DSGV-Positionspapier zur Kapitalmarktunion

 Finanzgruppe
Deutscher Sparkassen- und Giroverband
Kapitalmarktunion
Anmerkungen des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes mit besonderer Relevanz für die Sparkassen-Finanzgruppe
Deutscher Sparkassenund Giroverband
Charlottenstraße 47
10117 Berlin
I.
Grundsätzliche Anmerkungen zur Kapitalmarktunion
Der DSGV unterstützt die Pläne der Europäischen Kommission zur Schaffung einer Kapitalmarktunion und das mit ihr verfolgte Ziel, die Finanzierungsbedingungen der Wirtschaft zu
stärken. Die von der Europäischen Kommission gewünschte Stärkung der Investitionstätigkeit
in Europa zur Steigerung von Produktivität, Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Beschäftigung kann nur mit leistungsfähigen Banken und Sparkassen gelingen. Hierfür sind aus Sicht
des DSGV Maßnahmen erforderlich, die die Kreditfinanzierung durch Banken und Sparkassen
verbessern. Denn nur ein leistungsfähiger Kapitalmarkt in Verbindung mit der in Europa traditionell verankerten Kreditfinanzierung können die Finanzierungsbedingungen der europäischen Wirtschaft nachhaltig verbessern.
Die Kapitalmarktunion kann Kapitalmarktakteuren helfen, über die Ländergrenzen in der EU
hinweg tätig zu sein. Kapitalmärkte selbst erfüllen eine zentrale Funktion für die Wachstumsstrategie in Europa, da sie nicht nur der Bereitstellung von Kapital für Investitionen dienen, sondern darüber hinaus ein wichtiger Baustein für die Vermögensbildung privater Haushalte sind. Banken und Sparkassen sind Teil der Lösung bei der Finanzierung von Wachstum.
Beim Zugang zur Kapitalmarktfinanzierung erfüllen Banken und Sparkassen häufig die Rolle
des Intermediärs. Die zentrale Funktion der Finanzintermediation gilt es gerade im Sinne der
Unternehmen zu erhalten.
Die Kapitalmarktunion sollte auch diejenigen Akteure in den Mittelpunkt stellen, die als „Motoren“ des Wachstums gelten und damit von besonderer Bedeutung für die europäische Wirtschaft sind: die Unternehmen. Jeder Vorschlag für Änderungen am europäischen Finanzierungssystem muss deshalb insbesondere an den Bedürfnissen der Unternehmen gemessen
werden. Jede neue Regulierungsmaßnahme sollte daher zugleich geeignet sein, die Realwirtschaft zu unterstützen und damit Wachstum zu fördern.
Der DSGV bezweifelt überdies, dass die starke Rolle der Bankfinanzierung in der EU für die seitens der Europäischen Kommission postulierten Engpässe bei der Unternehmensfinanzierung
in einigen Mitgliedstaaten verantwortlich ist. Richtig ist, dass Probleme im Bankensystem in
einigen Ländern negative Auswirkungen für den Finanzierungszugang gehabt haben. In anderen Ländern ergibt sich jedoch ein völlig gegenteiliges Bild. So hat die enge Beziehung zwischen Sparkasse/Bank und Unternehmen in Deutschland sich in der Finanzkrise gerade als
stabilisierender Faktor erwiesen. Fakt ist auch: Für den Mittelstand gab und gibt es in Deutschland keine Kreditklemme. Die Europäische Kommission sollte vielmehr die Ursachen der aktuell sehr verhaltenen Investitionstätigkeit der Unternehmen und der Tendenz zu höherer Finanzierung der Investitionen aus eigenen Mitteln stärker als bisher betrachten und hieraus mögliche Handlungen ableiten. Inwiefern überdies tatsächlich Bedarf der Unternehmen für kapitalmarktnahe Finanzierungsinstrumente besteht, sollte zunächst Gegenstand einer umfassenden Analyse der Europäischen Kommission sein. Dabei müssen konkrete und ursächliche Hindernisse für eine Kapitalmarktfinanzierung identifiziert werden.
Wir halten es für äußerst wichtig, dass die Kreditfinanzierung im Sinne der Wirtschaft gestärkt
wird. Die Kapitalmarktunion sollte daher um eine – ebenso wichtige – „zweite Säule“ ergänzt
werden, die für die bankbasierte Unternehmensfinanzierung bessere Rahmenbedingungen
setzt und die Kapitalmarktunion um einen Regionalbankenansatz erweitert. Insoweit begrüßen wir die Aussagen von Kommissar Hill, wonach bewährte Strukturen im Zuge der Kapitalmarktunion nicht in Frage gestellt werden sollen.
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Der DSGV möchte sich mit den vorliegenden Anmerkungen in den begonnenen öffentlichen
Dialog einbringen. Daneben werden wir die Gelegenheit zur Stellungnahme im Rahmen der
bis zum 13. Mai 2015 laufenden Konsultation zum Grünbuch wahrnehmen.
II.
Zusammenfassung der Kernaussagen
1.
Maßnahmen im Rahmen der Kapitalmarktunion und mit Blick auf die bankbasierte Unternehmensfinanzierung
•
Wirkungen und Wechselwirkungen bestehender oder noch nicht in Kraft getretener Finanz- und Kapitalmarktregelungen sollten umfassend und ergebnisoffen analysiert werden, mit dem Ziel, etwaige Widersprüche zu identifizieren und aufzulösen. Zugleich sollten Hemmnisse durch bürokratische Regelungen abgebaut werden, um den Zugang aller
Anleger zum Finanz- und Kapitalmarkt zu erreichen.
•
Stabile politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen und langfristige Rechtssicherheit sollten Eckpfeiler jeder neuen Maßnahme sein. Wirtschaftliche Strukturreformen in
den Mitgliedsstaaten, die zu Verbesserungen der Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität
führen, sind unerlässlich.
•
Initiativen im Rahmen der Kapitalmarktunion dürfen nicht zu einer Begünstigung von kapitalmarktbasierten Instrumenten gegenüber der „klassischen“ Bankfinanzierung führen.
