Betriebspraxis Foto: © Milos Jokic/iStockphoto.com Anforderungen an die Kapitalausstattung von Kreditinstituten steigen Basel III: Was folgt für die Unternehmensfinanzierung? Die deutsche Kreditwirtschaft steht mit Basel III vor neuen Herausforderungen in der Unternehmensfinanzierung. Anpassungen sind wahrscheinlich und notwendig. Dr. Michael Kemmerer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken, Berlin, erläutert in „tw“, auf welche Veränderungen sich die Unternehmen einstellen müssen. Deutschlands Wirtschaft hat eine erstaunliche Wachstumsphase durchlebt. Viele Unternehmen sind gestärkt aus der schweren Krise hervorgegangen. Sie profitieren dabei von einer starken Nachfrage – zunächst aus dem Ausland, mittlerweile auch aus dem Inland. Banken und Sparkassen unterstützen sie mit einer stabilen Unternehmensfinanzierung, und das bei nach wie vor historisch niedrigen Zinsen. Trotz großer Befürchtungen und intensiv geführter Debatten über mögliche Kreditengpässe im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise kam es zu keiner Kreditklemme. Zahlreiche Unternehmen greifen auf ihre starke Innenfinanzierung aus dem eigenen Cashflow zurück, aber auch die Außenfinanzierung durch Bankkredite funktioniert gut. Die Folgen der Finanzkrise 2008/2009 sind allerdings nach wie vor präsent. Um die Risiken im Finanzsektor zukünftig besser kontrollieren und vergleichbare Krisen vermeiden zu können, werden verschiedene Regulierungsmaßnahmen von Politik und Bankenaufsicht diskutiert und schrittweise eingeführt. Zentraler Baustein Seite 44 • November 2011 der neuen Regulierung sind die Ende des Jahres 2010 auf internationaler Ebene verabschiedeten „Basel III“-Beschlüsse, die gegenwärtig in europäisches Recht umgesetzt werden und 2013 in Kraft treten sollen. Sie stellen erhebliche neue Anforderungen an die Eigenkapital- und Liquiditätsausstattung der Banken. Es ist zu erwarten, dass sich Basel III auch auf die Unternehmensfinanzierung auswirken wird. Internationale Regelungen zur Kreditvergabe Verbindliche internationale Regelungen, nach denen die Kreditvergabe der Banken und Sparkassen an eine ausreichende Eigenkapitalausstattung gebunden ist, existieren bereits seit dem Jahr 1988 („Basel I“). Die im Jahr 2004 verabschiedeten „Basel II“Beschlüsse dynamisierten diese Eigenkapitalregeln. Die Höhe des vorzuhaltenden Eigenkapitals je verliehenem Euro richtet sich seither insbesondere nach der Bonität beziehungsweise dem Rating des jeweiligen Kreditnehmers. Foto: © Djapeman/iStockphoto.com Betriebspraxis Um ihr Rating zu verbessern, unternahmen viele Betriebe im Zuge der Umsetzung von Basel II erhebliche Anstrengungen zur Verbesserung ihrer Eigenkapitalquote, Sicherheiten und Finanzkommunikation mit Banken und Sparkassen. Diese Maßnahmen stärkten die Finanzierungssituation der Unternehmen zum Teil deutlich, sodass sie auf die Krise auch finanzwirtschaftlich gut vorbereitet waren. Die Differenzierung der aufsichtlichen Eigenkapitalanforderungen nach Bonitäten bei der Kreditvergabe bleibt auch in Zukunft erhalten. Nachdem Basel I Mindestkapitalanforderungen einführte und Basel II die Höhe der Anforderungen abhängig von der Risikoeinstufung des Kreditnehmers machte, steigert Basel III nunmehr das verpflichtend vorgeschriebene Niveau des durch die Banken vorzuhaltenden Eigenkapitals erheblich. Kreditinstitute müssen zukünftig etwa ein Drittel mehr und zudem qualitativ besseres – und