22. Jahrgang Entscheiderbrief Informations-Schnelldienst 4/2015 Entscheiderbrief 4/2015 2 . Erläuterungen zum Prüfungsumfang, insbeson- Inhalt 4 . . . . Aktuelle Rechtsfragen Aus der Rechtsprechung4 . Was sonst?/Literatur Informationsrecht der Presse (Nachtrag) 6 Literaturhinweis: Grenzbereiche 7 der Supervision – Verwaltung in Bewegung IZ Asyl und Migration weist hin auf 7 . Verfahren Auskunftserteilung in Asylverfahren Verbesserungen für Asylsuchende und Geduldete Migration/Integration Kosovo: Rückkehrhilfe eingeschränkt 2 3 Auskunftserteilung in Asylverfahren Entsprechend der Vorgaben der Art. 19 und 21 der Richtlinie 2013/32/EU,1 die bis zum 20.07.2015 in nationales Recht umzusetzen ist, müssen die Mitgliedsstaaten unentgeltlich rechts- und verfahrenstechnische Auskünfte im erstinstanzlichen (Verwaltungs-)Verfahren erteilen. Dazu gehören mindestens Auskünfte zum Verwaltungsverfahren unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Ausländers. Das BMI hat das Bundesamt mit der Umsetzung dieser Pflichtaufgabe betraut. Ziel der Auskunftserteilung ist eine möglichst einzelfallbezogene, vertrauliche, unentgeltliche und neutrale Informationsvermittlung im Asylverfahren beim Bundesamt. dere Möglichkeiten der Schutzgewährung sowie Hinweise zum Ablauf des Asylverfahrens, Erläuterungen zu Maßnahmen des Asylverfahrens, z.B. der Anhörung und ihrer Bedeutung, Informationen über die beteiligten Akteure, deren Funktionen und Entscheidungsbefugnisse, Hinweise zu den individuellen Rechten und Pflichten im Asylverfahren, Hinweise auf (Verfahrens-)Beratungsstellen und die Möglichkeit der Beauftragung eines Rechtsanwalts, Erläuterungen zum Inhalt des Bescheides und der Rechtsbehelfsbelehrung im Falle einer ablehnenden Entscheidung nur für unbegleitete Minderjährige und deren Vertreter: Erteilung von Auskünften im Rahmen des Widerrufs- und Rücknahmeverfahrens Bei der Auskunftserteilung handelt es sich nicht um eine Rechtsberatung oder eine vorweggenommene Anhörung. Eine neutrale, vertrauliche Auskunftserteilung bedeutet, dass der Auskunftserteilende gewonnene Erkenntnisse und Informationen nicht an den zuständigen Entscheider oder zur Akte gibt. Ebenso nehmen Mitarbeiter keine Einschätzungen der Erfolgsaussichten des Asylantrags oder des Rechtsbehelfs vor. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erprobt seit dem 01.02.2015 die Auskunftserteilung durch ein Pilotprojekt in der Außenstelle Bielefeld. Dadurch können Erkenntnisse im Hinblick auf eine bestmögliche Umsetzung gewonnen werden. Im Pilotprojekt „Erprobung der Auskunftserteilung im Asylverfahren“ sind zwei Mitarbeiter des Bundesamtes eingesetzt. Eine Evaluierung des Pilotprojekts soll auch zeigen, inwieweit das Angebot von der Zielgruppe angenommen wird. Es ist geplant, die Auskunftserteilung ab dem 01.08.2015 flächendeckend einzusetzen. Konkret können Antragssteller zu ihren Verfahren folgende Auskünfte erhalten: 1 Novellierte Verfahrensrichtlinie v. 26.06.2013. Ann-Kristin Erdem-Weigel, 410 Entscheiderbrief 4/2015 Verbesserungen für Asylsuchende und Geduldete Bereits am 11.11.2014 trat eine Rechtsverordnung in Kraft, mit der die Vorrangprüfung für den Arbeitsmarktzugang für Asylbewerber und Geduldete bei Fachkräften generell und ansonsten nach einem Inlandsaufenthalt von 15 Monaten entfallen ist.1 Das Rechtsstellungsverbesserungsgesetz brachte zum 01.01. bzw. 01.03.2015 zusätzliche Änderungen zugunsten von Asylbewerbern und Geduldeten:2 3 Wohnsitzauflage Ausländer, die der Residenzpflicht