Regulierungsvorschläge sollten rechtsform- und strukturneutral formuliert werden sowie
keine Benachteiligung von Verbundorganisationen gegenüber Konzernorganisationen
hervorbringen.
•
Die Tätigkeit und die Zusammenarbeit der europäischen Aufsichtsbehörden sollte überprüft und verbessert werden.
2.
Stärkung der Kreditfinanzierung
•
Die gegenwärtige und anstehende Finanzmarktregulierung muss ausbalanciert werden,
damit die Kreditvergabekapazität der Banken und Sparkassen gestärkt wird.
•
Die anstehende Überprüfung der Eigenmittelanforderungen für das Kreditrisiko von Forderungen an kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sollte zu verbesserten Finanzierungsbedingungen führen, z. B. durch unveränderte Beibehaltung des Skalierungsfaktors
für Finanzierungen an KMU.
•
Die risikomindernde Anrechnung von Immobilien als Kreditsicherheiten sollte so praxistauglich ausgestaltet werden, dass diese für die Mittelstandsfinanzierung wichtigste
Sicherheitenart in Deutschland weiterhin auf der Grundlage des bewährten Beleihungswertansatzes genutzt werden kann und nicht zu einer Einschränkung oder Verteuerung
des Angebots für KMU-Kredite führt.
•
Die Wettbewerbsfähigkeit regionaler und lokaler Banken sollte durch die strikte Anwendung des Proportionalitätsgrundsatzes gestärkt werden.
•
Strukturen lokal und regional ausgerichteter Kreditinstitute sollten europaweit verankert
und gefördert werden. Der Fortbestand vorhandener Strukturen sollte nicht z. B. durch
überzogene Reporting- und Aufsichtsanforderungen gefährdet werden.
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3.
Stärkung der kapitalmarktbasierten Finanzierung
•
Regulatorische Maßnahmen, die zur Belebung von kapitalmarktbasierten Finanzierungslösungen notwendig sind, sollten risikoadäquat sein.
•
Der Zugang von Kleinanlegern zum Kapitalmarkt / zu wertpapierbasierten Anlageprodukten sollte verbessert werden. Dies beinhaltet die weitere angemessene Harmonisierung
der grenzüberschreitenden Ausübung von Aktionärsrechten und des Anlegerschutzes sowie Erleichterungen für die Wertpapierberatung. Der Abbau von Hemmnissen bei der Beratung in Wertpapieren ist dringend notwendig, damit der Vermögensaufbau insbesondere privater Haushalte gestärkt wird.
•
Bei der Umsetzung von EU-Richtlinien sollten die Spielräume und Wahlrechte zur Vermeidung von unverhältnismäßigem Aufwand genutzt und kein „Goldplating“ betrieben werden. Dies gilt etwa für die anstehende Umsetzung der MiFID II. Aber auch isolierte nationale Regelungen gilt es im Sinne der durch die Kapitalmarktunion gesetzten Ziele künftig
zu verhindern.
•
Die Revision der Prospektrichtlinie sollte zum Anlass genommen werden, Erleichterungen
für alle Emittenten zu erreichen, soweit diese ohne Einschnitte beim Anlegerschutz möglich sind. Erleichterungen beim Prospektbilligungsverfahren, die Kürzung von Wertpapierprospekten, oder die Erhöhung der Schwellenwerte für die Ausnahmen von der Prospektpflicht können sinnvolle Maßnahmen sein, um Hemmnisse in diesem Bereich zu beseitigen und die EU-weite Kapitalbeschaffung von KMU zu fördern.
•
Verbriefungen können eine wichtige Rolle zur Risikodiversifikation erfüllen, wenn sie
transparent sind und die Verantwortung der Emittenten und Arrangeure besser als bisher
definiert werden.
III. Vorschläge zur Verbesserung der Kreditfinanzierung im Einzelnen
1.
Geeignete Rahmenbedingungen für kleine und mittlere Unternehmen
Wer eine reibungslose Finanzierung der Wirtschaft will, braucht leistungsfähige Banken und
Sparkassen. Dazu gehört insbesondere, den Zugang zu Finanzierungslinien sicherzustellen.
Der Kredit ist die entscheidende Finanzierungsgröße für den weit überwiegenden Teil des Mittelstandes in Europa. Anleihen kommen für die meisten Unternehmen u. a. wegen der wirtschaftlichen Mindestgrößen nicht in Frage. „Zwitterinstrumente“ wie Schuldscheindarlehen
werden dagegen durchaus intensiv genutzt – aber ebenfalls umsatzabhängig gestaffelt eher
bei den großen Mittelständlern.
Mit Blick auf die aktuelle Bankenregulierung (Basel III bzw. die europäische Umsetzung mittels
CRD IV/CRR) werden die beiden zentralen Fremdfinanzierungsformen für Unternehmen (Kredit
vs. Anleihe) regulatorisch unterschiedlich – zulasten des Kredits – behandelt. Sowohl aus Eigenmittel- als auch Liquiditätsaspekten wird den Kreditinstituten ein Anreiz zum Erwerb von
kapitalmarktbasierten Forderungen statt einer Gestaltung der Aktivseite über direkte Kreditvergabe gesetzt. Basel III drohte damit, den Pfad zur weiteren Disintermediation bzw. zu einem kapitalmarktbasierten Finanzsystem weiter zu ebnen. Dies wäre nicht adäquat zu der in
Deutschland vorherrschenden Wirtschaftsstruktur gewesen.
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Um Verzerrungen zugunsten eines kapitalmarktbasierten Finanzsystems nicht zu verstärken,
wurden einzelne Punkte bereits mit der Basel III-Umsetzung geändert, andere (siehe sogleich)
müssen im Rahmen kommender Überprüfungen noch angegangen werden.
a.
Dauerhafte Beibehaltung des KMU-Skalierungsfaktors nach Art. 501 CRR
Mit Rückgriff auf die Empirie leitet sich die Forderung nach einer Anhebung der Eigenkapitalunterlegung für Marktpreisrisiken des Handelsbuchs, aber die Beibehaltung der Eigenkapitalunterlegung für Adressenausfallrisiken bei KMU-Krediten ab. Um die effektive Eigenkapitalunterlegung für KMU-Kredite (d. h. Unternehmenskredite im Mengengeschäft) auf dem bestehenden Niveau (d. h. 6 %) beizubehalten und somit die Verzerrung zum Handelsbuch ansatzweise zu reduzieren, sieht die CRR die Zwischenschaltung eines Skalierungsfaktors i. H. v.
