Wie viele Würfe darf – kann – soll eine Zuchthündin haben

Wie viele Würfe darf – kann – soll eine Zuchthündin haben?
Die Meinungen unter Zuchtverbänden, Züchtern oder auch Tierschützern, wie viele Würfe man einer Hündin zumuten kann, gehen weit auseinander! Ich bin der Ansicht, es gibt keine Regelung, die für alle Rassen und für alle Muttertiere passend ist, es gibt so grosse individuelle Unterschiede. Worauf ist zu achten?
Mir scheint, dass die durchschnittliche Lebenserwartung der Rasse eine wichtige Rolle spielt. Eine Rasse, die sehr
grosse Würfe hat und im Durchschnitt nur etwa 7-8 Jahre alt wird (z.B. Deutsche Doggen) soll sicher nicht so viele
Würfe haben wie unsere Kleinhunde, die im Durchschnitt nur 3 Welpen im Wurf und eine durchschnittliche Lebenserwartung von 13-14 Jahren haben. Von der Rasse her kann eine Papillonhündin im besten Fall in ihren jungen und
mittleren Jahren Welpen aufziehen, im letzten Lebensdrittel, ab etwa 8-9 Jahren, sollte man ihr das Seniorendasein
gönnen.
Als ich 1965 meine erste Papillonhündin belegen liess, war es üblich, die Hündinnen ein Mal pro Jahr werfen zu lassen, und zwar bis ins relativ hohe Alter von 9, 10 oder gar 11 Jahren. Man war vor 40 Jahren der Ansicht, bei seinerzeit nur durchschnittlich 2 Welpen pro Wurf wäre die Beanspruchung durch Trächtigkeit und Aufzucht bei den
Zwerghunden deutlich geringer als bei Normalrassen mit 6 Welpen und daher nur logisch, dass sie bei der hohen
Lebenserwartung der Rasse mehr Würfe haben könnten (bis zu 10 Würfe/Hündin). Das Risiko, dass eine ziemlich
alte Hündin durch Wehenschwäche ein Geburtsproblem hatte, bestand zwar schon damals, doch meines Wissens
war es recht selten. Man sah das nicht als Übernutzung der Hündin, wenn sie im Laufe ihres Lebens 8-10 Würfe mit
2-3, höchstens 4 Welpen hatte. Die Papillons waren damals durchschnittlich kleiner als heute, es war die kleinste
Rasse Europas, bevor Chihuahua und Yorkie ab etwa 1975 den Kontinent eroberten.
Seit etwa 1980 setzte sich in den Rassezuchtverbänden der Gedanke an „Mütterschutz“ immer mehr durch. Deshalb wurde in vielen Rassen eine generelle Zuchtaltersgrenze für Hündinnen bei 8 Jahren gesetzt. Im Schweiz. Papillon- und Phalène-Club wurde auf diese Limite verzichtet, aber eine maximale Wurfzahl von 8 Würfen pro Hündin
festgelegt. Das war deshalb nötig, weil die Schweizerische Kynologische Gesellschaft SKG als Dachverband damals von der starren Regelung mit 1 Wurf pro Hündin und Kalenderjahr abgewichen war und 3 Würfe in 2 Jahren
zuliess, d.h. im Extremfall 11-12 Würfe erlaubte! Das durfte nicht sein.
Man kann keine definitiven Limiten setzen, jede Papillonhündin ist individuell zu betrachten. Nicht wenige scheiden
wegen Geburts- oder Aufzuchtproblemen ohnehin nach wenigen Geburten aus der Zucht aus:
•
Sie nimmt nicht mehr auf, obwohl sie bei mehreren Läufigkeiten und mit verschiedenen Rüden gedeckt wurde,
Ursache davon können Infekte nach Läufigkeit oder Geburt sein.
•
Sie hat Geburtsprobleme und wird beim 2., allerspätestens beim 3. Kaiserschnitt kastriert.
•
Sie hat Mühe, ihre Welpen zu betreuen, leidet bei jedem Wurf unter Appetitlosigkeit durch hormonelle Umstellung, allenfalls unter Milchmangel oder Kalkmangel-Tetanie.
•
Sie hat mit jedem Wurf weniger Freude an den Welpen, zeigt beim 3. oder 4. Wurf schon, dass es ihr zu viel
wird und lässt die Kleinen schon ab 4-5 Wochen viel allein, mag auch nicht mit ihnen spielen.
