmen keine zu
präzisen Vorgaben zu machen“. Diese moderate Gangart schlägt sich zum Beispiel in
den rentenpolitischen Aussagen nieder. Statt
der üblichen Kommissions-Forderung einer
automatischen Anpassung des Rentenalters
an die verlängerte Lebenserwartung findet
5
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sich in den Schlussfolgerungen folgender
Hinweis: „Den Mitgliedstaaten sollte ausreichend Raum gelassen werden, damit sie
gemäß ihre nationalen Gegebenheiten und
Prioritäten die politischen Maßnahmen festlegen können, die am relevantesten sind, um
ein angemessenes Verhältnis zwischen dem
Berufsleben und dem Leben nach der Pensionierung sicherzustellen“.
Datenschutz-Grundverordnung:
Rat einigte sich auf
allgemeine Grundsätze
Wieder konnte ein Fortschritt bei den Verhandlungen zur Datenschutz-Grundverordnung erreicht werden. Im Rat der Justiz- und
Innenminister am 12. und 13. März 2015
verständigten sich die 28 Mitgliedstaaten auf
eine partielle allgemeine Ausrichtung zu den
Kapiteln in Bezug auf die Grundsätze für den
Schutz personenbezogener Daten (Kapitel II)
sowie in Bezug auf das Prinzip der zentralen
Kontaktstelle (Kapitel VI und VII).
In Bezug auf die allgemeinen Grundsätze der
Datenverarbeitung haben die Minister eine
Reihe von Grundsätzen zur rechtmäßigen,
gerechten und transparenten Datenverarbeitung gebilligt. Die Verarbeitung personenbezogener Gesundheits- und Sozialdaten ist
ein besonders sensibler Bereich. Dabei entschied der Rat – anders als die EU-Kommission – die Verarbeitung personenbezogener
Gesundheits- und Sozialdaten nicht in Kapitel
IX „Vorschriften für besondere Datenverarbeitungssituationen“, sondern in den Grundsätzen der Verordnung zu regeln (Kapitel II). Art.
9 regelt eine generelle Ausnahme für die Verarbeitung personenbezogener Gesundheitsund Sozialdaten, soweit diese aus dem Recht
der sozialen Sicherheit und des Sozialschutzes erwachsen. Damit soll die Sozialversicherung weiterhin ihre Daten verarbeiten können.
Der Ministerrat erzielte insgesamt aber nur
eine partielle Einigung zur Datenschutz6
Grundverordnung, weitere Kapitel müssen
noch verhandelt werden. Hierzu zählt insbesondere das umstrittene Kapitel über die
Rechte der betroffenen Personen.
Der Rat strebt an, bis zur Sommerpause 2015
einen gemeinsamen Standpunkt zur Datenschutz-Grundverordnung zu finden. Danach
könnten die Triloge zwischen EU-Kommission, EU-Parlament und dem Rat der EU starten. Mit der Reform des Datenschutzrahmens
soll ein solider und kohärenter Rahmen für
den Datenschutz in der EU geschaffen werden, der mit einer strikten Anwendung der
Vorschriften einhergeht und die digitale Wirtschaft in die Lage versetzt, im Binnenmarkt
weiter Fuß zu fassen.
Link Kapitel II:
http://data.consilium.europa.eu/doc/
document/ST-6834-2015-INIT/de/pdf
Mitgliedstaaten sollen ILO-Protokoll
gegen Zwangsarbeit ratifizieren
Am 2. März 2015 forderte der Rat die Mitgliedstaaten auf, das ILO-Protokoll zur Konvention gegen Zwangsarbeit zu ratifizieren.
Darin verpflichten sich die Unterzeichner,
Zwangsarbeit und Menschenhandel zu verhindern, den Opferschutz zu verbessern und
Entschädigungen zu gewährleisten. Nach
Schätzungen der ILO werden weltweit 21
Mio. Menschen Opfer von Zwangsarbeit,
z.B. im Zusammenhang mit Menschenhandel und Zwangsprostitution. Die Unterzeichnerstaaten sind insbesondere angehalten,
gemeinsam mit den Sozialpartnern Maßnahmen zur Bekämpfung von Zwangsarbeit
zu ergreifen und davon bedrohte Menschen
besser zu informieren und zu schützen. Die
Opfer von Zwangsarbeit sollen auch als
Opfer betrachtet werden und entsprechende Unterstützung erhalten, z.B. Zugang zu
Rechtsbehelfen. Eine strafrechtliche Verfolgung wegen unrechtmäßiger Tätigkeiten
oder Ausweisung sollten hingegen vermieden werden. Formal bedarf die Aufforderung
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noch der Zustimmung des Europäischen
Parlaments.
Europäische Kommission
Halbzeitbericht zur Strategie Europa 2020
Anfang März hat die EU-Kommission in Form
einer Mitteilung die Ergebnisse einer Konsultation zu den Ergebnissen der Strategie „Europa 2020“ angenommen. Sie fand von Mai
bis Oktober 2014 statt, erhielt 755 Beiträge
aus allen Mitgliedstaaten und soll den Weg
für eine Überarbeitung der Strategie noch im
Laufe des Jahres bereiten. Als Ergebnis der
Konsultation fühlt sich die Kommission in ihrer Auffassung bestätigt, dass die einzelnen
Ziele und Prioritäten der Strategie nach wie
vor aktuell sind, ihre Umsetzung aber oft nicht
offensiv und sichtbar genug. Zur Erinnerung:
Zu den fünf Kernzielen der Strategie zählen
u.a. die Erhöhung der Beschäftigungsquote
der Altersgruppe 20 bis 64 auf 75% und die
Reduzierung der des Anteils „armer“ Menschen um 25% bzw. 20 Millionen.
Integrierte Leitlinien für Wirtschaftsund Beschäftigungspolitik
Anfang März hat die EU-Kommission die
Empfehlung für eine Ratsempfehlung zu
„Leitlinien für die Wirtschaftspolitiken der
Mitgliedstaaten und der Union“ sowie den
Vorschlag einer Ratsentscheidung zu „Leitlinien für die Beschäftigungspolitiken der
Mitgliedstaaten“ veröffentlicht. Wegen der
engen thematischen Verknüpfungen werden
beide zusammen als „Integrierte Leitlinien“
bezeichnet. Sie bilden eines der Gerüste für
die Durchführung des „Europäischen Semesters“. Hier besteht der nächste Schritt
in der Abgabe der nationalen Programme
(bis Mitte April) und der länderspezifischen
Empfehlungen. Sie müssen noch vom Rat
verabschiedet werden, womit ohne weiteres
zu rechnen ist.
Die vier wirtschaftspolitischen Richtlinien
beruhen auf Art. 121 TFEU. Sie enthalten
wenig Neues. Im Rahmen der Richtlinie 2
werden Strukturreformen der Arbeitsmärkte und sozialen Wohlfahrtssysteme angemahnt, darunter auch die Bekämpfung nichtdeklarierter Beschäftigung. Richtlinie 4 zur
Nachhaltigkeit und Wachstumsfreundlichkeit
öffentlicher Finanzen fordert die Mitgliedstaaten auf, ihre öffentlichen Ausgaben auf
Wachstumsförderung zu konzentrieren („prioritise“). Genannt werden Bildung, berufliche Fertigkeiten, Beschäftigungsfähigkeit,
Forschung und Entwicklung, Innovationen
und Investitionen in Infrastruktur-Netzwerke.
Gesundheit erscheint in diesem Zusammenhang nicht, ebenso wenig wie andere Sozialausgaben, etwa für Alterssicherung oder
im Fall der Erwerbsminderung.
Die vier beschäftigungspolitischen Richtlinien, beginnend mit „5“, beruhen auf Art. 148
TFEU. Im Rahmen der Richtlinie 8 wird der
Umfang der Sozialdienstleistungen definiert,
zu denen jeder Bürger Zugang haben soll.
Neben den schon oben skizzierten „wachstumsfreundlichen“ Leistungen wie Bildung
und Berufsförderung, Verbesserung des
Humankapitals im weitesten Sinne wird hier
auch der Zugang zu Gesundheitsleistungen
aufgeführt. Zugang, Effizienz und Effektivität
seien zu verbessern. Rentensysteme sollen
angepasst werden, einschließlich einer Verknüpfung des gesetzlichen Rentenalters mit
der Lebenserwartung. Auch sei das effektive Renteneintrittsalter anzuheben. Schließlich müssten ergänzende Rentensysteme
(„complementary retirement savings“) entwickelt werden.
Arbeitsprogramm 2015:
Mehr Arbeitsplätze und Wachstum
Die Kommission hat ihr Arbeitsprogramm für
2015 veröffentlicht. In diesem sind 23 neue
Vorschläge enthalten. Dabei sind das Wachstum im europäischen Raum sowie die Schaf7
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fung von mehr Arbeitsplätzen Leitgrundsätze
zur Ausführung der Zielsetzungen. Prioritäten sind zum einen das Investitionspaket
über 315 Milliarden Euro, Transparenz im
Steuerwesen, wodurch Steuerbetrug und
Steuerflucht umgangen werden sollen und
die Stärkung der Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage. In diesem Zusammenhang soll die Wirtschafts- und Währungsunion ebenfalls gefestigt werden. Zum anderen
sollen die Kommunikationstechnologien
ausgebaut, das Urheberrecht erneuert und
der Online-Handel erleichtert werden, damit
ein vernetzter digitaler Binnenmarkt entstehen könne. Außerdem soll ein Programm für
die legale Einwanderung entworfen werden.
Europäisches Semester 2015
Am 26. Februar hat die Kommission im Rahmen des Europäischen Semesters ein ganzes „Paket“ von Mitteilungen veröffentlicht. Es
enthält Länderberichte für die einzelnen Mitgliedstaaten, einen Bericht für den Euro-Raum
sowie eine Bestandsaufnahme zur Lage der
öffentlichen Finanzen in den Mitgliedstaaten.
Die Ergebnisse werden in der Mitteilung vom
26. Februar 2015 „Europäisches Semester
2015: Bewertung der Herausforderungen für
das Wachstum, Vermeidung und Korrektur
makroökonomischer Ungleichgewichte und
Ergebnisse der eingehenden Überprüfungen
gemäß Verordnung (EU) Nr. 1176/2011“ zusammengefasst (COM/2015/85 final).
Arbeitsprogramm:
Ganz allgemein wird ein Bedarf an Intensivierung bei der Modernisierung der Rentensysteme gesehen, vor allem in Ländern mit signifikantem Anstieg des Altenquotienten. Auch
bei der Verbesserung der Wirksamkeit von
REFIT-Programm macht EU-Recht
Gesundheitswesen und Langzeitpflege seischlanker, einfacher und effizienter
en nur begrenzte Fortschritte zu verzeichnen.