0,7619 vor. Dieser Korrekturfaktor für KMU-Kredite ist dauerhaft beizubehalten.
b.
Grundlegende Überarbeitung der Net Stable Funding Ratio
Die in den Vorschlägen des Baseler Ausschusses vorgesehene Net Stable Funding Ratio sieht
vor, dass für direkt vergebene, lang laufende Kredite im Vergleich zu Forderungen aus Anleihen sowie kurz laufenden Krediten höhere passivseitige Refinanzierungsanforderungen erfüllt
werden müssen. Dies wirkt nachteilig auf die realwirtschaftlich wichtigen Unternehmenskredite mit langer Laufzeit bzw. langfristiger Zinsbindung, insbesondere benachteiligt es die
Fremdfinanzierung der KMU. Mit Blick auf Art. 510 CRR sollte die verbindliche Einführung einer langfristigen Refinanzierungskennziffer sehr kritisch geprüft werden. In jedem Fall ist die
entsprechende Detailausgestaltung, wie im Basel III-Rahmenwerk vorgesehen, abzulehnen,
denn sie würde die direkte Kreditvergabe mit höheren Refinanzierungsanforderungen versehen als den Erwerb handelbarer Schuldverschreibungen.
c.
Praxistaugliche Gestaltung der Anrechnung von Immobilien als Kreditsicherheiten
Eine zentrale aufsichtsrechtliche Komponente bei den Vergabespielräumen bezüglich KMUKrediten sind Immobilien als Kreditsicherheiten. Deren Handhabung wird nunmehr grundsätzlich in Art. 124 CRR geregelt.
Dabei setzt Art. 124 (2) CRR bei durch Grundpfandrechten auf Wohnimmobilien besicherten
Risikopositionen einen Risikofaktor von 35 % und bei Besicherung durch Gewerbeimmobilien
von 50 % fest. Die Besicherungsmöglichkeit erhöht die Kreditverfügbarkeit für KMU sowohl
aus Perspektive aufsichtsrechtlicher Eigenmittelanforderungen als auch aus bankbetrieblicher
Risikosicht entscheidend und darf daher nicht zur Disposition stehen.
Art. 124 (4) CRR beauftragt die EBA, einen Standard zur Bemessung des Beleihungswertes von
Immobilien als Kreditsicherheiten zu erarbeiten. In Deutschland bestehen bereits heute hohe
Anforderungen an die Bewertung von Immobiliensicherheiten. Die verwendeten Verfahren haben sich sowohl aus Stabilitätsgesichtspunkten als auch in ihrer Praxistauglichkeit bewährt.
Die deutschen Aufsichtsbehörden sollten sich daher nachdrücklich dafür einsetzen, dass der
entsprechende EBA-Standard praxistauglich und möglichst nahe an bestehenden Verfahren
ausgerichtet wird. Hierbei sind insbesondere ausreichende Implementierungsfristen und Bestandsschutzregelungen für bestehende Kredite vorzusehen.
Sollten Immobilien nicht länger und hinreichend umfangreich als Kreditsicherheiten aufsichtsrechtliche Anerkennung finden, droht eine erhebliche angebotsseitige Einschränkung
an KMU-Krediten.
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2.
Stärkung der Mittelstandsfinanzierung durch Stärkung lokaler Institute
Aus unserer Sicht lassen sich die unterschiedlichen Finanzierungsbedingungen in Europa
nicht allein mit Engpässen bei der Finanzierung durch Banken erklären. Es handelt sich eher
um Probleme der Banken in bestimmten Ländern. Eine gezielte Bankenreform dort, wo Probleme bestehen, z. B. durch eine Entlastung von Aktiva in Schwierigkeiten (eine Art nationales
TARP) oder auch die Gründung von Sparkassen-ähnlichen Instituten wo diese fehlen, könnte
eine wirkungsvolle Alternative sein, vorhandene Finanzierungsengpässe abzumildern. Die
Gründung, das Wachstum und der langfristige Erfolg der (deutschen) Unternehmen hängen
maßgeblich von der Finanzierungsbereitschaft, der Finanzierungsleistung und der begleitenden Betreuung durch lokale Institute ab. Die Strukturelemente der deutschen Sparkassen
(keine privaten Anteilseigner, Regionalprinzip, Verbund, öffentlicher Auftrag) stellen diese Unterstützung dauerhaft sicher. Strukturen lokal und regional ausgerichteter Kreditinstitute sollten daher europaweit verankert und gefördert werden.
a.
Flächendeckende Versorgung der Bevölkerung sowie der regionalen Wirtschaft
Sparkassen als kommunale Einrichtungen nehmen ihre Aufgaben im Gemeinwohlinteresse
wahr. Hierzu gehören neben der kreditwirtschaftlichen Versorgung der Bevölkerung insbesondere die Befriedigung des kommunalen Kreditbedarfs sowie – als Schwerpunkte der Versorgungsfunktion – die Finanzierung des Mittelstands in ihrem Geschäftsgebiet. Als kommunale
Einrichtungen haben die Sparkassen die Aufgabe, die geld- und kreditwirtschaftliche Versorgung aller Bevölkerungskreise der Wirtschaft und insbesondere des Mittelstandes in ihrem
Geschäftsgebiet zu gewährleisten. Die Wahrnehmung dieses Versorgungsauftrags erfordert
eine ausreichende Dichte von Filialen, auch und gerade in ländlichen und strukturschwachen
Gebieten. Ohne lokale Banken gäbe es eine kreditwirtschaftliche Unterversorgung, selbst für
erfolgversprechende Investitionen.
Diese Vorteile kommen unmittelbar den Bürgern zu Gute. Ohne das Regionalprinzip würden
nicht die örtliche Bevölkerung und der lokale Mittelstand kreditwirtschaftlich versorgt, sondern diejenigen Kunden, die im In- und Ausland höchste Renditen versprechen. Dieser Versorgungsauftrag erlangt umso größere Bedeutung, als sich die Privatbanken, gerade die Großbanken, stark aus der Fläche zurückgezogen haben.
