Dirk Revenstorf: Liebe und Sex in Zeiten der Untreue. Wege aus der Verunsicherung Pattloch Verlag 2015. 256 Seiten ISBN-13: 978-3629130648. 19,99€ Kindle-Ausgabe: ASIN B00PJBONJY. 17,99€ Dirk Revenstorf (Jahrgang 1939, emeritierter Professor für klinische Psychologie an der Universität Tübingen) nimmt mit diesem Buch eine Bestandsaufnahme „postmoderner“ Paarbeziehungen vor. Merkmale dieser Beziehungen sind u. a. eine Suche in der Paarbeziehung nach sozialer Zugehörigkeit, die in Gesellschaftsschichten, in Betrieb oder Religionsgemeinschaft zunehmend vermisst wird. Prägend für die postmoderne Gesellschaft sei die berufliche Emanzipierung gebildeter Frauen bei gleichzeitiger Kränkbarkeit des postpatriarchalen Mannes durch die Forderung erfolgreicher Frauen nach partnerschaftlicher Teilung der Familienarbeit. Revenstorf schreibt diese Entwicklung fort zur drohenden Rollenkonfusion mit anschließendem Untergang des Patriarchats. Während die Darstellung von Sexualität in den Medien suggeriere, alles sei erlaubt, könnten übersteigerte Glückserwartungen an eine damit überfrachtete Beziehung häufig nicht erfüllt werden. Unsichere Zeiten mit stagnierender Wirtschaft verstärkten zusätzlich unrealistische Erwartungen an die Selbstverwirklichung innerhalb einer Zweierbeziehung. Gesteuert werde die egoistische postmoderne Beziehung anstelle des Bauchgefühls vergangener Zeiten durch Kalkül und Unverbindlichkeit, bei gleichzeitiger Unzufriedenheit. Indiz für diese Entwicklung sei u. a. das Jagdverhalten der Mitglieder von Online-Partnerbörsen, die trotz bereits angebahnter Kontakte nach weiteren Kontakten suchten. Als gesellschaftliche Katastrophe sieht der Verfasser die Folgen beruflicher Emanzipation von Frauen. Mit der Gegenüberstellung von erfolgreicher Frau und ihrem durch diesen Erfolg gekränkten Partner wird der Schwarze Peter für die beobachteten Entwicklungen einseitig den Frauen zugeschoben. Das Vermeiden von Verbindlichkeit in Beziehungen sieht Revenstorf hauptsächlich auf der Seite der Frauen, obwohl gerade die von ihm gescholtenen Karrierefrauen zunehmend darüber klagen, dass sie keinen Partner auf Augenhöhe fänden, schon gar keinen Partner mit Kinderwunsch. In diesem Punkt gelingt dem Autor eine kausale Darlegung der vielfältigen Gründe für Kinderlosigkeit nur unvollständig. In konzentrierter Form folgt dem einleitenden Statement eine Vielzahl von Themen: der Glücksbegriff, beispielhafte Beziehungsmuster, Nähe und Distanz, Hingabe oder Fürsorge, der Einfluss von Religion auf das Frauenbild, die Trennung von Sexualität und Fortpflanzung, die Rolle von Gewalt, Abenteuersex, Untreue in der öffentlichen Inszenierung Prominter versus Untreue als Tabuthema im privaten Bereich, Narzissmus in leistungsorientierten westlichen Kulturen, Kinderlosigkeit als „Freiheit von Kindern“, die alternde Beziehung, schließlich Wege aus der Beziehungskrise. Dokumentiert durch ein umfangreiches Literaturverzeichnis im Anhang nimmt Dirk Revenstorf eine pointierte Bestandsaufnahme der Partnerbeziehung im 21. Jahrhundert vor. Seine Abneigung gegenüber dem politisch gewollten Abschied von der Alleinverdiener-Ehe ist deutlich spürbar. „Liebe und Sex in Zeiten der Untreue“ ist weniger ein Beziehungsratgeber als ein Impulsgeber für weiterführende Gespräche. Die komprimierte Darstellung spricht als Einstieg ins Thema Multiplikatoren wie interessierte Laien an.
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