Dermatosen in der Schwangerschaft Christina M. Ambros-Rudolph Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie, Medizinische Universität Graz Reviewer: Eva Werner, Berlin, und Esther von Stebut, Mainz Zu den sogenannten physiologischen Hautveränderungen zählen Veränderungen der Pigmentierung, des Bindegewebes, des Gefäßsystems, der glandulären Funktion sowie von Haaren und Nägeln (Tab. 1); viele dieser Veränderungen sind innerhalb der ersten sechs Monate nach Entbindung wieder vollständig reversibel. Tabelle 1: Physiologische Hautveränderungen in der Schwangerschaft Downloaded from cme.akademos.de by Martina Kunze on Thursday, April 9, 2015 Copyright © 2015 akademos Wissenschaftsverlag. All rights reserved Pigmentierung Hyperpigmentierung 46 Zusammenfassung Komplexe endokrinologische, immunologische, metabolische und vaskuläre Veränderungen in der Schwangerschaft wirken sich auf unterschiedliche Weise an der Haut aus. Neben dem Auftreten von physiologischen Hautveränderungen und Veränderungen im Verlauf präexistenter Dermatosen kann es zur Manifestation von spezifischen Schwangerschaftsdermatosen kommen. Zu diesen zählen atopische Schwangerschaftsdermatose, polymorphe Schwangerschaftsdermatose, intrahepatische Schwangerschaftscholestase und Pemphigoid gestationis, wobei Erstere die vormaligen, rein deskriptiven Erkrankungen Schwangerschaftsprurigo und Schwangerschaftsfollikulitis beinhaltet. Juckreiz ist das Leitsymptom aller vier Erkrankungen. Während bei atopischer und polymorpher Schwangerschaftsdermatose keine und bei Pemphigoid gestationis lediglich eine geringe Beeinträchtigung der fetalen Prognose besteht, ist die intrahepatische Schwangerschaftscholestase mit beträchtlichem intrapartalem »fetal distress« sowie einer signifikant erhöhten Früh- und Totgeburtenrate assoziiert. Juckreiz in der Schwangerschaft sollte daher niemals bagatellisiert werden, sondern zu einer exakten Abklärung der Beschwerden führen. Die charakteristische Konstellation gewisser anamnestischer und klinischer Parameter kann bereits bei der Erstvisite die Diagnosestellung erleichtern, welche, im Fall von Pemphigoid gestationis und intrahepatischer Schwangerschaftscholestase in der Folge durch spezifische immunfluoreszenzmikroskopische oder laborchemische Untersuchungsergebnisse verifiziert wird. Während Kortikosteroide und Antihistaminika zur Therapie von atopischer und polymorpher Schwangerschaftsdermatose sowie Pemphigoid gestationis eingesetzt werden, sollte bei der intrahepatischen Schwangerschaftscholestase die spezifische Therapie mit Ursodesoxycholsäure erfolgen. Einleitung In der Schwangerschaft kommt es zu komplexen endokrinologischen, immunologischen, metabolischen und vaskulären Veränderungen, die auch Auswirkungen auf die Haut zeigen. So treten verschiedenste Hautmanifestationen auf, welche grob in drei Gruppen eingeteilt werden können: • physiologische Hautveränderungen, • Änderungen im Verlauf präexistenter Dermatosen und • spezifische Schwangerschaftsdermatosen. • diffus (mit Akzentuierung an Areolae mammae, Linea nigra) • lokalisiert (Melasma, Chloasma) Bindegewebe • Striae distensae Gefäßsystem Umverteilung, Ausweitung • Ödemneigung • Varikositas/Hämorrhoiden Neubildung Glanduläre Funktion erhöhte ekkrine Drüsentätigkeit • Spidernaevi, Teleangiektasien • Palmarerythem • Gingivahyperämie, -hyperplasie • Granuloma pyogenicum • Ausnahme: Palmae verminderte apokrine Drüsentätigkeit gestörte Talgdrüsenaktivität Haare während der Schwangerschaft • Acne gravidarum • Rosacea fulminans • Montgomery-Drüsen • Hypertrichose postpartal (reversibel!) • telogenes Effluvium • androgenetische Alopezie (selten, typischerweise »male-pattern«) Nägel • erhöhte Brüchigkeit • distale Onycholyse • subunguale Hyperkeratosen • transversale Furchung Die Schwangerschaft kann den Verlauf präexistenter Hauterkrankungen sowohl in positivem als auch negativem Sinn beeinflussen. Ein typisches