Zurückgeblättert Langsamer Start für die Roten Die Züchter richteten ihr Hauptaugenmerk vor allem auf die Qualität und Eignung ihrer Spaniels als Jagdgebrauchshund. Bunte waren im Revier für den Jäger besser sichtbar, deshalb überwogen jahrzehntelang die mehrfarbigen Spaniels. Ebenso egal war es für die deutschen Züchter, ob die Einfarbigen – damals ausschließlich braun oder schwarz – mehr oder weniger große weiße Abzeichen hatten. Derartige Merkmale waren rein äußerlich und für die jagdliche Zucht völlig irrelevant. Die langjährige Zuchtbuchführerin Ilse Klicks schreibt im Vorwort zum Zuchtbuch 1934: „Als Zuchtbuchführer bin ich wie ein Cerberus verpflichtet, dafür zu streben und zu kämpfen, dass das Hauptziel unserer Rasse: hochgezüchtete kleine Gebrauchshunde zu schaffen, nicht verloren geht über Schönheits- und Luxusbestrebungen.“ Im Zuchtbuch 1937 ist das erste Foto von zwei Roten zu bewundern. Es sind die beiden 1936 geborenen Wurfgeschwister Bessy und Bobby vom Schüdderfeld. Von Bianka Titus-Langer Rot ist eine der bekanntesten Farben beim Englishen Cocker Spaniel. Im ersten Zuchtbuch des Jagdspaniel-Klubs ist jedoch kein einziger Roter zu finden. In den Anfangsjahren der Zucht dominierten die typischen Jagdhundefarben, vor 90 allem die Bunten in allen Variationen. Tatsächlich sollte es noch über zwei Jahrzehnte dauern, bis in Deutschland die ersten roten Welpen geboren wurden. Farbe war damals eher zweitrangig, wenn nicht sogar völlig unwichtig. Rote Importhündin aus USA Es war im Jahr 1913, als Rudolf Werbeck (Zwinger „vom Cäciliengarten“) aus den Vereinigten Staaten eine rote Hündin importierte. Wer glaubt, dass damit der Grundstein für die Zucht roter Cocker Spaniels gelegt war, der irrt sich. Die Hündin wurde niemals zur Zucht eingesetzt. Warum dies so ist, muss Spekulation bleiben. Schließlich hatte Werbeck keine Kosten und Mühen gescheut, die Hündin aus Übersee zu holen. Der Eintrag der Hündin blieb jedoch eine klassische Eintagsfliege – zunächst. Erst 1930 fiel ein Wurf mit 5 roten Welpen, 4 Rüden und eine Hündin. Die roten Eltern hatte die Züchterin aus England importiert – „Machars Alf“ und „Machars Bezaubernde rote Cockerwelpen. Emily“, beide Halbgeschwister väterlicherseits. Die einzige Hündin im Wurf „Bianka von Donyn“ ging in die Zucht. Ihren ersten Wurf hatte sie 1932. Gepaart mit einem Blauschimmel fielen im Zwinger „Mein Waidgesell“ allerdings ausschließlich schwarze Welpen – sicherlich zur Enttäuschung des Züchters, einem Herrn Bauernfeind. Für seinen zweiten Wurf 1933 nahm er kurzerhand den Vollbruder „Bolko von Donyn“ und konnte sich über zwei rote Rüden freuen. Auch in den Folgejahren 1934, 1935 und 1936 zog Bauernfeind rein rote Würfe mit seiner Hündin. Dabei fand er für jeden Wurf einen anderen roten Partner: „Castor vom Heiligen See“ sowie die beiden Niederländer „Wagtails Robert“ und „Woodcock Memory“. Die beiden Wurfschwestern „Cora“ und „Clou Mein Waidgesell“ gingen in die Zucht und brachten mit den entsprechenden Partnern immer rein rote Würfe. Der Grundstein für die Zucht roter Cocker Spaniels war gelegt. Deutschland ankurbeln. 1936 konnte man von insgesamt 656 Cocker SpanielWelpen bereits 40 rote verzeichnen. Das sind 6,1 Prozent. Doch es fielen auch in anderen Zwingern die ersten Roten. Der englische Importrüde „Machars Alf“ deckte 1933 zwei Mal die Blauschimmelhündin „Ruth vom Karpfenteich“. Die beiden Würfe bestanden nicht nur aus schwarzen, sondern auch jedes Mal auch roten Welpen. Vermutlich hatte die Hündin orangeschimmel-farbene Vorfahren, so dass sie das entsprechende Gen lieferte, damit die rezessive Farbe zum Vorschein treten konnte. Im Band 1937 des Zuchtbuches ist das erste Foto mit zwei roten Cocker Spaniels zu bewundern. Auffällig in diesem Zuchtbuchband sind die weiteren Importe roter Hunde aus England und Holland: die Hündinnen „Flame of Darkies Home“, „Golden Solace of Ware“, „Tynefield Alice“, „Woodcock Golden Guinea“, „The Red’s Ariadne“ und „Woodcock Lore“ sowie die beiden Rüden „Sandalls Hasso“ und „Rupert of Tarbay“. „Machars Alf“ folgten weitere rote Importhunde aus England und den Niederlanden. Hündinnen wie „Clory of Dellcroft“, „The Red’s Carla“, „Sunlight of Stonyway“ oder „Woodcock Beechleaf“ sollten die Zucht roter Cocker Spaniel in Die Eintragungszahlen der roten Welpen bewegten sich in Ende der 30er Jahre ungefähr auf demselben Niveau. 