4 — Südtiroler Wirtschaft Südtiroler Wirtschaftszeitung — Nr. 13 | 15 — Freitag, 3. April 2015 Eigentlich sollte Klaus Pomella die Bäckerei seiner Eltern übernehmen, doch er entschied sich dagegen und ging in die Möbelbranche – erst als Angestellter, dann als sein eigener Chef: 2005 kaufte er den Unterlandler Polstermöbelhersteller Rossin. Kurtatsch/Laag – Klaus Pomellas Sternzeichen ist Jungfrau. „Jungfrauen haben gerne alles unter Kontrolle und tun sich schwer mit dem Delegieren“, weiß der 48-Jährige aus Kurtatsch. Das erklärt auch, warum er auf der Internetseite seines Unternehmens, des vor allem im Objektbereich tätigen Polstermöbelherstellers Rossin, als Vertriebskontakt für Deutschland, Österreich und die Schweiz aufscheint, inklusive Handynummer. Und das obwohl in allen Ländern Vertriebsagenturen für Rossin arbeiten. „Die DACH-Region ist einer unserer Hauptmärkte, da möchte ich bei Anfragen selbst entscheiden, wie vorgegangen wird. Und nicht durch eine vielleicht suboptimale Reaktion oder Entscheidung eines externen Mitarbeiters wertvolle Aufträge verlieren“, sagt Pomella. „Denn je direkter der Weg ins Unternehmen ist, besonders bei Architektenanfragen, desto besser ist die Chance, zu einem Verkaufsabschluss zu kommen.“ Auch die wichtigsten Kunden im arabischen Raum, dem zweiten Hauptmarkt für Rossin, betreut er selbst. Den im Sternzeichen Jungfrau Geborenen wird eine analytische Kompetenz und eine schnelle Auffassungsgabe nachgesagt, aber auch, dass sie hohe Ansprüche stellen und übertrieben perfektionistisch sind, und zugleich genau wissen, was sie wollen, und stets den zweckmäßigsten Weg einschlagen, um ein Ziel zu erreichen. Klaus Pomellas Ziel mit Rossin ist Wachstum. „Der Jahresumsatz von derzeit 5,5 Millionen Euro – inklusive des Tochterunternehmens Haapo in Tirol – soll innerhalb der nächsten Jahre stark wachsen. Denn dann, nur wenn man wächst, kann man bestehen und neue Märkte konsequent angehen.“ Derzeit werden bei Rossin/Haapo zwei Drittel des Umsatzes in der DACH-Region erzielt, ein Viertel im arabischen Raum („Dort bekommen wir zwar nur die Brotkrumen, doch auch das ist noch ein sehr gutes Geschäft“) und der Rest in wechselnden Ländern. Der Weg zum Ziel „Wachstum“ führt für Pomella über eine intensivere Bearbeitung des deutschen Marktes und besonders über den nordamerikanischen Markt, in dem er enormes Potenzial sieht. Deshalb möchte er diesen 2015 und 2016 verstärkt angehen. „Derzeit liegt die SchwierigWachstum durch keit in den USA in Erfolg in den USA der Notwendigkeit, sehr kurzfristig liefern zu können. Wir brauchen nach einer Bestellung acht bis zehn Wochen, bis die Ware, die in Italien oder Österreich produziert wird und dann verschifft werden muss, beim Kunden ankommt – das ist für die meisten Aufträge zu lange“, so Pomella. Eine Lösung dieses Problems habe er bereits gefunden, nun arbeite er an der Umsetzung. Doch so entscheidungs- und umsetzungsfreudig Pomella nun als Unternehmer auch ist, seine Berufsentscheidung war eine langwierige: Bis er 25 Jahre alt war, war er sich nicht sicher, ob er in die Fußstapfen seiner Eltern treten und die familieneigene Bäckerei in Kurtatsch übernehmen – oder doch einen anderen Weg gehen sollte. Bis dahin hatte er die Matura an der Handelsoberschule in Bozen abgelegt, einen einjährigen EU-Kurs in internationalem Marketing besucht, den Militärdienst geleistet und bei der Firma Würth eine Ausbildung als Einkäufer durchlaufen. Eine Entscheidung wurde also fällig. Und Klaus Pomella entschied sich gegen den Beruf als Bäcker. „Die Nachtarbeit war nichts für mich, und ich wollte möglichst international arbeiten, reisen und mit Menschen unterschiedlicher Kulturen zu tun haben“, sagt er. Heute ist die Bäckerei verpachtet. SWZporträt Sessel statt Semmel • Info Von Sanoflex zu Rossin 1964 gründete Nerino Rossin in Auer das Unternehmen unter dem Namen Sanoflex, mit dem Ziel, Polstermöbel verschiedener Art zu produzieren. Anfangs werden einfache Schlafsofas für private Wohnungen und Federkernmatratzen gefertigt, seit den 70er-Jahren auch Sofas, Schlafsofas und Sessel für die Hotellerie. 