den Kanton Wallis, das Land der Herausforderungen und

M. BURO
Président AVE
1994-2002
Geschichte der Walliser Bauwirtschaft
oder
Die Entwicklung der korporativen Partnerschaft
Die Entwicklung der korporativen Partnerschaft im Bauwesen ist stark von der Entfaltung der Beziehungen zwischen
Bauherren, Beauftragten und Unternehmungen beeinflusst worden.
Es erscheint mir daher interessant, die Veränderungen und die spektakuläre Entwicklung der Walliser Bauwirtschaft im
Verlaufe dieses Jahrhunderts näher zu betrachten.
Um
den Kanton Wallis,
das Land der Herausforderungen und Widersprüche
besser verstehen zu können, ist ein geschichtlicher Rückblick auf die vergangenen 1000 Jahre notwendig.
Eine lange und bewegte Geschichte. Sie nahm ihren Anfang 999 als König Rodolphe der III. von Bourgogne seine gräflichen Ansprüche auf das Wallis dem bischöflichen Sitz von Sitten abtrat und das Wallis als unabhängiger Staat in die europäische Geschichte eingehen liess. Ab 1032 hing unser Kanton direkt vom Kaiserreich ab und die Bischöfe waren
Fürsten des heiligen romanisch-germanischen Reiches.
Damals lebte nur ein kleiner Teil des Volkes im
Schatten von Schlössern und Adel. Jedes Tal und jedes Dorf lebte für sich und seine eigenen Bedürfnisse. Allmählich aber erwachte das Bedürfnis nach Gemeinschaftswerken und innerer Sicherheit, wodurch
der politische Wille zur Koexistenz entstand. Die Dörfer schlossen sich zusammen und bildeten 7 autonome Republiken. Jede Republik schickte ihren Vertreter in die Walliser Tagsatzung. Auf diese Weise entstand eine Parallelmacht, die sowohl den Bischöfen
und als auch dem Adelsstand starken Widerstand
leistete.
1789 grollte vor den Toren von St.Maurice die französische Revolution. Im gleichen Jahr wurde der
Kanton Wallis mit einem Federstrich der Helvetik zugeteilt und zur unabhängigen Republik proklamiert.
Das Departement des Simplons wurde 1810 dem
französischen Reich zugesprochen und 1814 beschlossen die Verbündeten, sich endgültig der Schweiz anzuschliessen.
Nach 800 Jahren Unabhängigkeit, von 999 bis 1798, und einigen Jahren französischer Besatzung gesellte sich die Walliser Fahne mit ihren 13 Sternen zu denen anderer Schweizer Kantone und dies obschon sie während 300 Jahren, in welchen das Fundament für die 1291 gegründete Konföderation geschaffen wurde, ihre eigenen Wege gegangen ist.
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Geschichte der Walliser Bauwirtschaft
A. DIE BAUBRANCHE
Das im Herzen einer vom Gotthard bis zum Genfersee liegenden Berglandschaft eingebettete Wallis ist topographisch
ein geschlossener Raum mit einem tiefen Tal von 170 km Länge, das von Osten, Süden und Norden nur durch hochgelegene Alpenpässe oder lange Tunnels erreichbar ist. Das einzige Fenster zum Westen war die Enge von St. Ma urice.
Abrupt kam die Technik mit der ihr eigenen Unbarmherzigkeit in diese abgeschlossene Berglandschaft. Heute ist das
Wallis zum Schmelztiegel einer schmerzlichen Gegenüberstellung von Tradition und unumgänglichem Fortschritt geworden. Die Vergangenheit ist überall sichtbar und bestätigt ihre Grösse und Dauerhaftigkeit.
Nur wenig Schweizer Kantone haben so tiefgreifende Veränderungen erfahren: Die Suonen sind durch Druckrohrleitungen ersetzt worden, die Industrie breitete sich aus und forderte ihre Tribute. Es wurden Strassen von der Talebene
bis weit in abgelegenste Täler gebaut und sie veränderten die Landschaft sowie die sozialen Beziehungen seiner Bewohner. Berge und Menschen wurden einem Ansturm von Alpinisten und Skifahrern ausgesetzt.