Beispiel ist die Psoriasis, Schuppenflechte, die eine Erkrankung ist, die klassischerweise mit einer dominanten TH1-Immunantwort einhergeht und sich während der Schwangerschaft meist deutlich bessert, um nach der Entbindung wiederum zu agravieren. Ambros-Rudolph C. Dermatosen ... Gynakol Geburtsmed Gynakol Endokrinol 2015; 11(1): 46–57 publiziert 31.03.2015 www.akademos.de/gyn ©akademos Wissenschaftsverlag 2015 ISSN 1614-8533 Downloaded from cme.akademos.de by Martina Kunze on Thursday, April 9, 2015 Copyright © 2015 akademos Wissenschaftsverlag. All rights reserved Erkrankungen, die eher mit einer starken TH2-Immunantwort assoziiert sind, wie beispielsweise Lupus erythematodes und andere Autoimmundermatosen, verschlechtern sich hingegen charakteristischerweise während der Schwangerschaft, um sich nach der Entbindung zu bessern. Man vermutet, dass diese Verlaufsänderungen mit dem Überwiegen TH2-vermittelter Immunität in der Schwangerschaft zusammenhängen. Um eine fetale Abstoßung zu verhindern, kommt es vorübergehend zu einer entsprechenden Dysbalance zwischen den mit unterschiedlichen Zytokinsekretionsmustern und präferenziell zellulär oder humoral dominierten TH1- und TH2-vermittelten Immunantworten (García-González et al. 1999). Weitere, in ihrem Verlauf beeinflusste Erkrankungen sind Gesichtsdermatosen wie Akne und Rosazea. Während sich Akneeffloreszenzen meist bessern, kann es in einzelnen Fällen zu besonders hartnäckigen Verläufen einer Acne gravidarum oder einer Rosacea fulminans in der Schwangerschaft kommen. Naevi neigen zu Farbintensitäts- und Größenzunahme, insbesondere an Abdomen und Mammae. Die Annahme, dass die Schwangerschaft eine negative Auswirkung auf den Verlauf des malignen Melanoms hat, konnte nicht bestätigt werden. Allerdings sind in der Schwangerschaft Diagnostik und Therapieentscheidung häufig verzögert, sodass ein bereits fortgeschritteneres Tumorstadium eine schlechtere Prognose bedingt. Als spezifische Schwangerschaftsdermatosen bezeichnet man eine heterogene Gruppe stark juckender entzündlicher Dermatosen, die ausschließlich mit der Schwangerschaft und/oder der unmittelbaren Postpartalperiode assoziiert sind. Während einige dieser Dermatosen, da stark juckend, lediglich unangenehm für die Mutter sind, sind andere darüber hinaus mit einem signifikanten Risiko für den Feten vergesellschaftet. Unscharfe klinische Definitionen, das Fehlen einer praktisch relevanten Klassifikation, das weitgehende Fehlen von sicheren diagnostischen Tests sowie eingeschränkte Therapiemöglichkeiten erschwerten über Jahrzehnte ihr Management. Dieser Artikel ist insbesondere den spezifischen Schwangerschaftsdermatosen gewidmet, für die kürzlich eine neue Klassifikation vorgestellt wurde, welche auf den Ergebnissen einer retrospektiven Zwei-Center-Studie an über 500 schwangeren Patientinnen beruht (Ambros-Rudolph et al. 2006). Demnach unterscheidet man die folgenden vier Erkrankungen (in der Reihenfolge ihrer Häufigkeit, Tab. 2) (Ambros-Rudolph et al. 2006; Holmes u. Black 1983; Shornick 1998): • atopische Schwangerschaftsdermatose, • polymorphe Schwangerschaftsdermatose, • intrahepatische Schwangerschaftscholestase und • Pemphigoid gestationis. Tabelle 2: Klassifikation der Schwangerschaftsdermatosen (Ambros-Rudolph et al. 2006) Klassifikation Synonym(e) Inzidenz Atopische Schwangerschaftsdermatose Atopic eruption of pregnancy (AEP) Prurigo of pregnancy*, ** 1 : 5–1 : 20 Prurigo gestationis Early onset prurigo of pregnancy Papular dermatitis of pregnancy Pruritic folliculitis of pregnancy* Eczema in pregnancy Polymorphe Schwangerschaftsdermatose Polymorphic eruption of pregnancy (PEP)* Pruritic urticarial papules 1 : 160–1 : 200 and plaques of pregnancy (PUPPP)** Toxemic rash of pregnancy Late onset prurigo of pregnancy Toxic erythema of pregnancy Intrahepatische Schwangerschaftscholestase Intrahepatic cholestasis of pregnancy (ICP) Cholestasis of