Aus der Geschichte der Töngesgasse: der Schönborner Hof

Früher und heute
Aus der Geschichte der Töngesgasse:
der Schönborner Hof
s wäre nicht schwer, ein Buch
über dieses Viertel zu schreiben“, meinte Altstadtvater Fried
Lübbecke vor bald 100 Jahren über
die Töngesgasse, im Besonderen die
Gegend rund um die Kreuzung mit
der Hasengasse, ehe die Bomben des
Zweiten Weltkriegs sie auslöschten.
Er hatte die Geschichte, die interessanten Gebäude und deren Bewohner vor Augen. Wer heute durch die
Töngesgasse geht, diese „kleine Zeil“
im Schatten der großen, dem fällt es
schwer, dieses Urteil nachzuvollziehen. Denn nur verschwindend
wenig erinnert noch an die Vergangenheit dieser Straße. Die Besucher
des Stoltze-Museums kannten die
alten Zeugen, Passanten oder die
Gäste des beliebten Kaffeehauses
hatten sie nach Abriss des Vorderhauses in den letzten Monaten vor
Augen: den Renaissancetreppenturm
und die barocke Fassade, die als
zum Schönborner Hof gehörend
überliefert sind.
E
Die Töngesgasse, die Ost-WestVerbindung in der nördlichen Altstadt zwischen Fahrgasse und Liebfrauenberg parallel zur Stadtmauer,
später der Zeil, trägt ihren Namen vom
Antoniterkloster, von Hof und Kirche der Antoniter Roßdorf-Höchst.
Das Reinecksche Haus, der Trierische
Hof, der Aschaffenburger Hof, der
Engelthaler Hof, das Bolongarosche
Haus, die Geburtshäuser von Johann
Christian Senckenberg und Heinrich
Nestle, das Wohnhaus des Vincenz
Fettmilch, das nach seiner Hinrichtung 1616 abgerissen und zu einem
kleinen Platz mit Gedenksäule, später einem Brunnen, wurde, dies alles
befand sich in dieser Gegend. Und
auch das Frankfurter Stadthaus der
Schönborns.
Die Schönborn-Ära
Aus Schönborn bei Diez stammend und in Diensten der Nassauer
stehend, erlangte die Familie nach
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In der Töngesgasse entsteht der Töngeshof. Was wohl von der Schönborner Ära bleibt?
Foto: Oeser
dem Dreißigjährigen Krieg eine große Bedeutung. Sie stellten zwei
Mainzer Kurfürsten, einen Kurfürsten von Trier, Bischöfe von Würzburg, Bamberg, Worms, Speyer und
Konstanz. Die Residenz in Würzburg, Schloss Wiesentheid, Schloss
Weißenstein in Pommersfelden,
Schloss Heusenstamm gehen auf sie
zurück. Ihre große politische und kulturelle Ausstrahlung führte dazu,
dass das Jahrhundert von zirka 1650
bis 1750 als Schönborn-Ära bezeichnet wurde. 1705 bis 1732 waren sie
im Frankfurter Verfassungsstreit als
kaiserliche Kommissare tätig. Seit 1661
ist das vormalige, 1405 erstmals erwähnte Haus zum Lindwurm in der
Töngesgasse nachweisbar im Besitz
der Familie Schönborn. Damals erhielt sie in Frankfurt Zoll- und Rentenfreiheit.
Im Schönborner Hof in Frankfurt
starb 1705 der kaiserliche Kämmerer Graf Johann Erwein von
Schönborn. Sein Sohn Lothar Franz,
1695 bis 1729 Erzbischof von Mainz,
hielt sich öfters dort auf. Er pflegte
einen guten Kontakt zu den Nachbarn, wovon zwei Anekdoten zeugen.
Jedes Mal, wenn er nach Frankfurt
kam, so überliefert uns der Topograf Johann Georg Battonn, „ließ er
der Nachbarschaft seine Ankunft
ansagen, und wenn die Nachbarn ihm
ihre Besuche abstatteten, unterhielt
er sich stundenlang mit ihnen. Auch
öfters, wenn er von Aschaffenburg
zurückkehrte, schickte er einem jeden Nachbar ein Wildprett ins Haus,
daher sich manche bemühten, in
die Nachbarschaft dieses menschenfreundlichen Fürsten zu kommen“. In
der anderen Anekdote erfüllte der
Kurfürst den Wunsch des Bäckers
von gegenüber, ihm Mainz und das
kurfürstliche Schloss zu zeigen.
