1 Präs. 1613-1748/15t Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs zum Initiativantrag zum Thema „Untreue und Business Judgement Rule“ Zum Initiativantrag der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker und Dr. Johannes Jarolim betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, das Aktiengesetz und das Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung geändert werden, nimmt der Oberste Gerichtshof wie folgt Stellung: I. Änderungen des StGB Ein Anpassungsbedarf des Tatbestands der Untreue nach § 153 StGB ist nicht erkennbar. Die im Antrag ohne nähere Konkretisierung vertretene Auffassung, es seien „in den letzten Jahren … in der Praxis vielfach Unklarheiten bei der Anwendung des Untreuetatbestands und dessen Grenzen - und zwar sowohl hinsichtlich des Befugnismissbrauchs wie auch des Untreueschadens“ aufgetreten, kann mangels diesbezüglicher Wahrnehmungen vor allem mit Blick auf die insoweit seit Jahrzehnten unveränderte einhellige (mit der Lehre übereinstimmende) Rechtsprechung, der sich die Erläuterungen in weiten Teilen anschließen, nicht nachvollzogen werden. Die Neuformulierung des Tatbestands mit unbestimmten Begriffen bei gleichem Regelungsgehalt führt zu keiner Klarstellung und Präzisierung. Sie würde vielmehr die von der Judikatur auf Basis des aktuellen Gesetzestextes entwickelten Strukturen und Grundsätze wertlos machen und - bis zur erneuten Klärung der Begriffe durch die Rechtsprechung - für Normunterworfene und Rechtsanwender zu Verwirrung und vermeidbaren Unsicherheiten führen. Im Einzelnen: Zu Abs 1: Dem Entfall der Benennung der unterschiedlichen Begründungsmöglichkeiten von Rechtsmacht wird (aus den in den Erläuterungen genannten Gründen) nicht entgegengetreten. Da eine Präzisierung oder Klärung damit allerdings nicht verbunden ist, scheint die Neufassung entbehrlich. Dies gilt gleichermaßen für die beantragte Änderung des bisherigen Gesetzestextes „dem anderen einen Vermögensnachteil zufügt“ auf die - inhaltsgleiche - Wortfolge „den anderen am Vermögen schädigt“. Die in den Erläuterungen vorgenommene Klarstellung des Wesens des Untreuetatbestands entspricht ständiger Rechtsprechung; sie enthält keinen Neuerungswert. Zur pauschalen Ausklammerung des Treuhänders als Tatsubjekt der Untreue wird auf die differenziertere Betrachtung in Rechtsprechung und Lehre verwiesen (RIS-Justiz RS0095942; Kirchbacher in WK2 StGB § 153 Rz 11). Zu Abs 2: Mit der Einfügung der Wortfolge „in unvertretbarer Weise“ in die Definition des Untreuebegriffs wird ein unbestimmter Gesetzesbegriff geschaffen, dessen Umfang die Erläuterungen - im Wesentlichen mit dem bloßen Hinweis auf „Ermessensmissbrauch“ weitgehend offen lassen. Die Eignung, diesbezüglich allenfalls vorliegende „Unklarheiten in der Praxis“ zu beseitigen, scheint daher fraglich. Im Übrigen macht bereits der Begriff „Missbrauch“ klar, dass darunter bloß unvertretbare Handlungen zu verstehen sind, was zudem einhelliger Rechtsprechung entspricht. Dem Bestreben, einer Ausdehnung der Strafbarkeit auf „nicht strafwürdige“ Fälle entgegenzuwirken, trägt schon § 153 StGB idgF durch das Erfordernis der Wissentlichkeit des Befugnismissbrauchs Rechnung. Dass Untreue das Vermögen des Machtgebers schützt, wird durch die geltende Regelung ebenso unmissverständlich zum Ausdruck gebracht wie der Konnex zwischen (wissentlichem) Befugnismissbrauch und (dadurch bewirktem) Vermögensnachteil. Die vorgesehene Einschränkung auf Verstöße gegen Regeln, die dem Vermögensschutz des wirtschaftlich Berechtigten dienen, scheint daher überflüssig. Dass (mängelfreie, das heißt nicht auf bewusst unrichtiger oder unvollständiger Information beruhende, ohne List oder Zwang erfolgte) Einwilligung des Machtgebers die Annahme