Im Arbeitsprogramm für 2015 spiegelt sich Ganz allgemein wird die nur unzureichende
auch das verstärkte Bestreben der Kom- Umsetzung der länderspezifischen Empmission nach besserer Rechtsetzung wi- fehlungen kritisiert. Nur bei 12% seien eine
der. Im Zentrum steht dabei das Programm vollständige Umsetzung oder substanzielle
zur Eignungsprüfung bestehender EU-Vor- Fortschritte zu verzeichnen. In 41% der Fälle
schriften (REFIT-Programm), mit dem Bü- wurden einige, in 35% begrenzte und in 12%
rokratie abgebaut und Verwaltungsaufwand überhaupt keine Fortschritte verzeichnet.
gesenkt werden soll. Hierzu gehören Vereinfachungsmaßnahmen in den Bereichen Im Fall Deutschlands wird vor allem der fehErnährung, Landwirtschaft, Umwelt, Ver- lende Fortschritt bei der Beseitigung erhebkehr, Energie, Binnenmarkt, Außenhandel, licher makroökonomischer UngleichgewichArbeitsrecht und Verbraucherschutz. Fer- te kritisiert, hervorgerufen durch erhebliche
ner werden die Richtlinien zum Prospekt für Handelsbilanzüberschüsse in Verbindung mit
Wertpapiere und zu Internationalen Rech- einer anhaltend niedrigen Investitionstätignungslegungsstandards evaluiert. Bewertet keit. Auch falle Deutschland im Hinblick auf
werden schließlich auch Rechtsakte in den die Tragfähigkeit des Rentensystems unter
Bereichen Migration, Grenzen und Verbre- die Rubrik „keine Fortschritte“. Im Fall Finnchensbekämpfung. Obsolete Rechtsakte lands fällt auf, dass die Überschreitung der
sollen aufgehoben werden.
Schuldenobergrenze von 60% mit dem Beihttp://ec.europa.eu/atwork/pdf/cwp_2015_
de.pdf
trag des Landes zur Euro-Rettung erklärt und
deshalb offenbar als unbeachtlich gehalten
wird.
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Die weiteren Schritte: Im März wird die Kommission weitere Treffen mit den Mitgliedstaaten durchführen, um die Länderberichte zu
erörtern. Bis Mitte April müssen die Mitgliedstaaten ihre nationalen Reformprogramme
sowie die Stabilitäts- bzw. Konvergenzprogramme vorlegen. Hierauf gestützt wird die
Kommission im Mai neue länderspezifische
Empfehlungen für den Zeitraum 2015 bis
2016 vorlegen, die dann vom Rat im Juli angenommen werden.
Doppelbesteuerung von Renten
Im Gegensatz zu den Systemen der Sozialen Sicherheit selbst ist ihre Besteuerung
nicht europäisch koordiniert, sondern in einer
Vielzahl von Doppelbesteuerungsabkommen
geregelt. In ihnen sollte so weit wie möglich
in grenzüberschreitenden Fällen geklärt werden, welches der beteiligten Länder den Steuerzugriff auf Einkommens- und Vermögenspositionen des Bürgers hat. Dabei sei eine
Doppelbesteuerung möglichst zu vermeiden.
Dass dies nicht immer zur Zufriedenheit der
Betroffen gelingt, zeigt eine Anfrage eines Abgeordneten an die Europäische Kommission.
Es geht um aus dem EU-Ausland zurückkehrende Spanier, die verärgert feststellen mussten, dass die im Ausland erworbenen Renten
in Spanien besteuert werden, sobald ein
Freibetrag von 11.200 Euro überschritten ist.
Die Kommission wies in ihrer Antwort drauf
hin, dass die EU zur Zeit nicht die Befugnis
habe, in derartigen Fällen einzuschreiten, es
sei denn, sie gingen mit einer Diskriminierung
einher. Selbst eine Doppelbesteuerung sei im
Ergebnis nicht ausgeschlossen. Gesetzliche
Initiativen auf EU-Ebene bedürften der Einstimmigkeit.
EU-Kommission zieht 73
Legislativvorschläge zurück
Im Amtsblatt der EU vom 7. März 2015 wurde eine Liste der von der Kommission zurückgenommenen Vorschläge publiziert. Im
Arbeitsprogramm war die Rücknahme von
80 Legislativvorschlägen vorgesehen. Zurückgezogen wurden u.a. das Regelwerk
zur Europäischen Stiftung und ein Vorschlag
zur Transparenz bei der Preisfestsetzung
bei Humanarzneimitteln.
Liste im Arbeitsprogramm:
http://ec.europa.eu/atwork/pdf/cwp_2015_
withdrawals_de.pdf
Mitgliedstaaten beziehen Stellung zur
Vision der EU-Kommission für den
Bereich des Arbeitsschutzes
Ohne große vorherige Ankündigung hatte
die Europäische Kommission im vergangenen Jahr ihren neuen strategischen Rahmen
für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz für den Zeitraum 2014-2020 vorgelegt.
Mit der Strategie hat die Brüsseler Behörde
die erleichterte Umsetzung von Rechtsvorschriften, insbesondere für kleine und mittlere Betriebe (KMUs), die Prävention neu
aufkommender Risiken sowie die Herausforderungen einer alternden Erwerbsbevölkerung zu den wichtigsten Herausforderungen
der kommenden Jahre erklärt.
Nun hat sich auch der Rat mit den Plänen
der EU-Kommission beschäftigt und im Rahmen von Schlussfolgerungen seine zentralen Anmerkungen dazu bekannt gegeben.
In dem am 10. März angenommenen Dokument schließt sich der Rat den von der Kommission erklärten Herausforderungen an.
Darüber hinaus fordert er die Mitgliedstaaten auf, aktiv zu handeln und tätig zu werden. So sollen sie den Gesundheitsschutz
am Arbeitsplatz angehen und dabei auch die
Bekämpfung neuer und aufkommender Risiken berücksichtigen. Insbesondere kleine
und mittlere Unternehmen müssten dabei
unterstützt werden. Darüber hinaus müsse
auch die wirksame Durchsetzung und Überwachung des Arbeitsschutzrechts durch die
Bereitstellung angemessene Ressourcen
und Kapazitäten für die Arbeitsaufsicht ge9
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währleistet werden. Dies hatte bereits das
Europäische Parlament im Rahmen einer
Entschließung von Januar 2014 gefordert.
Außerdem appelliert der Rat an die Mitgliedstaaten, einer effektiven Rehabilitation von
Menschen mit Gesundheitsproblemen, die
auf Arbeitsunfälle oder Berufskrankheiten
zurückzuführen sind, besondere Aufmerksamkeit zu schenken und diese Menschen
bei ihrer Integration in das Arbeitsleben zu
unterstützen.
Auch die Kommission wird vom Rat aufgefordert zu handeln. So soll sie im Rahmen
ihres Programms zur Gewährleistung der
Effizienz und Leistungsfähigkeit der Rechtssetzung (REFIT) weiterhin überprüfen, wo
unnötiger Verwaltungsaufwand im Arbeitsschutzrecht besteht. Auch die Rechtsvorschriften zu Karzinogenen sollen überprüft
und verbessert und um neue verbindliche
Grenzwerte ergänzt werden. Mit Blick auf
Daten zu Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sollen diese von der Kommission in
Zusammenarbeit mit den zuständigen nationalen Behörden auf ihre Verfügbarkeit und
Vergleichbarkeit überprüft werden. Eine entsprechende Datenbank könnte hierzu entwickelt werden.
Abschließend wendet sich der Rat noch an
die Sozialpartner und fordert sie auf, sich an
der Entwicklung und Umsetzung der nationalen Strategien aktiv zu beteiligen. Sie sollten
zu einer Förderung einer Präventionskultur
beitragen, Informationen über den strategischen Rahmen der EU verbreiten und Schulungsangebote für Arbeitgeber und Arbeitnehmer unterstützen, um die notwendigen
Kenntnisse und Fähigkeiten zur Erkennung,
Bewertung und Kontrolle der Sicherheit und
Gesundheitsrisiken zu fördern. Auch das Europäische Parlament wird sich mit den Plänen der Europäischen Kommission in den
kommenden Monaten beschäftigen.
Konsultationen zu Gesundheitsdiensten
Die Expertengruppe für effektive Möglichkeiten der Investition in die Gesundheit (EXPH)
hat eine öffentliche Konsultation über die
vorläufige Stellungnahme zu “Der Wettbewerb unter Gesundheitsdienstleistern in der
Europäischen Union – Untersuchung der politischen Optionen” begonnen. Die Stellungnahme befasst sich mit der Rolle des Wettbewerbs unter den Gesundheitsanbietern
eines Instruments, um die Effizienz bei der
Nutzung von Gesundheitssystemressourcen
zu verbessern. Es sei offenkundig, dass die
Bedingungen für den Wettbewerb von Land
zu Land variieren. Ferner seien die Akkreditierung von Anbietern sowie die Planung der
Zahlungssysteme von besonderer Bedeutung. Des Weiteren sind, um die Auswirkungen des Wettbewerbs als Instrument beurteilen und bewerten zu können, einwandfreie
Evaluationsstudien zu den Strategien nötig.
Überdies sei es wichtig, dass der Wettbewerb unter den Gesundheitsanbietern von
den Wahlmöglichkeiten der Patienten unterschieden werde. Schlüsselelemente, die bei
der Einführung, der Änderung oder des zunehmenden Wettbewerbs zu beachten sind,
sind die Gewährleistung der Markttransparenz mit der Verfügbarkeit von Informationen
über Qualität und Preis, sowie die Förderung
der Gesundheitskompetenz und Durchsetzung der Wettbewerbsregeln, um die Gründung, die Stärkung und den Missbrauch beherrschender Stellungen zu vermeiden. Bis
zum 8. April 2015 können Vorschläge zum
Vorgutachten gemacht werden.
Leitseite:
http://ec.europa.eu/health/expert_panel/
consultations/competition_healthcare_
providers_en.htm
EU-Konsultation zur Arbeitszeit:
DGUV beteiligt sich mit Stellungnahme
Schon seit vielen Jahren wird auf europäischer Ebene über die Notwendigkeit einer
10
3/2015
Reform der seit 1993 geltenden Arbeitszeitrichtlinie (2003/88/EG) diskutiert. Die
Arbeitszeitrichtlinie legt Mindestvorschriften
für Sicherheit und Gesundheitsschutz der
Arbeitnehmer bei der Arbeitszeitgestaltung
fest. Dies betrifft unter anderem die tägliche
und wöchentliche Höchstarbeitszeit, Pausen- und Ruhezeiten, Urlaub und Sonderregelungen (zum Beispiel für Beschäftigte im
Gesundheitswesen oder in Verkehrsbetrieben).
Im Rahmen der laufenden Überprüfung und
Folgenabschätzung in Bezug auf die Arbeitszeitrichtlinie und im Hinblick auf mögliche Änderungen an der Richtlinie hat die
EU-Kommission in den vergangenen Monaten Meinungen und Beiträge der Öffentlichkeit eingeholt. Die EU-Kommission ist
der Ansicht, dass die in den letzten zwanzig Jahren eingetretenen Veränderungen in
der Arbeitswelt und Wirtschaft viele Aspekte
der Arbeitszeitgestaltung beeinflusst haben.