Für mich ist es wichtig, dass nicht nur ich Freude am Wurf habe,
sondern dass auch meine Hündin gern Mutter ist, ihre Welpen gut
versorgt, bis zum Alter von ca. 8-9 Wochen viel Zeit mit ihnen
verbringt, mit ihnen spielt, sie auf den ersten Ausflügen ins Freie
begleitet und behütet. Wir haben sehr viele Papillonmütter, die es
perfekt machen und mit ihrem 6. oder 7. Wurf genau so viel Zeit
verbringen wie mit dem ersten in jungen Jahren. So lang eine
Hündin gesund ist, sich problemlos decken lässt und mit Freude
und Engagement ihre Welpen aufzieht, darf man sich nach jedem
Wurf überlegen, ob es noch einer sein soll, bis zum Alter von 8
bis höchstens 9 Jahren und sicher nicht mehr als 1 Wurf pro Jahr.
Foto: eine junge Mutter mit ihren Welpen, könnte man meinen. Es ist Josette, geb. 1993 mit ihrem 8. Wurf im Sommer 2001. 2009 feiert sie ihren
16. Geburtstag, obwohl oder weil sie 29 Welpen aufgezogen hat. Josette
ist mit ihren jetzt 16 Jahren noch gesund und fit – wenn auch taub geworden.
In allen andern Fällen, bei irgendwelchen Problemen im Ablauf des Zuchtgeschehens, wenn die Hündin eine chronische Erkrankung hat (z.B. wiederkehrende Blasensteine, Haut- oder Futtermittelallergie) oder wenn sie zeigt, dass
ihr die Welpen nach kurzer Zeit auf die Nerven gehen, dann muss Schluss sein. Und es kommt nicht drauf an, ob
das nach dem 2. oder nach dem 6. Wurf so ist. Für mich ist „Mütterschutz“ für Hündinnen nicht eine fixe Wurfzahl für
jede Hündin, sondern der Schutz der Mutter vor weiteren Würfen, wenn es irgendwelche Schwierigkeiten und Probleme gibt oder sichtbare „Ermüdungserscheinungen“ auftauchen.
Manche Hündinnen sind nach 2-3 Würfen so weit, dass sie keine weiteren Würfe haben sollten, andere werden
nach 7-8 Würfen mit 8-9 Jahren „pensioniert“ und stehlen dann ihren Töchtern und Enkelinnen die Welpen, um sie
zu behüten, mit ihnen zu spielen und bei sich zu haben. Es gibt grosse individuelle Unterschiede, auch wenn die Papillons generell sehr liebevolle, instinktsichere Mütter sind.
Die Rassezuchtverbände oder –Vereine können die „Leitplanken“ setzen und ein Höchstzuchtalter festlegen. In der
Realität ist es der/die Züchter/in, welche den „Mutterschutz“ sehr individuell umsetzen muss.
Eine „Lebensleistung“ von 7-8 Würfen beeinträchtigt die Lebenserwartung nicht
Manche „Kynologen“ oder Tierschützer behaupten, dass Hündinnen, die viele Würfe haben (mussten), im Alter unter
negativen gesundheitlichen Folgen dieser „Übernutzung“ leiden müssten. Dieser Aussage von Fachleuten, die selber keine oder nur wenige Würfe aufzogen und kaum Zucht-Seniorinnen bis zum Lebensende begleiteten, kann ich
bezüglich der Papillons energisch widersprechen. Es sind bei mir nicht jene Hündinnen, die am Ältesten werden,
welche ich nach 2-4 Würfen aus der Zucht genommen habe, weil sie Probleme oder keine Freude an den Welpen
hatten! Im Gegenteil: meine Hündinnen, die überdurchschnittlich alt wurden, hatten alle 6-8 Würfe. Ich frage mich,
warum das so ist.
Die absolut Älteste bei mir war Xenia, die fast 18 wurde. Sie hatte 6 Würfe, darunter einen mit 6 Welpen.
Mit 8 Würfen das mögliche Maximum hatte Felicia. 2002 war sie
10-jährig, als ihre Tochter Bichette mit ihrem Fünferwurf überfordert war. Die scheinträchtige Grossmutter Felicia setzte sich
nach 1 Woche zu ihr ins Wurflager, half zuerst beim Pflegen,
dann auch beim Säugen. Als die Kleinen 7-wöchig und eine freche Rasselbande waren, spielte die Grossmutter häufig mit ihnen. Mutter Bichette, die eine zarte Hündin ist, begann, sich vor
ihrem lebhaften 1. Wurf zurückzuziehen, es war ihr zu viel. Felicia wurde 14 ½ Jahre alt.
