Hintergrundpapier als - Institut der Deutschen Wirtschaft

Konjunkturprognose Frühjahr 2015
Öffentliche Finanzen
Ansprechpartner: Tobias Hentze1, Ralph Brügelmann2
Der Staat erzielt auch in den Jahren 2015 und 2016 deutliche Überschüsse bei
steigenden Einnahmen und Ausgaben. Während in der Vergangenheit vor allem die
gesetzlichen Sozialversicherungen für einen gesamtstaatlichen Finanzierungsüberschuss
sorgten, kompensieren nun Bund, Länder und Gemeinden die negativen Salden der
sozialen Sicherungssysteme.
Im Jahr 2014 haben die öffentlichen Haushalte in Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen
Gesamtrechnungen mit einem Überschuss von 18 Milliarden Euro oder 0,6 Prozent des
Bruttoinlandsprodukts (BIP) abgeschlossen. Dieses Ergebnis lag deutlich über den
vorausgegangenen Prognosen und ist auch im historischen Vergleich einmalig. Lediglich
im Jahr 2000 konnte ein höherer Überschuss erzielt werden. Der schmilzt aber
zusammen, wenn man den Sondereffekt einmaliger Erlöse herausrechnet, die aus der
Versteigerung der UMTS-Lizenzen in Höhe von 50,8 Milliarden Euro resultierten. Auch für
den Prognosezeitraum 2015 und 2016 wird mit Überschüssen gerechnet, wobei der Wert
für 2016 merklich geringer ausfallen wird.
Im Jahr 2012 erzielte der Staat erstmals seit der Finanz- und Wirtschaftskrise einen
kleinen Haushaltsüberschuss. Dazu trugen damals wesentlich die Sozialversicherungen
mit einem Plus von 18,3 Milliarden Euro bei, während die Gebietskörperschaften noch
defizitär waren. Bis 2014 schmolz der Überschuss der Sozialversicherungen auf gut 3
Milliarden Euro. Im Prognosezeitraum werden die Sozialversicherungen erstmals seit
2009 wieder defizitär. Dafür sind vor allem die verschlechterten Salden der gesetzlichen
Renten-
und
Krankenversicherungen
Rentenversicherung
führen
vor
allem
verantwortlich.
die
im
In
der
gesetzlichen
Rentenversicherungs-Leistungsver-
besserungsgesetz neu definierten Ansprüche zu deutlich höheren Ausgaben. Allein die
Aufstockung der Anrechnung von Kindererziehungszeiten für Mütter, deren Kinder vor
1991 geboren wurden, sowie die Inanspruchnahme der beitragsfreien Rente mit 63
Jahren für besonders langjährig Versicherte schlagen im Jahr 2015 mit rund 9 Milliarden
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Euro und im folgenden Jahr voraussichtlich mit etwa 9,5 Milliarden Euro zu Buche. So
verkehrt sich der Finanzierungssaldo der gesetzlichen Rentenversicherung in diesem Jahr
erstmals ins Negative. Dieses Defizit wird sich 2016 weiter erhöhen.
Auch in der Gesetzlichen Krankenversicherung ist mit deutlichen Ausgabensteigerungen
zu rechnen. Hier war der Finanzierungssaldo bereits im vergangenen Jahr negativ. Die im
Vergleich
zur
Einnahmenentwicklung
überproportionale
Dynamik
des
Ausgabenwachstums lässt das Minus aber in den Jahren 2015 und 2016 auf 8 bis 9
Milliarden Euro steigen. Dabei werden bislang nur äußerst verhaltene Anpassungen des
kassenindividuellen Beitragssatzes, des sogenannten Zusatzbeitrages, unterstellt. Ein
Defizit fällt natürlich umso geringer aus, je schneller die Krankenkassen ihren zusätzlichen
Beitragssatz an steigende finanzielle Erfordernisse anpassen.