Deswegen müsse darüber nachgedacht
werden, welche Art von Arbeitszeitrecht die
EU benötige, um die sozialen, wirtschaftlichen, technologischen und demografischen
Herausforderungen bewältigen zu können.
Die DGUV hat sich mit einer Stellungnahme
an der Befragung beteiligt, wobei sie sich mit
ihrem Beitrag lediglich auf wissenschaftlich
gesicherte Erkenntnisse zur Auswirkung von
Arbeitszeiten auf die Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit beschränkt hat. So weist
sie auf gesicherte Erkenntnisse zur Auswirkung von Arbeitszeiten auf die Sicherheit
und Gesundheit bei der Arbeit, die ihr zum
gegenwärtigen Zeitpunkt vorliegen, hin. Verschiedene wissenschaftliche Studien hätten
demnach gezeigt, dass das Unfallrisiko bei
Beschäftigten nach der neunten Arbeitsstunde exponentiell ansteige. Negative Wirkungen auf Sicherheit und Gesundheit zeigten
sich auch bei überlangen Wochenarbeitszeiten. Die Europäische Kommission wird die
eingegangenen Beiträge in den kommenden
Monaten auswerten und im Rahmen eines
zusammenfassenden Berichts bekannt geben.
Die DGUV-Stellungnahme kann im Internet
abgerufen werden:
h t t p : / / w w w. d g u v. d e / d e / m e d i e n c e n t e r /
hintergrund/arbeitszeitrichtlinie/index.jsp
RAPEX: Gefährliche Importe
kommen meistens aus China
Die EU hat im vergangenen Jahr 2.435 Produkte aus dem Verkehr gezogen, da sie
eine Gefahr für die europäischen Verbraucher darstellen. Dabei handelte es sich vor
allem um Spielzeug, Bekleidung und Modeschmuck. Die meisten gefährlichen Waren
(64 Prozent) stammten aus China, 14 Prozent von europäischen Herstellern selbst,
davon knapp jedes vierte Produkt aus
Deutschland. Von den gefährlichen Produkten machten Spielzeug mit 28 Prozent und
Kleidungs-, Textil- und Modeartikel mit 23
Prozent den größten Anteil aus. Verletzungsgefahr, chemisches Risiko und Erstickungsgefahr waren die Risiken, die am häufigsten
von diesen Produkten ausgingen. Die Produkte wurden entweder vom Markt genommen oder die Einfuhr in die EU wurde verboten. Diese Zahlen hat die EU-Kommission
am 23. März in ihrem Jahresbericht zum EUSchnellwarnsystem für gefährliche Produkte
(RAPEX) veröffentlicht.
Die EU-Kommissarin für Justiz, Verbraucher
und Gleichstellung Vĕra Jourová sagte: „Jedes Produkt in Europa muss für die Bürger
sicher sein. Produkte, die Schaden anrichten können, müssen so schnell wie möglich
vom Markt genommen werden. Aus diesem
Grund haben wir das Schnellwarnsystem
geschaffen. Dieses hat sich inzwischen als
sehr wirksames Instrument für den Schutz
der europäischen Verbraucher erwiesen.
Dies ist ein praktisches Beispiel für die Zusammenarbeit in der EU zum Nutzen unserer Bürger.”
11
3/2015
Durch das seit 2004 bestehende Schnellwarnsystem tauschen die EU-Mitgliedstaaten, Lichtenstein, Island und Norwegen und
die EU-Kommission Informationen zu gefährlichen Produkten aus. Erkennt ein Mitgliedstaat ein gefährliches Produkt und nimmt es
vom Markt oder verbietet dessen Einfuhr,
erhalten die anderen Mitgliedsländer diese
Information durch das Schnellwarnsystem.
Diese können dann entsprechende Maßnahmen ergreifen, um Verbraucher zu schützen,
beispielsweise durch die Rücknahme des
Produkts oder ein Importverbot. Nicht erfasst
von diesem Schnellwarnsystem werden Nahrungsmittel, Arzneien und Medizinprodukte,
da es dafür eigene Mechanismen gibt. 2.755
solcher Folgeaktionen gab es 2014. Sie werden auch im Schnellwarnsystem vermerkt.
Sowohl die Zahl der gefährlichen Produkte,
als auch die Zahl der Folgeaktionen ist im
Vergleich zum Vorjahr angestiegen: die Zahl
der gefährlichen Produkte um drei Prozent,
die Zahl der Folgeaktionen um 28 Prozent.
Verbraucher und Unternehmen können sich
selbst in der Internetdatenbank des Schnellwarnsystems zu gefährdenden Produkten informieren. 2014 machten fast zwei Millionen
Menschen von diesem Angebot Gebrauch.
Kommissionsbericht zu Standards
bei Organtransplantationen
Mit Bericht an das Parlament und den Rat
vom 10. März 2015 bewertet die EU-Kommission ihre „Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte, die der Kommission mit
Artikel 24 der Richtlinie 2010/53/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom
7. Juli 2010 über Qualitäts- und Sicherheitsstandards für zur Transplantation bestimmte menschliche Organe“ übertragen worden
sind (KOM/2015/123). In dem Bericht heisst
es u.a. (Zitat): „Die Kommission ist der Auffassung, dass die ihr übertragenen Befugnisse in Kraft bleiben sollten. Die Transplantationsmedizin entwickelt sich rasch. Daher
können die medizinische Praxis und der wis12
senschaftliche Fortschritt eine Anpassung
des Satzes von Angaben für die Organ und
Spendercharakterisierung erfordern, beispielsweise die Aufnahme von Tests, die bisher nicht in einem für die obligatorische Berücksichtigung ausreichend großen Maßstab
verfügbar sind. Ein solches Erfordernis kann
auch in einer Notlage im Zusammenhang
mit einer neuen schwerwiegenden Gefahr
für die menschliche Gesundheit (Artikel 24
Buchstabe a) entstehen, in der die Kommission unter Umständen delegierte Rechtsakte nach dem Dringlichkeitsverfahren gemäß
Artikel 28 der Richtlinie erlassen müsste.
Überdies werden die von der EU geförderten
FOEDUS-Projekte 2016 abgeschlossen und
liefern Leitlinien sowie weitere Konsenspositionen zu Organ- und Spendercharakterisierung. Diese Ergebnisse werden der Kommission zusätzlich helfen, die Notwendigkeit
einer Änderung des Anhangs der Richtlinie
2010/53/EU zu beurteilen.“
KOM/2015/123:
http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/
TXT/PDF/?uri=COM:2015:123:FIN&rid=8
Europäischer Gerichtshof
EuGH stärkt Rechte
entsandter Arbeitnehmer
Welche Ansprüche auf Lohn und bestimmte Zusatzleistungen EU-Beschäftigte haben,
die zum Arbeiten in einen anderen Mitgliedstaat entsandt wurden, richtet sich maßgeblich nach dem Recht des Aufnahmelandes.
Auf dieses Recht können sich die Arbeitnehmer auch berufen, wenn sie ihre Ansprüche
durchsetzen wollen, selbst wenn das Recht
ihres Heimatlandes etwas anderes sagt. Das
ergibt sich aus einem Urteil des EuGH (C396/13) vom 12. Februar 2015, dem ein Konflikt polnischer Arbeiter mit ihrem polnischen
Arbeitgeber zugrunde liegt, der sie nach
Finnland entsandt hatte. Der EuGH präzisierte auch, welche Zusatzleistungen bei der
3/2015
Berechnung des den Arbeitern zu zahlenden
Mindestlohns berücksichtigt werden müssen
und welche nicht. Hintergrund des Urteils ist
die Klage von 186 Angestellten des polnischen Unternehmens Elektrobudowa Spółka
Akcyjna (ESA), die nach Finnland entsandt
waren, um am Kernkraftwerk Olkiluoto zu arbeiten. Sie monierten, ihr Arbeitgeber zahle
ihnen nicht den Mindestlohn, der ihnen nach
den finnischen allgemeinverbindlichen Tarifverträgen für die Stromwirtschaftsbranche
und für die Haustechnikbranche zustehe.
Um ihre Ansprüche durchzusetzen, übertrugen sie diese auf die finnische Gewerkschaft
Sähköalojen ammattiliitto, die sie vor einem finnischen Gericht einklagte. Dagegen
wehrte sich ESA mit der Begründung, nach
polnischem Recht sei die Übertragung von
Ansprüchen aus Arbeitsverhältnissen unzulässig. Der EuGH verwarf diesen Einwand.
werden können, ohne dass der Fehler des
Produktes in jedem Einzelfall nachgewiesen werden muss. Darüber hinaus stellte
der EuGH fest, dass es sich bei den Kosten
im Zusammenhang mit dem Austausch des
Produktes, der auf die vom Hersteller selbst
gegebene Empfehlung zurückgeht, um einen Schaden handelt, für den der Hersteller
nach der Richtlinie über die Haftung für fehlerhafte Produkte haftet.
Sind umlagefinanzierte und
kapitalgedeckte Alterssicherungssysteme gleichartig?
Sind im Rahmen von Artikel 5 der VO (EG)
883/2004 obligatorische kapitalgedeckte
Systeme der Altersvorsorge und gesetzliche, umlagefinanzierte Rentensysteme als
„gleichartig“ anzusehen? Um diese Frage
geht es in einem VorabentscheidungsersuDie EU-Entsenderichtlinie schreibe vor, chen des Österreichischen Verwaltungsdass Streitigkeiten über Mindestlohnsätze gerichtshofs. Die betroffenen Länder sind
nach dem Rechte des Aufnahmelandes zu Österreich und Lichtenstein. Art. der 5 der
entscheiden seien und das finnische Recht genannten VO regelt die „gegenseitige Anerlaube die Übertragung der Ansprüche auf erkennung“ z.B. von Leistungen und Zeiten
die Gewerkschaft. Ferner ging es in dem im Rahmen der Koordinierung der gesetzliStreit um die Frage, wie der Mindestlohn chen Systeme der Sozialen Sicherheit. (Rs.
für die entsandten Arbeiter zu berechnen C-453/14.)
ist. Hier entschieden die Richter, dass das
Recht des Aufnahmelandes die Dienstleistungsfreiheit grundsätzlich nicht behindern
Europäischer Wirtschafts- und
darf, dass aber „die Art und Weise der BeSozialausschuss
rechnung des Mindestlohnsatzes und die
dafür herangezogenen Kriterien ebenfalls
Der lange Weg zu einem
in die Zuständigkeit des Aufnahmemitgliedasbestfreien Europa
staats fallen müssen“.