nicht (mehr) unterliegen und ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können, sind bei der Wahl ihres Wohnsitzes frei; sie dürfen sich somit im gesamten Bundesgebiet niederlassen. Ist ihr Lebensunterhalt nicht gesichert, unterliegen sie der Wohnsitzauflage. Sie sind dadurch verpflichtet, an dem Ort, der in der Verteilbzw. Zuweisungsentscheidung genannt ist, ihren gewöhnlichen Aufenthalt zu nehmen (§ 60 I AsylVfG). Die Wohnsitzauflage schränkt die Möglichkeit, sich im Bundesgebiet im Übrigen frei zu bewegen und aufzuhalten, nicht ein. Residenzpflicht Die Änderung des AsylVfG modifiziert die räumliche Aufenthaltsbeschränkung für Ausländer, die sog. Residenzpflicht. Sie entfällt, „wenn sich der Ausländer seit drei Monaten ununterbrochen erlaubt, geduldet oder gestattet im Bundesgebiet aufhält“ (§ 59a I AsylVfG). Der Aufenthaltsbereich wird damit vom Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde auf das Bundesgebiet erweitert. Die räumliche Beschränkung vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer wird durch Änderungen des AufenthG nach 3 Monaten vom Bundesland auf das Bundesgebiet ausgeweitet (§ 61 Ib AufenthG). Allerdings kann gemäß § 59b AsylVfG bzw. § 61 Ic Nr. 1-3 AufenthG eine räumliche Beschränkung sowohl für Asylbewerber als auch für Geduldete angeordnet werden bei . Verurteilung wegen einer (nicht ausländerrechtlichen) Straftat, . Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz und . Bevorstehen von konkreten Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung. 1 Den Hintergrund bildete die Zustimmung des Bundesrates zum Gesetz zur Einstufung weiterer Staaten als sichere Herkunftsstaaten (vgl. Entscheiderbrief 11/2014, S. 4). 2 Das Gesetz zur Verbesserung der Rechtstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern wurde am 31.12.2014 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Art. 1 (Änderung AufenthG) sowie Art. 2 (Änderung AsylVfG) sind zum 01.01.2015 und Art. 3 (Änderung AsylbLG) zum 01.03.2015 in Kraft treten (vgl. Entscheiderbrief 12/2014, S. 6 f.). Wohnsitzauflagen zielen auf eine gerechte Verteilung der Sozialkosten innerhalb Deutschlands, indem Sozialleistungen lediglich am festgelegten Wohnort erbracht werden. An diesem Ort ist der Einzug in eine private Wohnung in der Regel möglich. Da eine dezentrale Unterbringung bei Personen, bei denen aufenthaltsbeendende Maßnahmen konkret bevorstehen, erhebliche praktische Probleme nach sich ziehen kann, ist es nach § 60 II AsylVfG möglich, diese Ausländer zu einer Wohnsitznahme „in einer bestimmten Gemeinde, in einer bestimmten Wohnung oder Unterkunft“ zu verpflichten. Bei Geduldeten kommen die wohnsitzbeschränkenden Auflagen ebenso zur Anwendung, wenn sie Leistungen der sozialen Sicherung beziehen (§ 61 I d AufenthG). Gewöhnlich hat ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer seinen Wohnsitz an dem Ort zu nehmen, an dem er zum Zeitpunkt der Entscheidung über die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung gewohnt hat. Asylbewerberleistungsgesetz Die Anpassungen im AsylbLG sehen vor, dass nach dem Ende der Pflicht zum Aufenthalt in einer Erstaufnahmeeinrichtung vorrangig Geld- statt Sachleistungen zu gewähren sind. Dies gilt insbesondere bei Unterbringung außerhalb einer Aufnahmeeinrichtung. Sachleistungen bleiben aber möglich, „soweit es nach den Umständen erforderlich ist“ (§ 3 II 3 AsylbLG). Doris Hilber, 410 Entscheiderbrief 4/2015 4 Kosovo: Rückkehrhilfe eingeschränkt Über das REAG/GARP-Programm1 