Kontinuierliche Produktion - die Zukunft der - GMP

LOGFILE Nr. 14 /April 2015
Maas & Peither AG – GMP-Verlag
Kontinuierliche Produktion - die Zukunft der Arzneimittelherstellung
aus FDA-Sicht
von Dr. Sabine Paris
Im September 2014 hat sich in Washington die GMP-Welt zur jährlichen
gemeinsamen Konferenz von PDA und FDA zusammengefunden. Schwerpunkte waren die Zukunft der Arzneimittelherstellung, die Produktqualität
und das Management des Produkt-Lebenszyklus. Rapti D. Madurawe (Branch
Chief ONDQA/OPS/CDER/ FDA) hat über die Sicht der FDA zur kontinuierlichen Herstellung informiert. Der Artikel fasst die Inhalte ihrer Präsentation
zusammen.
Was ist kontinuierliche Produktion?
Traditionell werden Arzneimittel mit einem chargenbezogenen Ansatz hergestellt. Das Ausgangsmaterial wird am Anfang jedes Teilprozesses eingebracht und das entstandene Produkt
wird jeweils am Ende des Prozesses entnommen. Dagegen erfolgen bei der kontinuierlichen
Herstellung die Zufuhr des Ausgangsmaterials und die Entnahme des Produktes gleichzeitig (s.
Abbildungen 1 und 2).
Abbildung 1: Beispiel für eine traditionelle Tablettenherstellung
(Quelle: Rapti D. Madurawe, FDA)
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Abbildung 2: Beispiel für eine kontinuierliche Herstellung von Tabletten
(Quelle: Rapti D. Madurawe, FDA)
Was ist so besonders an der kontinuierlichen Herstellung? Was ist zu tun, damit dieser Prozess
gelingt? Wer einen kontinuierlichen Prozess anstrebt, so Rapti Madurawe, der muss seine gewohnten Pfade verlassen und etwas komplett Anderes wagen. Dabei ist die kontinuierliche
Produktion grundsätzlich gar nichts Neues. In anderen Industriezweigen gehört sie bereits zum
Standard, z. B. in der Petrochemie, der Lebensmittel- und Automobilindustrie. So muss für die
Pharmaindustrie das Rad nicht neu erfunden werden, sondern die bereits angewendeten Prinzipien können adaptiert werden. Es gibt viele Bereiche der Arzneimittelherstellung, die sich für die
kontinuierliche Produktion eignen. Beispiele dafür sind (Abbildung 3)
Geeignete Bereiche für die kontinuierliche Produktion
Herstellung von Wirkstoffen
 Durchflussreaktoren
 Kontinuierliche Separatoren
 Kontinuierliche Kristallisatoren
 Kontinuierliche Chromatographie-Verfahren
Herstellung von Arzneimitteln
 Kontinuierliches Mischen
 Kontinuierliche Granulierung
 Tabletten- und Kapselherstellung
 Kontinuierliches Coaten
 Kontinuierliches Trocknen
Andere
 Sterilisation
 Verpacken
Abbildung 3: Geeignete Bereiche für die kontinuierliche Produktion
Welche Vorteile hat die kontinuierliche Produktion?
Die kontinuierliche Produktion bietet viele Vorteile hinsichtlich Qualität, Herstellung und Kosten.
Das Prozesswissen wird verbessert und die Prozessentwicklung vereinfacht. Innerhalb kurzer Zeit
können viele verschiedene Bedingungen im Entwicklungs-Screening getestet werden. Ein besonderer Vorteil ist, dass dieselbe Anlage für die Entwicklung sowie für das Marktprodukt genutzt
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werden kann (kaum Scale-up-Probleme!). Neue chemische Reaktionen können angewendet
werden, wie z. B. hoch exotherme Reaktionen und Reaktionen bei extrem hohen oder tiefen
Temperaturen. Die kontinuierliche Herstellung eignet sich insbesondere für Quality-by-DesignProdukte.
Die Herstellungskosten können bei kontinuierlicher Produktion deutlich reduziert werden, da
Betriebsbereiche und Ausrüstung in einem kleineren Maßstab genutzt werden. Zusätzlich sind
die Produktionszeiten kürzer und erlauben einen flexibleren Einsatz. Ein reduzierter Lösungsmittelverbrauch und –abfall sowie die Möglichkeit von Online-Monitoring und Real-Time-ReleaseAnsätzen unterstützen die Effizienz.
Wie ist die regulatorische Sicht?
Zur kontinuierlichen Produktion gibt es keine speziellen Regularien. Sie ist als moderner Ansatz,
der Qualität direkt im Prozessdesign anlegt, vielmehr in Übereinstimmung mit den Aktivitäten
der FDA hinsichtlich Quality-by-Design. Auch kann sie ggf. helfen, Lieferengpässe zu vermeiden.
Die Definitionen der 21 CFR 210.3 von „Batch“ und „Lot“ passen grundsätzlich auch zur kontinuierlichen Herstellung. Die Charge ist jedoch zwingend vor Beginn der Produktion zu definieren,
da sich GMP-relevante Kernelemente, wie Dokumentation, Freigabe und Rückrufe jeweils auf
eine bestimmte Charge beziehen.
Was ist bei der Etablierung der Kontrollstrategie zu beachten?
Gemäß ICH Q10 soll die Qualitätskontroll-Strategie auf den Produkt- und Prozesskenntnissen
basieren sowie die Prozessleistung und Produktqualität sicherstellen. Die Kontrollstrategie für
kontinuierliche Produktion sollte neben den klassischen Parametern, wie In-Prozess-Kontrollen
und Monitoring-Frequenz, besonders den Materialfluss innerhalb des Prozesses berücksichtigen.
Wichtig ist, dass der Einfluss von Instabilitäten einzelner Teilprozesse auf den Gesamtprozess
betrachtet wird..
„Ist mein Prozess in einem kontrollierten Zustand?“ war eine Frage von Rapti Madurawe, die
jeder mit „Ja“ beantwortet sollte. Für Produkte, die über lange Zeit kontinuierlich hergestellt
werden, sind folgende Variabilitäten zu beobachten und zu kontrollieren:

Produktqualitätsparameter

Prozessparameter

Umgebungsparameter
Auch muss das Kontrollsystem robust genug sein, um fehlerhaftes Material zu identifizieren und
zu isolieren. Dabei helfen geeignete Monitoring- und Probenahme-Pläne, die die Dynamik des
kontinuierlichen Prozesses berücksichtigen.
Was hat die FDA mit kontinuierlicher Produktion zu tun?
Die FDA befasst sich seit 2009 mit dem Thema der kontinuierlichen Herstellung. Sie tauscht sich
dazu aus mit der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA), Universitäten und der Pharmaindustrie. Gemeinsam mit dem Center for Process Analytical Chemistry (CPAC) und den Universitäten
von Washington, Seattle und Corning betreibt die FDA Forschung zu kontinuierlicher Produktion
und Mikroreaktoren.
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Die FDA fokussiert aktuell auf folgende Punkte (Abbildung 4):
Besonderes Interesse der FDA an:
Analytischen Tools zur Unter
stützung der Automatisierung

Repräsentative Probenahme

zur beständigen Sicherung der

Produktqualität

Einsatz von multivarianter Analyse
Verbesserung des Prozessver
ständnisses

Implementierung von fortschrittlichen Kontrollen (z. B.
model predictive control)
Hochentwickelte Tools für das Datenmanagement
Lokalisierung der Probenahme
Umfang der Probe
Häufigkeit der Probenahme
Einsatz von Modellen
Mechanistische Charakterisierung von Materialinteraktionen (auch Einfluss von unterschiedlichen Chargen des
Ausgangsmaterials)
Abbildung 4: Punkte zu kontinuierlicher Produktion, die für die FDA von besonderem Interesse sind
Rapti Madurawe betonte, dass die FDA großes Interesse an wissenschaftlichen Publikationen zur
kontinuierlichen Produktion habe.
Das FDA Office of New Drug Quality Assessment (ONDQA) hatte bereits formelle und informelle
Meetings mit verschiedenen Firmen. Mindestens acht Pharmaunternehmen in den USA befassen
sich aktiv mit kontinuierlicher Produktion – für bereits existierende Produkte sowie für Neuentwicklungen.
Noch gibt es sehr wenige Zulassungsanträge. Praktische Anwendungen, von denen die FDA bei
den Meetings und auch bei Vor-Ort-Besuchen erfahren hat, sind:

Flow Chemistry

kontinuierliche Kristallisation

Teilbereiche mit kontinuierlicher Herstellung

voll integrierte kontinuierliche Produktion
Schlussbemerkung
Die FDA sieht für die kontinuierliche Produktion von Arzneimitteln deutliche Vorteile hinsichtlich
der Produktqualität und Kosteneffizienz. Sie unterstützt die wissenschafts- und risikobasierte
Implementierung von kontinuierlicher Produktion.
Wissenschaft und Technik sind ausgereift, um eine kontinuierliche Produktion zu realisieren.
Regulatorische Hürden stehen nicht im Weg. Jedoch gibt es derzeit erst wenige Erfahrungen
sowohl in der Pharmaindustrie als auch bei den Überwachungsbehörden.
Die FDA empfiehlt den Firmen bei der Planung und Entwicklung von kontinuierlicher Produktion
eine frühzeitige Einbindung der Behörde.
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Quelle:
Rapti D. Murawe, Ph.D., Branch Chief ONDQA/POS/CDER/FDA: Continuous Manufacturing of
Pharmaceuticals – An FDA Perspective, PDA/FDA Joint Regulatory Conference, September 2014,
Washington, D.C., USA
Autorin:
Dr. Sabine Paris
Maas & Peither AG – GMP-Verlag, Schopfheim, Deutschland
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