Ein Jahrhundert, das die « Handwerker-Erbauer » in eine echte Bauindustrie verwandelt haben.
1. Die Suonen
Die Walliser Anhöhen sind Sonnenterrassen mit so wenig Regen, dass ohne künstliche Bewässerung eine stabile Existenz nie möglich gewesen wäre.
Zweifelsohne geht die Geschichte der Bewässerung im Wallis weit vor die römische Zeitepoche zurück. Die ersten
Suonen waren kleine, mit Pickel und Schaufel geschaffene Bewässerungsgräben, in welchen das Wasser von den angrenzenden Gebirgsbächen auf Wiesen und Felder gebracht wurde.
Schon bald aber mussten steile Gefälle und glatte Hänge bezwungen werden und die damaligen Baumeister erfanden
eine einmalige Technik. Um eine kompakte Masse zu erhalten wurden abwechslungsweise Steine und Grasklumpen
aufeinander geschichtet, wobei die Wurzeln von Gras und Sträuchern durch ihr Wachstum das Bauwerk noch verstärkten.
Höher liegende Felswände mussten weit aus gewagter bezwungen werden. Ausgehöhlte Baumstämme wurden den Felskonturen entlang angebracht und durch
Stein- oder Holzkonsolen abgestützt. Bei überhängenden oder steil abfallenden
Steilhängen wäre dagegen eine Abstützung der Wasserleitungen von unten, ohne
die sog. Methode « en encorbellement », unmöglich gewesen. Diese Methode bestand darin, dass über dem Abgrund waagrecht ein Brett verlegt wurde, worauf
ein Mann ungefähr alle 20 cm tiefe Löcher in den Felsen bohrte und ein bogenförmiges Holzstück anbrachte. Dann wurde ein zweites Brett über den Abgrund geworfen, das am ersten befestigt wurde, dann ein drittes, ein viertes usw. bis die
Felswand überwunden war.
Die so an den Felsen befestigten Wasserläufe konnten jedoch nur gerade soviel
Wasser führen, wie dies die ausgehöhlten Baumstämme erlaubten. Daher wurde das System der Hängehaken verbessert und die ausgehöhlten Baumstämme durch solide « Holzbohlen » ersetzt. Mit diesen den Felswänden entlang verlaufenden Kanälen konnte die 10-fache Wassermenge transportiert werden.
Als sich die Bundesregierung zu Beginn dieses Jahrhunderts für die Modernisierung der Wasserzufuhr interessierte und
sie auch zu unterstützen begann, besass der Kanton Wallis ungefähr 300 Suonen von einer Gesamtlänge von 2000
km, was eine Leitung vom Nil bis in die Walliser Rebberge erlaubt hätte.
In jener Zeit konnte man Felsen nicht durchbrechen. Mit der Erfindung von Sprengungen konnte 1736 das Felsgestein
an der Gemmi zum ersten Mal bezwungen werden. In Visperterminen begann man 1897 mit dem Ausbruch einer 2.5
km langen Galerie im Berginnern und ermöglichte nach 15 jähriger Arbeit die Bewässerung von neuen Flächen. Dieses
Beispiel machte Schule !
Vor und nach dem ersten Weltkrieg wurden alle wichtigen Wasserzufuhren modernisiert. Die Zufuhrleitungen wurden
vergrössert und gefährliche Stellen durch Sprengungen im Berginnern und Tunnelbauten umgangen.
Obschon heute zahlreiche Suonen durch Zufuhrgalerien ersetzt worden sind, so bleiben ihre Spuren noch mancherorts
sichtbar. Zerfallene Mauern oder an Felshängen verbliebene « Holzzufuhren » erinnern an das grosse Abenteuer dieses trockenen und kargen Landes und an seinen Kampf für die Eroberung des Wassers.
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2. Ausbesserung des Rhonebettes
Eine ständige Sorge für die Einwohner unseres Kantons war die Rhone. Sie nimmt 30 laterale Wasserläufe auf und ist
das Gerippe der Walliser Topographie. 61 grosse Gletscher und über 300 Gebirgs- und Wildbäche fliessen in die Rhone
und mit ihnen eine enorme Menge Sand und Steine, wodurch das Wasserbett der Rhone langsam aber unaufhörlich aufgefüllt wurde.