erhielten auch Kosovaren insbesondere bei freiwilliger Rückkehr ins Heimatland eine Unterstützung. Meist wurden Transportkosten sowie Reise- und Starthilfen gewährt. Nach Übereinkunft von Bund und Ländern werden nunmehr bei kosovarischen Staatsangehörigen, die nach dem 31.12.2014 eingereist sind und Rückkehrhilfe beantragt haben, nur noch die Transportkosten übernommen. Die Reisebeihilfe (200 Euro/Person) und die Starthilfe (400 Euro bzw. 750 Euro/Person) entfallen. Damit werden KosovoRückkehrer den Staatsangehörigen aus anderen (West)-Balkanländern (z.B. Albanien, Serbien, Mazedonien) gleichgestellt, für deren Bürger seit Längerem eine visumfreie Einreise nach Deutschland möglich ist. Die Redaktion 1 Das „Reintegration and Emigration Programme for Asylum Seekers in Germany“ (REAG) gewährt Hilfe durch Übernahme der Beförderungskosten (Flugzeug, Bahn, Bus, Benzin) sowie Reisebeihilfen. Das „Government Assisted Repatriation Programme“ (GARP) unterstützt mit Starthilfen einen Neuanfang in migrationspolitsch bedeutsamen Ländern (Drittstaaten). Aus der Rechtsprechung Syrien Militärdienstverweigerung/Desertion BVerwG (Schweiz): Eine drohende Strafe wegen Wehrdienstverweigerung und Desertion ist weiterhin flüchtlingsrechtlich grundsätzlich irrelevant, wenn sie allein der Sicherstellung der Wehrpflicht dient. Anderes gilt aber, wenn eine drohende Strafe entweder aus politischen Gründen (Art. 3 CH-AsylG1) diskriminierend schärfer ausfällt oder derart unverhältnismäßig hoch ist, dass auf ein flüchtlingsrechtlich erhebliches Verfolgungsmotiv geschlossen werden muss. Im entschiedenen Einzelfall erachtet das Gericht es als überwiegend wahrscheinlich, dass die syrische Regierung die Dienstverweigerung als Ausdruck einer regimefeindlichen Gesinnung sieht und deshalb eine unverhältnismäßig schwere Strafe und menschenrechtswidrige Behandlung droht, zumal der Beschwerdeführer bereits als Gegner des Regimes aufgefallen war. Schließlich sind Personen, die sich dem Armeedienst entzogen haben, seit dem Ausbruch des Konflikts im Jahr 2011 in großer Zahl nicht nur inhaftiert, sondern auch gefoltert und ohne Gerichtsverfahren hingerichtet worden. Eine inländische Fluchtalternative besteht trotz kurdischer Volkszugehörigkeit und Herkunft aus Gebieten, die die syrisch-kurdische PYD beherrscht, nicht. Adäquater Schutz kann nur von einer stabilen und organisierten Autorität gewährt werden, welche ein Gebiet uneingeschränkt kontrolliert. Daran fehlt es angesichts der gegenwärtigen Instabilität dieser nordsyrischen Region (U.v. 18.02.2015 - D - 5553/ 2013). Folgeantrag/Lageänderung vor 2013 VG Kassel: Die dreimonatige Frist für einen Folgeantrag beginnt mit dem Tag, an dem der Betroffene vom Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat (§ 71 AsylVfG i.V.m. § 51 III VwVfG). Bei Dauersachverhalten ist für den Fristbeginn die erstmalige Kenntnisnahme von den Umständen maßgeblich, die in ihrer Gesamtheit eine für die Ablehnung des Asylantrags relevante Veränderung der Sachlage bewirken. Hierfür kann auf eine laienhafte Vorstellung von einer für die Verfahrenssituation veränderten relevanten Gesamtsituation abgestellt werden. Die Dreimonatsfrist beginnt ab dem Zeitpunkt, zu dem von einer Kenntnis des betroffenen Personenkreises vernünftigerweise ausgegangen 1 Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden (so auch Art. 1 A 2. GFK). Entscheiderbrief 4/2015 werden kann. Dies ist bei Syrien hinsichtlich der allgemeinen Lage vor dem Jahr 2013 der Fall.2 