1990 wurde aus Sanoflex Rossin. 1998 kam Klaus Pomella als Geschäftsführer zu Rossin. Ende der 90er-Jahre zog das Unternehmen auch aus dem Zentrum von Auer in den neuen Firmensitz ins Gewerbegebiet Nord in Auer. Seit dem Jahr 2000 arbeitet Rossin mit namhaften internationalen Designern zusammen. Im selben Jahr übernahm das Unternehmen den Mitbewerber Polsit (Auer). „Ich wollte dann eine Zwei-Marken-Politik fahren“, erklärt Pomella. „Rossin sollte die internationale und auf Design fokussierte Marke werden, spezialisiert auf den Objektbereich, öffentliche Bereiche und Wartezonen; mit Polsit sollte der lokale Markt für Private und Hotels bearbeitet werden.“ Nach einigen Jahren entschieden sich Pomella und die Familie Rossin, geschäftlich getrennte Wege zu gehen. Pomella übernahm 2005 90 Prozent der Anteile am Unternehmen Rossin, zehn Prozent blieben in der Hand der Familie Rossin. Mario Rossin, Sohn von Firmengründer Nerino Rossin (er ist 2013 gestor- ben), übernahm Polsit; dieses hat er mittlerweile an die Bozner Unternehmerfamilie De Benedetto verkauft und er selbst arbeitet wieder bei Rossin. Von 1964 bis 2004 hat Rossin seine Polstermöbel selbst produziert; diese Aufgabe wurde dann an Partnerunternehmen im Veneto übertragen („Es wurde immer schwieriger, Mitarbeiter zu finden. Wer möchte heute noch Polsterer werden?“, sagt Pomella). Die Endkontrolle und -montage erfolgt weiterhin in Salurn. Im Herbst 2010 übernahm Pomella das Tiroler Traditionsunternehmen Haapo, welches seit 1910 Polstermöbel fertigt und im August 2010 Konkurs anmeldete. „Das Unternehmen war wegen familiärer Angelegenheiten und fehlender Innovation in Probleme geraten“, so Pomella. Haapo wird als eigenständiges Unternehmen mit 34 Mitarbeitern mit Produktionsstandort am Achensee in Tirol geführt. Durch die Übernahme erhielt Rossin eine eigene flexible Produktionsstätte, was besonders für die Herstellung von Mustern und Prototypen ein großer Vorteil ist. „Außerdem ergänzen sich die Verkaufsmärkte und Produktpaletten von Rossin und Haapo optimal“, sagt Klaus Pomella. „Und so kann ich die Zwei-MarkenStrategie, die ich ursprünglich mit Rossin und Polsit fahren wollte, nun mit Rossin und Haapo umsetzen und eine breite Produktpalette von ländlich-alpin bis zu Designobjekten, von Schlafsofas über Wohnlandschaften bis hin zu Solitärmöbeln anbieten.“ Dass diese Strategie fruchtet, beweisen u.a. die zahlreichen Designpreise, die Rossin für seine Polstermöbel erhielt: 2009 beispielsweise gab es für die Kollektion Coco einen Red Dot Design Award oder 2013 für die Serie LUC den namhaften Good Design Award in Chicago und zwei Red Dots. „Und 2015 das Highlight mit dem German Design Award für die LUC-Serie“, sagt Pomella und fügt an. „Eine Anerkennung haben wir auch durch eine eigene Briefmarke der isländischen Post erhalten.“ Diese ziert ein von der isländischen Designerin Erla Oskarsdottir entworfenes Rossin-Sofa. Im Rossin-Firmensitz in Laag bei Neumarkt sind heute neun Mitarbeiter (zwei weitere kümmern sich in Salurn um die Endmontage der Sofas und Sessel) tätig. Der Jahresumsatz von Rossin beträgt (inklusive Haapo) 5,5 Millionen. Die wichtigsten Märkte für Rossin/Haapo sind die DACHRegion inklusive Südtirol (zwei Drittel des Umsatzes) sowie der arabische Raum (ein Viertel), der Rest verteilt sich auf wechselnde Länder. Die größten Aufträge der vergangenen Jahre waren etwa 1.200 Sessel und Sofas für die Abu Dhabi Police (verteilt über die Jahre 2012 bis 2014), rund 300 Sessel und Sofas für den Terminal 2 des Airport Dubai (2014), sowie ca. 500 Sessel und Sofas für die King Faisal University in Saudi-Arabien (Lieferung 2015). In Europa wurden viele kleine bis mittlere Aufträge (Private, Hotels und öffentliche Einrichtungen) abgewickelt. Als der Steuerberater seiner Eltern davon erfuhr, vermittelte er dem jungen Unterlandler eine Stelle beim Stuhlhersteller Plank in Auer. Dort war Klaus Pomella erst als Vertriebsleiter tätig, dann zwei Jahre als Geschäftsführer. „Dabei habe ich die Umstellung der Kollektion von rustikal zu modern begleitet und erste Erfahrungen in internationalen Märkten gemacht“, erinnert er sich. In dieser Zeit parkte der junge Mann, wenn er im Zentrum von Auer zu tun hatte, gerne auf dem Firmenparkplatz von Rossin – allerdings ohne es zu wissen. „Mir war das Unternehmen nicht bekannt, obwohl mein damaliger Arbeitgeber und damit ich in derselben Branche tätig waren“, sagt Pomella. „Herr Rossin hat mich dann auf der Möbelmesse in Mailand angesprochen und gefragt, ob ich nicht wechseln und sein Unternehmen führen möchte.