Editorial - Randnotizen

AKTUELL
(Auszüge aus unserer aktuellen Spielplanbroschüre Sommer 2015)
Editorial - Was uns am Herzen liegt
Liebe Theaterbesucher, liebe Sommergäste,
ein Ort inmitten der Natur, frühlingshafte Temperaturen, man
möchte am liebsten alle Wege entlang spazieren und die Wiesen an
den Dämmen aufsuchen, sich den weiten Flächen ergeben. „Verweile doch, du bist so schön“.
Da mitten drin steht das Theater am Rand! Aber es steht auch in
einer Landschaft, die durch ihre Bewirtschaftung stark beeinträchtigt wird. Teilweise so sehr, dass es schon gefahrenvoll ist, sich dort
zu bewegen. Eine dieser schlechten Erfahrungen mussten wir im
letzten Sommer machen, als eine Hündin in der Nähe des Theaters
in einen Graben gesprungen war. Das Wasser des Grabens war so
stark mit giftigen Stoffen belegt, dass diese Hündin mit einer halbseitigen Lähmung und Erblindung in die Tierklinik eingeliefert werden musste. Untersuchungen des Wassers durch die Untere Wasserbehörde wurden veranlasst. Das Ergebnis kam nach 7 Monaten
und ist nicht repräsentativ, da man das Wasser nicht auf toxische
Bestandteile untersucht hatte. Die Wasserproben sind nicht mehr
auffindbar, die Behörde sieht sich nicht mehr im Stande, den Fall
aufzuklären und sieht auch keinen Klärungsbedarf.
Auf Grund des Krankheitsbildes der Hündin muss man davon ausgehen, dass das Grabenwasser mit einem Vielfachen der erlaubten
Menge an Giften angereichert war. Offenbar beinhalten die Gewässer im Oderbruch besonderes in der Zeit der Vorerntespritzung
Pflanzenschutzmittelrückstände in gefährdendem Ausmaß.
Dieser Umstand ist auch nichts Neues, aber das Landesamt in
Frankfurt/O. (LELF Referat Pflanzenschutz) kommentierte den
Vorfall nur mit der Aussage: „Wir leben hier von der industriellen
Landwirtschaft. Da müssen wir auch Rücksicht nehmen“. Was
muss eigentlich noch passieren, bis wir endlich die Gifte von unseren Äckern verbannen? Sie merken also, das Theater steht nicht am
Rand, sondern lebt mit den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen in unserer Region.
Ein anderes Problem: Im Zusammenhang mit der FFH Planung
Natura 2000 wehren sich viele Bürger des Oderbruchs gegen die
geplanten Maßnahmen. Das wurde auf einer Demonstration am
5. April deutlich. Die Renaturierung der Bruchlandschaft und die
Einführung eines Naturschutzgebietes bringen neben den ökologischen Vorteilen eben auch Probleme für die Bewohner der Oderbruchdörfer und die hier arbeitende Landwirtschaft mit sich. Es
wird befürchtet, dass durch die strengen Regeln des Naturschutzgebietes die Bewegungsfreiheit und die Praxis der landwirtschaftlichen Produktionsweisen stark eingeschränkt werden. Im Ergebnis
eines ersten Landschaftstages im Oderbruch, der sich u.a. mit diesen Problemen befasste, wurde ein Forderungskatalog an die Landesregierung verfasst.
Auch wenn ich gerade im Hinblick auf die hiesigen landwirtschaftlichen Praxen durchaus Veränderungsbedarf sehe, so gibt es doch
andererseits ein breites Einvernehmen darüber, dass die überbordende Biberpopulation eingedämmt werden muss oder dass die Deichsicherheit höher zu bewerten ist als der Artenschutz. Ob endlich
ein gewinnbringender Dialog zwischen Oderbruch und Landesregierung über die existenziellen Probleme begonnen wird, werden
wir in der nächsten Zeit sehen.
Unsere Bautätigkeit am Theater hat sich in letzter Zeit voll auf unser kleines Restaurant konzentriert.
Im Moment steht der Rohbau und wir sind recht optimistisch, ab
Juli die Räumlichkeiten nutzen bzw. Sie an den Sommerabenden
auf unserer Terrasse begrüßen zu können. So wie immer bei uns
wird auch dieses neue, kleine Restaurant Stück für Stück wachsen,
d.h. es beginnt zu arbeiten, sobald es möglich ist, und wird sich
im Laufe der Zeit dann profilieren. Für kleine Gruppen bis zu 15
Personen bieten wir Ihnen ab 3 Stunden vor den Vorstellungen ein
Menü und ausgesuchte Getränke. Dafür können Sie sich ab Juni
anmelden und einen Tisch reservieren. Nach der Vorstellung bieten
wir kleine Speisen und Getränke für alle an, die noch bei uns verweilen möchten.