Die Situation dort ist schon seit der zweiten Jahreshälfte 2011 von zunehmender Gewalt gegen die Zivilbevölkerung geprägt gewesen. Rückführungen wurden bereits im April 2011 aus humanitären Gründen gestoppt. Seit Januar 2012 eskalierte die Lage weiter. Kämpfe der Freien Syrischen Armee und anderer bewaffneter oppositioneller Gruppen gegen die Regierungstruppen trugen seit Frühjahr 2012 zur Verschärfung der Situation bei (U.v. 24.11.2015 VG 5 K 1323/14.KS.A <5762629>). Vietnam Hepatitis B VG Ansbach: In Vietnam sind die meisten Krankheiten behandelbar. Das Ausbildungsniveau der Ärzte dort ist recht hoch. Zudem erfordert eine Erkrankung an Hepatitis B in der Regel allenfalls eine medikamentöse Behandlung; die gängigen Medikamente sind als Importprodukte erhältlich (U.v. 05.02.2015 - AN 6 K 14.30606 <5765497>). Rechtsfragen Asylantrag/Deutscher VG Ansbach: Das Begehren festzustellen, dass ein Deutscher in der Bundesrepublik Asyl beantragen kann, ist unzulässig. Es handelt sich um eine abstrakte Rechtsfrage. Eine Feststellungsklage kann aber nur auf die Klärung eines konkretes Rechtsverhältnisses gerichtet sein (§ 43 I VwGO). Abgesehen davon fehlt es an einem Feststellungsinteresse. Da ein Asylanspruch nach Art. 16a GG für Deutsche offensichtlich ausscheidet, ist nicht erkennbar, welches schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art ein Bundesbürger an einer solchen Feststellung besitzt (GB v. 03.03.2015 AN 10 K 14.02024). Entscheidungsdauer/Mitteilung des Bundesamtes VG Stuttgart: § 24 IV AsylVfG sieht vor, dass das Bundesamt einem Antragsteller mitteilt, bis wann es voraussichtlich entscheiden wird, wenn binnen sechs Monaten nicht entschieden wurde. Eine Klage 2 Eine weitere Eingrenzung war für das Gericht entbehrlich, da der Folgeantrag im September 2013 gestellt wurde. 5 auf Mitteilung ist mangels rechtlich geschützten Interesses aber auch dann unzulässig, wenn diese sechs Monate verstrichen sind. Ausreichender Rechtsschutz wird dadurch gewährt, dass gegen die abschließende Entscheidung des Bundesamtes geklagt werden kann. Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen können nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden (§ 44 a VwGO). Eine solche Verfahrenshandlung ist die Mitteilung des § 24 IV AsylVfG. Sie zielt darauf, das Asylverfahren möglichst rasch abzuschließen (vgl. Art. 23 II VerfRL) und dient als verfahrensbegleitende Zwischenmitteilung ohne Regelungswirkung der Vorbereitung der endgültigen Einzelfallentscheidung (U.v. 03.02.2015 - A 6 K 3840/14 <5643817>; vergleichbar Hailbronner [Bell], AuslR Stand Okt. 2014, § 24 AsylVfG Rn. 62 ff.). Vulnerabilitätsprüfung/Rücküberstellungsmodalitäten/Italien VG Potsdam: Nach der QualfRL haben die Mitgliedstaaten eine spezielle Schutzbedürftigkeit bei der Prüfung internationalen Schutzes zu berücksichtigen; dies erfordert eine Betrachtung der Situation des Einzelfalls (Art. 20 III, IV QualfRL3). In der Sache einer Somalierin, die in Italien den Flüchtlingsstatus erhalten und danach in Deutschland Asylantrag gestellt hatte, verneinte das VG im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes eine Vulnerabilität mit Gründen, die auch in anderen Fällen von Belang sein können: „Die Antragstellerin hat sich augenscheinlich als ‚forum shopper‘4 quer durch Europa bewegt, bevor sie nach Deutschland gelangte. Über ihren Reiseweg und den ihr bereits zuerkannten Flüchtlingsstatus hat sie ersichtlich hinwegzutäuschen gesucht, ohne hierzu auch nur ansatzweise nachvollziehbare Erklärungen abzugeben. Es war ihr jedenfalls möglich, trotz der angeblich unzulänglichen Verhältnisse in Italien die Mittel für ihre Weiterreise durch Europa zu beschaffen. Dies belegt nicht nur entsprechende intellektuelle, sondern auch wirtschaftliche Fertigkeiten der Antragstellerin, die es 3 RL 2004/83/EG v. 29.04.2004 bzw. deren Neufassung RL 2011/95/EU v. 13. 