1822_Stoltze_Brosch_Stoltze-Stich im Kopf_9_2015

Petra Breitkreuz
„Strich im Kopf“ – Zeichnungen von Friedrich Stoltze
Titelbild: Karikatur zum Stechschritt
Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Ms. Ff. F. Stoltze 2.15
Impressum
Erschienen zur Ausstellung:
„Strich im Kopf“ – Zeichnungen von Friedrich Stoltze
Im Stoltze-Museum der Frankfurter Sparkasse
auf der Galerie im Kundenzentrum der
Frankfurter Sparkasse, Neue Mainzer Straße 49
Vom 19. Oktober 2015 bis 4. März 2016
Ausstellung und Begleitheft:
Petra Breitkreuz M.A.
Gefördert durch die Frankfurter Sparkasse
und die Stiftung der Frankfurter Sparkasse
2
„Um Stoff da sind wir nie verlegen, und immer sind wir bei
Humor“ behauptete Friedrich Stoltze 1852 zum Erscheinen
seiner ersten „Krebbelzeitung.“ Schaut man sich seine Manuskripte einmal genauer an, erkennt man, dass Schreiben
auch für ihn harte Arbeit war. Darauf deuten nicht nur die
zahlreichen Durchstreichungen und Korrekturen, sondern
auch Kritzeleien und kleine Zeichnungen hin, mit denen
er seine Blätter versah. Ganz so, wie man es unter Anspannung auf der Suche nach den richtigen Worten gerne tut.
Dafür spricht, dass die Skizzen meist inhaltlich nichts mit
den benachbarten Texten zu tun haben. So hat er in einem
Notizbuch, in dem er „Geschichten u. Gedichte v. Fr. Stoltze“
gesammelt hat, auf Seite 79 zwischen die Aufzählung von
weiblichen und männlichen Vornamen allerlei Werkzeuge
wie Bohrer, Hammer, Hobel, Säge und Zange eingefügt.
Auf ein romantisches Gedicht vom Gesang der Nachtigall
bei Mondschein an einem stillen See folgt unvermittelt auf
der Rückseite der letzten beiden Strophen die Zeichnung
eines Soldaten mit Säbel und Bajonett und einer weiblichen
Person, die stattdessen mit Besen, Eimer und Putzlappen
bewaffnet ist. Dafür finden sich Zeichnungen der Mondsichel
beispielsweise auf einem Blatt mit der zweiten Strophe
des Prologs zur Geschichte von der „Kapp“. Erklärungen
hat Friedrich Stoltze dem heutigen Betrachter nicht mitgeliefert, waren seine Zeichnungen doch nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.
Universitätsbibliothek
Johann Christian Senckenberg
Ms. Ff. F. Stoltze 1.276
Universitätsbibliothek
Johann Christian Senckenberg
Ms. Ff. F. Stoltze 2.8
Friedrich Stoltze war kein großer Zeichenkünstler, auch
wenn Ida Seele, die zur gleichen Zeit wie er das pädagogische Institut Friedrich Fröbels in Keilhau besuchte, ihrem
Mitschüler einiges Talent bescheinigte. „Über seinen moralischen Wert, seinen Fleiß und seine Aufmerksamkeit in den
Stunden war keine Klage; es wurde ihm auch alles spielend
leicht: Zeichnen, Malen, Bauen u.s.w. […].“ Stoltze hat nur
zum eigenen Zeitvertreib gezeichnet und höchstens einmal
3
einen groben Karikaturenentwurf geliefert, den ein professioneller Illustrator dann umgesetzt hat. Trotzdem lohnt es
sich einen Blick auf Stoltzes teilweise bisher unveröffentlichte Manuskripte zu werfen, geben sie doch einen kleinen
Einblick davon, wie es auf seinem Schreibtisch aussah. Man
sieht Friedrich Stoltze förmlich vor sich, wie er über seinen
Papieren brütete und um den passenden Reim oder die
gelungene Pointe rang. Immer unter Zeitdruck und geplagt
von den vielen Auftragsarbeiten, die er annehmen musste,
um den Lebensunterhalt für seine Familie zu verdienen.
