Die Arten des Flüchtlingsschutzes – worüber das Bundesamt entscheidet (Skript zum Vortrag vom 08.05.2015 – Vorsitzender Richter H. Kröger, VG Trier) I. Allgemeines o Richter sind keine Gegenspieler der Asylbewerber o Es handelt sich hierbei meist um Einzelrichtertätigkeiten o In aller Regel: Kläger, Dolmetscher (Gegenüberstellung Kläger und Richter ist nicht zu vermeiden) o Die Verwaltungsgerichte haben die Sachverhalte von Amts wegen zu ermitteln o Den Antragsstellern ist häufig nicht bewusst, wie wichtig ein ordentliches Verwaltungsverfahren in Deutschland genommen wird und wie wichtig auch ihr eigener Beitrag dafür ist o Man weiß häufig nicht, ob manches vorgetäuscht wird, aber ganz häufig läuft eine mündliche Verhandlung so ab, dass die Kläger schildern was ihnen passiert ist (tatsächlich oder angeblich – das müssen wir dann herausfinden) o Dann schaut man was im Bundesamtsprotokoll steht o Meist kommen dann Aussagen wie „das habe ich nie so gesagt“ oder „der Dolmetscher hat falsch übersetzt, er hat mir gesagt ich soll alles nur ganz grob erzählen“ und dann kommen möglicherweise Vorhalte, dass das alles gar nicht so war o Wohnsitzwechsel: Leute geben ihre neue Adresse gar nicht an oder möglicherweise nur gegenüber der Ausländer- oder Sozialbehörde und wundern sich dann, dass Bescheide zurück gehen und diese trotzdem nach dem Gesetz als zugestellt gelten o Früher gab es daher immer wieder Probleme, ob Bescheide wirksam zugestellt wurden („unbekannt verzogen“) o Letzter Anker des Gerichts war die öffentliche Zustellung: auf der Homepage des Gerichts wird der Beschluss eingestellt („Schriftsatz wird zugestellt“); nach einer gewissen Zeit gilt dieser dann als zugestellt o Die öffentliche Zustellung gab es früher nicht, daher sind sehr strikte Zustellungsfristen und Mitwirkungspflichten im Gesetz statuiert (wer es versäumt seine Adresse anzugeben oder den Bescheid abzugeben, der versäumt die Frist und der Bescheid wird bestandskräftig) o Für eine vernünftige Beratung ist es wichtig zu wissen, was für das Bundesamt relevant ist o Oft haben die Leute Angst davor von Krankheiten zu berichten, weil sie fürchten hier nicht genommen zu werden 1 o Zwar ist das verständlich, aber wenn die Leute wüssten, dass im Asylverfahren auch Abschiebungshindernisse mitgeprüft werden und Krankheiten hierbei eine große Rolle spielen, würden sie sich möglicherweise anders verhalten o Erfährt man dies erst im gerichtlichen Verfahren, kann man vermuten, dass die Krankheit vielleicht nicht von Anfang an da war und man möglicherweise einen Tipp bekommen hat o Daher sollen Flüchtlinge möglichst vollständig berichten, auch über Krankheiten o Ebenso soll man keine Geschichten erfinden und als Rechtsberater „keine krummen Geschichten gerade bügeln“ o Es ist ein erheblicher Zeitaufwand notwendig, um zu prüfen, ob das Vorgetragene glaubhaft ist (daher sollte man sich Verhandlungen anschauen) o Es gelingt kaum, eine erfundene Geschichte durchzuhalten, da dies einen sehr großen geistigen Aufwand erfordert, weswegen es wahrscheinlicher ist, dass man sich irgendwann in Widersprüche verrennt II. Materiell-rechtliche Grundlagen o § 1 AsylVfG (Geltungsbereich) o § 1 Abs.1 Nr.1 AsylVfG: man schaut hier einfach ins GG = traditionelles Zentrum des Asylverfahrens (Art.16a GG) o § 1 Abs.1 Nr.2 AsylVfG ist schon komplizierter (Qualifikationsrichtlinie im 1. Abschnitt) o Daneben gab es früher das kleine Asyl, welches sich nun in Nr.2 versteckt (früher § 60 I AufenthG) und daneben gab es dann Abschiebungsverbote und Abschiebungshindernisse nach § 60 II AufenthG o Das Asylgrundrecht (Nr.1) ist heute praktisch nicht mehr von großer Relevanz = Flüchtlingsrecht ist heute überwiegend Gemeinschaftsrecht o Bis vor kurzer Zeit musste man immer zwingend neben dem Asylverfahrensgesetz diese Richtlinien liegen haben o Heute ist es einfacher geworden, da die Qualifikationsrichtlinie überwiegend umgesetzt ist o Im Gesetz ist immer noch von Asyl die Rede, allerdings steht der Flüchtlingsschutz an erster Stelle o § 13 AsylVfG regelt, wann überhaupt ein Asylantrag vorliegt Für die Asylantragsstellung genügt es, wenn jemand auf dem Bahnhof den Beamten sagt „Asyl“, dann kommt es zur Weiterleitung 2 § 13 Abs.2 AsylVfG = den Asylantrag kann man auf die Zuerkennung internationalen Schutzes beschränken, d.h. man kann sagen „ich stelle einen Asylantrag und möchte aber nicht als Asylberechtigter anerkannt werden“ Häufig wird auf das Asylgrundrecht verzichtet, vor allem dann, wenn im Vorfeld falsche Angaben hinsichtlich des Reiseweges (Drittstaaten) gemacht wurden (setzt dabei Glaubwürdigkeit aufs Spiel) Entsprechende Belehrungspflichten gibt es auch § 24 Absatz 2 AsylVfG bleibt unberührt = geht um Abschiebungsverbote Abschiebungsverbote haben im Asylverfahren nichts zu suchen Zentrale Norm für die Entscheidung des Bundesamts, § 31 II AsylVfG § 30 V AsylVfG (Normalfall) Über Asyl darf das Bundesamt nicht entscheiden, wenn der Antrag entsprechend beschränkt ist § 31 III AsylVfG Für die Beratungstätigkeit im Asylverfahren ist von Bedeutung: das Asylrecht, die Flüchtlingseigenschaft, der subsidiäre Schutz Abschiebungsverbote nach § 60 V, VII AufenthG und die o Asylgrundrecht – Art.16a GG: Es gibt noch Regelungen, die sich auf dieses Asylgrundrecht beziehen Mittlerweile gibt es noch Art.16a Abs. 2 = Drittstaatenregelung (wer aus Drittstaaten einreist, hat keinen Anspruch auf Asyl) Dann hätte man nur noch Leute, die aus dem Flugzeug kommen (Theorie ja, Praxis nein = führt zu skurrilen Geschichten) Problem ist, ob dann die Glaubwürdigkeit in Frage gestellt wird. Daher sollen Leute immer ehrlich sein, da Lügen nicht weiterhelfen (oft aber niedriges Bildungsniveau) Daher muss man damit rechnen, dass Personen nicht die volle Wahrheit sagen werden, dies sei nahezu ausgeschlossen Oft klingt dies hartherzig, aber Anfang der 90er gab es eine riesige Flüchtlingswelle und man wusste nicht, wie man diese Verfahren halbwegs anständig über die Bühne bringen sollte = auf Asylkompromiss geeinigt (notwendiges Mittel) 3 Wie weit es gewirkt hat ist eine andere Frage, denn Art. 16a GG hat für den Flüchtlingsschutz keine Bedeutung Im Art.16a Abs. 5 GG = Möglichkeit völkerrechtliche Verträge zu schließen, in denen dann vereinbart wird, dass nur bestimmte Staaten für die Prüfung bestimmter Asylverträge zuständig sind = in Dublin-Verordnungen umgesetzt (mittlerweile sind wir bei Dublin III) Kernbegriff des Asylrechts ist der der politischen Verfolgung Wortlaut hilft nicht weiter Man muss sich am Sinn und Zweck & der Regelungstradition orientieren, insbesondere an der Vergangenheit Deutschlands (Verfolgung von Juden, Homosexuellen) Schlagwörter: o Politische Verfolgung: Wenn sie dem Einzelnen in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine religiöse Grundentscheidung oder an für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen. o Grundsatz: politische Verfolgung ist staatliche Verfolgung o Dann braucht man eine Anknüpfung an asylrechtliche Merkmale wie Rasse, Religion und eine gewisse Intensität (z.B. Kleidervorschriften im Iran) o Es kommt nicht auf die subjektive Verfolgungsabsicht an, sondern man muss dies objektivieren (oft kann man diese subjektive Komponente auch nicht feststellen) Wie weit darf ein Staat denn seine Existenz und seine Ordnung verteidigen? Schwierige Grenzziehung Staat darf Ordnung grundsätzlich verteidigen Er darf also auch gegen Rebellengruppen vorgehen, aber er muss sich dabei selbst gewisse Zügel anlegen Was man braucht ist effektive Gebietsgewalt Faustformel = effektive Gebietsgewalt ist dann nicht mehr vorhanden, wenn der Staat zur kämpfenden Bürgerkriegspartei geworden ist und keine Ordnungsmacht mehr darstellt Weiterer Gesichtspunkt = was ist, wenn es nur eine regional begrenzte politische Verfolgung gibt? o Gibt es zumutbare Möglichkeit im eigenen Staat Zuflucht zu gewähren? 