12.2011. 4 „Forum shopping“ steht für systematisches Ausnutzen von Zuständigkeiten zwecks Erlangung rechtlicher oder tatsächlicher Vorteile. Entscheiderbrief 4/2015 6 als lebensfremd erscheinen lassen, dass sie eine vulnerable Person i.S.d. Unionsrechts sein könnte, worauf sie aber nunmehr offenbar abheben will.“ Die wegen des offensichtlich unzulässigen Asylantrages erlassene Abschiebungsanordnung (§ 34a I AsylVfG) wurde bestätigt. Es begegnet keinen Bedenken, dass die konkreten Rücküberstellungsmodalitäten für die Antragstellerin zwischen den deutschen und den italienischen Stellen bisher nicht geregelt sind. Zwar nehmen andere Gerichte in solchen Fällen an, die Möglichkeit der Abschiebung stehe nicht i.S.v. § 34a I 1 AsylVfG fest.5 Doch übersehen sie dabei, dass es ohne Abschiebungsanordnung gar kein Bedürfnis für eine Regelung der Abschiebungsmodalitäten gibt. Außerdem räumen die einschlägigen zwischenstaatlichen Abkommen einem Ausländer kein subjektiv-öffentliches Recht (§ 42 II VwGO) ein. Diese Übereinkommen außerhalb des Unionsrechts regeln ausschließlich öffentliche Interessen. Wer rücküberstellt werden soll, kann sich allein nach Maßgabe des jeweiligen innerstaatlichen Rechts auf ein Aufenthaltsrecht nach innerstaatlichem bzw. Unionsrecht zu berufen. Für ein solches Aufenthaltsrecht der Antragstellerin ist nichts ersichtlich. Abgesehen davon wäre dies nicht vom Bundesamt in asylrechtlicher Zuständigkeit zu prüfen (B.v. 03.11.2014 - VG 6 L 1047/14.A <5779149>). Dr. Roland Bell 5 Etwa VG Trier, B.v. 16.04.2014 - 5 L 569/14.TR <5712091>. Informationsrecht der Presse (Nachtrag) Der VGH BW1 hatte entschieden, dass die Presse zwar grundsätzlich einen Anspruch auf die Namensnennung von Richtern in Strafverfahren, jedoch nicht auf die von Pflichtverteidigern, Staatsanwälten und Protokollführern habe (vgl. Entscheiderbrief 1/2014 m. Anmerkung zum Asylverfahren).1Deren 1 U.v. 11.09.2013 - 1 S 509/13. Namensnennung sei für das Verständnis eines Falles nicht gleichermaßen wesentlich. Sie verantworteten eine Entscheidung nicht unmittelbar. Das BVerwG lehnte diese Einschränkung für Verteidiger und Staatsanwälte grundsätzlich ab.2 Auch wenn diese für Verlauf und Ausgang des gerichtlichen Verfahrens nicht dieselbe Verantwortung hätten wie Mitglieder des Spruchkörpers, so verfügten beide aber durch eigene Verfahrensrechte über substanziellen Einfluss auf die Entscheidungsfindung. Insbesondere sei die Informations- und Kontrollfunktion der Presse zu berücksichtigen. Diese erstrecke sich bei Gerichtsverfahren auch auf Personen, die in amtlicher Funktion oder als Organ der Rechtspflege an einem solchen Verfahren mitwirkten. Sie erschöpfe sich nicht in der Berichterstattung zu sachlichen Verfahrensinhalten. In Abwägung mit dem grundrechtlich geschützten Berichterstattungsinteresse hätten die Persönlichkeitsrechte eines Verteidigers und eines Staatsanwalts zurückzutreten. Dabei müsse beachtet werden, dass deren Persönlichkeitsrechte in ihrem verfassungsrechtlichen Gewicht infolge des Grundsatzes der Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen gemindert seien. Die Presse