Der Einwand, dass der Finanzierungsbedarf unter normalen Marktbedingungen auch von den
Privatbanken abgedeckt werden kann, wird letztlich durch die Praxis widerlegt: Während sich
das Kreditengagement der Großbanken gegenüber Unternehmen und Selbständigen seit der
Jahrtausendwende nahezu halbiert hat, haben die Sparkassen die Kreditversorgung von Unternehmen und Selbständigen im gleichen Zeitraum um fast 25 % ausgeweitet. Gerade in der
ökonomischen Bewährungsprobe der Finanzkrise, in der es entscheidend darauf ankam, einer
Kreditklemme entgegenzuwirken, haben die Sparkassen ihrem öffentlichen Auftrag, die Kreditversorgung der mittelständischen Wirtschaft sicherzustellen, entsprechend ihr Kreditengagement erheblich ausgeweitet. Zusammen mit den Genossenschaftsbanken konnte so die
Rückführung der Kreditbestände der Großbanken nicht nur aufgefangen, sondern dem Mittelstand als dem Rückgrat der deutschen Volkswirtschaft sogar mehr Geld zur Verfügung gestellt
werden.
Die Konzentration auf das eigene Geschäftsgebiet stellt sicher, dass die Sparkassen ihren öffentlichen Auftrag tatsächlich – nämlich im Interesse der positiven wirtschaftlichen Entwick-
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lung „ihrer“ Region – erfüllen. Denn allein eine positive wirtschaftliche Entwicklung der eigenen Region gewährleistet, dass Mittel vorrangig für die Kreditnehmer im Trägergebiet eingesetzt werden. Deren Versorgung wird daher auch dann nicht eingeschränkt, wenn kurzfristig
lukrativere Investitionsmöglichkeiten in anderen Regionen bestehen. Dementsprechend können die Sparkassen eine kontinuierliche und langfristige Finanzbeziehung vor allem zu mittelständischen Unternehmen sicherstellen, statt sich an kurzfristigen Anlage- und Rentabilitätszielen zu orientieren. Dies ermöglicht den Sparkassen die flächendeckende Versorgung aller
Bevölkerungskreise sowie der regionalen Wirtschaft und damit die Erfüllung ihres öffentlichen
Auftrags.
Zusammengefasst ergeben sich aus der Regionalität der Sparkassen folgende Vorteile:
•
•
•
•
•
•
•
Kunden- bzw. Marktnähe,
Vertrauen,
langfristige Kundenbindung,
Entscheidungsnähe zu den Kunden (weniger hierarchische Stufen),
Regionalförderung,
Stabilität durch langfristiges Handeln,
besondere Leistungsfähigkeit durch Dezentralität.
b.
Begrenzung systemischer Risiken durch Regionalität
Neben der Förderung der regionalen Wirtschaftskraft ist das Regionalprinzip ein bewährtes
und effektives Instrument zur Begrenzung systemischer Risiken. Die mit der gesetzlich geforderten Präsenz vor Ort verbundene Kenntnis der örtlichen Verhältnisse ermöglicht den Sparkassen eine trennschärfere Risikobeurteilung insbesondere im Bereich der Mittelstandsfinanzierung. Hierdurch können Kredite vergeben werden, zu denen zentralisierte Großbanken aufgrund fehlender örtlicher Informationsbasis nicht bereit wären. So kommt es beispielsweise
im Bereich der Existenzgründungsfinanzierung regelmäßig nicht auf die Bewertung von Sicherheiten, sondern die persönliche Einschätzung des Gründers und der Realisierbarkeit der
Geschäftsidee vor Ort an. Gerade aufgrund der Ortsnähe kann die Sparkasse ein solches Vorhaben viel besser beurteilen und etwaige Risiken rascher erkennen, als dies von einer entfernten Bankzentrale aus möglich wäre. Damit werden die sich im jeweiligen Geschäftsgebiet ergebenden geschäftlichen Kreditvergabemöglichkeiten optimal ausgenutzt.
Die Finanzkrise hat überdies gezeigt: Eine diversifizierte Bankenlandschaft mit vielen wirtschaftlich selbstständigen Instituten ist das beste Mittel zur Erhaltung der Finanzstabilität.
Damit wird das Problem des „Too big to fail“ gelöst. Durch die regionale Fokussierung der
Banken und Sparkassen wird die Gefahr eines „Flächenbrandes“ gebannt. Aufsichtsrechtliche
Maßnahmen dürfen daher diejenigen klein- und mittelständischen Strukturen nicht gefährden, die vor solchen Krisen am besten schützen.
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IV. Maßnahmen im Rahmen der Kapitalmarktunion
1.
Zugang von Kleinanlegern zu wertpapierbasierten Anlageprodukten verbessern
Wertpapiere sind ein wichtiger Bestandteil für einen ausgewogenen Vermögensaufbau und
gerade in Zeiten der Niedrigzinsphase (auch für die Altersvorsorge) unerlässlich. Von großer
Bedeutung für den Kapitalmarktzugang von Kleinanlegern ist daher eine angemessene Beratung, die insbesondere von Sparkassen erbracht wird und Kleinanlegern oft erst die wichtige
Rolle von Kapitalmarktprodukten erklärt.
Das Wertpapiergeschäft der Banken und Sparkassen ist Gegenstand einer Vielzahl von Regulierungen (Stichworte: MiFID, Beratungsprotokoll, Produktinformationsblatt, Beraterregister,
Vergütungsgrundsätze), die alle einem verbesserten Anleger- beziehungsweise Verbraucherschutz dienen sollen. Diese Regelungen zeigen jedoch eine Reihe von unbeabsichtigten und
negativen Auswirkungen, die letztlich dazu führen, dass mit den Kleinanlegern wichtige Kapitalgeber dem Kapitalmarkt fern bleiben:
•
Der anhaltende Regulierungsorkan treibt kleinere Banken und Sparkassen zunehmend
aus der Wertpapierberatung; größere Institute ziehen sich aus der Fläche zurück. Den
Schaden haben die Anleger, die überhaupt nicht mehr oder schlechter informiert in wertpapierbasierte Anlageprodukte investieren. Dieser Effekt widerspricht der vermögenspolitischen Zielsetzung, Aktien/Wertpapiere als festen Bestandteil des langfristigen Vermögensaufbaus zu etablieren und im Ergebnis auch einer der Zielsetzungen der Kapitalmarktunion, wirksamere und effizientere Kapitalmärkte zu schaffen.