eines Verstoßes gegen „internes Dürfen“ und damit eines Missbrauchs von Befugnissen ausschließt, entspricht gleichermaßen ständiger Rechtsprechung. Sofern die „Klarstellung“, dass Missbrauch bei Zustimmung „der“ betroffenen (demnach wohl aller) wirtschaftlich Berechtigten nicht vorliegt, als Reaktion auf eine - in der Literatur kritisierte - Entscheidung des Obersten Gerichtshofs1, die (erstmals) eine darauf bezogene 1 „Libro-Entscheidung“ des 12. Senats; 12 Os 117/12s [12 Os 118/12p] Differenzierung zwischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung und Aktiengesellschaft vornimmt, zu verstehen ist, sollte es der Rechtsprechung überlassen bleiben, sich (zeitnah) zu dieser Lösung zu bekennen oder den eingeschlagenen Weg wieder zu verlassen. Die in den Erläuterungen vorgenommene Gleichsetzung von wirtschaftlich Berechtigtem mit „Gesellschafter“ greift zu kurz und wird der Vielgestaltigkeit im Wirtschaftsleben vorkommender unternehmensrechtlicher Konstruktionen in keiner Weise gerecht. Wird der Begriff des wirtschaftlich Berechtigten weit interpretiert, konterkariert die vorgesehene Straflosigkeit bei Zustimmung des wirtschaftlich Berechtigten zudem die zivilrechtlichen Vertretungs- und Haftungsregelungen, was wiederum zu Unsicherheit bei den betroffenen Verkehrskreisen führt. Soweit die Erläuterungen - übrigens ohne diesbezüglich vorgeschlagener substantieller Novellierung der Rechtslage im Antrag - den Versuch einer Definition des Schadensbegriffs unternehmen, wird darauf hingewiesen, dass schon nach bisheriger einhelliger Rechtsprechung eine bloße Vermögensgefährdung nicht zur Verurteilung wegen Untreue führt, der Schaden vielmehr (wie beim Betrug) auch bei der Untreue in einem effektiven Verlust an Vermögenssubstanz besteht, wobei die Beurteilung durch Vergleich der Vermögenslage vor und nach der missbräuchlichen Handlung im Wege einer Gesamtsaldierung zu geschehen hat. Die in diesem Zusammenhang in den Erläuterungen pauschal vertretene Auffassung, durch die (gegen bankinterne Kreditlinien verstoßende) Gewährung und Auszahlung eines Kredits an einen insolvenzgefährdeten Kreditnehmer ohne gleichzeitige Einräumung entsprechender Sicherheiten würde dem Machtgeber (auch bei darauf gerichtetem [Eventual-]Vorsatz des Täters) kein Schaden entstehen, ist in dieser Allgemeinheit nicht nachvollziehbar. Diese sowie die letzte Passage im Kapitel „Schaden“ beziehen sich ersichtlich auf eine weitere - medial unter verkürzter Wiedergabe des Sachverhalts dargestellte und interessengeleitet fehlinterpretierte - Entscheidung des Obersten Gerichtshofs2, die indes in allen fachlichen Analysen (so auch vom Österreichischen Rechtsanwaltskammertag im gegenständlichen Begutachtungsverfahren) für zutreffend erachtet wird. Die in den Erläuterungen enthaltenen Ausführungen zur Tatbeteiligung weisen keinen Bezug zum Entwurfstext auf, sodass es keines Eingehens darauf bedarf. 2 „Styrian-Spirit-Entscheidung“ des 11. Senats; 11 Os 101/13g [11 Os 139/13w] Zu Abs 3: Zur vorgeschlagenen Erhöhung der Wertgrenzen wird auf die Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs vom 24. April 2015 zum Ministerialentwurf des Strafrechtsänderungsgesetzes 2015 verwiesen. II. Änderungen des Aktiengesetzes und des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung: Die Konkretisierung der Sorgfaltsanforderungen bestimmter Gesellschaftsorgane begegnet keinen (grundsätzlichen) Bedenken. Eine Klarstellung durch den Gesetzgeber, weshalb dies - soweit ersichtlich - auf Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft und Geschäftsführer einer GmbH beschränkt bleibt, wäre wünschenswert. Wien, am 12. Mai 2015 Dr. Ratz Elektronisch gefertigt
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