Das ganze Wallis kennt die launische und oft ungehaltene Zerstörungswut, die beim Bersten von Gletscherwasseransammlungen orkanartig ausbricht.
Die Walliser Katastrophenchronik erwähnt 300 grosse Überschwemmungen innerhalb von 1000 Jahren. Im Jahre 1860
zerstörte die wild gewordene Rhone alle Ernten in der Ebene und riss von 22 Brücken 21 mit sich. Ein schnelles und effizientes Eingreifen wurde zur dringenden Notwendigkeit.
Eine eidgenössische Verordnung, die 1863 dem Kanton eine technische und finanzielle Hilfe zusagte, erlaubte eine
allgemeine und systematische Korrektur des Rhonebettes.
Das von Walliser Ingenieuren vorgeschlagene Projekt sah
eine Wasserführung zwischen zwei parallel verlaufenden
Dämmen vor, an welchen alle 30 m und quer zur Achse
hin « Wellenbrecher aus Mauerwerk » angebracht werden
sollten. Bei niedrigem Wasserstand durchläuft dieses das
untere Flussbett, während es bei hohem Wasserstand gegen die Mitte des Talweges geführt wird und dadurch
die Scherkraft erhöhen sollte.
Obschon diese Arbeiten 30 Jahre dauerten brachte diese
erste Korrektur nicht das erwartete Ergebnis, weil die Rhone die ihr zugeführten Millionen m3 Kies nicht bis zum See
transportieren konnte.
Um eine erhöhte Scherkraft zu erreichen, beschloss daraufhin eine Expertenkommission, das Flussbett zu verengen. Dieses 1936 durch das Bundesparlament bewilligte
Projekt legte das in den 60er Jahren beendete Dammsystem fest.
Seither wurde eine dritte Korrektur durchgeführt, welche 1997 begann und eine definitive Stabilisierung des Werkes
brachte.
Während einem Jahrhundert wurden die Ufer der Rhone und die ihrer Zuflüsse mit 200 km Dammbauten ausgerüstet
und Drainagekanäle von rund 215 km angelegt, was die Trockenlegung der sumpfigen Rhoneebene erlaubte. Dadurch
konnten 10’000 ha Ackerboden gewonnen werden. Das einst zerstörte und zur wüstenähnlichen Sterilität verdammte
Land verwandelte sich in einen reichen und fruchtbaren Obstgarten, den man heute gerne als die « kalifornische
Schweiz » bezeichnet.
Diese Wandlung ist durch die nationale Solidarität möglich geworden. Der damalige Berichterstatter im Nationalrat, der
sich als uneingeschränkten Anhänger des Dekrete s von 1863 erklärte, bezeichnete die Rhonekorrektur als das schöne
Ergebnis unserer Schweizer Institutionen und vor allem als den reinen Ausdruck unserer eidgenössischen Brüderlichkeit.
3. Die hydraulischen Wasserkräfte
Die Geschichte des Wallis mit seiner trockenen und kargen Erde war stets eng mit dem erbitterten Kampf für die Wassergewinnung verbunden. Zuerst waren es die Suonen und später die Staudämme, die unseren Kanton zum grössten
Energiereservoir unseres Landes machten.
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Geschichte der Walliser Bauwirtschaft
In den Jahren 1900 bis 1970 konnten die reissenden Wasser der meisten Alpentäler gebändigt werden. Heute produzieren nicht weniger als 64 Fabriken jährlich 8 Mia Kilowattstunden, d.h. fast ein Drittel der hydroelektrischen Energie
der Schweiz.