Ein Getriebener, der sich vor Aufträgen kaum retten konnte.
Erst als älterer und etablierter Schriftsteller konnte er es
sich leisten, Gedichte, Trinksprüche und Tischreden gegen
Bezahlung zu besonderen Anlässen auch einmal abzulehnen „Von den uns nur für den Monat Januar zugedachten
21 Prologen für Hier und die nähere und entferntere Umgegenden haben wir, zu unserem aufrichtigen Bedauern,
keinen übernehmen können. Ihre gute Meinung von uns,
daß wir alles so nur aus dem Ärmel herausschütteln, ist
zwar sehr schmeichelhaft für uns, beruht aber doch auf
einem Irrthum“ (Frankfurter Latern 2/1887). Manchmal
wartete Friedrich Stoltze allerdings vergeblich auf die richtigen Worte oder die zündende Idee für ein Leitgedicht.
Stoltze wäre nicht Stoltze hätte er in seiner Not nicht auch
daraus ein paar Verse gemacht.
Der Samstag bricht mit Macht herein
Und die „Latern“ muß fertig sein.
Schon Freitag! ach, ich bin gestrippt
Noch keine Zeile Manuskript!
Noch keinen Strich, – ich armer Tropf, Als höchstens einen Strich im Kopf.
Humor, oh! laß mich nicht im Stich! –
O jeh! er sticht schon fürchterlich!
Reißt Witze in den Knochen schon, Und das ist der Humor davon
Ha! dies Gebohr in Hüft’ und Knie!
Humor, Humor mit Neuralgie!
Hilft Alles Nichts! Juchheisasa!
4
Autsch! – O Latern mit Podraga!
An’s Werk! Juchhe! – Doch reibt zuvor
Mir Hüft’ und Kniescheib ein mit Chlor!
O Chloroform, du Himmelsthau!
Jetzt geht’s gleich besser! au! au! au!
Stärkt mich zuvor! Nun habet Dank!
O Herbstzeitlose, Göttertrank!
O Gnadentropfen: Cucculus!
Juchhe! – Ich kann nicht mehr – und muß!
Komm, Töchterchen, setz dich zu mir
Und schreibe was ich dir dictir’.
Au! au! au! Ha wie das sticht
Und reißt! Doch halt! das schreibe nicht!
Ich kann nicht mehr! o Höllenpein!
Schreib zu! schreib in den Tag hinein!
Schreib was dir einfällt! was du willst,
Wenn du nur die Laterne füllst.Doch sieh dich vor bei dem Gedicht,
Haß und Verachtung merke nicht!
Du bist zu hübsch und jung dazu.
Auch laß den Kanzler mir in Ruh!
Du bist schon sechzehn Jahre alt,
Dein Vater, der ist Sechzig bald,
Bedenke wohl, das Klapperfeld
Es ist für Kind und Greis bestellt.
Jetzt schreibe zu und mach es fein
Als deines Vaters Töchterlein.
[…]
Frankfurter Latern 42/1876
Krankheiten und Schicksalsschläge machten es dem
Literaten nach eigener Aussage einige Male ganz unmöglich seiner Arbeit nachzugehen. Der Tod seines dreijährigen
Sohnes Christian am Heiligabend des Jahres 1854 und die
Auswanderung von Sohn Heinrich, der sich als Farmer in
den USA eine eigene Existenz aufbauen wollte, waren solch
traurigen Ereignisse, die die Schaffenskraft Friedrich Stoltzes
lähmten. Weitere Prüfungen sollten mit dem Tod Heinrichs
im September 1872, dem Tod des jüngsten Sohnes Friedrich jr. im März 1880 und dem Ableben seiner geliebten
Frau Marie im August 1884 noch folgen.
„Um Verse war ich nie verlegen,
Doch sprach ich: Bäumchen rüttle dich!
Und schüttle dich!
So fiel ein ganzer Liedersegen.