1937 waren es 62 rote von insgesamt 741 Welpen, 1939/40 46 von 765 – das sind 8,3 bzw. 6 Prozent. Der von Anita Kolkmann (Zwinger „Caterra“) importierte Engländer „Sixshot Sun Bird“ war nicht nur jagdlich, sondern auch auf Ausstellungen erfolgreich. Kopfstudie eines roten Cockerrüden aus den frühen Zuchtjahren 91 Eintragungszahlen rote Cocker-Welpen 4500 4000 3500 3000 2500 2000 1500 1000 500 0 rote Welpen 1910 0 1920 0 Gesamteintragungen Prozentsatz 0,0% 0,0% 1930 5 1940 46 1950 352 1960 1846 1970 1975 1980 1210 1990 323 2000 229 2010 112 348 765 1722 4106 3909 4111 1854 1293 667 1,4% 6,0% 20,4% 44,9% 50,5% 29,4% 17,4% 17,7% 16,8% Graphik: Bianka Titus-Langer „Löwe vom Eichenhain“ Ende der 30er Jahre gab es neben dem Zwinger „Mein Waidgesell“ noch zwei weitere Zuchtstätten, die sich gezielt der Zucht roter Cocker widmeten. Dr. Bertha Berthold züchtete unter dem Zwingernamen „Bonanza’s“, Marie Schoeller unter „vom Schüdderfeld“ fast ausschließlich Rote. Mitte der 40er Jahre kam der Zwinger „vom Eichenhain“ dazu. Auch Ingeborg von Roeder hatte eine Vorliebe für rote Spaniels. Ihr sicherlich bekanntester roter Rüde war „Löwe vom Eichenhain“, SpZb 271/42. Dieser war bis in die dritte Generation rein rot gezogen. Einige Namen der in den 30er Jahren importierten Spaniels finden sich in seiner Ahnentafel wieder, die englische mit niederländischen Linien vereinte. Allein 1945 deckte „Löwe“ 15 Mal, 1946 sogar 25 Mal. Sicherlich fiel die Wahl der meisten Züchter nicht wegen seiner Farbe auf den „Löwen“, sondern vor allem wegen seiner rassetypischen Vorzüge und seiner jagdlichen Passion. Sogar die Zuchtbuchführerin Ilse Klicks, die Modetrends bestimmt nicht hinterherrannte, schätzte die Qualitäten dieses Rüden. Auch in ihrem Zwinger „Maerpaetz“ kam er mehrmals zum Deckeinsatz. „Löwe vom Eichenhain“ war wahrscheinlich einer der einflussreichsten Rüden seiner Zeit. Er wurde 12 Jahre alt, 191 Würfe wurden nach ihm gezogen. Boom in den 60er und 70er Jahren Werfen wir einen Blick in die Zuchtbücher. Dabei habe ich nur alle 10 Jahre eine Auswertung vorgenommen; die Zahlen der dazwischenliegenden Jahre können natürlich leicht schwanken. 1950 stieg der Prozentsatz roter Welpen auf knapp über Auch der Junior-Warrant- und CruftsSieger „Lochranza London Tan“ wurde von Anita Kolkmann Anfang der 60er Jahre nach Deutschland importiert. 92 20 Prozent an. Eine Dekade später hatten sich die Eintragungszahlen bezüglich roter Welpen mehr als verdoppelt. 1970 hatte sogar jeder zweite ins Zuchtbuch eingetragene Welpe die Farbe Rot. Und das war eine beträchtliche Menge: bei fast 4000 eingetragenen Welpen waren dies beinahe 2000 Hunde. Schon damals gab es in der Zucht Modetrends“, die man – egal um welche Hunderasse es nun sich handelt – zweifelsohne kritisch betrachten muss. Nach einer 20jährigen Hochphase kam in den 80er Jahren die langsame Umkehr. 1980 machte der Prozentsatz roter Welpen noch knapp 30 Prozent aus. Seit 1990 liegt dieser Anteil konstant bei 16 bis 17 Prozent. Auffallend ist, dass – im Gegensatz zu den 50er bis 70er Jahren – kaum mehr Rot-mal-Rot-Verpaarungen vorgenommen werden. Und das ist bestimmt gut so. Gesundheit, Qualität und Wesen sollten immer an erster Stelle stehen, erst dann die Farbe.
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