Ab 1895 verbreitete sich in Europa die Acetylenbeleuchtung, was viele Industrieunternehmungen veranlasste, sich dem
Wallis zuzuwenden. Seine zahlreichen steilen Wasserläufe waren für künftige Fabriken, in denen Brennstoffe aus einer
Mischung von Kohle und Kalk hergestellt wurden, von grosser Wichtigkeit. Die erste Fabrik wurde in Gamsen über der
Lonza durch eine Basler Gesellschaft erstellt. 1905 kam die Alusuisse nach Chippis; eine der ersten Aluminiumfabriken
der Schweiz. Die 1909 in Visp erstellte Fabrik arbeitete mit dem Wasser der Vispa. CIBA-Monthey kam 1911 und fabrizierte Indigo, sowie viele andere weniger bekannte Firmen, die sich alle die Wasserkraft der Rhone oder ihrer Nebenflüsse zu Nutzen machten.
Nicht nur die Industrie, sondern auch die ELEKTRIZITÄT (damals eine geradezu magische Vorstellung) - begehrt und Pfand der Zukunft - hatte ein Interesse an
dieser Energiequelle.
1891 bewilligte der Kanton die erste Rhonekonzession
oberhalb von St-Maurice für eine elektrische Fabrik von
5000 PS. Später wurden mehr als 100 Konzessionen
abgegeben, die aber nicht alle verwendet wurden. Bis
zum Ende des ersten Weltkrieges lieferten 32 Fabriken
ein Gesamtvolumen von 100’000 PS, d.h. bereits ein
Fünftel der schweizerischen Produktion. Und wie so oft
in der Vergangenheit ging auch hier eine Gemeinde mit
dem Beispiel voran. Zermatt, mit seinen berühmten
Seiler-Hotels richtete bereits 1893 über dem Triftbach
seine eigene Kraftwerk-Zentrale mit 180 PS ein.
Dann begannen sich die Ingenieure für das Prinzip der
Lagerung von billiger Sommerenergie und ihrem Verbrauch im Winter zu interessieren. Die SBB, ein Grosskonsument
an Kilowattstunden, erbauten 1923 im Wallis das erste Akkumulationsbecken im oberen Tal der Barberine.
Damit war das Wort « Staudamm» geboren. Diese Monumentalbauten waren eine Herausforderung an die Natur. Sie
faszinierten damals wie heute und halten als Triumph des Menschen über die Bergwelt Einzug in die Legende.
In der Schweiz wurden 200 solcher Bauwerke erstellt, wovon allein 50 in unserem Kanton. Davon 26 grosse Staudämme, welche die Täler durch 300 km lange Galerien miteinander verbinden. Zusammen würden diese eine 2’100 m hohe und 8 km lange Mauer ergeben. Das Wasservolumen entspricht der Grösse des Bielersees.
Eine Baustelle, in welcher mehr Material und Menschen eingesetzt wurden, als während der ganzen Geschichte der
ägyptischen Antike. Tausende von Menschen und Maschinen haben diese modernen Monumentalwerke entstehen lassen. Das Grösste und höchste Bauwerk der Welt ist die Grande Dixence : 285 m hoch und 6 Mio m3 Beton - zweimal
die grosse Pyramide -. Eine Baustelle zwischen 500 und 3’000 m über Meer, die sich über 50 km ausdehnte und bis zu
3’300 Arbeiter beschäftigte, benötigte eine Bauzeit von 15 Jahren. Die Grande Dixence hat ein Leitungsnetz von 125
km und fasst das Wasser von 35 Gletschern von 22 verschiedenen Gemeinden.
Der Bau von Staudämmen erforderte ein modernes Strassennetz in die Täler und über die Pässe, wie z.B. über den
Nufenen für den Staudamm von Gries, die Strasse ins Val d’Anniviers für den Staudamm von Moiry oder diese des Sanetsch für die « Forces Motrices Bernoises ». Ein ausschlaggebender Beitrag für die wirtschaftliche Entwicklung unserer
Bergregionen !
Der Kanton Wallis ist damit zum Energie-Grosslieferanten der Schweiz geworden. Der frühere Vorsitzende der technischen Hochschulen meinte dazu : « Das ganze Land sollte sich dieses so nützlichen Walliser Beitrages zum nationalen
Zusammenhalt bewusst werden.»