Nur zweimal ist es mir geschehen
Daß Lied u. Verse mir nicht flossen,
Die Augen möchten übergehn,
Doch krampfhaft blieb mein Herz geschlossen:
Als ich den kleinen Christian
Begraben unter tausend Schmerzen
Und als Du über’n Ozean
Fortzogst von meinem Vaterherzen.“
Von Friedrich Stoltze haben sich im Nachlass in der Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg Briefe,
Manuskripte und autobiografische Aufzeichnungen sowie
sechs Kalender und Notizbücher erhalten. Als Schreibmaterial nutzte Stoltze Feder und Tinte, seltener Bleistift, einzelne Blätter und gebundene Hefte. Häufig hat Stoltzes Enkel
Eduard Schreiber-Stoltze, der den Nachlass des Großvaters
in den 1930er Jahren sichtete um ihn der damaligen Stadtbibliothek zu übergeben, handschriftlich eine Zuschreibung
„Manuskript Friedrich Stoltzes“ oder „eigenhändige Zeichnung Friedrich Stoltzes“ hinterlassen. Meist auf einfachem,
unlinierten Papier hat Stoltze Erinnerungen an seine Jugend-
zeit, an besondere Ereignisse oder Entwürfe für Gedichte
und Geschichten niedergeschrieben und manchmal durch
Zeichnungen ergänzt.
Die älteste, datierbare Zeichnung mit begleitendem Gedicht
Stoltzes stammt aus dem Jahr 1857. Der Fund des bis
dahin unbekannten Blattes wurde ausführlich im Dezember
1905 in der ‚Kleinen Presse‘ vorgestellt. Friedrich Stoltze
hatte das sogenannte „Rehbockgedicht“ mit passender
Illustration während eines Neujahressens im Hause seines
Freundes Wilhelm Rieger verfasst. In der ‚Kleinen Presse‘
hieß es dazu: „Der Junggeselle Wilhelm Rieger, ein eifriger
Jäger vor dem Herrn, hatte verschiedene Bekannte, darunter auch Kestner, zum Vertilgen eines selbstgeschossenen
Rehbocks eingeladen. Die Herren waren sehr vergnügt und
schließlich entstand der Wunsch, Stoltze solle ‚ein Gedicht
machen‘. Er wehrte ab, da drängten sie ihn in ein Nebenzimmer und schlossen ihn ein, mit der Drohung, er dürfe
nicht eher heraus, bis er ein Gedicht geliefert habe. Mit dem
‚Rehbockgedicht‘ kaufte er sich frei“ (Universitätsbibliothek
Johann Christian Senckenberg Ms. Ff. F. Stoltze 6.227).
Über den genannten Teilnehmer Kestner und dessen Tochter
gelangte Stoltzes Stehgreifarbeit fast 50 Jahre nach ihrer
Entstehung in die Öffentlichkeit.
Universitätsbibliothek
Johann Christian Senckenberg
Ms. Ff. F. Stoltze 2.15
5
Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Ms. Ff. F. Stoltze 1.61
Rehbockgedicht mit Zeichnung
Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Ms. Ff. F. Stoltze 1.161
Neben dem Rehbock finden sich noch mancherlei tierische
Wesen in den Manuskripten Stoltzes. Katzen, Hasen, Störche,
Hunde, Esel, Insekten und immer wieder Eulen in verschiedenen Variationen.
6
Friedrich Stoltze hat Vögel geliebt, selbst Tauben gezüchtet,
Hühner und Enten gehalten und sich an den gefiederten
Sängern in den Bäumen vor seinem Fenster erfreut. Warum
er sich gerade der Eule so verbunden fühlte, dass er sie
mehrfach zwischen seinen Texten eingestreut hat, hat der
Schriftsteller uns nicht verraten. In Schmetterlingstechnik
hat der Satiriker eine Eule gezeichnet, die mit ihren Ohren
aus Eichenlaub, den ausgebreiteten Flügeln und Schwanzfedern an den Deutschen Reichsadler erinnerte. Dafür hat
Friedrich Stoltze das Blatt nur zur Hälfte mit schwarzer Tinte
bemalt und dann das Papier in der Mitte zusammengefaltet
und durch den Abdruck einen kompletten, symmetrischen
Vogel erhalten.
