Homogenität mit Eigendynamik

82 R E S S O U R C E N F Ü R D I E P E R S O N A L A R B E I T B Ü C H E R
FÜR SIE GELESEN „SELEKTIONSPFADE IM TOPMANAGEMENT“
Homogenität mit Eigendynamik
Allen Diversity-Bestrebungen zum Trotz sind viele Organisationen in ihren oberen Führungs­­
etagen immer noch vorwiegend homogen männlich besetzt. Beim Auswahl­prozess von
Topmanagern scheinen Unternehmen oft festgefahren. Welche Mechanismen zur Homogenität
von Organisation führen und wie diese wichtige personalpolitische Reformen behindern, hat
Philine Erfurt Sandhu in ihrer Einzelfallstudie untersucht.
Am Beispiel des fiktiven deutschen Dienstleistungsunternehmens FIRM mit einem Umsatz von mehr als einer Milliarde Euro und
mehreren Tausend Beschäftigten führt Philine
Erfurt Sandhu eine Studie im Sinne einer orga­
nisationalen Tiefbohrung zu folgenden Fragen
durch: Warum wird in oberen Führungsetagen
der immer gleiche Typus Mann ausgewählt?
Warum scheitern in vielen Organisationen
Maßnahmen für mehr Vielfalt im Topmanagement? Und welche unbewussten Mechanismen
liegen dahinter?
Die Forschung zeigt zunächst, dass die Intransparenz bei der Besetzung der Toppositionen ein wichtiger Faktor für die (Re-)Produktion von Homogenität ist. Beim Fallbeispiel FIRM gibt es für obere Führungspositionen keine formalen Auswahlprozesse auf Basis von Stellenprofilen, Assessment-Centern
oder Ähnlichem. Die Auswahl geeigneter Kandidaten erfolgt vielmehr nach dem Prinzip der
Passfähigkeit. Als passend erweisen sich bei
FIRM jene Personen, die einem impliziten Selektionsmuster entsprechen, welches einen starken Gender Bias aufweist: SpitzenführungskräfAls Ergebnis ihrer Studie stellt die Autorin
te müssen Alphatiere und ständig verfügbar sein
fest: Organisationen sind in der Auswahl obesowie eine Vorliebe für Fußball haben – um
rer Führungskräfte pfadabhängig, das heißt, sie
nur einige Aspekte zu nennen. P
­ ersonen mit
PHILINE ERFURT SANDHU ▶ Selek­tions­
sind in diesem Prozess festgefahren. Während pfade im Topmanagement. Homogenisie- Familienpflichten, überwiegend Frauen, gelten
beim Eintritt in die Organisation weibliche und rungsprozesse in Organisationen.
als weniger loyal und kommen erst gar nicht
männliche Fachkräfte noch gleichermaßen ver- Springer Gabler, 234 S., € 49,99
in die engere Wahl. Zudem: Wer bei FIRM
treten sind, wird aufgrund unbewusster Me- ISBN 978-3-658-06014-5
keine „geordneten Verhältnisse im Privatlechanismen und impliziter Leitbilder der imben“ aufweist – Homosexualität wird dem entmer gleiche Typ Mann kooptiert – je höher in
sprechend gesehen – wird in seiner Persönlichder Hierarchie, desto stärker. Da es sich bei der vorliegenden Stu- keit nicht als ausreichend gefestigt für eine Spitzenposition wahr­
die um eine reine Unternehmensanalyse handelt – und nicht um genommen.
einen firmenübergreifenden Vergleich –, werden hier vielfältige
Methoden deutlich, die zeigen, wie das im Einzelnen funktioDie Autorin gibt auch Antwort auf die Frage, welche Kräfte
niert. Nicht als Meinungsbeitrag, sondern als wissenschaftliche hierbei unbewusst wirken und eine starke Zugkraft entfalten. Sie
Studie verfasst, erlauben Interviews, Beobachtungen, eine soziale zeigt, wie die Auswahl von selbstähnlichen Personen zur EntwickNetzwerkanalyse sowie die Analyse von Statistiken und anderer lung von Koordinationseffekten führt, denn die zunehmende AnDaten zur Besetzung von Topführungspositionen einen tiefen gleichung der Führungskräfte und das Agieren unter Gleichen mit
Einblick in das Organisationsgeschehen. Dabei werden sowohl den im Netzwerk befindlichen Personen generiert durchaus funkdie formalen als auch die informellen Kriterien und Verfahren tionale Vorteile: Die Ähnlichkeit der Führungskräfte untereinanbetrachtet.
der erzeugt eine reibungslose Koordination, das Verhalten wird
PERSONALFÜHRUNG 3/2015
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ERFOLGREICH DURCH VERÄNDERUNG
DER REZENSENT
THOMAS SATTELBERGER ▶ war zuletzt
Personalvorstand und Arbeitsdirektor
bei der Telekom. Heute, im (Un-)Ruhestand, engagiert er sich für Reformprojekte
in der Arbeitswelt und ist unter anderem
Vorsitzender des Vereins HR-Alliance
und Themenbotschafter der Initiative
Neue Qualität der Arbeit (INQA).
berechenbar, Vertrauen und Sicherheit wachsen. In einem
homogenen Umfeld lässt es sich leichter navigieren – ein
wichtiger Ausgleich zur komplexen Führungsaufgabe.