Die
mit
der
letzten
Reform
eingeführten
Leistungsverbesserungen
in
der
Pflegeversicherung sollten eigentlich eine ähnliche Entwicklung erwarten lassen. Hier
kann der Zuwachs auf der Ausgabenseite aber nur mit großer Unsicherheit geschätzt
werden. Denn noch sind die Erfahrungen mit der Inanspruchnahme von Leistungen durch
an Demenz Erkrankte sowie Mehrausgaben infolge der Erstattung von Aufwendungen für
niedrigschwellige
Betreuungsangebote
gering,
so
dass
eine
Prognose
der
Ausgabenentwicklung kaum möglich scheint. Umgekehrt spült aber der zum 1. Januar
2015 um 0,3 Prozentpunkte erhöhte Beitragssatz zusätzliche Einnahmen in die
Pflegekasse, so dass für 2015 mit einem deutlichen Überschuss zu rechnen ist, der sich
dann im Jahr 2016 spürbar abbaut.
Über alle Zweige, also einschließlich der Arbeitslosen- und Unfallversicherung, wechselt
der Saldo der gesetzlichen Sozialversicherung in diesem Jahr das Vorzeichen. Für 2015
ist mit einem Gesamtdefizit von rund 5 Milliarden Euro zu rechnen, im Folgejahr wird es
auf rund 8 Milliarden Euro steigen. Damit setzt sich im Prognosezeitraum ein Trend fort,
der sich bereits in den vergangenen Jahren angedeutet hat. Während in der
Vergangenheit vor allem Überschüsse in der Sozialversicherung für einen positiven
gesamtstaatlichen Finanzierungssaldo gesorgt haben, sind es nun die Haushalte von
Bund, Länder und Gemeinden, die das Ergebnis positiv beeinflussen.
Die Finanzierungssalden der Gebietskörperschaften haben sich in den letzten Jahren
stark verbessert. Sie konnten im abgelaufenen Jahr einen Überschuss von 14,6 Milliarden
Euro erzielen. Das IW Köln rechnet im Prognosezeitraum mit einer weiteren Zunahme
dieser Überschüsse. Dabei wird die Situation der öffentlichen Haushalte im Wesentlichen
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von einer weiterhin robusten Entwicklung der Einnahmen geprägt. Die Steuereinnahmen
legen als mit Abstand wichtigste Einnahmequelle in beiden Jahren mit rund 3 Prozent zu.
Dies ist geringfügig weniger als 2014, was unter anderem auf die Anhebung des Grundund des Kinderfreibetrages zurückzuführen ist. Dennoch entwickelt sich insbesondere die
Lohnsteuer aufgrund des sich fortsetzenden Beschäftigungsaufbaus 2015 und 2016 gut.
Die
zweite
aufkommensstarke
Steuer,
die
Umsatzsteuer,
wächst
leicht
überdurchschnittlich. Die übrigen Einnahmen wachsen im Prognosezeitraum hingegen
nur moderat oder gehen, wie die empfangenen Vermögenseinkommen, sogar zurück.
Den wachsenden Einnahmen stehen in beiden Jahren der Prognose auch kräftig
wachsende Ausgaben gegenüber – und zwar in mehreren Bereichen. Verantwortlich dafür
ist eine graduelle Aufweichung der Ausgabendisziplin. Die Lage bei den Ländern und
Kommunen ist sehr heterogen: Das heißt es gibt auf beiden Ebenen eine Vielzahl von
Fällen, bei denen die Haushaltslage recht gut ist, denn schließlich haben die Länder
zusammen 2014 einen Überschuss von 1,9 Milliarden Euro und die Kommunen
zusammen einen Überschuss von 1,3 Milliarden Euro erzielt, und auch der Bund hat 2014
mit einem Überschuss von 11,4 Milliarden Euro abgeschlossen. Vor dem Hintergrund
dieser Haushaltslage zeichnet sich die Tendenz ab, den bisher restriktiven Ausgabenkurs
zu lockern. Dies zeigt sich sowohl 2015 als auch 2016 unter anderem in spürbar
steigenden Ausgaben für Vorleistungskäufe und deutlich zunehmenden Entgelten für die
Beschäftigten im öffentlichen Sektor.