An erster Stelle ist hier die Haushälterin der Stoltzes,
Marie Geisselbrecht, zu nennen. Sie gehörte fast zur Familie,
kümmerte sich um die Kinder, wenn Friedrich Stoltze und
seine Frau Mary abwesend waren und wurde von ihrem
langjährigen Arbeitgeber dankbar in seinem Testament bedacht. In einem dicken Notizbuch, das Stoltze in den 1860er
und 1870er Jahren nutzte, hat er Marie Geisselbrecht verewigt, ohne zu verraten, wer ihre Begleiter sind.
Universitätsbibliothek
Johann Christian Senckenberg
Ms. Ff. F. Stoltze 1.395
Vielleicht sympathisierte Stoltze mit dem Nachtvogel, weil
er, wie die Eule, gerne nachts aktiv war und er häufig erst zu
später Stunde an seinen Schriften gearbeitet hat? Weil die
Eule als das Symbol der Weisheit und ihrer Göttin Athene/
Minerva gilt, die im Olymp auch über das Handwerk und die
Kunst wacht? Andererseits wurde die Eule als Todesbotin
gefürchtet, weil sie die Dunkelheit vorzieht und gerne an
unheimlichen Orten wie Friedhöfen, Kirchen, einsamen
Ruinen und alten Bäumen zuhause ist. Fühlte sich Friedrich
Stoltze einsam? Oder liebte er Eulen einfach deshalb,
weil sie mit ihren großen Augen, den klimpernden Augenlidern, dem Schnabel, der wie eine Nase im Gesicht des
Vogels sitzt und den Federbüscheln an den Ohren so sehr
einem Menschen ähnelt? Für letzteres spricht, dass Friedrich
Stoltze Personen aus seinem Umfeld als Eulen portraitiert hat.
Marie Geisselbrecht
Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Ms. Ff. F. Stoltze 2.7
7
Eine Eule in Frauenkleidern und mit Regenschirm findet
sich als Portrait Else Kerners (1847 bis 1831) im Nachlass
des befreundeten schwäbischen Dichters Theobald Kerner.
In ihren Lebenserinnerungen schilderte seine Frau Else, deren wirkliche Schönheit nicht nur Stoltze rühmte, ihr erstes
Treffen mit dem Frankfurter Literaten am 16. April 1877 in
Weinsberg: „Sehr originell war meine erste Bekanntschaft
mit Stoltze. Ich war allein zu Hause, als er ankam, und er
stellte sich mir zuerst als Maler vor, bewunderte mein schönes Profil und bat mich darum, mich zeichnen zu dürfen.
Ich brachte ihm Papier, Feder und Bleistift und setzte mich
in Positur. Er korrigierte fortwährend meine Stellung, und
ich dachte: Das ist aber ein anmaßender Künstler, er muß
wenigstens viel können. Endlich war er fertig, aber wer beschreibt meinen Zorn, als ich das Bild ansah! Eine schauderhafte Eule mit einem aufgespannten Regenschirm, und
darunter stand geschrieben: „Frau Hofrat Kerner, nach
der Natur gezeichnet von Friedrich Stoltze.“ Nun ging mir
ein Licht auf, ich sah in sein schalkhaft lächelndes Gesicht,
reichte ihm die Hand und sagte: ‚Nun weiß ich erst, wer Sie
eigentlich sind, und die Untat sei Ihnen vergeben.‘“
Keine große Ähnlichkeit dürfte auch Luise Schölles in ihrem
Portrait entdeckt haben, das sich in Friedrich Stoltzes
kleinem Notizbuch findet. 1860 hatte der Literat kurzzeitig
bei seinem Freund Peter Schölles in der Schäfergasse 8
gewohnt.