4 o Subsidiarität = Staat soll für Bürger zuständig sein, d.h. er soll gewährleisten, dass im Inneren „Recht und Ordnung“ herrschen o Vom Staat muss ein Existenzminimum gesichert werden und erst wenn dies nicht mehr möglich ist, sollen andere Staaten helfen Es sind daher Maßstäbe in der Rechtsprechung entwickelt worden Grundsätzlich braucht man eine beachtliche Wahrscheinlichkeit o Das Problem ist, dass man als Gericht nur schwer überprüfen kann, was im Heimatland tatsächlich passiert ist (begrenzte Möglichkeiten) o Ein Asylbewerber kann dies auch nur begrenzt nachweisen o Daher können Sachverhalte nicht so klar festgestellt werden, wie in normalen Verfahren man braucht einen geringfügigeren Wahrscheinlichkeitsmaßstab (praktische Nachvollziehbarkeit muss genügen) Es wird danach differenziert, ob jemand aufgrund von Verfolgung ausgereist ist oder nicht Ebenfalls wird differenziert zwischen objektiven und subjektiven Nachfluchtgründen Objektiv: Iraner sind in BRD gekommen, dann Regime gewechselt Subjektiv: Iraner fotografieren sich mit regimefeindlichen Parolen i.d.R. reicht Glaubhaftmachung dieser Gründe aus Asylgrundrecht = mittlerweile Regelungen im Asylverfahrensgesetz wie in § 36a AsylVfG (Drittstaaten); § 27 AsylVfG, § 28 AsylVfG (Nachfluchttatbestände) o Internationaler Schutz Ausgangspunkt ist hier der § 3 AsylVfG (grundlegende Vorschrift für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft) § 3 I AsylVfG = Genfer Flüchtlingskonvention; § 3 II AsylVfG = Ausschlussgründe Die grundlegende Vorschrift des § 3 AsylVfG wird in folgenden Vorschriften weiter erläutert: § 3a I AsylVfG (Verfolgung definiert): Es geht hier um den Art.15 II EMRK (Recht auf Leben, Verbot von Folter etc.); Verfolgungsmaßnahme muss also schwerwiegende Verletzung darstellen Schwerwiegend heißt Handlung als solche oder dadurch, dass sie wiederholt wird oder durch Kumulation (alles unbestimmte Rechtsbegriffe, die im Einzelfall umgesetzt werden müssen) 5 § 3a II AsylVfG (hier werden Handlungen beschrieben, was politische Verfolgung sein könnte) o Wann sind Diskriminierungen intensiv genug, dass sie die Schwelle zur politischen Verfolgung überschreiten? o Im Einzelfall überprüfen o Alleine die Heranziehung zum Militärdienst genügt nicht, nur wenn es um Belastungen geht, die über das Normalmaß hinausgehen (Minderheit wird bewusst eingesetzt, wo Leute eher fallen) Zwischen den Verfolgungsgründen Verknüpfung (Kausalität) bestehen Verfolgungsgründe nach § 3b I Nr.1-5 AsylVfG o Hier wird definiert was Rasse, Religion, Nationalität oder eine Gruppe ist § 3c AsylVfG = Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann § 3d AsylVfG = Akteure, die Schutz bieten können § 3e AsylVfG = Interner Schutz und den Handlungen muss eine o Bei vielen Staaten laufen Menschen Gefahr, dass sie gefoltert werden, daher muss eine Entscheidung nach bestem Gewissen getroffen werden (man sollte sich die Entscheidung nicht leicht machen) o Maßgeblich ist nach AsylVfG die Rechts- und Tatsachenlage zum Zeitpunkt der Entscheidung (man muss versuchen Sachverhalte aufzuklären) o Welche Quellen nutzen Richter hierfür? Für Richter gibt es Lageberichte des Auswärtigen Amtes (regelmäßig fortgeschrieben für bestimmte Staaten), diese haben allerdings Geheimschutz Juris, Berichte von Amnesty (Berichte über problematische Staaten) Institute für Ostrecht, Botschaft o Wichtig für die Glaubwürdigkeit ist auch, ob sich jemand gleich um Asyl gekümmert hat oder bei einer Kontrolle erwischt wurde (Indiz, dass er aus anderen Gründen gekommen ist) o Unterscheidung zwischen: Glaubhaftigkeit betrifft die Aussagen und deren Vorbringen Glaubwürdigkeit betrifft die Gesamtwürdigung der Person Nach Marx spielt die Glaubwürdigkeit keine Rolle, sie sei danach nur ein persönliches Merkmal einer Person ohne Relevanz o § 4 AsylVfG = subsidiärer Schutz (spielt nur eine untergeordnete Rolle) 6 o Praktisch relevant = § 60 V, VII AufenthG § 60 VII AufenthG ist sehr relevant für Staaten, in denen es nur eine geringfügige Verfolgung gibt (Bsp.: Kosovo) = oder Fälle in denen man an politische Verfolgung nicht glaubt (Hauptanwendungsfall = Krankheiten) Problem bei Kindern = Autismus wird sich bei Rückkehr nicht wesentlich verschlechtern; § 60 VII AufenthG passt hier nicht, auch wenn dies schmerzhaft ist § 60 VII 2 AufenthG (Gruppe) = muss generalisiert geregelt werden § 60 VII 1 AufenthG nur zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse geregelt = es muss im Zielstaat etwas passieren (die Reiseunfähigkeit ist nicht davon erfasst; nur wenn jemand nach seiner Rückkehr ins Heimatland erheblichen gesundheitlichen Gefahren unterliegt) Familienasyl = traditionell schon nach dem Asylgrundrecht geregelt; neu dazugekommen ist der Familienflüchtlingsschutz 7
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