Besonders aufmerksam machen möchte ich auf unser Programm „Die
kleine Stadt will schlafen gehen“ am 27. Juni. Unser Tanztee-erprobtes „Salonorchester Zäckericker Loose“, bestehend aus 20 Musikern,
wird den Sommernachtsball musikalisch ausgestalten. Atmosphärisch werden Sie eingestimmt durch Lieder und Texte aus den 20er
Jahren, vorgetragen von Gudrun Anders, Bärbel Röhl, Thomas Rühmann und weiteren Künstlern. Die Plätze sind wegen der Tanzfläche
begrenzt, reservieren Sie also frühzeitig.
• Zum Klangfest am 08.08. hat Jan Heinke, Klangforscher und
Obertonsänger, zwei brillante Musiker zum gemeinsamen Erfinden eines Konzertes eingeladen, eine echte Besonderheit.
• Bei den Proben zu einer Tangomesse lernte ich die exzellente Kastagnettenspielerin und Tänzerin Friedericke von Krosigk kennen.
Am 15.08. gastiert sie zum ersten Mal im Theater.
Wir freuen uns auf vier Wochenenden mit studentischen
Produktionen:
• Die Studenten der Rostocker HMT spielen am 29. und 30.7. „Der
gute Mensch von Sezuan“ von Bertold Brecht.
• Studenten der Leipziger HMT „Hans Otto“ interpretieren am
07.08. gemeinsam mit Musikern und Schauspielern Lieder und
Texte von Gerhard Gundermann.
• Einen furiosen Abend mit „Felix Krull“ zeigen am 14.08. Studenten der Berliner HfS „Ernst Busch“.
• Und bereits bekannt sind die Spieler des Ensembles „Die Achse“,
die hier als Studenten der HfS „Ernst Busch“ spielten und inzwischen in Lübeck und Berlin engagiert sind. Sie gastieren nochmals mit „Kunst“ von Yasmina Reza am 21. und 22.08. bei uns.
Genießen Sie den Sommer auf dem Land, kommen Sie uns besuchen,
Ihr Tobias Morgenstern
Randnotizen
Manchmal kreiselt es im Kopf. Was wird die nächste große Inszenierung?! Die kleinen kommen manchmal von allein. Aus dem Handgelenk. Im Herbst diesen Jahres wird es einen lustigen Abend über
den Tod geben. Natürlich aus der Feder eines irischen Kollegen, unter
dem Titel ENDE GELÄNDE. Auch die FIESEN FABELN sind so eine
Fingerübung. Aber es muss ein neues großes Stück her! Passend an
den Rand und anders. Am besten ein ästhetischer Gegenentwurf zum
vorigen. Ein neues Thema oder ein anderer Blick.
Na klar, IMPERIUM von Christian Kracht. So was hatten wir
noch nicht. Ein früher, urchristlicher Radikalökologe namens
August Engelhardt zieht 1910 in die deutsch-kolonialisierte
Südsee, kauft sich eine Insel, und ernährt sich nur noch von
Kokosnüssen. Extremveganer. Weltretter. Das soll gut gehen? Ein umwerfender Roman. 350 Seiten. Die werden gelesen. Mit viel Vergnügen und fröhlichem Schaudern. Dann
beginnt die Arbeit. Abschreiben. Seite für Seite. Einiges wird aussortiert. Nach einigen Monaten stehen 80 Seiten im Computer.
Für einen Theaterabend dürfen es 30 sein. Mach ihn nicht, den Roman, sagt eine Kollegin. Er taugt nicht für die Bühne. Er sieht die Welt
zu schwarz. - Also ruht der Stoff. Immer mal wieder drauf geschaut.
Das IMPERIUM wartet im Computer. Plötzlich treibt im Büchermeer
ein neues Schiff. KRUSO. Preisgekrönt. Wieder ein Inselroman. Auch
noch Hiddensee. Unser aller Sehnsuchtsinsel. Ich lese und es juchzt
die Seele. So was hast du noch nicht gelesen. Wendezeit, DDR, aber
es meint viel mehr. Die Inseln aller Zeiten! Und am Ende eine wirkliche Kartharsis. Also hingesetzt und losgearbeitet. Es ist Mitte März.
Frühlingsanfang. Morgenstern ruft an: Wollen wir nicht eine neue
Weihnachtsrevue machen? BALLYBRADAWN läuft schon sehr lange.
- Ich denk drüber nach. Aber einmal spielen wirs noch. SPINNHAUS müsste auch abgelöst werden, sagt Morgenstern. Hattest du nicht von einem Roman erzählt, der dich umgehauen hat. Es
ging um ein Dorf in der Uckermark. - Du meinst VOR DEM FEST.
- Wäre das nicht was? - Ich denk mal drüber nach. - Und es kreiselt
im Kopf: Was wird denn nun das nächste Stück?
Thomas Rühmann