EuGH: Hersteller muss für fehlerhafte Medizinprodukte haften
Der EuGH entschied im Fall C-503/13,
AOK Sachsen-Anhalt gegen Boston Scientific Medizintechnik GmbH, dass bei der
Feststellung eines potentiellen Fehlers eines medizinischen Gerätes alle Produkte
desselben Modells als fehlerhaft eingestuft
Auch wenn in Europa Asbest verboten ist,
sind die daraus resultierenden Gefahren
noch lange nicht gebannt und Menschen
sterben nach wie vor an asbestbedingten
Erkrankungen. Deswegen hat der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss
(EWSA) das Thema in seiner Stellungnahme „Ein asbestfreies Europa“ vom 18. Februar 2015 thematisiert. Darin fordert er die
Europäische Kommission auf, Maßnahmen
13
3/2015
zur Beseitigung von Asbest auf nationaler
Ebene zu fördern und zu unterstützen. Um
das Ziel einer vollständigen Entfernung von
Asbest jedweder Art und aller asbesthaltiger
Produkte und Materialien voranzutreiben,
empfiehlt der EWSA unter anderem die Registrierung von Asbest in Gebäuden, wie es
sie bereits in einigen Mitgliedstaaten gibt.
Dadurch können die betroffenen Unternehmen und Arbeitnehmer vor der Aufnahme
von u.a. Renovierungsarbeiten einschlägige
Informationen zur Gefährdung durch Asbest
auf schnelle Art und Weise erhalten und so
die entsprechenden Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen ergreifen. Zudem
sollten gezielte Maßnahmenpläne auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene mit Hilfe
ausreichender öffentlicher Finanzierung ergriffen werden, zu deren Unterstützung die
Europäische Kommission ihre Strukturfonds
öffnen könnte.
Da eine ambitionierte Strategie der Asbestentfernung unter anderem einer ausreichenden
Qualifikation aller Beteiligter (Arbeitnehmer
und Unternehmen, Arbeitsschutz-Koordinatoren sowie Arbeitsaufsichtsbeamte, Berater, Ausbilder, Arbeitgeber) sowie Maßnahmen zu deren Schutz bedarf, empfiehlt der
EWSA eine ausreichende Aufklärung und
Informationen zur Sensibilisierung der Problematik und sieht dringenden Aus- und Weiterbildungsbedarf.
Krankheiten vorhalten sollten. Die Europäische Kommission wird zudem dazu aufgerufen, Kehlkopf- und Eierstockkrebs als asbestbedingte Krankheit in ihre Empfehlung über
die Europäische Liste der Berufskrankheiten
(2003/670/EG) aufzunehmen und es sollte
dafür gesorgt werden, dass Plerualplaques
als asbestbedingte Krankheit eingestuft und
amtlich registriert werde.
Der EWSA möchte die veröffentlichte Stellungnahme zum Anlass nehmen, am 24.
Juni 2015 gemeinsam mit dem Ausschuss
der Regionen eine Konferenz zum Thema
„Asbest“ durchzuführen. Sie wird von der Europäischen Föderation der Bau- und Holzarbeiter (EFBH), der Arbeitgeberorganisation
des Bausektors FIEC und Opferverbänden
unterstützt und bietet eine Gelegenheit, die
Empfehlungen des EWSA zu diskutieren,
sich mit Fachleuten auszutauschen und Vertretern der Europäischen Kommission politische Forderungen zu unterbreiten.
Zukunft des sozialen Dialogs
Am 24. Februar 2014 führte der Europäische
Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA)
die Konferenz „Zukunft des europäischen
sozialen Dialogs in Europa“ durch. Zweck
der Veranstaltung war es, für die Ergebnisse
des europäischen sozialen Dialogs, der zugleich einer der Eckpfeiler des europäischen
Sozialmodells ist, zu sensibilisieren und
Außerdem erwähnt der EWSA die Besei- das Verständnis zu fördern, seine Wirkung
tigung von Asbestabfall. Da Asbestfasern zu verstärken und weitere Entwicklungen
höchst widerstandfähig sind und sich auch voranzubringen, die auf einer wirksamen
nach langer Liegezeit nicht zersetzen, ist Interaktion zwischen Arbeitgebern, Arbeitnach Auffassung des EWSA die Deponierung nehmern bzw. weiteren Interessenvertretern
von Asbestabfall keine dauerhafte Lösung. auf verschiedenen Ebenen beruhen. Fest
Vielmehr müssen weitere Schritte ergriffen verankert im Vertrag zur Gründung der Eurowerden um zu verhindern, dass Asbestabfäl- päischen Gemeinschaft umfasst er Diskusle auf Deponien für gewöhnliche Bauabfälle sionen, Konsultationen, Verhandlungen und
landen. Schließlich fordert der EWSA, dass gemeinsame Maßnahmen der Sozialpartner.
alle Mitgliedstaaten eine systematische Da- Gestützt wird er auf die Grundsätze von Sotenerfassung sowohl von berufsbedingten lidarität, Verantwortung, Vertrauen und Mitals auch nicht-berufsbedingter Asbestose, wirkung. Konferenzteilnehmer waren VertreMesothelioma und anderen asbestbedingten
14
3/2015
ter der Sozialpartner, der Zivilgesellschaft,
der Wissenschaft und der EU-Institutionen.
Förderung von E-Tools für das Management
von Sicherheit und Gesundheitsschutz bei
der Arbeit.
Gemeinschaftsagenturen
4) Sensibilisierung; dies meint die Verbreitung der Botschaft „Sicherheit und
Gesundheitsschutz bei der Arbeit“ durch
Veröffentlichung eines Berichts über Benchmarking-Initiativen in diesem Bereich.
EU-OSHA: Managementplan 2015
Die Europäische Agentur für Sicherheit und
Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (EUOSHA) definiert in ihrem Managementplan
für 2015 folgende sechs Prioritätsbereiche:
1) Antizipation des Wandels; dies umfasst
die Bereitstellung qualitativ hochwertiger
Daten über neue und aufkommende Risiken, die den Anforderungen von politischen
Entscheidungsträgern und Wissenschaftlern
genügen und ihnen zeitnahe und wirksame
Maßnahmen nahelegen; hierzu Durchführung einer Großprognose, die von wissenschaftlichen Berichten, Artikeln und Veranstaltungen begleitet wird.
5) Vernetzungswissen; darunter fällt die Weiterentwicklung des OSHwiki zur Bereitstellung relevanter und leicht zu aktualisierender Informationen für den Bereich Sicherheit
und Gesundheitsschutz bei der Arbeit und
zur Einrichtung einer Plattform, über die die
Akteure zusammenarbeiten und sich austauschen können.
6) Vernetzung und Kommunikationspolitik;
dazu zählt die Entwicklung und Durchführung von Vernetzungs- und Kommunikationsaktivitäten, um Interessengruppen eine
aktive Beteiligung an den Tätigkeiten der
2) Zahlen und Fakten; dies enthält die Un- Agentur zu ermöglichen.
terstützung von Unternehmen bei der Umsetzung und Überwachung wirksamer Stra- Der Managementplan 2015 ist unter dieser
tegien für Sicherheit und Gesundheitsschutz Adresse abrufbar:
bei der Arbeit durch Durchführung der zwei- https://osha.europa.eu/de/publications/
ten Europäischen Unternehmensfrage über corporate/2015-annual-management-plan
neue und aufkommende Risiken (ESENER),
welche 2017 fertiggestellt wird. Zudem Er„Eurofound“ zur Restrukturierung
arbeitung einer Literaturstudie bis 2017, die
des öffentlichen Sektors
der Bereitstellung hochwertiger Daten zu
Politik, Forschung und guten praktischen Der Jahresbericht 2014 von Eurofound beLösungen sowie Beispielen diesbezüglich fasst sich mit der zügigen Transformation
des öffentlichen Sektors seit Beginn der „Kridienen soll.
se“ im Jahr 2008. Nicht zuletzt durch Einstel3) Instrumente für das Management von lungsstopps sei die Beschäftigung seither
Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der gesunken, verbunden mit einer Alterung des
Arbeit; darunter fallen die Mitarbeit an der öffentlichen Dienstes. Ferner bedrohe eine
gebührenfreien Bereitstellung von interak- sinkende Arbeitsplatzsicherheit die Attraktitiven Online-Tools zur Gefährdungsbeur- vität des Sektors. Eher am Rande geht der
teilung (OiRA), um die Zahl der Unterneh- – nur auf Englisch verfügbare – Bericht auf
men zu erhöhen (insbesondere Kleinst- und Tendenzen zur Auslagerung und PrivatisieKleinunternehmen), die eigene und aktuelle rung ehemals in öffentlicher Regie durchgeGefährdungsbeurteilungen von hoher Qua- führter Aktivitäten ein.
lität durchführen. Zudem Erleichterung und
15
3/2015
Aus den EU-Mitgliedstaaten
Deutsche Bundesbank: EU-Kommission
soll Überwachung der Staatshaushalte
an neue europäische Behörde abgeben
In ihrem „Monatsbericht März 2015“ weist die
Deutsche Bundesbank darauf hin, dass die
Finanz- und Schuldenkrise die Europäische
Währungsunion vor große Herausforderungen stelle, jedoch sich derzeit keine politischen
Mehrheiten für eine politische oder fiskalische
Union oder eine umfangreiche Änderung der
EU-Verträge abzeichneten; solange dies so
bleibe, komme es darauf an, den bestehenden Ordnungsrahmen so zu stärken, dass er
das „Versprechen einer Stabilitätsunion dauerhaft verlässlich einlösen“ könne.
Die Bundesbank-Experten skizzieren, wie
die Eigenverantwortung von Staaten und Investoren erhöht und dabei die Währungsunion krisenfester gemacht werden könne. Zu
weitgehend finanz- und wirtschaftspolitisch
souveränen Staaten gehöre auch, dass „der
Extremfall einer Insolvenz eines Mitgliedstaates möglichst verkraftbar sein muss“. Eine
zentrale Rolle komme in diesem Zusammenhang einer erhöhten Finanzstabilität zu.
Hierzu müsse der Risikoverbund von Staaten und Bankensystemen möglichst durchbrochen werden. So sollten beispielsweise
künftig Kredite von Banken an Staaten nicht
mehr privilegiert und nicht mehr generell als
risikofrei eingestuft werden. Insgesamt gelte
es, die Banken verlustresistenter zu machen.
„Auch große, stark verflochtene Finanzinstitute müssen notfalls geregelt abgewickelt
werden können, ohne dass dazu staatliche
Finanzmittel notwendig sind”, fordert die Bundesbank.
Im Bereich der Finanzpolitik sollte der aktuellen Entwicklung entgegen gewirkt werden, die
Fiskalregeln immer intransparenter und wenig stringent umzusetzen, schreiben die Bundesbanker. Dabei könnte auch daran gedacht
16
werden, die Haushaltsüberwachung von der
EU-Kommission auf eine neue, eigenständige europäische Behörde zu übertragen, die
allein dem Ziel solider öffentlicher Haushalte
verpflichtet sei. Darüber hinaus erscheint es
aus Sicht der Bundesbank geboten, die von
den Finanzmärkten ausgehenden Anreize
zu soliden öffentlichen Finanzen zu stärken.