pregnancy** Pruritus/Prurigo gravidarum Obstetric cholestasis Jaundice of pregnancy 1 : 50–1 : 5000 Pemphigoid gestationis Pemphigoid gestationis (PG)* Herpes gestationis** 1 : 2000–1 : 60.000 Vormalige Klassifikationen nach Holmes und Black* und Shornick** (Holmes u. Black 1983; Shornick 1998). Spezifische Schwangerschaftsdermatosen Atopische Schwangerschaftsdermatose, Atopic eruption of pregnancy (AEP) Synonyme Schwangerschaftsprurigo, Schwangerschaftsfollikulitis Epidemiologie und Pathogenese Es ist die mit Abstand häufigste juckende Dermatose in der Schwangerschaft und umfasst ekzematöse oder papulöse Veränderungen bei Patientinnen mit atopischer Eigenund/oder Familienanamnese, d. h. positiver Anamnese bezüglich atopischer Dermatitis, allergischer Rhinokonjunktivitis oder allergischem Asthma bronchiale. Die anderen spezifischen Schwangerschaftsdermatosen wie polymorphe Schwangerschaftsdermatose, intrahepatische Schwangerschaftscholestase und Pemphigoid gestationis sowie andere, nicht schwangerschaftsspezifische Dermatosen müssen ausgeschlossen sein. Im Gegensatz zu den übrigen Schwangerschaftsdermatosen manifestiert sie sich meist deutlich früher (häufig bereits während des ersten und zweiten Trimesters). 47 Downloaded from cme.akademos.de by Martina Kunze on Thursday, April 9, 2015 Copyright © 2015 akademos Wissenschaftsverlag. All rights reserved Sowohl die Verschlechterung einer bestehenden atopischen Dermatitis in der Schwangerschaft als auch die erstmalige Manifestation von Hautveränderungen bei atopischen Individuen kann mit der bereits erwähnten, für die Schwangerschaft typischen Dominanz einer TH2-Immunität in Verbindung gebracht werden. Der verminderten zellulären Immunantwort und Produktion von TH1-Zytokinen (IL-2, Interferon-a, IL-12) steht eine dominante humorale Immunantwort und verstärkte Sekretion von TH2-Zytokinen (IL-4, IL-10) gegenüber. Klinik In 20 % der Fälle handelt es sich um die Exazerbation einer vorbestehenden atopischen Dermatitis mit typischem klinischem Bild und entsprechender Vorgeschichte. Bei 80 % der Patientinnen kommt es hingegen erstmalig oder nach langer Zeit wieder (beispielsweise seit der Kindheit) zum Auftreten atopischer Hautmanifestationen. Dabei finden sich bei zwei Dritteln der Patientinnen flächig-ekzematöse Veränderungen (E-Typ-AEP) in typisch atopischer Lokalisation (Gesicht, Hals, Dekolleté, Beugeseiten der Extremitäten) und bei einem Drittel papulöse Veränderungen (P-Typ-AEP). Letztere imponieren als typische Prurigoknoten (exkoriierte, 0,5–1 cm große Papeln) oder disseminierte, wenige Millimeter haltende erythematöse Papeln an Stamm und Extremitäten (Abb. 1a, b). Auffällig sind des Weiteren die meist ausgeprägte Trockenheit der Haut (Xerosis cutis) sowie zahlreiche sogenannte atopische Stigmata. Dazu zählen beispielsweise die folgenden Veränderungen: weißer Dermografismus, Keratosis pilaris (punktförmige Verhornungen an den Oberarmstreckseiten), palmare Hyperlinearität, Herthoge-Zeichen (Ausdünnung der lateralen Augenbrauen) und Dennie-Morgan-Falte (doppelte Unterlidfalte). Bei papulösen Veränderungen kann die Abgrenzung zur polymorphen Schwangerschaftsdermatose schwierig sein, die fehlende Assoziation zu Striae distensae sowie der deutlich frühere Manifestationszeitpunkt sind differenzialdiagnostisch hilfreich. a Diagnostik Die Histopathologie aus läsioneller Haut ist unspezifisch und variiert je nach klinischem Typ; direkte immunfluoreszenzmikroskopische Untersuchungen aus der Haut der Patientin sowie indirekte Immunfluoreszenz aus dem Serum der Patientin sind negativ. Laborchemisch finden sich häufig erhöhte Gesamt-IgE-Werte im Serum. Verlauf und fetale Prognose Die Hautveränderungen sprechen rasch auf die Therapie an, meist kommt es noch während der Schwangerschaft zu einer deutlichen Besserung. Rezidive in Folgeschwangerschaften sind häufig. Die fetale Prognose ist nicht beeinträchtigt. Therapie Im Zentrum