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4. Die Verbindungswege
Früher war die Aussenwelt mit dem Wallis nur durch eine einzige Strasse bei St-Maurice verbunden.
Der Verkehr wickelte sich vor allem über die Alpenpässe mit Maultieren ab. Bereits im Mittelalter standen für den Ha ndelsaustausch nicht weniger als 34 Alpübergänge zur Verfügung. Um seinen expansionistischen Bestrebungen gerecht
zu werden gab Napoleon 1797 den Befehl zur Ausarbeitung von Plänen für eine Strasse über den Simplon nach Italien.
Die Bauarbeiten begannen trotz starkem Widerstand vonseiten der Walliser im Jahre 1801 und das Werk konnte 5 Jahre später beendet werden. Eine Traumstrasse, die den französischen Truppen den Zugang nach Italien eröffnete. Die
Ironie des Schicksals wollte es, dass die gleiche Strasse einige Jahre später von 80’000 Mann der alliierten Armeen benützt wurde, um Frankreich anzugreifen !
Den modernen Ausbau von Furka- und Grimselpass hat das Wallis 1895
seiner strategisch wichtigen Lage zwischen Norden und Süden zu verdanken.
Als wohl ältester Passübergang im Wallis, der bereits von Julius Cäsar bevorzugt wurde, öffnete sich der Grosse St. Bernhard 1893 dem Fahrzeugverkehr. Der italienische Teil der Zufahrt von Aosta bis zum Hospiz wurde
erst 1905 für den Verkehr freigegeben. Dank der finanziellen Unterstützung des Kantons Waadt und der Stadt La usanne konnten 60 Jahre später die Tunnelarbeiten in Angriff genommen werden. Nach 6 jähriger
Bauarbeit konnte der Strassentunnel einer der schönsten Alpenachsen eröffnet werden.
Dagegen stiess der Kanton Wallis im Schienenverkehr auf fast unüberbrückbare Schwierigkeiten. Eigenmittel waren keine vorhanden und vonseiten des Bundes konnte ebenfalls keine Unterstützung erwartet werden.
Der Kanton musste das notwendige Kapital bei privaten und vor allem
ausländischen Investoren suchen. 1859 fuhr die erste Lokomotive die
Strecke von Bouveret nach Martigny. 9 Jahre später wurde die Strecke
bis Siders ausgebaut. 1898 begann man mit dem Ausbruch des Simplontunnels, der mit seinen 20 km der längste Alpentunnel war. Einige Jahre
später wurde der Lötschberg für die Verbindung der Kantone Bern und
Wallis in Angriff genommen sowie die Furkalinie, die 1915 beendet wurde.
Ab 1906 konnte Chamonix mit Martigny und das Trienttal mit dem Zug
von Martigny-Châtelard erreicht werden. Die AOMC -Linie ihrerseits verband 1908 Monthey mit Champéry, während die
Verbindung von Siders mit dem Hochplateau von Montana-Crans 1991 mit einer Seilbahn gewährleistet wurde.
Beendet wurde das grosse transalpine Schienenabenteuer mit der Furka-Oberalp und Martigny-Orsière Linie. In weniger als 20 Jahren ist mit 8 Bahnverbindungen das Bahnlinien-Rückgrad des Simplons beendet worden und damit hat
sich das Wallis der Welt in allen Richtungen geöffnet. Die Seitentäler aber mussten aufgrund mangelnder Finanzen etwas länger auf befahrbare Strassen warten.
Die Gemeinden des Val d’Anniviers bauten bereits 1613 einen wagemutigen Maultierpfad durch die Schluchten von
Pontis. Doch das erste Postauto erreichte Vissoie erst im Jahre 1924 und fast 40 Jahre später Chandolin. Obschon die
Strasse des Saastals schon frühzeitig eine sehr rege Handelsverbindung in Richtung Italien darstellte und bereits 1544
erheblich ausgebessert wurde, erreichte das erste Automobil Saas-Fee erst 1957.