•
Wirksamer Anlegerschutz wird durch eine Fülle an Informationen ins Gegenteil verkehrt.
Überzogene Formalismen machen eine Investition der Anleger nicht attraktiver, sondern
verstärken die Tendenz, dass die Banken und Sparkassen sich aus ihrer Mittlerfunktion
zurückziehen.
•
Auf Seiten der Institute führen unkoordinierte Mehrfachregulierungen zu deutlich höheren Kosten und Haftungsrisiken. Sie wirken sich nachteilig für kleinere Institute aus, die
sich den damit verbundenen höheren Aufwand dauerhaft nicht leisten können. Dies führt
letztlich zu weniger Wettbewerb, was wiederum für den Anleger nachteilig ist.
•
Nationale Besonderheiten werden auf europäischer Regulierungsebene nicht immer hinreichend berücksichtigt. So beabsichtigt ESMA z. B. die Anforderungen an die Qualitätsverbesserung von Zuwendungen auf Level 2 derart zu verschärfen, dass sie zu einem „faktischen Provisionsverbot“ führen. Dies hätte extrem nachteilige Auswirkungen insbesondere für Kleinanleger. In Deutschland sind Zuwendungen anerkannt, die auf den Erhalt der
Wertpapierberatung abzielen („Infrastrukturmaßnahmen“). Das ist der Schlüssel für das
umfangreiche, qualitativ hochwertige Beratungsangebot im deutschen Markt (über
155.000 Anlageberater in Deutschland, sehr geringes Beschwerdeaufkommen – auf etwa
jeden 20. Berater kommt eine Beschwerde p.a. (BaFin-Register)). Ein faktisches Provisionsverbot würde erhebliche Einschränkungen im Beratungsangebot, insbesondere in
ländlichen Regionen und für Kunden geringerer Einkommensschichten, die in besonderem Maße auf Unterstützung bei der Finanzplanung/Vorsorge angewiesen sind, nach sich
ziehen (Bsp.: Großbritannien: seit Einführung des Provisionsverbotes 60% weniger Bankberater).
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Der DSGV fordert daher:
•
Eine Regulierung mit „Augenmaß“ - Regulierung muss sich an den tatsächlichen Verhältnissen im Markt orientieren und für die Verbraucher sinnvolle Verbesserungen schaffen.
In der aktuellen Ausgestaltung wirkt die Regulierung vielfach „wie ein Bremsklotz“ für das
Wertpapiergeschäft; ohne erkennbaren Mehrwert für den Kunden.
•
Auswirkungsstudien auf europäischer Ebene („impact assessments“) zu den Konsequenzen und nationalen Auswirkungen einzelner Regulierungsvorhaben: Die Auswirkungen für
den Zugang von Anlegern zum Kapitalmarkt und der tatsächliche Kundennutzen der Regelungen (z. B. Auswirkung eines faktischen Provisionsverbots auf die nationalen Märkte /
für die Kunden durch Level 2-Maßnahmen der ESMA) sind dabei zu berücksichtigen. Nationale Besonderheiten – wie ein funktionierender Beratungsmarkt – sind ebenfalls stärker
zu berücksichtigen / nationale Auswirkungen von Regulierungsmaßnahmen sind im Vorfeld (eingehender) zu analysieren.
•
Regulierungsvorschläge/-vorhaben besser aufeinander abstimmen (Stichwort: „regulatory
consistency“ – siehe z. B. die unterschiedlichen / nicht harmonisierten Anforderungen an
die Kostentransparenz im Bereich MiFID II, UCITS und PRIIPs). Insbesondere ist bei den
nachgelagerten Rechtsakten zu MiFiD II sicherzustellen, dass eine unbürokratische Beratung von Kleinanlegern weiterhin praktikabel bleibt.
Aus Sicht des DSGV können die folgenden Maßnahmen dazu beitragen, den Zugang von Kleinanlegern zum Kapitalmarkt zu verbessern:
•
Mit MiFID II wird auch auf europäischer Ebene ein Beratungsprotokoll („suitability report“)
eingeführt. Der Kunde sollte eine Verzichtsmöglichkeit erhalten. Diese könnte an bestimmte Bedingungen geknüpft werden, z. B. an die „Finanzqualifikation“ des Anlegers.
Im Versicherungsrecht existiert eine solche Möglichkeit bereits, und zwar ohne Einschränkungen. Die Möglichkeit, auf die Dokumentation des Beratungsgesprächs zu verzichten,
entspricht dem Willen vieler Bankkunden. Gerade erfahrenere Kunden beklagen immer
wieder die Abkehr vom mündigen Bürger; Sie kritisieren die fehlende Verzichtsmöglichkeit als „Zwangsbeglückung“, die einem schnellen Geschäftsabschluss unnötig im Wege
steht (Stichwort: Weglaufen der Kurse).
•
MiFID II führt eine Sprachaufzeichnungspflicht für telefonische Wertpapieraufträge ein. In
der Konsequenz dürfte nicht nur die Order, sondern auch die Beratung aufzuzeichnen
sein. Der Aufwand – gerade für kleinere Institute – ist enorm. Ein Mehrwert für den Kunden
ist nicht erkennbar. Das in Deutschland bereits existierende Beratungsprotokoll zeigt,
dass es gleich geeignete, aber deutlich mildere Mittel gibt. Zusätzlich droht mit MiFID II
zukünftig eine „Doppelprotokollierung“ (Sprachaufzeichnung und Beratungsprotokoll).
Dies gilt es unbedingt zu verhindern.