Der „Christenbrand“ von 1719, dem
zwischen Töngesgasse und Schnurgasse 425 Gebäude zum Opfer fielen,
scheint den Schönborner Hof und
seine westlichen Nachbarn weitgehend verschont zu haben. Seit Ende
der Schönborn-Ära war der Hof vermietet, und 100 Jahre später, zwischen
1850 und 1868, kam er in bürgerliche
Hände. Zum Ende des 19. Jahrhunderts gelangte das eine, 1928 das
andere der beiden Häuser, die als
Schönborner Hof bezeichnet wurden,
in den Besitz der seinerzeit bekannten
Wurstfabrik von Friedrich Emmerich.
Früher und heute
Die barocke Fassade eines Hinterhauses um 1750 und der oktogonale
Renaissancetreppenturm von 1600,
auch ein Sandstein-Torbogen und einige Spolien überstanden den Zweiten Weltkrieg. Der Treppenturm gehört zu den wenigen erhaltenen derartigen Türmen in Frankfurt wie die
vom Haus Groß-Rüsterberg / Zum
Prinzen Carl (Alte Mainzer Gasse), im
Römerhöfchen und am Grempschen
Haus in Bockenheim.
Den Krieg überstanden
Dem Treppenturm in der Töngesgasse schloss sich einst eine Hauskapelle an. Diese wertvollen erhaltenen Bauteile ließ die Stadtsparkasse
(später Frankfurter Sparkasse) im
Zuge des Neubaus eines technischen
Zentrums 1976 erhalten und der
Öffentlichkeit zugänglich machen.
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Der Turm wurde nebst einem Ausstellungsraum im angrenzenden Neubau zum Museum für unseren
Friedrich Stoltze.
Neu: der Töngeshof
Turm und Fassade bleiben erhalten, sie werden integriert in den neu
entstehenden „Töngeshof“ mit Wohnungen, Läden, Tiefgarage. Friedrich Stoltzes Museum ist ausgezogen
und harrt derzeit auf der Galerie des
Kundenzentrums der Frankfurter
Sparkasse in der Neuen Mainzer Straße eines neuen Standorts. Stoltze
selbst war mit allergrößter Wahrscheinlichkeit nie im Schönborner
Hof. Aber zwei Hausnummern weiter, Töngesgasse 40, im vormaligen
Haus „Zu den zwei Bären“, wohnte
um 1866 Wilhelm Rieger, bei dem
Stoltze verkehrte. Und noch zu
Zuschüsse zum
behindertengerechten Umbau
Damit Menschen mit Behinderungen in ihrem selbst
genutzten Wohneigentum und in ihrem sozialen Umfeld
bleiben können, stellt das Land Hessen auch im Jahr
2015 Mittel zur Beseitigung baulicher Hindernisse in
bestehenden Wohngebäuden zur Verfügung – zum
Beispiel für den Umbau von Toiletten und Bädern, die
Beseitigung von Stufen und Schwellen, den Einbau von
Treppenliften oder Rampen und andere Maßnahmen.
Darauf weist Bürgermeister Olaf Cunitz hin. „Gefördert
wird mit einem Kostenzuschuss, der bei einer vom
Eigentümer oder von dessen Angehörigen genutzten Wohnung maximal 50 Prozent der förderfähigen Umbaukosten betragen kann. Richtlinien und Anmeldungsformulare sind beim Stadtplanungsamt, Bereich Stadterneuerung und Wohnungsbau, erhältlich.“
Für die Anmeldung eines Umbauvorhabens sind
unter anderem folgende Unterlagen erforderlich: Beschreibung des Gesamtprojekts und Pläne, Kostenvoranschläge, Aussagen über die Finanzierung und eventuell über weitere Finanzierungshilfen sowie eine Kopie
des Behindertenausweises. Anmeldungen können ganzjährig eingereicht werden.
Interessenten aus Frankfurt wenden sich bitte an
Ralf Steinkrauss, Stadtplanungsamt, Telefon 0 69/2123 51 07, oder Claudia Mouhsine, Stadtplanungsamt,
Telefon 0 69/212-3 53 46. Nicht im Gemeindegebiet von
Frankfurt lebende Personen richten ihre Anmeldung
über die jeweiligen Kommunal- beziehungsweise Kreisverwaltungen.
pia
Lebzeiten Stoltzes gab es dort das
Stoltze-Restaurant, das Variété Zum
Stoltze und als Durchgang zum
Holzgraben die Stoltze-Passage. Inzwischen abgerissen, entstehen auch
dort wie auf angrenzenden Grundstücken am Holzgraben Neubauten.
Hans-Otto Schembs
Das Geschäft W. Wächtershäuser existiert noch
in der Töngesgasse.
Foto: Oeser
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