Luise Schölles
Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Ms. Ff. F. Stoltze 2.12
Immer wiederkehrende Motive auf Karton, auf Papier, in
Kalendern und Tagebüchern sind neben den eulenartigen
Wesen Schreibübungen, Köpfe im Profil, Windrosen und
kleine Strichmännchen, die zwischen Notizen, Erinnerungen
oder Textentwürfen herumgeistern. Zwei insektenartige
Strichmännchen könnten als Vorlage für eine Illustration
zu Stoltzes Version von „Orpheus in der Unterwelt“ gedient
haben.
Else Kerner, Kernerhaus
Justinus-Kerner-Verein und
Frauenverein Weinsberg
8
Universitätsbibliothek
Johann Christian Senckenberg
Ms. Ff. F. Stoltze 1.392
Einen Beleg dafür, dass Friedrich Stoltze tatsächlich Anregungen für Karikaturen geliefert hat, die von einem professionellen Zeichner und Holzschneider für die ‚Frankfurter
Latern‘ umgesetzt wurden, ist die „Geschichte von der
Wurst wider Wurst“. Stoltzes Entwurf hat sich zusammen
mit Notizen für die Ausgabe 32/1865 des satirischen
Wochenblattes erhalten. Im Leitgedicht trauert der Herausgeber um seinen langjährigen Freund und Geschäftspartner
Ernst Schalck, der in den ersten vier Jahren für die meisten
Karikaturen in der ‚Latern‘ verantwortlich war. Nach einem
unschönen Streit um Kompetenzen in der Redaktion der
‚Frankfurter Latern‘ und durch die schwere Erkrankung
Schalcks wurden die Illustrationen des Blattes seit 1864
von G. Schmitt oder Friedrich Grätz ausgeführt. Grätz war es
auch, der Stoltzes Karikaturenvorschlag zur wechselhaften
Zukunft der Herzogtümer Schleswig und Holstein ausführte.
Gemäß dem Vertrag von Gastein vom 14. August 1865
wurde Preußen die Verwaltung Schleswigs und Lauenburgs
und Österreich die Administration Holsteins zugesprochen.
Der Vertrag konnte den Ausbruch des deutsch-deutschen
Krieges wenige Monate später nicht mehr verhindern.
Zu sehr waren Österreich und Preußen darauf bedacht, die
Oberhand zu gewinnen.
Gott Jupiter nähert sich der von Pluto in den
Olymp entführten Eurydike in Gestalt einer Fliege.
Frankfurter Latern 5/1860
9
Stoltzes Entwurf und die fachmännische Ausführung der
„Geschichte von der Wurst wider Wurst“
Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Ms. Ff. F. Stoltze 1.400, Frankfurter Latern 32/1865
Auf einem einzelnen Blatt hat Friedrich Stoltze verschiedene Variationen von „Haseneiern“ gezeichnet. Mit ihnen und
ihrer Geschichte hat der Journalist sich auch in einem Leitgedicht in seiner ‚Frankfurter Latern‘ beschäftigt.
Haseneier
Universitätsbibliothek
Johann Christian Senckenberg
Ms. Ff. F. Stoltze 1.394
10
Besonders reizvoll sind Stoltzes Notizbücher und Kalender
mit Manuskripten und eigenhändigen Zeichnungen.
In einem Notizbuch, dem Stoltze handschriftlich den Titel
„Geschichten u. Gedichte v. Fr. Stoltze“ gegeben hat, ist
der gedruckte Text von „Brendelsche Schnud“ eingeklebt,
den der Autor mit gezeichneten Marginalien versehen hat.
Eine Skizze zeigt das Profil einer Frau mit üppigem Haar, die
Günter Vogt in seiner Broschüre „Stoltze und die Frauen…“
aus dem Jahre 1984 als Portrait von Brendelsche Schnud
angesehen hat, die sich gegen Bezahlung stellvertretend
für andere Leute ärgert. Aus dem Streit der Eheleute Hatterschheim mit dem Ehepaar Flerschheim versucht Brendelsche geschickt doppelt Kapital zu schlagen. Ergänzt wird
der Frauenkopf von einer weiteren Frauengestalt und mehreren an Esel erinnernden Wesen, die zu den unversöhnlichen Streithähnen passen würden.