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•
Sowohl der nationale als auch der europäische Gesetzgeber haben sich zum Ziel gesetzt,
einen gesetzlichen Rahmen für die honorarbasierte Anlageberatung zu schaffen. Die Honorarberatung soll als alternatives Angebot zur provisionsgestützten Anlageberatung
etabliert werden. Der nationale Gesetzgeber hat die entsprechenden Vorgaben der MiFID
II durch das „Gesetz zur Förderung und Regulierung einer Honorarberatung über Finanzinstrumente (Honoraranlageberatungsgesetz)“ vorweggenommen. Leider sieht das Honoraranlageberatungsgesetz eine strikte personelle Trennung vor. Das heißt, Anlageberater in einem Institut können nicht – je nach Bedarf – provisionsbasierte Beratung sowie
Honorarberatung erbringen. Dies wird verhindern, dass sich die Honorarberatung flächendeckend etablieren kann. Viele Institute verfügen nicht über die Ressourcen, für beide Beratungsformen Berater vorzuhalten.
•
Überdies stellen die überhöhten Anforderungen der ESMA auf Level 2-Ebene an die Zulässigkeit der provisionsbasierten Anlageberatung die Entscheidung des europäischen Gesetzgebers, die Wahlmöglichkeit zwischen provisionsbasierter Anlageberatung und Honoraranlage-beratung zu erhalten, in Frage. Auf Level 2 sollte klargestellt werden, dass die
Ermöglichung eines erleichterten Zugangs zur Anlageberatung durch Zuwendungen als
qualitätsverbessernd gilt.
•
Das dem Anlegerschutz in der wertpapierbasierten Beratung zugrundeliegende Leitbild
des zu schützenden Kleinanlegers sollte überdacht werden. Statt einer Regulierung, die
den Kleinanleger in der Tendenz bevormundet, sollte die Politik wieder stärker das Leitbild des mündigen Anlegers verfolgen. Ein in Finanzfragen kompetenter Anleger ist in der
Lage, Anlageempfehlungen kritisch zu hinterfragen und eigenverantwortlich Anlageentscheidungen zu treffen. In diesem Zusammenhang ebenso wichtig ist eine fundierte finanzielle Allgemeinbildung in breiten Schichten der Bevölkerung, die es zu stärken gilt.
2.
Verbriefungen
Wirtschaftliches Wachstum auf breiter Basis ist das Ziel der EU-Kommission, wenn sie eine
Wiederbelebung der europäischen Verbriefungsmärkte anstrebt. Dieses Ziel unterstützen wir
und begrüßen es grundsätzlich, dass auf Basis neuer Marktstandards und Qualitätskriterien
die grundsätzliche Möglichkeit zur Beteiligung Dritter am europäischen Kreditmarkt und deren Risiken erreicht werden soll.
•
Der Verbriefungsmarkt sollte aber auch weiterhin nur als „Überlaufbecken“ für den klassischen banken- und bilanzfinanzierten Kreditmarkt dienen. So kann die Kreditwirtschaft
die Kreditnachfrage der Unternehmen kundengerecht befriedigen, wenn Kreditvergabestandards auf Einzelkreditebene und ein EU-Rahmenwerk für Verbriefungen im Einklang
stehen und die heute bereits etablierten Kreditformen sachgerecht berücksichtigt statt
auszugrenzen.
•
Sparkassen können ihre Kreditvergabe vollständig über ihre eigenen Bilanzen darstellen
und bedürfen keiner Refinanzierung ihrer Kreditvergabe an KMU über den Kapitalmarkt.
•
Für den Fall, dass künftige Kreditnachfragen die bilanziellen Kreditvergabefähigkeiten von
Sparkassen übersteigen sollten, z. B. aufgrund der angestiegenen Eigenmittelanforderungen, werden die Sparkassen auch weiterhin nicht Kredite ihrer Kunden verkaufen.
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•
Ein geeignetes Mittel für Sparkassen stellt der Transfer von Kreditausfallrisiken dar, bei
denen die Kundenbeziehung in allen Phasen voll intakt bleibt. Ihr Ziel ist die Stärkung der
Kreditvergabefähigkeit der Sparkassen und ggf. der Ausgleich von regionale Risikokonzentrationen innerhalb der Sparkassen-Finanzgruppe.
•
Nur hochwertige Verbriefungen mit realwirtschaftlichem Fokus können die Wachstumsziele in der EU unterstützen helfen: Der realwirtschaftliche Bezug einer Finanzierungsform
sollte immer in den Vordergrund gestellt werden. Denn das Ziel ist die Stärkung der Kreditvergabe. Entsprechend sollte bei der strukturpolitischen Frage der Förderung von Finanzierungsformen genauer auf die realwirtschaftliche Wirkung geschaut werden, statt ob
es sich um einen über die Bilanz des Instituts refinanzierten Kredit oder einen Kredit handelt, der mittels Verbriefung kapitalmarktrefinanziert ist.
3.
Weitere Positionen des DSGV zu ausgewählten Bereichen des Grünbuchs „Schaffung
einer Kapitalmarktunion“
a.
Verfügbarkeit und Bewertung von Kreditinformationen (Credit scoring)
Einschätzungen von Kreditwürdigkeiten sind ein ganz entscheidender Wettbewerbsparameter. Hier zu treffenden Bewertungen zu kommen, ist die Kernaufgabe eines wettbewerblich organisierten Finanzierungssystems. Sie trägt zu einer volkswirtschaftlich effizienten Kapitalallokation bei.
Die Bereitstellung, Aufbereitung und Bewertung der Informationen ist aufwändig; es handelt
sich dabei nicht um auf dem Markt frei verfügbare Güter. Entsprechende Anstrengungen müssen daher für die betreffenden Intermediäre ökonomisch angemessen abgegolten werden.
Eine generelle Offenlegung von Kreditinformationen kann deshalb nicht sinnvoll gefordert
werden. Zudem ist gerade in Europa die Struktur der Wirtschaftsbetriebe geprägt durch ein
eigentümer- und familiengeführtes Management und – damit einhergehend – eine Zurückhaltung in der breiten Offenlegung unternehmerischer Zahlen. Die öffentlich zugängliche Bereitstellung der Informationen von Unternehmens- und Kreditdaten sollte für Unternehmen daher
auf freiwilliger und keinesfalls verpflichtender Basis erfolgen, bspw. wenn von Seiten eines Unternehmens Interesse an der Erschließung größerer und internationaler Investorengruppen
im Rahmen der Kapitalmarktfinanzierung besteht.