Foto: Grossmutter Felicia, 10-jährig unterstützt ihre Tochter beim Säugen und Pflegen der ca. 3 ½ Wochen alten Welpen. Bichette war aus
dem letzten Wurf der damals 8-jährigen Felicia und ist mit 5 Welpen im
1. Wurf überfordert.
Diese Erfahrung, dass die Wurfzahl die Lebenserwartung nicht reduziert, hatten schon die „alten“ Züchterinnen aus
den 1960-er Jahren, die behaupteten, je älter eine Hündin beim letzten Wurf sei, desto älter werde sie. Ich glaub das
heute nicht mehr. Es dürfte so sein, dass nur Hündinnen mit robuster Gesundheit und hoher Vitalität auch im Alter
von 7-9 Jahren noch problemlos trächtig werden und mit Freude ihren Wurf aufziehen. Man sollte Ursache und Wirkung nicht verwechseln, d.h. nicht glauben, ein „später“ Wurf fördere Gesundheit und Lebenserwartung der Mutter.
Sind Mütterfamilien mit hoher Fertilität und langjährigem Zuchteinsatz vitaler und langlebiger?
Es ist eine andere Schlussfolgerung, die ich nach 45 Jahren Papillonhaltung ziehe: Mutterlinien, die frühen Mütterschutz beanspruchen, keine Welpen mehr mögen, Gesundheits- oder Fertilitätsprobleme aufweisen, bevor sie 7-8
Jahre alt sind, könnten ein Defizit bezüglich Fitness und Vitalität haben. Wenn man so eine Idee zu Ende denkt,
heisst das: Für die Zucht sind Papillonmütter, die auch für einen 6., 7. oder höchstens 8. Wurf noch problemlos
trächtig werden und ihre Welpen mit Freude versorgen, sehr wertvoll. Meine Erfahrung deutet an, dass sie das Potenzial haben, die Vitalität und Fitness der Rasse weiter zu vererben, allenfalls zu verbessern.
In manchen Rassezuchtvereinen bestehen heute übertriebene Tendenzen des „Mütterschutzes“. Wenn eine gesunde Zwerghündin in jedem Fall mit dem 5. Wurf ihre Zuchtzulassung definitiv verliert, ist sie vielleicht gerade 6 Jahre
alt, hat noch mehr als ein halbes Leben vor sich. Diese Tendenz, Würfe „mittelalter“ Hündinnen zu verbieten, scheint
zuzunehmen. Ich sage nicht, dass jede Zuchthündin bis zum 8. oder gar 9. Geburtstag in der Zucht eingesetzt werden soll. Doch wenn eine ältere Hündin noch fit ist und der Züchter in einem jungen Rüden eine Chance für einen vitalen Wurf sieht, sollte man ihm diese Möglichkeit nicht durch übertriebene Eng-Reglementierung verbieten! Ich bin
überzeugt, dass immer engere Reglemente von Dachverbänden und Rassezuchtvereinen sich langfristig negativ auf
das genetische Potenzial bezüglich Langlebigkeit und Vitalität auswirken. Wenn diese buchstäblich „richtungweisenden“ Instanzen der Rassezucht durch enge Leitplanken vermitteln, dass jeder Züchter, der eine 6-jährige oder ältere
Hündin decken lässt, ein geldgieriger Profitzüchter sei, der seine Muttertiere ausbeute, muss man sich in 30 Jahren
nicht wundern, wenn die Lebenserwartung der Rassehunde rückläufig ist, weil man die Zucht mit gesunden älteren
Müttern verhindert.
Der Hinweis, man könne ja „alte Deckrüden“ einsetzen und auf ältere Muttertiere verzichten, hinkt ein wenig. Es gibt
vermutlich gewisse Stoffwechsel- und Regenerationsprozesse in jeder Körperzelle, die nur über die sogenannte mitochrondriale DNA (Erbsubstanz) vererbt werden. Diese wird über das Plasma in der relativ grossen mütterlichen Eizelle von der Mutter auf die Tochter vererbt und fehlt dem väterlichen Spermium. Darum gibt es winzige genetische
Sequenzen in den Mitochondrien jeder Zelle, die den Zellstoffwechsel steuern und nur über die „direkte Mutterlinie“
von der Grossmutter, zur Mutter, zur Tochter und Enkelin vererbt werden. Vielleicht liegt darin die Erklärung für die
hohe Vitalität mancher mütterlicher Papillonstämme.