Schließlich wird vorgeschlagen, die Krisenbewältigungsmechanismen so weiterzuentwickeln, dass Staaten und Investoren ihre Verantwortung nicht allzu leicht auf Hilfe gebende
Staaten übertragen können. Aus Sicht der
Bundesbank gilt es, „eine primär auf Preisstabilität ausgerichtete Geldpolitik abzusichern.”
Es sei wichtig, dass die Geldpolitik dem Druck
widerstehe, im Fall einer Überschuldung von
Banken oder Staaten in die Verantwortung
genommen zu werden.
Europa in der Schuldenunion
In einer schriftlichen Anfrage an die EU-Kommission äußerte der EP-Abgeordnete Bernd
Kölmel (EKR/DE) erhebliche Zweifel an der
Solidität des in Luxemburg eingetragen europäischen Rettungsfonds EFSF. Lege man
den von einer großen Zahl von Banken und
Versicherern angenommenen Wertberichtigungsbedarf von 70 bis 80% der Griechenland-Forderungen zugrunde, müsse der
Fonds schon aus diesem Grund ca. 100 Mrd.
Euro abschreiben. Das Ende 2013 vorhandene Eigenkapital von 0,5 Mrd. sei damit sofort
aufgebraucht, folglich sei der EFSF in Höhe
von fast 100 Mrd. Euro überschuldet, jedenfalls, wenn man die für Banken und Versicherer geltenden Bilanzierungsregeln (IFRS) anwende. Hieraus leitet der Abgeordnete eine
mögliche Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags ab. Die EU-Kommission gibt sich bedeckt; zuständig seien die Luxemburgischen
Behörden.
Bereits im Dezember 2014 senkte die Rating-Agentur Fitch die langfristige Bewertung
Frankreichs von AA+ auf AA ab. Hintergrund
3/2015
seien die ungünstigen Wachstumsaussichten
des Landes. Auch mit dem Defizitabbau komme das Land nicht voran. Der Rat hat Frankreich nun zwei weitere Jahre Zeit gegeben.
Im laufenden Jahr EU-soll das Defizit auf 4%
gesenkt werden, im kommenden auf 3,4%,
und erst im Jahr 2017 auf knapp unter 3%.
Zur Erreichung dieser Ziele mahnte die Kommission eine Verstärkung der Sparbemühungen an, unter anderem auf dem Gebiet der
Sozialversicherung. Dagegen hat Standard &
Poor‘s im Fall Großbritanniens die Bestnote
AAA bestätigt – Ausblick stabil. Man rechne
mit einer „schrittweise Stärkung der Haushaltslage“ vor dem Hintergrund einer gesunden wirtschaftlichen Lage.
Portugal will einen Teil seiner Schulden beim
IWF früher als geplant zurückzahlen. Es geht
um 14 Milliarden Euro, die über höchstens
noch 2½ Jahre zurückgezahlt werden sollen. Begründet wird dies mit der erfolgreichen
Rückkehr an die Kapitalmärkte, wo das Land
für zwei langfristige Tender (30 Jahre Laufzeit) 4,13% Zinsen zahlen muss. Portugal
schuldet dem IWF insgesamt 25,7 Mrd. Euro,
steht allerdings gegenüber allen öffentlichen
Kreditgebern mit 78 Mrd. Euro in der Kreide.
3/5-Mehrheit und damit der Zustimmung der
Opposition. Hiermit ist aber wohl zu rechnen,
zumal die konservativen Oppositionsparteien eine eigentlich noch schärfere Gangart
wünschen.
Spanien sorgt sich um Griechenland
Im Fall Griechenlands steht nach Aussage des spanischen Wirtschaftsministers de
Guindos ein weiteres Rettungspaket im Wert
von bis zu 50 Mrd. Euro an. Kommissionsvertreter halten eine Diskussion hierüber für
„verfrüht“ – was in Fällen wie diesen bedeutet, dass das Programm in der Sache faktisch schon beschlossen ist. Die Frage ist
nur, ob es in der Form eines „Dritten Hilfsprogramms“ daher kommen wird, welches
wenigstens pro forma an Auflagen geknüpft
ist, oder in Form eines von Griechenland gewünschten „Wachstumspakts“, welcher die
Rückzahlung von bestimmten Voraussetzungen abhängig macht.
Griechenlandkrise belastet
EU-Politik nachhaltig
Die seit Amtsantritt der neuen Links-RechtsKoalition verschärfte Griechenlandkrise belastet die politische Bewältigung der ansteTschechische Schuldenbremse
henden Finanzprobleme im Euroraum. Wie
soll Renten und Bezüge
u.a. der „Daily Telegraph Online“ berichtet,
senken können
bedeute die Haltung der neuen griechischen
Der Kontrast zu Griechenland könnte kaum Regierung eine klare Gefahr für die wirtgrößer sein: Die Tschechische Regierung schafts- und finanzpolitische Berechenbarhat im Februar den Entwurf einer verfas- keit der Europolitik. Problemverschleppung,
sungsrechtlich verankerten „Schuldenbrem- Personalisierung von Gegnerschaften, eine
se“ vorgelegt. Überschreitet die Staatsver- öffentlichkeitswirksame Emotionalisierung
schuldung 55% (aktueller Stand: 43,9%), eines währungspolitischen Ereignisses und
ist die Regierung automatisch zur Vorlage der Versuch, Abreden der Vergangenheit
eines zumindest ausgeglichenen Haushalts- nach weitgehendem Belieben neu auszuentwurfs verpflichtet. Außerdem würden in legen, seien eine latente Gefahr für das
diesem Fall die Bezüge der Politiker und internationale Vertrauen. Internationale
der Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes Beobachter, darunter viele aus dem Nichtsinken, und die Regierung wäre berechtigt, Euroraum – rechnen für den Fall, dass die
unabhängig von gesetzlichen Festlegungen neue griechische Regierung mit ihrer Politik
Renten zu kürzen. Der Entwurf bedarf einer Erfolg haben könnte, mit nicht eben unprob17
3/2015
lematischen Nachahmereffekten. Überhaupt
stünde in der aktuellen Diskussion eher die
Bewertung der Symptome – nämlich der
bedrohlichen Geldknappheit in Athen – im
Raum, als eine solche der dort armutsverstärkenden Ursachen, insbesondere des
fehlenden Wachstums. Wie allerdings Direktinvestitionen unter den gegenwärtigen politischen Bedingungen in Griechenland verstärkt werden sollten, sei weitgehend unklar
und würde dortselbst nicht einmal thematisiert. Die laufend fortgeschriebene Geldbeschaffung aus fremden Quellen, völlig ohne
Verknüpfung mit inländischer Produktivität,
sei jedoch kaum geeignet, hier mittelfristig
ein Umdenken auszulösen. Auch zur Behebung von zweifellos lokal nachweisbarem
sozialem Elend sei verstetigtes Wachstum
eher geeignet, als auch nur partielle Wiedereinstellung von Staatsbeschäftigten.
stattgefunden habe, sondern stattdessen
„EU-Gremien durch die Hintertür die gezielte
Umwidmung europäischer Fonds zur ‚Europäischen Arbeitslosenversicherung‘“ betreiben würden.
Griechenland: Steueraufkommen
eine unsichere Größe
Die jüngst gewählte Links-Rechts-Koalition
möchte verbal mit Entschlossenheit der
Steuerhinterziehung und –Verkürzung den
Kampf ansagen. Allerdings sind die in Brüssel unlängst unterbreiteten Vorschläge dazu,
wie dies kurzfristig und effektiv zu geschehen habe, aus Sicht von Experten mehr als
zweifelhaft. Es fehle sowohl an Know-how
in der Finanzverwaltung, als auch an Systematik, säumigen Steuerzahlern rechtzeitig
beikommen zu können. Der verbreitet geäußerte Wunsch, superreichen Steuerflüchtlingen und Auslandsvermögen auf die Spur zu
Rundfunk als Globalisierungsopfer?
kommen, dürfte schon daran scheitern, dass
Ursprünglich ist der Europäische Globali- nach Meinung von Fachleuten, seit Jahren
sierungsfonds (EGF) installiert worden, um große Milliardenbeträge das Land und seiVerlagerungen von industriellen Produktio- ne Volkswirtschaft verlassen haben. Ihre
nen (etwa Nokia-Mobiltelefone) aus der EU Besitzer vermutlich ebenso. Stattdessen sei
in Billiglohnländer durch die finanzielle Un- das Steuerproblem auch eines der zahlloterstützung von Arbeitsmarktmaßnahmen sen Selbständigen und Kleinunternehmer,
abfedern zu können. Da EGF-Leistungen deren Einkommenssituation nicht ausreinicht pauschal an Mitgliedstaaten, sondern chend überprüft werden könne. Die verbreiim Rahmen von konkreten Projekten in- tete Ratenzahlung von Steuerschulden trägt
dividuell betroffenen Ex-Beschäftigten zu zudem dazu bei, die Entrichtung zu verzöGute kommen, sind sie insbesondere in den gern. In der gegenwärtigen katastrophalen
EU-Mitgliedstaaten hilfreich, die keine aus- Wirtschaftslage seien etliche Kleinunternehgeprägten Leistungskataloge im Falle der men vermutlich auch kaum in der Lage, ihre
Arbeitslosigkeit bzw. Wiedereingliederung Steuern pünktlich und vollumfänglich zu entin den Arbeitsmarkt kennen. Neuerdings richten. Triebe man sie dennoch ein, so wäre
werden aber auch zirka 1.600 Ex-Beschäf- eine Betriebsschließung die logische Folge.
tigte, die vom griechischen Rundfunk- und
Verlagswesen entlassen worden sind, von Besitzsteuern, etwa auf Grundbesitz, würden
EU-Gremien auch als „Globalisierungsop- durch das Fehlen eines umfassenden natifer“ eingestuft, und man will sie mit aktuell onalen Katasters erheblich erschwert. An(März 2015) zirka 10 Millionen Euro unter- gesichts der jahrzehntlangen Kapitalflucht,
stützen. Nicht wenige Beobachter in Brüssel eines drückenden Investitionsmangels und
kritisieren, dass im vorliegenden Fall nach- rasant schrumpfender öffentlicher Einnahweislich gar keine Produktionsverlagerung men sei die Lage in Griechenland ohne aus18
3/2015
ländische direkte oder indirekte Hilfe nahezu
hoffnungslos. Kapitalflucht „nach innen“, d.h.
