Sternwarte Eschenberg war Ende April 2015 im Intensiv-Einsatz
Der „Heuberger“-Astrograf erfüllt die Erwartungen
Die wunderbar klaren und mondscheinlosen Nächte der Woche vom 20. bis 24. April
haben der Winterthurer Sternwarte Eschenberg viel Arbeit, aber auch tolle Resultate
gebracht. Das im Oktober 2014 eingeweihte neue Teleskop hat mit seinem 60cmSpiegel, der hochmodernen CCD-Kamera und vor allem auch mit seinem komplett
drahtlosen Betrieb über ein internes Funk-Netzwerk die hochstehenden Erwartungen
mehr als nur erfüllt. Darüber freut sich besonders Markus Griesser, der Mitbegründer
und langjährige Leiter des Winterthurer Observatoriums, der sich seit vielen Jahren
engagiert in die Asteroiden-Forschung einbringt.
Entdeckt in Erdnähe
In der Nacht vom 21. zum 22. April gelangen mit einer langen Aufnahmeserie mit
insgesamt 140 Fotos insgesamt fünf Messungen am wenigen Stunden zuvor in den
USA von einem Roboter-Teleskop entdeckten erdnahen Asteroiden 2015 HW10. Dieser
„Rapid Mover“ war sehr schwierig aufzufinden, denn seine aktuelle Helligkeit lag nur
gerade bei der 20. Grössenklasse, was der Leuchtkraft einer Kerze entspricht, die wir
aus 10‘000 Kilometern Distanz betrachten! Doch das eigentliche Problem bei diesem
nur etwa 25 Meter kleinen Brocken war seine hohe Geschwindigkeit, mit der er sich vor
dem Sternhintergrund verschob. Sein enormes Tempo, das ganz klar seine Nähe zur
Erde signalisierte, setzte den Belichtungszeiten klare Grenzen. Entsprechend viele
Fotos waren nötig, um dann mit den addierten Aufnahme-Paketen, den sogenannten
Stacks, den winzigen Lichtpunkt überhaupt zu erfassen und für eine Bahnbestimmung
zu vermessen. Bei dieser Beobachtungsmethode werden die Hintergrundsterne zu
langen Strichen auseinandergezogen.
Rasend schnell unterwegs im Sternbild
des Grossen Bären: Der erst in der
Vornacht vom amerikanischen Survey
G96 auf dem Mt. Lemmon entdeckte
Aten-Asteroid 2015 HW10 näherte
sich am Dienstag, 21. April 2015, der
Erde bis auf 3,7 Millionen Kilometer.
Das Ausschnitt-Bild ist aus 140 Einzelaufnahmen zusammengesetzt. Der
Asteroid war zum Aufnahmezeitpunkt
mit rund 27 Bogensekunden pro Minute mit sehr hohem Tempo unterwegs.
Deshalb sind die Hintergrundsterne zu
langen Strichen auseinandergezogen.
(Foto: mgr/ Sternwarte Eschenberg)
Insgesamt wurden auf der Sternwarte Eschenberg in jenen April-Nächten mehr als ein
Dutzend erdnaher Kleinplaneten aus der Gruppe der potentiell gefährlichen Asteroiden
(PHA = Potentially Hazardous Asteroids) vermessen. Die genaue Bahnbestimmung und
Überwachung dieser Himmelskörper ist deshalb wichtig, weil sie - im erdgeschichtlichen
Massstab betrachtet - unsere Erde mit einem Einschlag bedrohen.
Stolz auf international anerkannte Leistungen
Vom Eschenberg aus sind bis heute weit über 14‘000 Positionsmessungen allein an
erdnahen Asteroiden ans Minor Planet Center in die USA übermittelt worden. Dass in
Winterthur auch zehn neue Hauptgürtel-Asteroiden entdeckt worden sind, relativiert
Griesser mit einer lakonischen Bemerkung: „Ob unter den aktuell bekannten 700‘000
Hauptgürtel-Asteroiden noch einer mehr oder weniger ist, interessiert wohl die
wenigsten.“ Dass hingegen auch von Winterthur aus mit angewandter Forschung aktiv
dazu beitragen wird, neu entdeckte erdnahe Kleinplaneten in ihrem Risiko-Verhalten für
einen Einschlag zu beurteilen, macht den Winterthurer Sternwarte-Leiter schon auch ein
bisschen stolz. Die Asteroiden-Beobachter seien zwar nicht die Retter der Welt. Aber
die seriöse und beharrliche Arbeit im internationalen Netzwerk trägt dazu bei, allfällige
Gefahren aus Weltall frühzeitig zu erkennen. Es wäre dann Sache der Politik und der
von ihr gestützten wissenschaftlichen Institutionen, allenfalls mögliche Massnahmen
gegen einen solchen drohenden Impakt einzuleiten.
Mehr über Markus Griesser und seine wissenschaftliche Arbeit gibt es hier:
http://de.wikipedia.org/wiki/Markus_Griesser