Während eines ganzen Jahrhunderts arbeitete man an einem Strassennetz zu den Tälern und Bergdörfern hinauf, doch
wegen fehlender Mittel ging alles sehr langsam voran. Glücklicherweise haben die Force Motrices aufgrund ihrer eigenen Transportbedürfnisse die Gemeinden abgelöst und so den entscheidenden Antrieb zur Ausführung bestehender
Projekte geben können.
Heute ist das Auto im abgelegensten Dorf zu Hause. Dies dank einem Kantonsstrassennetz von 2000 km mit ebenso
zahlreichen Kunstbauten wie: 1350 kleine und grössere Brücken, 150 Galerien und 80 Tunnels. Krönung dieser Strassenverbindungen ist die Autobahn A9, mit deren Bau 1970 begonnen wurde und deren Bitumband sich heute bis Siders und schon bald bis Brig ausbreiten wird. Eine gewaltige Baustelle, mit einer jährlichen Investition von 200 - 300
Mio Franken. Für die komplette Öffnung unseres Kantons ist ein Gesamtkostenaufwand von etwa 4 Mia Franken notwendig.
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Geschichte der Walliser Bauwirtschaft
5. Der Tourismus
Eine Broschüre des kantonalen Departementes für Wirtschaft bezeichnet das Wallis „als unbestreitbar eines der
schönsten Fleckchen Erde“.
Es ist deshalb nicht erstaunlich, dass dieser sonnenreiche
Kanton mit seinen 51 Berggipfeln von über 4000 m Höhe,
seinen Gletschern, Wäldern und Flüssen ein bevorzugtes
Ziel für Sport und Entspannung geworden ist.
Während den vergangenen Jahrzehnten haben die Menschen dieses Land verwandelt und gestaltet, um es für Touristen attraktiver und zugänglicher zu machen. Heute stellen 65 gut eingerichtete Kur- und Ferienorte ihren Gästen
für 14 Mio Übernachtungen jährlich - 20% aller Übernachtungen in der Schweiz - an die 250’000 Betten zur Verfügung. Eine Industrie, die ¼ der Walliser Bevölkerung eine
Existenz gewährleistet.
Für die Schaffung der für die Entwicklung unerlässlichen Infrastrukturen hat einmal mehr das « Erbauergenie » einen
grossen Beitrag geleistet und für die Aufwertung seines « Know-Hows » ein bevorzugtes Gebiet gefunden : Chalets
und Hotels, Sportanlagen und Höhenrestaurants, Zugangsstrassen und Spazierwege, Skipisten und Seilbahnen. Eine
enorme Baustelle, die in allen Winkeln und Ecken des Kantons, immer kühnere Bauten auf immer höheren Gipfeln entstehen liess.
Auch das Umweltbewusstsein ist gewachsen. Eine neue Verantwortung für die Erbauer, die ihrerseits, gestärkt durch
ihre Erfahrung und aufgrund neuer technischer Entwicklungen, diese Herausforderung angenommen haben. So konnte
Saas-Fee 1984 seine « alpine Untergrundbahn » mit einer Strecke von 1600 m unter dem Gletscher von Allalin eröffnen. 500 m Höhenunterschied in 5 Minuten ! Nach dieser nervenkitzelnden Fahrt liegt dem Besucher im drehbaren Restaurant auf 3’500 m über Meer die ganze Schönheit und Erhabenheit der Bergwelt zu Füssen.
Das stets auf Rekorde ausgerichtete Zermatt machte sich anschliessend an das kleine Matterhorn. Eine 3835 m lange
Seilbahn erreicht die Kulmstation auf 3820 m über Meer. Um der Sensationslust der Touristen gerecht zu werden,
trotzten die Bauarbeiter während der dreijährigen Bauzeit nicht nur der Kälte und dem Sturm, sondern in schwindelerregender Höhe auch dem Verlust des Gleichgewichts.
Verbier hob das erste « Funispace » aus der Taufe. Die an zwei Trägerkabel befestigten Kabinen für 30 Personen weisen eine unvergleichliche Windstabilität und absoluten Fahrkomfort auf.