Kontenräumung und private Hortung von
Euro-Barvermögen, stelle für Klein- und Mittelsparer die Alternative zur Kapitalverbringung ins Ausland dar. Kurz- und mittelfristig
sei infolge der örtlichen Mängel nicht mit einer hinreichenden Verbesserung der Einkommenslage zu rechnen. Dies umso mehr,
als die radikale Attitüde der neuen Regierung kaum zuträglich für Handel und Wandel
sein dürfte, von ausländischen Investitionen
ganz abzusehen. Die Gefahr einer prekären Bargeldverknappung mit der Folge der
Bankenschließung und des zweifelsfrei amtlichen Staatsbankrottes sei daher keineswegs gebannt. Vor diesem Hintergrund wirkt
der Umgang der griechischen Regierung mit
ihren EU-Partnerstaaten, der Troika, die ja
nach wie vor als Funktionsträger existiert,
und Deutschland im Besonderen mehr als
befremdlich.
Griechische Regierung löst Rücklagen
der Sozialversicherung auf
Angesichts des dringenden Finanzbedarfs
von Griechenland will die Regierung in Athen
die Sozialversicherungssysteme und andere staatliche Institutionen per Gesetz dazu
bringen, ihr verfügbares Guthaben „vorübergehend“ der griechischen Zentralbank und
damit dem Staat zu überlassen. Wie das
Finanzministerium in Athen mitteilte, soll die
Gesetzesinitiative einen Rahmen für die Verwendung des Kapitals staatlicher Einrichtungen und der Sozialversicherungen schaffen.
Im Gegenzug sollen sie eine Staatsgarantie
über ihre zur Verfügung gestellten Gelder
„im Fall eines Kapitalverlusts“ erhalten. Ein
solcher Transfer an die Zentralbank solle
aber nicht zur Pflicht werden, teilte das Finanzministerium mit. Auf erste entsprechende Ankündigungen hatten einige Chefs der
angesprochenen Einrichtungen zurückhaltend reagiert. Dennoch bestätigte die Regierung das Vorhaben. Griechischen Medien
zufolge verspricht sie sich davon drei Milliarden Euro, die ihr in der derzeit äußerst angespannten Lage ein wenig Luft verschaffen
würden. Mit künftigen Privatisierungserlösen
sollen Renten und andere Sozialleistungen
bezahlt werden; „Wir schaffen eine neue Behörde, deren Einnahmen in die Finanzierung
der Sozialpolitik fließen“, sagte Vizefinanzministerin Nadia Valavani vor einem Parlamentsausschuss in Athen.
Im Zuge der sich seit Jahren abzeichnenden
Staatspleite sollten werthaltige Immobilien
im Staatsbesitz einnahmeträchtig „privatisiert“ werden. Man hoffte auf chinesische Investoren und Erlöse von rund 50 Mrd. Euro.
Bislang sind jedoch alle schwachen Versuche dazu schon daran gescheitert, dass neben einer politischen Angst vor Privatisierung
schlechthin keine Käufersicherheit geboten
werden konnte. Am Kataster, in Griechenland gelegentlich ein politisches Reizwort,
arbeitet die „Ktimatologia AG“ seit 1995. Sie
ist in Staatsbesitz und begann einst mit einer
Brüsseler Subvention von rund 152 Millionen
Euro, die nach wenigen Jahren verbraucht
waren. Das neue Projekt (seit 2008) hat eine
andere Dimension: rund 1,5 Milliarden Euro
soll es kosten, die 15.000 km Küsten, 3.000
Inseln und 132.000 Quadratkilometer Land
zu fotografieren und Daten zu verarbeiten.
Der schlüssige Erfolg lässt nach Berichten
auf sich warten; allein in der Provinz Attika
wurden Immobilien für das neue Kataster
deklariert ,,deren Gesamtfläche diejenige
Attikas um das Doppelte übersteigt.“ „Cicero Online“ weiß, warum: Grundstücke von im
Ausland lebenden Griechen wurden gleich
von mehreren Nachbarn beansprucht, auch
seien die gemeldeten Grundstücksflächen
aus baurechtlichen Erwartungen oft größer als die tatsächlichen. Das Projekt soll
2020 abgeschlossen sein. Immerhin wären
transparente Eigentumsverhältnisse für das
dringlich benötigte Wachstum durch Investitionen unverzichtbar.
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3/2015
Aus den EU-Beitrittskandidatenstaaten
Island ist nicht mehr
Beitrittskandidat
WHO bemüht sich um mehr
Impfungen gegen Masern
Das WHO-Regionalbüro für Europa fordert
Politiker, Gesundheitspersonal und Eltern
eindringlich auf, unverzüglich in allen besonders gefährdeten Altersgruppen die Impfanstrengungen gegen Masern zu verstärken.
Für 2014 und die ersten Monate des Jahres
2015 wurden aus sieben Ländern der Europäischen Region insgesamt 22.149 Masernfälle gemeldet, wodurch das Ziel, die Krankheit bis 2015 zu eliminieren, in Gefahr gerät.
Denn auch wenn die Zahl der Masernfälle
von 2013 auf 2014 um 50% sank, so dauern
doch einige größere Ausbrüche noch an. Zur
Unterstützung der europäischen Länder bei
diesen Anstrengungen hat das WHO-Regionalbüro für Europa einen neuen Europäischen Impfaktionsplan (EVAP) geschaffen,
der sich am Globalen Impfaktionsplan orientiert und den speziellen Erfordernissen in
der Europäischen Region Rechnung trägt.
Island hat seine Kandidatur für eine EU-Mitgliedschaft im März offiziell zurückgezogen.
„Den Interessen Islands ist außerhalb der
Europäischen Union besser gedient“, erklärte das Außenministerium in Reykjavik auf
seiner Website. Die EU-Kommission respektiere die freie und souveräne Entscheidung
der isländischen Regierung, die Tür für Island bleibe aber weiter offen: „Als die Zeiten
hart waren, wollten sie beitreten, jetzt wollen
sie eine Pause. Das ist völlig in Ordnung“,
sagte Margaritis Schinas, der Chefsprecher
der Kommission. Die isländische Regierung
will nach eigenem Bekunden aber weiter mit
der EU zusammenarbeiten. Der abgelegene
Inselstaat, der ökonomisch gesehen hauptsächlich vom Fischfang und Tourismus lebt,
gehört der Europäischen Freihandelszone
(EFTA) und dem Schengener Abkommen EVAP (nur auf Englisch):
http://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_
an.
file/0007/255679/WHO_EVAP_UK_v30_
WEB-new-sticker.pdf?ua=1
Internationale Organisationen
Blick über die EU-Grenzen
Konjunkturprognose im
Euroraum positiv
Die Konjunkturentwicklung für den Euroraum
hat sich leicht verbessert. Nach einer Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) unter Berechnung
des sogenannten „Frühindikatorindex“ sei
ein stärkeres Anziehen insbesondere in
Deutschland zu erwarten. Wie „Europa Aktuell“ meldet, werde auch für Frankreich und
Italien ein Zuwachs erwartet. Mit dem „Frühindikator“ versuche die OECD, Anzeichen
für eine mögliche Konjunkturwende festzustellen.
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Abkommen EU-Singapur:
EuGH wird gefragt
Die EU hat in den vergangenen Jahren ein
umfassendes Freihandelsabkommen mit
Singapur ausgehandelt. Es handelt sich dabei um das erste Abkommen mit einer südostasiatischen Volkswirtschaft. Bereits im
September 2013 wurde es von den Chefunterhändlern der Europäischen Kommission
und der Regierung Singapurs paraphiert.
Damit das Abkommen rechtliche Gültigkeit
erlangt muss es jedoch von beiden Verhandlungspartnern ratifiziert werden. Auf
Seiten der EU erfolgt die Ratifizierung von
Freihandelsabkommen generell durch die
3/2015
Zustimmung des Ministerrates und des Europäischen Parlamentes. Falls das Abkommen auch Bereiche abdeckt, die in der ausschließlichen Kompetenz der Mitgliedstaaten
liegen, haben auch die nationalen Parlamente ein Mitspracherecht. Solche „gemischte
Abkommen“ bedürfen der Zustimmung aller
28 nationalen Parlamente; das ist beispielsweise dann der Fall, wenn ein Abkommen
Bestimmungen zum Verkehr, zur gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualifikationen
oder gar zum Arbeitsschutz enthalten.
gen überbrücken zu können und damit ihre
bisher unvollendete Agenda des Handels mit
Dienstleistungen zu Ende zu bringen. Die
TiSA-Verhandlungspartner verfolgen damit
das Ziel einer „überaus ambitionierten“ Liberalisierung des Dienstleistungshandels.
Aber was sie genau vorhaben, bleibt der
Öffentlichkeit vorenthalten. Auch das seit
dem 10. März 2015 für jedermann zugängliche Verhandlungsmandat hat daran nichts
geändert. Der nur dreieinhalb Seiten lange
Text erhält nur wenige allgemeine Informationen über die Pläne. Dies ist jedoch nicht
Die Mitgliedstaaten, darunter auch Deutsch- verwunderlich, denn ein Mandat, welches
land, sehen – im Gegensatz zu der Euro- zum Führen von Verhandlungen erteilt wird,
päischen Kommission – in dem Singapur- kann lediglich nur eine allgemeine ZielrichAbkommen ihre Kompetenzen berührt und tung und Leitlinien vorgeben. So soll TiSA
stufen es deswegen als ein gemischtes Ab- auf dem GATS aufbauen, um später eine
kommen ein. Experten zufolge scheint dies reibungslose Eingliederung der Vorschriften
an dem Investitionsschutzkapitel zu liegen. in das GATS zu gewährleisten. Da nicht alle
Zwar hat die EU-Kommission mit dem Ver- WTO-Mitgliedstaaten an den Verhandlungen
trag von Lissabon die Kompetenz erhalten, zu TiSA beteiligt sind, könnte eine Eingliedeauch Investitionsschutzabkommen für die rung in die Vorschriften des GATS eine BinMitgliedstaaten zu verhandeln; bei einem dung zwischen allen WTO Mitgliedern herInkrafttreten des nun ausgehandelten EU- beiführen.
Singapur Abkommens würden jedoch alle
bislang bestehenden bilateralen Abkommen Im Vergleich zu GATS soll sich TiSA auf nazum Investitionsschutz zwischen den Mit- hezu alle Sektoren und Erbringungsarten
gliedstaaten und Singapur hinfällig. Nach erstrecken und vorsehen, dass keine disAuffassung der Mitgliedstaaten ist deswegen kriminierenden Maßnahmen bestehen oder
eine Befragung ihrer nationalen Parlamente bestehende abgeschafft werden. Ein Ausnotwendig. Die Kommission hat deswegen schluss von bestimmten Dienstleistungsden Europäischen Gerichtshof in Luxemburg sektoren ist möglich, wahrscheinlich durch
eingeschaltet, der nun entscheiden soll.
entsprechende Vorbehalte – wie bei TTIP.
