Basel III: Was folgt für die Unternehmensfinanzierung?

Betriebspraxis
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Anforderungen an die Kapitalausstattung von Kreditinstituten steigen
Basel III: Was folgt für die
Unternehmensfinanzierung?
Die deutsche Kreditwirtschaft steht mit Basel III vor neuen Herausforderungen in
der Unternehmensfinanzierung. Anpassungen sind wahrscheinlich und notwendig.
Dr. Michael Kemmerer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher
Banken, Berlin, erläutert in „tw“, auf welche Veränderungen sich die Unternehmen
einstellen müssen.
Deutschlands Wirtschaft hat eine erstaunliche Wachstumsphase
durchlebt. Viele Unternehmen sind gestärkt aus der schweren
Krise hervorgegangen. Sie profitieren dabei von einer starken
Nachfrage – zunächst aus dem Ausland, mittlerweile auch aus
dem Inland. Banken und Sparkassen unterstützen sie mit einer
stabilen Unternehmensfinanzierung, und das bei nach wie vor
historisch niedrigen Zinsen.
Trotz großer Befürchtungen und intensiv geführter Debatten
über mögliche Kreditengpässe im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise kam es zu keiner Kreditklemme. Zahlreiche Unternehmen greifen auf ihre starke Innenfinanzierung aus dem eigenen Cashflow zurück, aber auch die Außenfinanzierung
durch Bankkredite funktioniert gut. Die Folgen der Finanzkrise
2008/2009 sind allerdings nach wie vor präsent.
Um die Risiken im Finanzsektor zukünftig besser kontrollieren
und vergleichbare Krisen vermeiden zu können, werden verschiedene Regulierungsmaßnahmen von Politik und Bankenaufsicht diskutiert und schrittweise eingeführt. Zentraler Baustein
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der neuen Regulierung sind die Ende des Jahres 2010 auf internationaler Ebene verabschiedeten „Basel III“-Beschlüsse, die gegenwärtig in europäisches Recht umgesetzt werden und 2013 in
Kraft treten sollen. Sie stellen erhebliche neue Anforderungen an
die Eigenkapital- und Liquiditätsausstattung der Banken. Es ist
zu erwarten, dass sich Basel III auch auf die Unternehmensfinanzierung auswirken wird.
Internationale Regelungen
zur Kreditvergabe
Verbindliche internationale Regelungen, nach denen die Kreditvergabe der Banken und Sparkassen an eine ausreichende Eigenkapitalausstattung gebunden ist, existieren bereits seit dem
Jahr 1988 („Basel I“). Die im Jahr 2004 verabschiedeten „Basel II“Beschlüsse dynamisierten diese Eigenkapitalregeln. Die Höhe
des vorzuhaltenden Eigenkapitals je verliehenem Euro richtet
sich seither insbesondere nach der Bonität beziehungsweise
dem Rating des jeweiligen Kreditnehmers.
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Um ihr Rating zu verbessern, unternahmen viele Betriebe im
Zuge der Umsetzung von Basel II erhebliche Anstrengungen zur
Verbesserung ihrer Eigenkapitalquote, Sicherheiten und Finanzkommunikation mit Banken und Sparkassen. Diese Maßnahmen
stärkten die Finanzierungssituation der Unternehmen zum Teil
deutlich, sodass sie auf die Krise auch finanzwirtschaftlich gut
vorbereitet waren. Die Differenzierung der aufsichtlichen Eigenkapitalanforderungen nach Bonitäten bei der Kreditvergabe
bleibt auch in Zukunft erhalten.
Nachdem Basel I Mindestkapitalanforderungen einführte und
Basel II die Höhe der Anforderungen abhängig von der Risikoeinstufung des Kreditnehmers machte, steigert Basel III nunmehr
das verpflichtend vorgeschriebene Niveau des durch die Banken
vorzuhaltenden Eigenkapitals erheblich. Kreditinstitute müssen
zukünftig etwa ein Drittel mehr und zudem qualitativ besseres
– und damit teureres – Eigenkapital bereithalten.