Montana-Crans antwortet auf diese Errungenschaften mit dem « Funitel » der Plaine-Morte, der 136 m Tiefe mit einer
einzigen Bogenweite von 1150 m überbrückt. Beim Erblicken des sich über 6 km ausbreitenden Gletschers am Fusse
des Wildstrubels, ist das während dieser Höhenfahrt aufgetretene Schaudern schnell verflogen.
700 Einrichtungen von Skiliften, Luftseilbahnen, Kabinenseilbahnen und Seilbahnen, d.h. 1/3 dieser Bahnen in der
Schweiz, führen zu 2’300 km Pisten und können stündlich 425’000 Menschen (die gesamte Bevölkerung der Stadt Zürich) transportieren.
Seit der « Belle Epoque », in welcher einzig eine kleine Anzahl reicher und einflussreicher Leute in der Wintersaison
unsere alpinen Hotelpaläste aufsuchen konnten, ist ein gewaltiger Weg zurückgelegt und die kühnsten Herausforderungen mit Genie und grossem Einsatz bezwungen worden.
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B. FORTSCHRITT DER WISSENSCHAFTEN
Nach diesem kurzen Überblick über die Geschichte des Walliser Bauwesens sollten wir uns jetzt den Beziehungen zwischen Bauakteuren, Bauherren, Beauftragten und Unternehmen zuwenden. Abhängig vom wissenschaftlichen Fortschritt haben diese sich nur sehr langsam entwickelt.
Das erste Dokument von VITRIVIUS über die Technik des Bauens erschien im Jahre 1484
und war eine Abschrift eines Werkes aus der römischen Antike.
Anschliessend könnte man GALILEI erwähnen, der 1683 erstmals den Begriff des
« statischen Momentes » gebrauchte.
150 Jahre später bestätigte Auguste COULOMB, Mathematiker, Physiker und Ingenieur, der
eigentliche Erfinder der Statik, dass die auf ein Gebälk einwirkenden Kräfte ausgeglichen
werden müssen.
Die graphische Statik von CULMAN und CREMONA ist gerade 100 Jahre alt !
In England, wo die spektakulärste Entwicklung im Bau anzutreffen war, wandte man 1771
zum ersten Mal die Bezeichnung « Tiefbauingenieur » an. Ein halbes Jahrhundert später
wurde die « Gesellschaft von Tiefbauingenieuren » gegründet.
Für die Entwicklung der einfachsten Regeln der Statik benötigte Europa 500 Jahre geistigen
Einsatz von bedeutenden Wissenschaftlern !
Daraus ist zu schliessen, dass alle grossen Bauwerke der Antike und des Mittelalters durch geniale Kunsthandwerker
ausgeführt worden sind, die - mit Ausnahme von gewissen Grundregeln der Geometrie oder Mathematik - keine theoretischen Kenntnisse besassen. Dagegen verfügten sie über einen ausserordentlichen empirischen Sinn, der jedoch innerhalb der Gesellenbruderschaften geheim gehalten wurde. Nannte man doch Ulrich RUFFINER den « Vater der Architektur im Wallis ».In Wirklichkeit war er Steinhauer, Ingenieur, Unternehmer und Architekt in einer Person und vererbte uns eine Vielzahl von Brücken, Kirchen und andere bemerkenswerte Bauwerke.
Ein Blick auf die Organisation einer wichtigen Baustelle des XIII Jahrhunderts lässt zwei verantwortliche Persönlichkeiten in den Vordergrund treten : Bauherr und Architekt. Zusammen beherrschen sie das Projekt und die Ausführung der
Arbeiten. Der Eine garantiert den verwaltungstechnischen und finanziellen Teil und der Andere den Bau.
Maître de l’oeuvre
Roi Henry III
Direction des travaux
Edward de Westminster
Maître-Maçon
Master Henry
Maître-Charpentier
Master Alexander
Main-d’oeuvre
200 artisans professionnels
200 manoeuvres
Total 400 max.
Doch während der wirtschaftlichen Explosion der vergangenen 150 Jahre konnte man sich nicht mehr mit diesen Naturgenies begnügen. Die errungenen Kenntnisse mussten einer grossen Anzahl Menschen weitergegeben werden, wodurch die « wissenschaftliche Methode » entstand. Diese wissenschaftliche Methode hat die Beziehungen zwischen
Bauherrn, Bauleitung und Unternehmer total verändert. In Anbetracht der immer grösser werdenden Komplexität der
Bauorganisation sahen sich die Letztgenannten gezwungen, sich in Berufsverbänden zusammenzuschliessen.