Im Wettbewerb stehende, unterschiedliche Bewertungsmodelle dienen der Findung des effizientesten Bewertungsweges. Einheitliche, vorgegebene Modelle führen dagegen zu gleichgerichteten Einschätzungen, die „Herdenverhalten“ fördern, Preise ineffizient verzerren und somit destabilisierend wirken können. Für Anlegergruppen, die kein eigenes Risikomanagement
(Bewertungs- oder Scoringtools, interne Ratingansätze, etc.) unterhalten können oder wollen,
gibt es durchaus kommerzielle Anbieter, die solche Informationen bereitstellen. Der Markt für
Kreditinformationen funktioniert insofern gut. Inwieweit ein politisch unterstützter Prozess
hier mehr bewirken könnte, ist sehr fraglich.
Kreditinstitute sind neben kommerziellen Anbietern ebenfalls wichtige Kooperationspartner
für Investoren am Kapitalmarkt. Gerade für die Stimulierung eines grenzüberschreitenden Kapitalverkehrs verfügen Kreditinstitute vor Ort durch den engen Kontakt zu Unternehmen über
wichtige Kreditinformationen. Diese Risikokompetenz ist gerade für internationale Investoren
bedeutsam. Kreditinstitute sind zudem auch für diejenigen Unternehmen, die die notwendige
Publizität bestimmter Kapitalmarktprodukte scheuen, ein wichtiger Intermediär.
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b.
Rechnungslegung
aa. HGB als stabile Bilanzierungsgrundlage für Kreditinstitute erhalten
Aus Sicht des DSGV sollten die HGB-Normen sowohl für die Bilanzierung als auch für die Beaufsichtigung der HGB-Institute langfristig gesichert werden. Eine direkte oder indirekte
bankaufsichtliche Verpflichtung zur Anwendung der IFRS über den derzeitigen Kreis der
Pflichtanwender hinaus lehnen wir strikt ab.
Für grenzüberschreitend tätige und kapitalmarktorientierte Institute stellen die internationalen Rechnungslegungsvorschriften IFRS die angemessene Grundlage für die Bilanzierung dar.
Diese Institute haben Vorteile von einer weltweit konvergierten Rechnungslegung, z. B. aufgrund einheitlicher Bilanzierungsgrundlagen innerhalb des Konzerns oder durch geringere
Kosten bei der Mittelaufnahme über den Kapitalmarkt. Die Beibehaltung der durch die nationale Ausgestaltung der IAS-Verordnung vorgenommenen Zweiteilung bei der Bilanzierung ist
daher wünschenswert. Für kapitalmarktorientierte Konzerne sind die IFRS die angemessene
Bilanzierungsgrundlage. Für alle anderen Unternehmen muss das HGB bzw. die lokalen GAAP
(Generally Acknowledged Accounting Principles) als Rechnungslegungsnorm beibehalten werden.
bb. Kein neuer, vereinfachter Rechnungslegungsstandard für KMU
Die Kommission erwägt die Erarbeitung eines vereinfachten, einheitlichen und qualitativ
hochwertigen Rechnungslegungsstandards, der auf an bestimmten Handelsplätzen notierte
Unternehmen zugeschnitten ist.
Es ist unserer Auffassung nach im Rahmen der Kapitalmarkunion nicht notwendig, neben den
bestehenden nationalen, europäischen und internationalen Rechnungslegungsvorschriften
einen weiteren Standard zu erarbeiten. Aus Sicht der europäischen Anleger kann es zwar sinnvoll sein, wenn die Jahresabschlüsse von KMU, die an einem Multilateralen Handelssystem
(MTF) notiert sind, auf einer einheitlichen Grundlage erstellt werden. Sowohl das europaweite
Verständnis als auch die Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse könnten so gefördert werden.
Für kapitalmarktorientierte KMU hat das International Accounting Standards Board (IASB) mit
dem IFRS für KMU bereits einen Standard geschaffen, welcher gegenüber der vollumfänglichen Anwendung der IFRS wesentliche Erleichterungen vorsieht und somit auch zu geringeren
Kosten führt. Dieser bereits in vielen Ländern weltweit akzeptierte Rechnungslegungsstandard ist aus unserer Sicht die geeignete Grundlage für eine vereinheitlichte Bilanzierung von
KMU, die an einem MTF notiert sind. Eine von dem bestehenden Rechnungslegungsrahmen in
der EU völlig losgelöste Entwicklung eines neuen Rechtsrahmens für die Bilanzierung bei KMU
halten wir für nicht zweckdienlich. Die fortgeführte Anwendung eines bestehenden Rechnungslegungsrahmens, der europaweit aufgrund der EU-Bilanzierungsrichtlinie sowohl hinsichtlich Gliederung und Inhalt des Abschlusses sowie des Lageberichts als auch der Bewertungsgrundlagen und Offenlegung der Informationen hinreichend harmonisiert ist, gibt
Rechtssicherheit.
Da derzeit einige wenige Regelungen des IFRS für KMU nicht in Übereinstimmung mit der europäischen Rechnungslegungsrichtlinie stehen und es daher bisher nicht möglich war, den
IFRS für KMU in europäisches Gemeinschaftsrecht zu übernehmen, wäre es aus unserer Sicht
sinnvoll, mit dem IASB über eine Änderung der strittigen Bereiche des IFRS für KMU im Sinne
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der europäischen Anwender in Verhandlungen zu treten. Im Ergebnis darf es jedoch keinesfalls zu einer Ausdehnung des Anwendungsbereichs der vollumfänglichen IFRS über den derzeitigen Anwendungsbereich der gültigen IAS-Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 kommen.
c.