Aber: Dieser Nutzen entwickelt eine selbstverstärkende
Dynamik, die für die Führungskräfte unkontrollierbar
wird.
Die Auswahl nach Selbstähnlichkeit läuft weitgehend
im Unterbewusstsein und entzieht sich deshalb auch einer
bewussten (Um-)Steuerung. Nicht nur der Beispielfirma
FIRM, sondern auch vielen anderen Unternehmen gelingt
es deshalb häufig nicht, entgegen dieser Dynamik Diversity‑ oder Chancengleicheitsstrategien erfolgreich umzusetzen. Die Autorin nennt dies im Sinne der Pfadtheorie
ein „Lock-In“, durch das Organisationen ihre Anpassungsfähigkeit an veränderte Umweltbedingungen verlieren und
ihre alten Pfade nicht verlassen können. Ihr Fazit lautet:
Um tatsächlich mehr Vielfalt zu schaffen, reiche es nicht
aus, an ausgeschlossenen Gruppen „herumzudoktern“,
sondern das Topmanagement brauche einen „exogenen
Schock“ – beispielsweise durch gesetzliche Quoten, Sanktionen oder öffentliches „Naming and Shaming“.
Wer auf der Suche nach einer fundierten wissenschaftlichen Begründung für Quoten ist, wird mit diesem Buch
fündig. Es basiert auf der Dissertation der Autorin, die sie
bei Professorin Dr. Gertraude Krell und Professor Dr. Georg Schreyögg an der Freien Universität Berlin verfasste.
Für eine wissenschaftliche Studie ist das Buch sehr spannend geschrieben – eine beeindruckende Tiefenanalyse eines Unternehmens, in der die Beharrungskräfte, aber auch
die wichtigen Stellschrauben für mehr Vielfalt in Organisationen deutlich werden. •
PERSONALFÜHRUNG 3/2015
Die simple Botschaft, die der frühere Warenhausmanager Ilja Grzeskowitz hier immer wieder in anderer Formulierung vorträgt, lässt sich mit dem Sprichwort „Jeder
ist seines Glückes Schmied“ weitgehend zusammenfassen.
Er begründet sie am Beispiel eigener Berufs und Lebenserfahrung und verdeutlicht vor allem den Einfluss eigener
Einstellungen auf den – in Geld gemessenen – Lebenserfolg. Für eilige Leser fasst der Autor die Quintessenz seiner Überlegungen und Überzeugungen jeweils am Kapitelende kompakt zusammen. Außerdem werden die wichtigsten Gedanken in Randbemerkungen hervorgehoben.
In dem mit dem Aufruf „Veränderung einfach machen“
überschriebenen Abschnitt verdeutlicht der Unternehmer
und Vortragsredner Grzeskowitz zunächst, wie vergeblich
es ist, andere ändern zu wollen, und die Notwendigkeit,
mit Veränderungen bei sich selbst anzufangen. Im Kapitel „Stillstand ist keine Option“ fragt er „Was würde Zuckerberg tun?“ und gibt „Change-Impulse, um Veränderung einfach zu machen“. Weitere Beiträge widmet er der
„Illusion der Sicherheit“, dem „Mut zur Verantwortung“
und der Aufforderung „Das volle Potenzial entfalten“. Anschließend stellt er in je einem Kapitel die „vier Ws der
Veränderung“ vor, die erst in ihrer Kombination zu speziellen Einstellungen führen sollen, welche dann Veränderungen einfach und Ziele erreichbar machen. Diese vier
Schritte nennt er Wählen, Wollen, Wagen und Wiederho­
len. Im abschließenden
Kapitel „Bleibt alles anders“ postuliert Grzeskowitz unter anderem:
„Die wichtigste Währung der Zukunft werden Ideen sein.“
ILJA GRZESKOWITZ
▶
Die Veränderungsformel.
Aus Problemen Chancen
machen.
Gabal, 2014, 2. Aufl.,
296 S., € 29,90
ISBN 978-3-86936-591-6