Darüber hinaus sollen die EU und ihre Mitgliedstaaten weiterhin im Interesse von GeTiSA liberalisiert Dienstleistungen
meinwohlzielen Maßnahmen zur Erbringung
Neben TTIP und CETA treten auch die seit von Dienstleistungen treffen können. Geset2012 laufenden Verhandlungen zwischen ze und sonstige Vorschriften der EU und der
der EU und 22 weiteren Verhandlungspartner Mitgliedstaaten betreffend Beschäftigung
für ein Abkommen zur Dienstleistungslibera- und Arbeitsbedingungen sollen zudem weilisierungen, kurz TiSA, in die Öffentlichkeit. terhin gelten. Auch einen wirksamen StreitDie Partner haben sich in den WTO-Dienst- beilegungsmechanismus soll TiSA enthalten;
leistungsverhandlungen der Doha Runde als ob es sich dabei um einen „investor-to-state“
„wirklich gute Freunde von Dienstleistungen“ or „state-to-state“ – Mechanismus handeln
gefunden und erhoffen sich durch TiSA die soll, ist nicht erwähnt, die Kommission hatte
festgefahrenen Dienstleistungsverhandlun- jedoch bereits in der Vergangenheit mehrfach lediglich von letzterem gesprochen.
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3/2015
darunter die Schaffung von ReferenzzentEs ist also fraglich, ob die Öffentlichkeit an- ren, die eine rasche und sichere Diagnose
hand des Mandats beurteilen kann, was sie sowie eine effiziente Behandlung sicherstelvon TiSA zu erwarten hat. Mit Blick auf die len. Das Eidgenössische Departement des
öffentlichen Dienstleistungen scheint einem Innern (EDI) wird den Zeitplan für die Umset„geheimen“ Papier – welches jedoch öffent- zung des Konzepts noch in diesem Frühjahr
lich bekannt geworden ist – zufolge zumin- vorlegen.
dest die Türkei gerade bei den Gesundheitssystemen „große, ungenutzte Potenziale“
Event
zu sehen, denn darin wird erwähnt, dass
„Gesundheitsleistungen, die vom Staat oder
Wohlfahrtsorganisationen erbracht und fiEuropas Sozialversicherungssysteme:
nanziert werden, für ausländische Anbieter
Sind sie zukunftsfähig?
nicht von Interesse sind.“ Es fehle der marktorientierte Handlungsspielraum. Es geht da- Die transnationale Arbeitsgemeinschaft Eumit nicht um eine allgemeine Verbesserung ropean Social Insurance Platform (ESIP)
der medizinischen Versorgung, vielmehr soll führt ihre 8. Europäische Konferenz am 4.
es den Patienten erleichtert werden, sich im Juni 2015 in der Hauptverwaltung der belAusland auf Kosten des zuständigen Versi- gischen Landesrentenanstalt (ONP/RVP)
cherungsträgers behandeln zu lassen. Die in Brüssel durch. Die Auswahl des Themas
zuständige Handelskommissarin Malmström „Europas Sozialversicherungssysteme: Sind
hat schnell auf das kursierende Papier re- sie zukunftsfähig?” begründet ESIP wie
agiert und betont, dass sie unter keinen folgt: „Wissenschaftliche Prognosen sagen
Umständen ein Handelsabkommen vor- voraus, dass Europas Bevölkerung bis zum
schlagen würde, welches Regelungen zur Jahr 2050 um 8,3% schrumpfen wird. Die„Übertragbarkeit der Krankenversicherung“ se Perspektive in Verbindung mit einer stei(„portability on health insurance“) enthalte. genden Lebenserwartung und sinkenden
Hierbei handele es sich nach Auffassung der Geburtenraten führt zwangsläufig zu einer
Kommissarin nicht um eine Handelsangele- kleineren und älteren Gesellschaft, in der
genheit und die Europäische Kommission immer weniger Menschen zur aktiven Erwerde die hohe Qualität unserer öffentlichen werbsbevölkerung zählen und immer mehr,
Gesundheitsleistungen in einem Handelsab- vor allem Rentner, von Sozialleistungen
kommen nicht gefährden.
wirtschaftlich abhängig sein werden. Der
demografische Wandel wird die Sozialversicherungssysteme in der EU auf vielfältige
Schweizer Konzept zu
Weise massiv herausfordern: höhere AusSeltenen Krankheiten
gaben für die Gesundheitsversorgung und
Wer unter einer seltenen Krankheit leidet, die Pflege älterer Menschen, immer weniger
soll medizinisch gut betreut werden und Erwerbstätige müssen die Kosten für immer
einfach Hilfe erhalten. Der Bundesrat in mehr Rentner aufbringen und die Arbeitsder Schweiz hat dazu das Konzept „Selte- welt muss sich anpassen, sowohl mit Blick
ne Krankheiten“ verabschiedet. Bisher sind auf die Lebensarbeitszeit als auch hinsichtweltweit schätzungsweise 6.000 bis 8.000 lich der Arbeitsorganisation. Alle Bereiche
seltene Krankheiten beschrieben worden. des Sozialschutzes (Renten, ArbeitsunfallEine Krankheit gilt dann als selten, wenn sie versicherung, Gesundheit, Pflege, Familienhöchstens fünf von 10.000 Personen betrifft. leistungen) sind betroffen und müssen MaßDas Konzept schlägt 19 Maßnahmen vor, nahmen ergreifen, um das gemeinsame Ziel
eines allgemein zugänglichen, solidarischen
22
3/2015
und gerechten Sozialschutzes von hoher
Qualität zu sichern. Sind die heutigen Sozialversicherungssysteme robust und flexibel
genug, um die vielfältigen Anforderungen
der Zukunft zu meistern?“
Die ESIP-Konferenz wird diese Fragen in
drei Podiumsdiskussionen aufgreifen und
behandeln: 1) Sozialversicherung in Europa
heute: 28 Mitgliedstaaten – 28 Systeme”; 2)
„Die Rolle der EU: zwischen Koordinierung
und Konvergenz” sowie 3) „Zukunftsperspektiven: Ist Harmonisierung der richtige
Weg?”.
Nähere Informationen und Anmeldungsmöglichkeiten sind im Internet verfügbar:
http://esip.eu/?q=de/node/1624
TTIP: Gefahr für Arbeitsschutz
und soziale Sicherheit?
Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) zwischen den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union
wird seit Beginn der Verhandlungen im Jahr
2013 kontrovers diskutiert. Bislang haben
insbesondere Themen zum Verbraucherrecht und zum Investitionsschutz die Debatte
bestimmt. Wenig beachtet in der öffentlichen
Diskussion wurden jedoch bisher mögliche
Auswirkungen auf öffentliche Dienstleistungen und auf den Arbeits- und Gesundheitsschutz. Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) hat dieses Thema von
Anfang an eng begleitet – sei es in direkten
Gesprächen mit der Bundesregierung und
der EU-Kommission, in Beiträgen oder Positions- und Hintergrundpapieren.
Am 18. Februar diskutierten die DGUV und
die Kommission für Arbeitsschutz und Normung (KAN) im Rahmen einer Podiumsveranstaltung über mögliche Auswirkungen von
TTIP auf den Arbeitsschutz und die soziale
Sicherheit. Der Hauptgeschäftsführer der
DGUV, Dr. Joachim Breuer, sensibilisierte
die 180 Teilnehmer bereits zu Beginn der
Veranstaltung für die wesentlichen Aspekte:
Berührt TTIP die Freiheit der Staaten, ihre
sozialen Sicherungssysteme selbstbestimmt
zu gestalten? Haben wir durch eine gegenseitige Anerkennung von Normen ein Absenken des Sicherheitsniveaus zu befürchten?
Fragen, auf die die DGUV bislang noch keine zufriedenstellende Antwort erhalten hat.
Inwieweit das Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU Einfluss auf die
Organisation und Struktur des deutschen
Sozialversicherungssystems haben könnte,
wurde anschließend auch auf dem Podium
debattiert. Unter Leitung von Petra Pinzler
(Die Zeit) erörterten Dr. Heinz Hetmeier, Leiter des Referats Allgemeine Handelspolitik
(EU/WTO), Dienstleistungen, Geistiges Eigentum im Bundesministerium für Wirtschaft
und Energie (BMWi), Dr. Dirk Watermann,
Leiter der Geschäftsstelle der Kommission Arbeitsschutz und Normung (KAN), und
Ilka Wölfle, Leiterin des Büros der DGUV in
der EU-Vertretung der Deutschen Sozialversicherung in Brüssel, mögliche Gefahren
durch TTIP für Arbeitsschutz- und Sozialstandards sowie die Systeme der sozialen
Sicherung insgesamt. Was die Organisation der deutschen Sozialversicherung angehe, sei es das Anliegen der Bundesregierung, durch die Handelsverträge keine
Änderungen herbeizuführen. Die Struktur
des deutschen Sozialversicherungssystems
soll demnach durch das Handelsabkommen
nicht in Frage gestellt werden. Auch mit Blick
auf unterschiedliche Standards im Bereich
der Arbeitssicherheit auf beiden Seiten des
Atlantiks versuchte Hetmeier zu beruhigen.
Denn diese stünden im Rahmen der Verhandlungen nicht zur Disposition.
Die DGUV wird die Verhandlungen weiterhin
mit großer Aufmerksamkeit begleiten und
bei Bedarf auf Entwicklungen und Rechtsunsicherheit hinweisen, die sich aus dem
Abkommen möglicherweise ergeben können – je nachdem, wie verhandelt wird und
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3/2015
welche Ergebnisse dabei herauskommen. soziale Dialog zwischen Regierung, ArbeitDie DGUV hat eine Dokumentation der Ver- nehmer- und Arbeitgebervertretern.
anstaltung sowie verschiedene Positionspapiere im Internet veröffentlicht. Sie ist unter Weitere Informationen finden Sie hier:
http://www.dguv.de/de/Internationales/
folgendem Link abrufbar:
http://www.dguv.de/de/mediencenter/termine/
ttip/index.jsp
Neues-aus-der-internationalen-Arbeit/G7konferenz_2015/index.jsp
G7 Initiative für weltweiten
Arbeitsschutz
Gemeinsam soziale Rechte schützen
Bangladesch ist nur eines der Länder, die
wegen ihrer schlechten Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie immer wieder im
Fokus der Öffentlichkeit stehen. Auf der G7
Stakeholder-Konferenz am 10. und 11. März
in Berlin haben Arbeitsministerin Andrea
Nahles und Entwicklungsminister Dr. Gerd
Müller deshalb die Initiative „Standards in
Lieferketten“ gestartet. „Ich habe die Vision,
Unfallversicherungen auf der ganzen Welt
aufzubauen“, sagte Nahles. „Die Zeit ist reif,
guter Arbeit weltweit zu ihrem Recht zu verhelfen.“ Gut eineinhalb Monate vor dem G7Gipfel berieten die Minister unter anderem
mit Regierungsvertretern aus Bangladesch,
Sozialpartnern und internationalen Organisationen über Wege, Arbeitsbedingungen in
globalen Lieferketten zu verbessern. Zentrales Element der Initiative ist ein globaler „Vision Zero Fonds“, der Mittel für Investitionen
in den Arbeitsschutz bereitstellen soll.