Überprüfung der Tätigkeit der europäischen Aufsichtsbehörden
Die Kapitalmarktunion sollte genutzt werden, um die Zusammenarbeit der europäischen Aufsichtsbehörden (ESA) sowie deren Tätigkeit zu überprüfen. Kritisch sehen wir insbesondere
die zunehmende „Regulierungsdichte“, die über die neuen und bestehenden umfangreichen
Regelwerke über die Gesetzgebung auf Level I hinaus durch die ESA erzeugt wird.
Folgende Punkte sollten im Rahmen der anstehenden Überprüfung in Betracht gezogen werden:
•
Hauptaufgabe der ESA sollte die konsistente Ausarbeitung der wichtigen Finanzmarktgesetze sein;
•
Die Grundsätze zur Herausgabe von Leitlinien und Empfehlungen sollten überarbeitet
werden;
•
Die verschiedenen aufsichtsrechtlichen Vorgaben für vergleichbare Sachverhalte sollten
harmonisiert werden; kontinuierliche neue Maßnahmen und die bestehende heterogene
Regulierungslandschaft verursachen hohe Kosten und schwächen die Möglichkeit der Institute, ihre Kapitalbasis zu stärken, um so auch langfristig im Markt zu bestehen und die
Wirtschaft mit Finanzdienstleistungen zu versorgen;
•
Es müssen frühzeitig die Interdependenzen mit und die Auswirkungen auf andere Regulierungsbereiche geprüft werden, um unterschiedliche Regelungen für vergleichbare
Sachverhalte zu vermeiden;
•
Es gilt, Rechtsunsicherheiten bei den Marktteilnehmern hinsichtlich der Auslegung von
Normen zu vermeiden. Nachträgliche Anpassungen durch die ESA verursachen erhebliche
Anpassungskosten.
In Analysen vor der Veröffentlichung eines ESA-Entwurfs sollte explizit geprüft werden, ob
•
die Aufsichtsbehörde, die die Regulierungsmaßnahme erlassen möchte, tatsächlich die
entsprechende Regelungskompetenz besitzt und ihre Kompetenz nicht überschreitet;
•
tatsächlich ein Regulierungsbedarf besteht; wenn die bestehenden Regularien in dem
aktuellen Fall als nicht ausreichend erkannt werden, sollte dargelegt werden, warum und
an welchen Stellen sie nicht ausreichen;
•
die Erfordernisse von Proportionalität und Wesentlichkeit beachtet werden;
•
die Neuregulierung nicht dazu führt, dass sich Bilanzierung und Bankenaufsicht noch weiter auseinander entwickeln und weitere Inkonsistenzen, Doppelungen oder Widersprüche
entstehen.
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d.
Subsidiarität vor Europäisierung und Standardisierung um jeden Preis
Die Kapitalmarktunion sollte nicht das Einfallstor für eine Europäisierung „um jeden Preis“
sein. Überlegungen, die auf die Entwicklung standardisierter, paneuropäischer Produkte abzielen, sollten vor allem immer im Blick haben (unabhängig von der Frage, ob es hierfür im
Einzelfall eine gesetzliche Grundlage gibt), ob hier ohne Not bewährte nationale Regelungen
aufs Spiel gesetzt werden.
So bewerten wir insbesondere die Überlegungen zur europaweiten Neuorganisation der Modelle der kapitalgedeckten betrieblichen Altersvorsorge kritisch. Eine diesbezügliche Neuorganisation wäre mit einem „Austausch bewährter Verfahren“ verbunden. Ein Systemwechsel in
diesem in Deutschland streng regulierten Bereich würde aus hiesiger Sicht bestehende kapitalgedeckte Systeme gefährden. Es kann auch nicht im Sinne der Verbraucher sein, dass sich
die Anbieterseite auf wenige, europaweit handelnde Anbieter konzentriert.
Abzulehnen sind aus Sicht des DSGV auch Maßnahmen, die auf eine Harmonisierung des Insolvenzrechts oder Steuerrechts in der EU abzielen:
Ein „einheitliches“ Insolvenzrecht würde keinen relevanten Beitrag zur Entstehung eines gesamteuropäischen Kapitalmarkts leisten. Die Risiken für Investoren dürften in aller Regel nicht
darin bestehen, sich mit unterschiedlichen gesetzlichen Vorgaben im Fall der Insolvenz auseinanderzusetzen, sondern in der Insolvenz als solcher und den damit zwangsläufig einhergehenden Verlusten liegen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass eine Harmonisierung
des Insolvenzrechts kaum zu bewerkstelligen sein dürfte, weil es sich hierbei um ein Querschnittsthema handelt, dass auf alle im Rahmen einer Insolvenz in Betracht kommenden Fallkonstellationen und nationalen Usancen abgestimmt sein muss. Die Schaffung eines effektiven Insolvenzrechts ist dementsprechend eine Maßnahme, die von den Mitgliedstaaten besser
verwirklicht werden kann als durch den europäischen Gesetzgeber.
Eine umfassende Steuerharmonisierung im Rahmen einer Kapitalmarktunion oder darüber
hinaus kommt ebenso wenig in Betracht, da die Europäische Union für die Steuergesetzgebung im Bereich der direkten Steuern kein Mandat hat. Jedoch sollten einzelne steuerliche
Hemmnisse aufgegriffen und abgebaut werden, die einer Kapitalmarktunion entgegenstehen.
Ein solches Hemmnis stellt in unseren Augen die geplante Einführung einer gemeinsamen Finanztransaktionsteuer dar, die derzeit von elf Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach
deren Vorschlag vom 14. Februar 2013 beraten wird. Danach soll der Handel mit Wertpapieren
und Derivaten auf möglichst breiter Basis mit niedrigen Steuersätzen besteuert werden. Durch
die Besteuerung des Wertpapierhandels verteuern sich jedoch die Kapitalbeschaffungskosten
für die Unternehmen. Zwar sind die Primärgeschäfte, also z. B. das erstmalige In-den-Marktgeben von Wertpapieren, von der Steuer ausgenommen. Jedoch soll der Handel auf dem Sekundärmarkt besteuert werden, so dass letztlich die Wertpapierkäufer die Steuer wirtschaftlich tragen müssten. Dies hätte wiederum negative Auswirkungen auf die Wertpapierkultur,
die insbesondere durch die Kapitalmarktunion gestärkt werden soll.
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