Hinzu kommen erstmals international verbindliche Liquiditätsregeln: Banken und Sparkassen müssen mehr liquide Vermögenswerte vorhalten. Gleichzeitig werden die Möglichkeiten zur Fristentransformation, das heißt die Umwandlung kurzfristiger
Einlagen in langfristige Kredite, eingeschränkt. Schließlich beschränkt eine neue Verschuldungsobergrenze – die sogenannte
Leverage Ratio – die zulässige Gesamtbilanzsumme zuzüglich
außerbilanzieller Geschäfte der Bank auf das 33-fache ihres Eigenkapitals – unabhängig von der Risikoeinstufung des einzelnen Kredits.
Über die bindende Einführung in Europa ist noch nicht abschließend entschieden. Würden die Vorgaben jedoch als bindend umgesetzt, würde dies zu einer indirekten Erhöhung der Eigenkapitalanforderungen für gut geratete, als risikoarm eingestufte
Geschäfte führen.
Die Einführung der neuen Regulierungsmaßnahmen erfolgt ab
2013 stufenweise über sechs Jahre. Die Kreditinstitute in Deutschland müssen sich jedoch schon frühzeitig an die neuen Anforderungen anpassen. Die Einschränkung des Kreditgeschäfts ist dabei keine sinnvolle Strategie, da weniger Geschäft für die Bank
eine Ertragsminderung bedeutet. Es bleibt dabei, dass die Kreditvergabe das Kerngeschäft der Banken und Sparkassen ist.
Gleichwohl sind Anpassungen der Unternehmensfinanzierung
wahrscheinlich und notwendig:
– Langfristige Kredite werden aufgrund der Liquiditätsvorschriften teurer, da Banken und Sparkassen diese Kredite stärker als
bisher auch fristenkongruent, also langfristig und damit teurer,
refinanzieren müssen.
– Um den höheren regulatorischen Anforderungen zu begegnen
und die Kreditkosten konstant zu halten, könnten Banken und
Sparkassen künftig vermehrt Sicherheiten oder eine höhere Eigenkapitalquote vom Kunden verlangen.
– Kreditlinien könnten künftig stärker an den tatsächlichen Bedarf des Kunden angepasst oder die Entgelte für nichtgezogene
Linien erhöht werden.
– Aufgrund der Verschuldungsobergrenze ist eine Beschränkung
von volumenstarkem, aber risikoarmem Geschäft denkbar. Das
betrifft insbesondere die kurzfristige Handelsfinanzierung, hermesgedeckte Exportkredite sowie mit Immobilien besicherte Finanzierungen.
Unternehmensfinanzierung
wird sich wohl verteuern
Festzuhalten bleibt: Die höheren Eigenkapitalkosten wirken sich
rechnerisch direkt auf die Kreditkosten für die Banken aus. Auch
wenn die Eigenkapital- und Refinanzierungskosten nur einen Teil
der Kreditkosten ausmachen, ist daher grundsätzlich mit einer
Verteuerung der Unternehmensfinanzierung zu rechnen. Zu einer Kreditklemme wird es deshalb aber nicht kommen. Dem
steht auch der intensive Wettbewerb auf dem deutschen Bankenmarkt entgegen.
Die bisherige stabile bankenbasierte Unternehmensfinanzierung ist ein wesentlicher Faktor für den Erfolg der Unternehmen
im In- und Auslandsgeschäft. Beide Seiten, Kreditwirtschaft wie
Unternehmen, müssen sich in den nächsten Jahren auf Veränderungen einstellen. Dazu gehört auch, alternative Finanzierungsformen zum Kredit in Erwägung zu ziehen. Durch eine weiterhin intensive Finanzkommunikation zwischen den Unternehmen und ihrer Hausbank lassen sich diese Herausforderungen
am besten meistern. l
IHK-Infobox
Ansprechpartner zum Thema Basel III bei der Niederrheinischen IHK: Rüdiger Helbrecht, Telefon 0203 2821-335, E-Mail
[email protected].
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