Die DGUV hat intensiv zur G7 Konferenz
beigetragen – sowohl durch konkrete Initiativen und Vorschläge als auch durch die
aktive Beteiligung an den Foren. Berufsgenossenschaften und Unfallkassen engagieren sich bereits seit Jahrzehnten für den Aufbau entsprechender Institutionen in anderen
Ländern. Das jüngste Beispiel ist die im
Dezember 2014 geschlossene Kooperation
zwischen DGUV, dem bangladeschischen
Arbeitsministerium und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Ziel ist, Bangladesch beim Aufbau eines Unfallversicherungssystems zu
unterstützen. Im Vordergrund steht hier der
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Am 12. und 13. Februar 2015 richteten der
Europarat und belgische Behörden die Konferenz „Zukunft des Schutzes der sozialen
Rechte in Europa“ in Brüssel aus, an der
Sozialpartner, Vertreter der Zivilgesellschaft
und Wissenschaft sowie politische Entscheidungsträger teilnahmen. Hauptthemen waren neben dem Konferenzmotto die „Sozialen Rechte im Kontext der Wirtschafts- und
Finanzkrise“ sowie die weiterführende „Zusammenarbeit der 28 Mitgliedstaaten der
Europäischen Union mit den 47 Mitgliedstaaten des Europarats“. Zusätzlich wurde
die Notwendigkeit der Unterzeichnung und
Ratifizierung der überarbeiteten Europäischen Sozialcharta von 1996 betont. Ferner
wurden die Entwicklungen der internationalen Instrumente, wie beispielsweise das
EU-Recht oder der „Internationale Pakt zum
Schutz der sozialen Rechte“ erörtert.
Europäisches Gipfeltreffen für
aktives und gesundes Altern
Vom 9. bis 10. März 2015 fand in Brüssel
ein hochrangiges „Gipfeltreffen“ zum Thema
aktives und gesundes Altern statt. Es wurde
von der Europäischen Kommission in Zusammenarbeit mit der AGE Platform Europe,
einem Netzwerk, dem über 150 Organisationen „von und für Menschen über 50 Jahre“
angehören, veranstaltet. Die Konferenz bot
eine Plattform für ca. 1.500 Interessierte, um
zu erörtern, wie der demografische Wandel
neue Chancen für Innovation, Wachstum
und Beschäftigung bringen kann. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand die Rolle der
3/2015
weltweit führenden Innovatoren aus dem
medizinischen und pharmazeutischen Bereich, des Sozial- und Gesundheitswesens,
der Zivilgesellschaft sowie der Verbraucher.
Die Diskussionen drehten sich rund um die
Investitionsmöglichkeiten für die Förderung
von Innovationen, die das Wohlbefinden der
Menschen verbessern, die Nachhaltigkeit
unserer Gesundheits- und Pflegesysteme
und das Potenzial für die etablierten und aufstrebenden Industriezweige, von der Seniorenwirtschaft zu profitieren.
Live-Demonstrationen, Workshops und eine
interaktive Ausstellung boten neben dem
thematischen Wissensaustausch den Mitgliedern der Europäischen Kommission, den
nationalen Ministern, regionalen Behörden
und Führungskräften aus der Industrie, einschließlich der Vertreter der Zivilgesellschaft
die Möglichkeit, sich aktiv an der Debatte zu
beteiligen. Günther Oettinger, EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft,
hielt die Eröffnungsrede. Er wies darauf hin,
dass es auch in Zukunft wichtig ist, die Seniorenwirtschaft zu beleuchten und Vorteile
daraus zu ziehen. Besonders ging Oettinger
auf die Steigerung der Lebensqualität für
Ältere ein. Herausforderung dabei sei allerdings die Finanzierbarkeit der besonderen
Dienstleistungen für altere Menschen. Trotz
des demografischen Wandels müsse die
Nachhaltigkeit zwischen den Generationen
gewährleistet werden. Ziel sei es, mehr Arbeitslose in Arbeit zu bringen, damit diese
auch Rentenbeiträge zahlen. Zudem seien
auch Anreize für die private Altersvorsorge
zu schaffen. Nach Auffassung von Oettinger sei die Rente mit 70 die Zukunft, da eine
Balance zwischen den in das Rentensystem
Einzahlenden und den Rentenbeziehern geschaffen werden müsste.
Im Hintergrundpapier „Wachsende Seniorenwirtschaft in Europa“ wird ein Überblick
über relevante Initiativen der Europäischen
Kommission hinsichtlich der Seniorenwirtschaft zur Verfügung gestellt:
http://ec.europa.eu/research/innovationunion/pdf/active-healthy-ageing/exec_
silvereco.pdf#view=fit&pagemode=none
Statistik
„Objektivere“ EU-Statistiken
Am 5. März hat der Rat eine Anpassung der
Regeln zur Qualität europäischer Statistiken
verabschiedet. Sie sollen vor allem die fachliche Unabhängigkeit der nationalen Statistikbehörden, aber auch von Eurostat garantieren. Die Leiter der nationalen Behörden
sind gegenüber ihren Regierungen oder anderen Stellen nicht länger weisungsgebunden, und der Eurostat-Generaldirektor darf
von Organen der EU keine Weisungen entgegennehmen. Im Rat haben Österreich und
Großbritannien gegen die Novelle gestimmt,
während sich die Niederlande und Portugal
der Stimme enthalten haben.
Kosten der Gesundheitsversorgung
und ihre Finanzierung
Mit der Verordnung (EU) 2015/359 der EUKommission vom 4. März 2015 („VO“) sind
Durchführungsvorschriften zur „Verordnung
(EG) Nr. 1338/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf Statistiken über die Kosten der Gesundheitsversorgung und ihre Finanzierung“ erlassen
worden. Hierbei umfasst der Begriff „Gesundheitversorgung“ die „Öffentliche Gesundheit“ und den „Gesundheitsschutz und
Sicherheit am Arbeitsplatz“. Die zu liefernden Daten und Metadaten über die Kosten
der Gesundheitsversorgung und ihre Finanzierung sowie die Bezugszeiträume, Zeitabstände und Fristen für die Bereitstellung
der Daten werden durch die VO bestimmt,
wobei die darin vorgesehenen Maßnahmen
der Stellungnahme des „Ausschusses für
das Europäische Statistische System“ entsprechen. Die VO tritt am zwanzigsten Tag
25
3/2015
nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der
Europäischen Union in Kraft, ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in
jedem Mitgliedstaat.
Die VO ist im Amtsblatt L 62 vom 6. März
2015, Seiten 6 ff., veröffentlicht worden:
http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/
TXT/PDF/?uri=CELEX:32015R0359&qid=142
6854666822&from=DE
Publikationen / Ausschreibungen
Krankenhausversorgung: Grenzüberschreitender Strukturvergleich
Im nunmehr vorliegenden „Krankenhausreport 2015“ vergleichen die Gesundheitsexperten Alexander Geissler und Reinhard
Busse „stationäre Kapazitätssteuerung“ im
internationalen Rahmen. Im Zentrum der Betrachtungen stehen der Strukturwandel und
eine Analyse der Versorgungssteuerung.
Die Verfasser beleuchten die Planung und
Steuerung von stationären Kapazitäten im
Ländervergleich zwischen u.a. Dänemark,
England, Finnland, Frankreich, Italien und
den Niederlanden. Nach Meinung der Verfasser zeige sich, auch unter Berücksichtigung der systemgegebenen Begrenzungen
eines internationalen Vergleichs durchaus
unterschiedlicher Strukturen, die Problematik einer grundsätzlich getrennten Planung
von ambulanten und stationären Strukturen.
Das Fehlen eines deutschen „Gesamtrahmenplanes“ wirke sich zudem erschwerend
aus. Nach wie vor sei „das Krankenhausbett“
die wesentliche Planungsgrundlage. Auf der
Basis des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) sei zudem die Planung auf
„die Bundesländer“ konzentriert. Allerdings
seien schon länderübergreifende Kooperationen eher selten. Unter Mitwirkung des
Wissenschaftlichen Instituts der AOK (Wido)
erschien das von Jürgen Klauber, Max Geraedts, Jörg Friedrich und Jürgen Wasem
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herausgegebene umfangreiche Werk im
Schattauer Verlag, Stuttgart. (ISBN 978-37945-3091-5.)
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Impressum
EUREPORTsocial ist das europäische Nachrichtenmagazin der Deutschen Sozialversicherung
(DSV) und erscheint seit 1993 in acht Ausgaben jährlich. Die DSV-Spitzenorganisationen haben
sich mit Blick auf ihre gemeinsamen europapolitischen Interessen zur „Deutsche Sozialversicherung
– Arbeitsgemeinschaft Europa e.V.“ (DSVAE) mit Sitz in Berlin zusammengeschlossen. Die beim
Amtsgericht Berlin-Charlottenburg unter dem Aktenzeichen VR.27176.B und beim Berliner Finanzamt
für Körperschaften I unter der Steuernummer 27/663/60150 registrierte DSVAE ist die Trägervereinigung
der Europavertretung der Deutschen Sozialversicherung (DSVEV) mit Sitz in Brüssel.
Die DSVAE und die DSVEV sind im belgischen Handelsregister und bei der föderalen Steuerbehörde unter
dem Geschäftszeichen 850.752.257, im belgischen Mehrwertsteuersystem unter der Steuernummer
BE01.0441.1788 und im zentralen Transparenz-Register der Europäischen Union (Liste der bei der EU
akkreditierten Interessensvertreter) unter der Registriernummer 917.393.784-31 eingetragen.
Herausgeber: Europavertretung der Deutschen Sozialversicherung (DSVEV). Postanschrift: Maison
Européenne de la Protection Sociale, Rue d’Arlon 50, 1000 Bruxelles, Belgien. Telefon: +32-2/282.05.50;
Telefax: +32-2/282.04.79; E-Mail: [email protected].
Schriftleitung: Dr. Franz Terwey (Verantwortlich). Redaktion: Gunter Danner M.A. Ph.D, Andreas
Drespe, Marina Schmidt, Dr. Wolfgang Schulz-Weidner, Ilka Wölfle LL.M. (ständige Mitarbeiter); Felix
Denk, Carolin Friedenstab, Sahdia Qamar (Mitarbeit an dieser Ausgabe).
Internet-Präsenz: Die DSV-Spitzenorganisationen und die deutsche Bundesagentur für Arbeit (BA) sind
über das gemeinsame Portal www.deutsche-sozialversicherung.de erreichbar. Als Mitglied der European
Social Insurance Platform aisbl (ESIP) mit Sitz in Brüssel ist die DSV ferner über das Portal www.esip.
eu präsent und im internationalen Kontext als Mitglied der International Social Security Association
(ISSA) mit Sitz in Genf über die Adresse www.issa.int.
Abonnements und Versand: Anne Breuer, Gina Pompilius. E-Mail: [email protected].
Druck und Herstellung: Boarding Concept sprl, Rue J-B Vannypen 57, 1160 Bruxelles, Belgien. E-Mail:
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