Hinzu kommen höhere Ausgaben für öffentliche Investitionen. Mit dem Beschluss der
Haushaltseckwerte 2016 und dem Finanzplan 2015 bis 2019 wurden 10 Milliarden Euro
zusätzlich für öffentliche Investitionen bereitgestellt. Davon entfallen 7 Milliarden Euro auf
Investitionen in den Bereichen öffentliche Verkehrsinfrastruktur, digitale Infrastruktur,
Energieeffizienz, Klimaschutz, Hochwasserschutz und Städtebau. Dafür enthält der
zeitgleich
eingebrachte
Nachtragshaushalt
2015
bereits
entsprechende
Verpflichtungsermächtigungen. Weitere 3 Milliarden Euro gehen in die Etats zur
Finanzierung des Betreuungsgeldes. Außerdem gründet der Bund ein Sondervermögen,
das er mit 3,5 Milliarden Euro ausstattet. Damit soll die Investitionstätigkeit
finanzschwacher Kommunen angeregt werden (Bundesfinanzministerium, 2015). Wann
genau diese Mittel abgerufen werden, lässt sich derzeit nicht bestimmen. Das IW Köln
geht davon aus, das im Prognosezeitraum rund 3 Milliarden Euro zusätzlich ausgegeben
werden, wobei der Anteil 2016 etwas höher als 2015 sein dürfte. Zusätzlich werden auch
die Investitionen der finanzstarken Länder und Kommunen weiter zunehmen. Insgesamt
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erwirtschaften die öffentlichen Haushalte dennoch einen Überschuss von 22 Milliarden
Euro im Jahr 2015 und 19 Milliarden Euro im Jahr 2016.
Zusammengefasst führen die Entwicklungen bei den gesetzlichen Sozialversicherungen
und den Gebietskörperschaften zu einer Verschlechterung der Finanzierungssalden. Zwar
werden die öffentlichen Haushalte im Prognosezeitraum weiterhin Überschüsse erzielen.
Diese werden aber mit 16 Milliarden Euro im Jahr 2015 und 11 Milliarden Euro im Jahr
2016 geringer ausfallen als 2014. Hauptverantwortlich ist dabei der starke Anstieg der
Ausgaben. Die Wachstumsraten liegen mit 3,1 Prozent 2015 und 3,5 Prozent 2016
deutlich über dem Niveau der Vorjahre. Gleichzeitig verringert sich das Wachstum der
Einnahmen während des Prognosezeitraums gegenüber 2014 und beläuft sich in beiden
Jahren auf jeweils rund 3 Prozent. Damit geben die öffentlichen Haushalte keinen akuten
Anlass zur Sorge. Das Wachstum der Ausgaben darf aber nicht weiter zunehmen und
sollte möglichst wieder auf das Niveau von 2014 zurückgehen, damit auch zukünftig
Defizite vermieden werden können.
Staatskonto für Deutschland
2014
2015
2016
in Milliarden Euro
Einnahmen
1.293,8
1.331
1.372
Steuern
660,4
680
700
Sozialbeiträge
481,6
499
518
Ausgaben
1.275,8
1.315
1.361
Arbeitnehmerentgelt
223,9
230
235
Soziale Leistungen
691,6
721
750
Subventionen
26,5
28
28
Bruttoinvestitionen
63,1
64
67
Finanzierungssaldo
18,0
16
11
in Prozent des BIP
Staatsquote 1)
43,9
44
44 1/2
Abgabenquote 2)
39,0
38 1/2
39
Steuerquote 3)
23,1
23
23
Finanzierungssaldo
0,6
1/2
1/2
1) Staatsausgaben; 2) Steuern (einschließlich Steuerzahlungen an die EU) und
Sozialbeiträge (ohne unterstellte Sozialbeiträge der Beamten); 3) Steuereinnahmen der
Gebietskörperschaften (einschließlich Steuerzahlungen an die EU).
Quellen: Statistisches Bundesamt, Institut der deutschen Wirtschaft Köln
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Literatur
Bundesfinanzministerium,
2015,
Bundesregierung
beschließt
Eckwerte
zum
Bundeshaushalt 2016 und Finanzplan 2015-2019, Pressemitteilung Nr. 13 vom
18.03.2015
nebst
Anhängen,
URL:
http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Pressemitteilungen/Finanzpolitik/201
5/03/2015-03-18-PM13-bundeshaushalt-eckwerte.html (Stand März 2015)
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