dürfe selbst beurteilen, welche Informationen sie brauche, um ein Thema hinsichtlich einer Berichterstattung zu recherchieren.3 Die Presse dürfe allerdings keine personenbezogenen Informationen verlangen, denen selbst bei einem großzügigen, den besonderen Funktionsbedürfnissen und Arbeitsweisen genügenden Maßstab jede erkennbare materielle Bedeutung mit dem Thema der Recherche abgehe. Das Auskunftsinteresse genieße keinen Vorrang gegenüber dem Persönlichkeitsrecht eines mitwirkenden nichtrichterlichen Funktionsträgers, wenn das Auskunftsinteresse hinsichtlich dessen im Dunkeln bleibe, sozusagen ohne ernsthaften sachlichen Hintergrund sei bzw. „ins Blaue“ hinein erfolge. Diesen Ausnahmefall bejahte das BVerwG im Falle der Protokollführerin. 2 U.v. 01.10.2014 - 6 C 35.13. Sofern erhebliche Belästigungen oder eine Sicherheitsgefährdung durch Dritte drohen, könne etwas anderes gelten. 3 Zur Einschränkung dieses Grundsatzes vgl. OVG TH, B.v. 13.03.2015 - 1 EO 128/15. Das Gericht sah eine nicht hinzunehmende Gefährdung einer sachgemäßen Durchführung eines Strafverfahrens durch Herausgabe einer anonymisierten Kopie eines verkündeten, aber nicht rechtskräftigen Urteils. Entscheiderbrief 4/2015 7 Diese Grundsätze lassen sich nicht ohne weiteres auf weisungsgebundenes Verwaltungshandeln übertragen, wie bereits im Entscheiderbrief 1/2014, S. 3 dargelegt. weist hin auf Dr. Roland Bell Veröffentlichungen des Bundesamtes Literaturhinweis: Grenzbereiche der Supervision – Verwaltung in Bewegung Informationen des Bundesamtes Todesstrafe im Iran: Hintergründe zur Hinrichtung der Iranerin Reyhane Jabbari Stand: März 2015 Hrsg.: Bundesamt, 225 Elise Bittenbinder/Silvia Schriefers/Jenny Baron (Hrsg.), Göttingen 2015, 160 S. Um die Mitarbeiter des Asylbereichs, nicht zuletzt die Entscheider, bei ihrer anspruchsvollen Arbeit zu unterstützen, startete das Bundesamt im Jahr 2010 das mehrjährige Pilotprojekt „Supervision sowie Training und Coaching für Entscheider“. In Zusammenarbeit mit der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF e.V.) und der Deutschen Gesellschaft für Supervision (DGSv) wurde persönliche Unterstützung bei Stressprävention und Lösung von Krisensituationen durch Schulungen, Coaching und Supervision angeboten. 130 Beschäftigte des Asylbereichs nutzten dies. Mehrere Autoren schildern die Ergebnisse und das Umfeld des Projektes. Beispielsweise referiert Edmund Görtler, Politologe mit Schwerpunkt empirische Sozialforschung, über die Ergebnisse der Evaluation und die Herausgeberinnen (Fachgebiete Psychologie/Psychotherapie) berichten von der „gewagten Kooperation“ zwischen Bundesamt und der BAfF. Detlef Bröker, Referatsleiter des Bundesamtes im Bereich Asyl und früher selbst Entscheider, behandelt den schwierigen Spagat zwischen Schutzauftrag und Ausweisung, der bei der Asylverfahrensbearbeitung zu leisten ist. Prägnant legt er insbesondere die herausfordernden Aufgaben der Entscheider dar und schildert anschaulich, was diese zu deren Bewältigung wissen und leisten müssen. Dr. Roland Bell Veröffentlichungen anderer Johann Bader, Sichere Herkunftsstaaten? InfAuslR Heft 2/2015, S. 69 ff. Ursula Bertels (Hrsg.), Einwanderungsland Deutschland. Wie kann Integration aus ethnologischer Sicht gelingen? Münster/New York 2014, 210 S., 24,90 € BReg Abschiebungen im Jahr 2014, BT-Drs. 18/4025 Bewertung des Gesetzentwurfs zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung, BT-Drs. 18/4262 Lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle, intersexuelle