Und so ist namentlich der Walliser Baumeisterverband, eine Sektion des Schweizerischen Baumeisterverbandes, entstanden.
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C. Der WBV
Rückblick
1919. Die Welt atmet auf; die Schrecken des Krieges nehmen ein Ende. Obschon die Schweiz der kriegerischen Vernichtungswut entkam, ist auch sie in jeder Hinsicht geschwächt. Im Kanton Wallis ist der wirtschaftliche Aufschwung
der Vorkriegsjahre total zum Stillstand gekommen. Um eine ausgeglichene Entwicklung garantieren zu können, mussten neue wirtschaftssoziologische Strukturen eingeführt werden.
Der 1897 gegründete Schweizer Baumeisterverband bemühte sich, den Motor des Bausektors in der ganzen Schweiz
erneut anzukurbeln.
Im Wallis versammelten sich 1919 in Martinach eine handvoll verantwortungsvolle Männer und gründeten den
« Walliser Baumeisterverband ». Ein Jahr später fanden sich zur ersten Generalversammlung in Sitten 22 Mitglieder
ein, die Joseph DUBUIS zu ihrem Präsidenten wählten. Dieser nahm das Schicksal der neuen Korporation in die Hände.
Es war an der Zeit, denn ganz Europa kämpfte mit grossen wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten. Auch in der
Schweiz häuften sich die Streiks und der Kanton Wallis machte keine Ausnahme. Die Arbeiter forderten unter anderem
die 48-Stundenwoche und Lohnerhöhungen. Erhöhungen die sich praktisch verdoppelten, während die Arbeit immer
rarer wurde. 1913 verdiente ein Handlanger 90 Rappen in der Stunde und ein Maurer Fr. 1.35.
Doch die Zeiten änderten sich und ein gewaltiger Aufschwung begann. Als erste Aufgabe widmete sich der WBV der
Berufsausbildung.: Maurer- Bauführer- und Baumeisterlehre, ein umfangreiches Programm für die Baufachleute, die
das Wallis von morgen gestalten sollten.
1941 entstand der erste Gesamtarbeitsvertrag, der auf Kantonsebene Löhne und Arbeitsbedingungen regeln sollte. Eine paritätische Kommission, zusammengesetzt aus Arbeitgebern und Gewerkschaften, überwachte die Anwendung der
verschiedenen Vertragsklauseln.
1944 wurde die Familienzulagenkasse gegründet und zwar mit der Unterstützung des Staates, der sich verpflichtete,
nur den dieser Kasse angehörenden Firmen Aufträge zu erteilen.
1950 übernahm der WBV die Verwaltung einer kollektiven Krankenkasse.
Im Weiteren mussten auch immer anspruchsvollere Aktivitäten unserer Unternehmungen koordiniert werden, was ein
permanentes Sekretariat erforderlich machte. Das sich laufend weiterentwickelnde Sekretariat installierte sich 1959 im
neu erstellten Gebäude an der Bahnhofstrasse in Sitten.
Die Zeit eines enormen Wachstums hatte begonnen. Man baute überall Strassen, Häuser, Brücken und Fabriken. Die
durch den WBV verwalteten Löhne, die in den 60er Jahren noch 140 Mio Franken betrugen, erreichten 1990 500 Mio
Franken. Unser Verband war an diesem kühnen Aufschwung beteiligt und konnte 1994 sein 75 jähriges Bestehen
feiern. Gleichzeitig erbaute der WBV ein resolut modernes Gebäude «das Haus des Baufachs » an einer vielversprechenden Adresse : „Rue de l’Avenir 11“ !
Das Wallis :
Sicherlich ein Land mit Herausforderungen und Widersprüchen,
aber auch voller Hoffnung und Opportunitäten.
Quelle : "Valais—Héritage et Avenir"