damit teureres – Eigenkapital bereithalten. Hinzu kommen erstmals international verbindliche Liquiditätsregeln: Banken und Sparkassen müssen mehr liquide Vermögenswerte vorhalten. Gleichzeitig werden die Möglichkeiten zur Fristentransformation, das heißt die Umwandlung kurzfristiger Einlagen in langfristige Kredite, eingeschränkt. Schließlich beschränkt eine neue Verschuldungsobergrenze – die sogenannte Leverage Ratio – die zulässige Gesamtbilanzsumme zuzüglich außerbilanzieller Geschäfte der Bank auf das 33-fache ihres Eigenkapitals – unabhängig von der Risikoeinstufung des einzelnen Kredits. Über die bindende Einführung in Europa ist noch nicht abschließend entschieden. Würden die Vorgaben jedoch als bindend umgesetzt, würde dies zu einer indirekten Erhöhung der Eigenkapitalanforderungen für gut geratete, als risikoarm eingestufte Geschäfte führen. Die Einführung der neuen Regulierungsmaßnahmen erfolgt ab 2013 stufenweise über sechs Jahre. Die Kreditinstitute in Deutschland müssen sich jedoch schon frühzeitig an die neuen Anforderungen anpassen. Die Einschränkung des Kreditgeschäfts ist dabei keine sinnvolle Strategie, da weniger Geschäft für die Bank eine Ertragsminderung bedeutet. Es bleibt dabei, dass die Kreditvergabe das Kerngeschäft der Banken und Sparkassen ist. Gleichwohl sind Anpassungen der Unternehmensfinanzierung wahrscheinlich und notwendig: – Langfristige Kredite werden aufgrund der Liquiditätsvorschriften teurer, da Banken und Sparkassen diese Kredite stärker als bisher auch fristenkongruent, also langfristig und damit teurer, refinanzieren müssen. – Um den höheren regulatorischen Anforderungen zu begegnen und die Kreditkosten konstant zu halten, könnten Banken und Sparkassen künftig vermehrt Sicherheiten oder eine höhere Eigenkapitalquote vom Kunden verlangen. – Kreditlinien könnten künftig stärker an den tatsächlichen Bedarf des Kunden angepasst oder die Entgelte für nichtgezogene Linien erhöht werden. – Aufgrund der Verschuldungsobergrenze ist eine Beschränkung von volumenstarkem, aber risikoarmem Geschäft denkbar. Das betrifft insbesondere die kurzfristige Handelsfinanzierung, hermesgedeckte Exportkredite sowie mit Immobilien besicherte Finanzierungen. Unternehmensfinanzierung wird sich wohl verteuern Festzuhalten bleibt: Die höheren Eigenkapitalkosten wirken sich rechnerisch direkt auf die Kreditkosten für die Banken aus. Auch wenn die Eigenkapital- und Refinanzierungskosten nur einen Teil der Kreditkosten ausmachen, ist daher grundsätzlich mit einer Verteuerung der Unternehmensfinanzierung zu rechnen. Zu einer Kreditklemme wird es deshalb aber nicht kommen. Dem steht auch der intensive Wettbewerb auf dem deutschen Bankenmarkt entgegen. Die bisherige stabile bankenbasierte Unternehmensfinanzierung ist ein wesentlicher Faktor für den Erfolg der Unternehmen im In- und Auslandsgeschäft. Beide Seiten, Kreditwirtschaft wie Unternehmen, müssen sich in den nächsten Jahren auf Veränderungen einstellen. Dazu gehört auch, alternative Finanzierungsformen zum Kredit in Erwägung zu ziehen. Durch eine weiterhin intensive Finanzkommunikation zwischen den Unternehmen und ihrer Hausbank lassen sich diese Herausforderungen am besten meistern. l IHK-Infobox Ansprechpartner zum Thema Basel III bei der Niederrheinischen IHK: Rüdiger Helbrecht, Telefon 0203 2821-335, E-Mail [email protected]. November 2011 • Seite 45
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