Flüchtlinge und Resettlement, BT-Drs. 18/4094 Stand der Abschiebungen in den Kosovo Ende 2014, BT-Drs. 18/4398 Todesopfer unter Flüchtlingen in die Bundesrepublik Deutschland und die Europäische Union im Jahr 2014, BT-Drs. 18/4032 Wirkung des Anerkennungsgesetzes, BT-Drs. 18/4075 Birgit Glorius, Fachkräfte und Armutsflüchtlinge. Die neue EU-Mobilität nach Deutschland und ihre diskursive Verortung, Geographische Rundschau Heft 4/2015, S. 34 ff. Entscheiderbrief 4/2015 8 Stephan Hocks, Dublin-Überstellungen nach Italien in neuem Licht. Zu den Auswirkungen der jüngsten Entscheidungen des EGMR und des BVerfG, Asylmagazin Heft 1-2/2015, S. 5 ff. Tim W. Kliebe/Susanne Giesler, »Flüchtig« in Deutschland? Zur Verlängerung der Überstellungsfrist nach Art 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin-III-VO, Asylmagazin Heft 1-2/2015, S. 12 ff. Mediendienst Integration (Hrsg.), Braucht Deutschland ein „Einwanderungsgesetz“? Positionen von Parteien und Experten, 25.03.2015 Michael Krautzberger, BauGB-Novelle 2014 II: Erleichterte Unterbringung von Flüchtlingen, DVBl Heft 2/2015, S. 73 ff. Informationen hierzu über IVS-Telefon:0911/943-7188 IVS-Fax: 0911/943-7198 E-Mail: [email protected] Demnächst lesen Sie: Verfolgung in Anknüpfung an das Merkmal Religion EuGH: Europarechtliche Vorgaben zum Flüchtlingsschutz bei Desertion Der Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes _ Familienangehörige suchen, verbinden und vereinen Impressum Adela Schmidt, Das Rückübernahmeabkommen der EU mit der Türkei, Asylmagazin Heft 3/2015, S. 67 ff. Entscheiderbrief 4/2015 - 08.04.2015 Auflage: 1250 Exemplare Robert Schuman Centre for Advanced Studies (Hrsg.), Migration and Asylum Challenges in Eastern Africa: Mixed Migration Flows Require Dual Policy Approaches, San Domenico di Fiesole März 2015 Herausgeber: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ISSN 1869-1803 Redaktion Entscheiderbrief Frankenstraße 210, 90461 Nürnberg www.bamf.de [email protected] Stefan Schürer, Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte als Tatsacheninstanz. Zur Bedeutung divergierender Sachverhaltsfeststellungen durch den EGMR am Beispiel einiger Schweizer Fälle, EuGRZ Heft 17-19/2014, S. 512 ff. Bezugsquelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Doris Tanadi, 223 90343 Nürnberg [email protected] www.bamf.de Tel.: +49 (0) 911/943-7100 Fax: +49 (0) 911/943-7198 Schweizerische Flüchtlingshilfe, Bern Iran: Khawari/Barbari – Diskriminierung und Frage der Staatsbürgerschaft, 11.02.2015, Russland: Ziviler Ersatzdienst, 11.02.2015 Serbien: Ausreisebeschränkungen für Roma und Ashkali, 26.03.2015 (Korrektur der Version v. 15.03.2015) Serbien: Übergriffe gegen Roma und Ashkali, 15.03.2015 Serbien: Zugang zu Sozialleistungen für Roma und Ashkali, 15.03.2015 Paul Tiedemann, Flüchtlingsrecht. Die materiellen und verfahrensrechtlichen Grundlagen, Heidelberg 2015, 186 S., 29,99 € Erscheinungsweise: monatlich; Redaktionsschluss jeweils der 15. eines Monats (Änderungen nach Bedarf) Druck: Bonifatius GmbH, Paderborn Druck-Buch-Verlag Gestaltung: Petra Schiller, 223 Bildnachweis: Wolfgang Heindel, 414 Text: Dr. Roland Bell, RL 224 (verantw. Leiter) Bernd Emtmann, 410 Wolfgang Heindel, 414 Maria Schäfer, 225a Martina Todt-Arnold, 225a Marlies Wick, 412 Josef Wiesend, 413 Nachdruck und Nutzung nur nach Zustimmung des Herausgebers mit Quellenangabe und Belegexemplar. Kein Anspruch auf Veröffentlichung oder Manuskriptrückgabe.
© Copyright 2024 ExpyDoc