“ Er wollte – und so begann Pomella Ende 1998 als Geschäftsführer bei Rossin. Unter seiner Ägide übernahm Rossin 2000 den Mitbewerber Polsit und begann die Zusammenarbeit mit international renommierten Designern. Diese Kooperationen haben Rossin mittlerweile einige wichtige inEinige wichtige ternationale DesigDesignpreise npreise eingebracht. für Rossin Pomellas damalige Vision von der Unternehmenszukunft: mit Rossin und einer auf Design ausgerichteten Kollektion den internationalen Markt für Objekteinrichtung angehen, mit Polsit den lokalen Markt bearbeiten. Doch die Familie Rossin hatte eine andere Vorstellung, und so trennten sich die geschäftlichen Wege 2005: Die Familie Rossin verkaufte ihrem Geschäftsführer Pomella die Mehrheit an Rossin (zehn Prozent des Unternehmens sind bis heute in ihrem Besitz), Polsit führte sie selbst weiter, mittlerweile wurde das Unternehmen aber weiterverkauft. 2010 bot sich Klaus Pomella die Gelegenheit, das Tiroler Traditionsunternehmen Haapo zu kaufen, das Konkurs angemeldet hatte. Dafür holte er seinen Freund und Manager Hermann Troger als Partner an Bord. „Damit ergab sich wieder die Möglichkeit zur Zweimarkenstrategie, die ich gerne ergriffen habe“, so Pomella. Ein nächstes unternehmerisches Projekt hat er auch schon im Kopf: In den kommenden Jahren möchten die Eltern von Pomella die kleine Frühstückspension, die sie trotz ihres hohen Alters noch führen, umbauen. „Da möchte ich mit unseren Möbeln ein kleines Boutiquehotel daraus machen. Kein Zimmer soll wie das andere sein, und in jedem sollen Rossin- und Haapo-Möbel stehen“, erzählt der Unternehmer. „Dann können wir Kunden, Architekten und andere Besucher im eigenen Hotel unterbringen, das zugleich ein bewohnbarer Showroom ist.“ Beim Einrichten des Hauses wird ihm seine Frau Sibylle tatkräftig zur Hand gehen, sie berät nämlich auch Hotelkunden im neuen Rossin-Showroom im Laag. Seit etwa neun Jahren arbeitet Sibylle Pomella mit ihrem Mann, sie leitet bei Rossin die Verwaltung, und seit zwei Jahren kümmert sie sich auch um den Showroom. „Sie kann hervorragend mit Farben und Materialien umgehen und hat auch ein Gespür für Architektur“, sagt Pomella über die Mutter seiner beiden Kinder Maximilian und Isabel. Wenn er an seine Jugend zurückdenkt, dann fällt Pomella ein, dass er „im Tischtennis und Calcetto sehr gut war – aber in der Schule nicht besonders“. Und doch ist ein erfolgreicher Geschäftsmann aus ihm geworden. Welchen Fähigkeiten hat er das zu verdanken? Er habe, sagt Pomella, ein Talent fürs Verkaufen und Netzwerken, einen gekonnten Umgang mit verschiedenen Kulturen, ein Gespür für Märkte und Chancen und nach 20 Jahren in der Branche ein Auge für das Design und ein großes Wissen über Produkte und Mitbewerber. „Außerdem: Ich rede gerne – manchmal auch zu viel“, weiß Pomella. „Und deshalb kommt es auch vor, dass ich ins Fettnäpfchen trete, aber man nimmt es mir nicht übel – zumindest bisher nie.“ Und so schafft es Pomella immer wieder, interessante und auch große Aufträge an Land zu ziehen. Besonders stolz ist er immer dann, wenn es gelingt, in renommierten Südtiroler Hotels oder anderen Institutionen Rossin-Möbel unterzubringen. „Es gibt viele erfolgreiche Unternehmer und Künstler, die international gefragt sind und Lob erhalten, doch im eigenen Land wird ihnen die Anerkennung verwehrt“, sagt Pomella. „Der Prophet ist im eigenen Land nichts wert, heißt es.“ Klaus Pomella möchte nicht, dass es ihm so ergeht. Simone Treibenreif • [email protected] ®© Alle Rechte vorbehalten/Riproduzione riservata
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