Manchmal nutzte der Schriftsteller sogar die Innenseiten
der Einbände für seine Eintragungen. Auf dem Spiegel seines braunen Notizbuchs findet sich möglicherweise ein
stark vereinfachtes Selbstportrait, das den Schreiber mit
wallender Mähne und Bart zeigt.
Selbstportrait
Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Ms. Ff. F. Stoltze 2.15
Andere Beispiele wie den männlichen Kopf mit Widderhörnern und Insektenbeinen unter dem Datum des
24. November in einem nur etwa oktavgroßen „Notizbuch
für Geschäftsleute jeden Berufs“ hat Friedrich Stoltze
detaillierter ausgeführt.
Text von „Brendelsche Schnud“ mit Randzeichnungen von Friedrich Stoltze
Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg Ms. Ff. F. Stoltze 2.8
Widderkopf
Universitätsbibliothek
Johann Christian Senckenberg
Ms. Ff. F. Stoltze 2.10
11
Mehrfach hat Friedrich Stoltze nur wenige Seiten beschrieben und die Mehrzahl der Blätter in den Kladden blieben
weiß. Der anfängliche Eifer, spontane Einfälle, Ideen, Entwürfe, Merkzettel, Aufgabenstellungen in Notizbüchern
festzuhalten, die ihm wohl meist geschenkt worden waren,
ließ nach wenigen Tagen vermutlich wieder nach. Im Kalender von 1880 hat der Schriftsteller anfangs sogar Tagebuch
geführt und neben Terminen auch sein Befinden und das
tägliche Wetter eingetragen. Aber offenbar war Friedrich
Stoltze nicht der Mann, der jeden Schritt, jedes Ereignis,
jeden Gedanken für sich oder die Nachwelt schriftlich festgehalten hat. Gerade autobiografische Texte mit Erinnerungen an seine Jugendzeit hat der Autor erst als älterer Herr
auf Anregung seines Biografen Johannes Proelß niedergeschrieben. Stoltzes Sprachrohr war vor allem seine satirische Zeitschrift „Frankfurter Latern“.
Blick in den Kalender von 1880
Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Ms. Ff. F. Stoltze 2.11
12
Ausgiebiger hat Stoltze sein braun-marmoriertes Notizbuch
genutzt, in dem er private Erlebnisse, autobiografische
Erinnerungen, Honorarzahlungen von Verleger Keller,
Gedicht- und Briefentwürfe eingetragen und Stilblüten und
Aphorismen gesammelt hat. Einer kritischen Bemerkung
zum Stechschritt, den der allem militärischen Gepräge abholde Friedrich Stoltze als „lächerliche, läppische Gangart“
empfand, hat er eine entsprechende Karikatur beigefügt.
Der passionierte Gärtner Stoltze hat in dem Büchlein Petunien gezeichnet und sich u.a. die Vermehrung von Geranien
notiert. „Stopfen. – Unter dem Blatt mit einem scharfen
Messer abschneiden u. dann in eine Mischung von Sand
u. Gartenerde, z. gleichen Theilen in einen Kasten u. in’s
Treibhaus. – im April -“ (Universitätsbibliothek Johann
Christian Senckenberg Ms. Ff. F. Stoltze 2.15). Stoltzes Liebe
zur Natur zeigte sich auch in den Blumenzeichnungen in
einem Taschenkalender und in der Erwähnung der Teerose
„Viscountess Folkstone“, benannt nach Helen Matilda
Pleydell-Bouverie – Vicountess Folkstone (1846 bis 1929),
und des bekannten Rosenzüchters Henry Benett (1823
bis 1890) auf der Rückseite eines stark vergilbten Kartons
(Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Ms. Ff. F. Stoltze 7.58).
