31 5 Kontinuierliche Schwingungssysteme Die bisher betrachteten diskreten Schwingungssysteme bestehen aus konzentrierten massebehafteten Körpern, die an diskreten Stellen über Bindungen gekoppelt sind und damit über eine endliche Zahl f von unabhängigen Bewegungsfreiheiten verfügen. Diese lassen sich durch f verallgemeinerte Koordinaten beschreiben. Bei der Modellbildung erhält man eine dem Freiheitsgrad entsprechende Zahl von gewöhnlichen Differentialgleichungen zweiter Ordnung, die für kleine Auslenkungen linearisiert werden können. Zusammen mit Bedingungen für die Anfangslage und -geschwindigkeit bilden sie ein Anfangswertproblem, dessen Lösung sich als Superposition von Eigenlösungen darstellen lässt. Näherungsweise können damit auch Systeme mit verteilter Massen- und Steifigkeitsbelegung wie elastische Stäbe oder Balken modelliert werden, indem man diese in endliche Abschnitte diskretisiert, die selbst unverformbar sind und sich relativ zueinander bewegen können. Die Kopplung erfolgt über geeignete Bindungen und diskrete Steifigkeiten. Eine solche Modellierung wird umso genauer, je feiner diskretisiert wird, wodurch der Freiheitsgrad f wächst. Im Grenzübergang f ³ R zu einer exakten Modellierung kontinuierlicher Schwinger sind die verallgemeinerten Koordinaten durch stetige Verformungsfunktionen in Abhängigkeit des Ortes und der Zeit zu ersetzen, die gewöhnlichen Differentialgleichungen gehen in partielle Differentialgleichungen bezüglich Ort und Zeit über. Zur eindeutigen Festlegung des kontinuierlichen Schwingers sind die Anfangsbedingungen für die Verformungsfunktionen um problemspezifische Randbedingungen zu ergänzen. Typische Vertreter für eindimensionale kontinuierliche Schwinger sind die gespannte Saite, Stäbe mit Längs- und Torsionsschwingungen sowie Balken mit Transversalschwingungen. 32 5 Kontinuierliche Schwingungssysteme 5.1 Transversalschwingungen einer Saite Annahmen D vorgespanntes, fadenförmiges Kontinuum (Dichte r, Querschnitt A, Vorspannkraft S) D biegeschlaff D Vernachlässigung des Eigengewichts 0 w(x, t) L S x z D kleine Auslenkungen w Ơ L 0 Bewegungsgleichungen Momentaufnahme für einen gegebenen Zeitpunkt t D Vereinfachung für kleine Auslenkungen w Ơ L: wȀ + dw + tan a Ơ 1 dx å sin a [ a [ wȀ, cos a [ 1 dx [ dx dl [ cos a D Vernachlässigung der x-Richtung .. w+ Verschiebung in ē 2w(x, t) ē 2w(x, t) , wȀȀ + ēt 2 ēx 2 eindimensionale Wellengleichung .. w + c 2wȀȀ mit c+ ǸrAS + Ǹrs dx x w S a a ) da z dl S ) dS 5 Kontinuierliche Schwingungssysteme 33 Anfangsbedingungen Festlegen der Auslenkung an allen Orten für einen bestimmten Anfangszeitpunkt t + 0 D Lage: w(x, 0) + w 0(x) . 0 L . S D Geschwindigkeit: w(x, 0) + w 0(x) z Randbedingungen Festlegen der Auslenkung bzw. Steigung an bestimmten Orten für alle Zeiten D fester Rand x z D freier Rand x z x 34 5 Kontinuierliche Schwingungssysteme 5.2 Longitudinalschwingungen eines Stabes Annahmen D homogener Stab (Dichte r, Querschnitt A, Elastizitätsmodul E) u(x, t) 0 L x D Hooke’sche Gesetz s + Ee Bewegungsgleichungen Momentaufnahme für einen gegebenen Zeitpunkt t u N ) dN N dx .. u+ ē 2u(x, t) ē 2u(x, t) , uȀȀ + ēt 2 ēx 2 eindimensionale Wellengleichung .. u + c 2uȀȀ c+ mit ǸEr Anfangsbedingungen D Lage: u(x, 0) + u 0(x) D Geschwindigkeit: u(x, 0) + u 0(x) Randbedingungen D fester Rand D freier Rand . . u ) du 5 Kontinuierliche Schwingungssysteme 35 5.3 Torsionsschwingungen eines Rundstabes Annahmen D homogener Stab (Dichte r, Querschnitt A, polares Flächenträgheitsmoment I p, Schubmodul G) ö(x, t) L x D Hooke’sche Gesetz t + Gg Bewegungsgleichungen Momentaufnahme für einen gegebenen Zeitpunkt t ö M dx dö .. ö+ ē 2ö(x, t) ē 2ö(x, t) , öȀȀ + ēt 2 ēx 2 eindimensionale Wellengleichung .. ö + c 2öȀȀ c+ mit ǸGr Anfangsbedingungen D Lage: ö(x, 0) + ö 0(x) D Geschwindigkeit: ö(x, 0) + ö 0(x) Randbedingungen D fester Rand D freier Rand . . M ) dM 36 5 Kontinuierliche Schwingungssysteme 5.4 Biegeschwingungen eines Balkens Annahmen D schlanker Balken h Ơ L (Dichte r, Querschnitt A, axiales Flächenträgheitsmoment I, Elastizitätsmodul E) 0 D Vernachlässigung der Schubverformung (Euler-Bernoulli-Balken) L w(x, t) x z D Vernachlässigung des Eigengewichts D kleine Auslenkungen w Ơ L Bewegungsgleichungen 0 Momentaufnahme für einen gegebenen Zeitpunkt t D Vereinfachung für kleine Auslenkungen w Ơ L: wȀ + dw + tan a Ơ 1 dx å cos a [ 1 dl [ dx D Vernachlässigung des Massenträgheitsmoments .. w+ ē 2w(x, t) ē 4w(x, t) IV , w + ēt 2 ēx 4 .. w ) EI wIV + 0 rA dx a Q M ) dM z M x w dl Q ) dQ a ) da 5 Kontinuierliche Schwingungssysteme Anfangsbedingungen D Lage: w(x, 0) + w 0(x) D Geschwindigkeit: w(x, 0) + w 0(x) Randbedingungen D feste Einspannung D gelenkige Lagerung D freier Rand . . 37 38 5 Kontinuierliche Schwingungssysteme
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