Blumenzeichnungen
Universitätsbibliothek
Johann Christian Senckenberg
Ms. Ff. F. Stoltze 2.15
Universitätsbibliothek
Johann Christian Senckenberg
Ms. Ff. F. Stoltze 2.10
Wohl bei einem Spaziergang bemerkte Friedrich Stoltze,
dass der 1812 errichtete Brunnenobelisk auf dem Platz Ecke
Brückhofstraße / Wollgraben schief wie der Turm von Pisa
ist und hielt dies auch in einer kleinen Zeichnung fest. Der
Schriftsteller fand es allerdings nicht ratsam auf eine Reparatur zu drängen, weil er befürchtete, dass die Stadt dies
zum Anlass nehmen könnte den Brunnen ganz zu entfernen. Text und Skizze wurden durchgestrichen. Der Obelisk
steht heute wieder gerade.
Der Obelisk vom Wollgraben ist nicht die einzige Örtlichkeit, die Stoltze gezeichnet und die sich im Nachlass erhalten hat. Seit er im Winter 1859/60 erstmals das Kurörtchen
Königstein besucht hatte, verbrachte der Literat dort fast
jedes Jahr zusammen mit seiner Frau und einigen seiner
Kinder mehrere Wochen im Sommer. Die frische Luft, die
ausgedehnten Spaziergängen, das Heilwasser und die Ernährung mit viel frischer Buttermilch taten Körper und Seele des häufig an Schlaflosigkeit, Nervosität und Erkältungen
leidenden Schriftstellers gut. In einem kleinformatigen
roten Notizbuch mit der Aufschrift „Notes“ in Goldprägung
hat Friedrich Stoltze mit Bleistift die Königsteiner Burg skizziert. Außer der Zeichnung enthält das Büchlein auf Seite 1
nur noch das Motto:
Wie die Jungen, so die Alten
Wollen wir uns lieb behalten;
Wie auf Erden so auch dort
Setzen wir’s im Himmel fort.
und eine begleitende Notiz zu den Königsteiner Schwalben,
die es offenbar am Rande des Taunus länger aushalten und
ihren Zug in südliche Gefilde erst später antreten als ihre
Frankfurter Artgenossen.
Brunnenobelisk
Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Ms. Ff. F. Stoltze 2.15
Königsteiner Burg
Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Ms. Ff. F. Stoltze 2.13
13
Auf der Innenseite einer Mappe hat Friedrich Stoltze das
Haus Unterlindau 6 gezeichnet, in dem er in den Jahren
1869 bis 1873 mit seiner Familie wohnte. Detailliert hat er
die Fassade mit den zahlreichen Fenstern und Schlagläden,
den Zaun und die Laube im angrenzenden Garten ausgeführt. Auf der Rückseite der Zeichnung finden sich drei Liebesgedichte für seine Frau Mary vom Kennenlernen, der
großen Liebe und ihrem Tod im August 1884. Berührend ist
auch die Schilderung von Stoltzes Abfahrt ins Stuttgarter
Exil am 15. Juli 1866 und wie schwer Marie die Trennung
von ihrem Mann fiel. Friedrich Stoltze hat seine kurze Notiz
mit einem Schmuckrand versehen und fast scheint es so,
als habe er erst als Witwer mit anderer Tinte den Zusatz
„Meine liebe, gute Marie!“ hinzugefügt.
15. Juli 1866
Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Ms. Ff. F. Stoltze 2.15
14
15
Stoltze-Museum
auf der Galerie im Kundenzentrum der
Frankfurter Sparkasse
Neue Mainzer Straße 49
60311 Frankfurt
Telefon 069 2641-4006
E-Mail: [email protected]
Öffnungszeiten:
Montags, dienstags, mittwochs,
freitags von 9 bis 16 Uhr
donnerstags von 9 bis 18 Uhr
Eintritt frei
Gruppenführungen nach Vereinbarung
Neue Mainzer Straße 49
60311 Frankfurt am Main
Telefon 069 2641-4006
Vereinigung der Freunde und
Förderer des Stoltze-Museums e.V.
c/o Frankfurter Sparkasse, Neue Mainzer Straße 47–53
60311 Frankfurt, Telefon 069 2641-4006
Konto: 17111 Frankfurter Sparkasse (BLZ 500 502 01)
IBAN: DE38 5005 0201 0000 0171 11