steht die rückfettende Lokaltherapie, häufig mit harnstoffhaltigen oder antipruriginösen Zusätzen (s. unten). Dies und milde topische Kortikosteroide für wenige Tage führen in den meisten Fällen zur raschen Besserung. In schweren Fällen können systemische Kortikosteroide und Antihistaminika erforderlich sein, Lichttherapie (UV-B) ist eine hilfreiche ergänzende Maßnahme. Polymorphe Schwangerschaftsdermatose, Polymorphic eruption of pregnancy (PEP) Synonym Pruritic urticarial papules and plaques of pregnancy (PUPPP) Epidemiologie und Pathogenese Häufige juckende, selbstlimitierte, entzündliche Dermatose, die sich typischerweise in den letzten Schwangerschaftswochen oder unmittelbar postpartal (15 %) und fast ausschließlich bei Erstgebärenden manifestiert. Weiterhin wurde eine Assoziation mit Mehrlingsschwangerschaften (in diesem Fall früherer Beginn und Manifestation in eine b Abbildung 1: Atopische Schwangerschaftsdermatose. Neben auffälliger Trockenheit der Haut zeigen sich kleinpapulöse erythematöse Läsionen an Abdomen (a) und an den Beugeseiten der Arme (b). Das völlige Fehlen von Striae distensae ist ein wichtiges differenzialdiagnostisches Merkmal zur Abgrenzung einer polymorphen Schwangerschaftsdermatose. Folgeschwangerschaft möglich) und exzessiver mütterlicher Gewichtszunahme beobachtet. Die Pathogenese ist nach wie vor ungeklärt. Die Tatsache, dass die Erkrankung innerhalb der Striae distensae beginnt und sich zum Zeitpunkt höchster abdominaler Distension manifestiert, lässt einen ursächlichen Zusammenhang mit einer Schädigung Ambros-Rudolph C. Dermatosen ... Gynakol Geburtsmed Gynakol Endokrinol 2015; 11(1): 46–57 publiziert 31.03.2015 www.akademos.de/gyn ©akademos Wissenschaftsverlag 2015 ISSN 1614-8533 Downloaded from cme.akademos.de by Martina Kunze on Thursday, April 9, 2015 Copyright © 2015 akademos Wissenschaftsverlag. All rights reserved des Bindegewebes infolge Überdehnung vermuten. Man spekuliert, dass dadurch aus vormals inerten antigene Strukturen werden, wodurch die Entwicklung des entzündlichen Exanthems getriggert wird. Hormonelle oder immunologische Alterationen konnten bisher nicht eindeutig nachgewiesen werden; auch eine Assoziation mit erhöhtem Geburtsgewicht oder männlichem Geschlecht der Neugeborenen wurde nicht bestätigt. Klinik Die polymorphe Schwangerschaftsdermatose beginnt innerhalb der Striae distensae, die plötzlich auftreten, stark jucken, sich röten und urtikariell verändern kann (Abb. 2a). In der Folge breiten sich urtikarielle Papeln und Plaques weiter auf Abdomen (im Unterschied zum Pemphigoid gestationis meist unter Aussparung der Periumbilikalregion), Gesäß und proximale Oberschenkel aus (Abb. 2b). In schweren Fällen kommt es jedoch rasch zur Generalisation. Während urtikarielle Papeln und Plaques charakteristisch für die Frühphase sind, wird mit zunehmender Krankheitsdauer das Bild polymorpher und es treten ein bis zwei Millimeter große Vesikel ( jedoch nie Blasen), flächige Erytheme, targetoidschießscheibenförmige und ekzematöse Veränderungen auf (AmbrosRudolph et al. 2006). Letztere äußern sich beispielsweise in Form von Schuppung und Krustenbildung. Neben dem Pemphigoid gestationis (positive Immunfluoreszenzuntersuchungen!) sind Urtikaria und Arzneireaktionen die wichtigsten Differenzialdiagnosen. a Diagnostik Die Histopathologie ist nicht charakteristisch. Sie zeigt ein gemischtzelliges Entzündungsinfiltrat im Bereich der oberen und mittleren Dermis mit zahlreichen Eosinophilen, wobei die Unterscheidung zum präbullösen Stadium eines Pemphigoid gestationis kaum möglich ist. Die epidermalen Veränderungen variieren nach Krankheitsstadium und umfassen Spongiose, Akanthose, Hyper- und Parakeratose. Direkte und indirekte Immunfluoreszenz sind obligat negativ. Verlauf und fetale Prognose Die durchschnittliche Abheilungsdauer beträgt vier bis sechs Wochen. Die Erkrankung neigt nicht zu Rezidiven (Ausnahme: Mehrlingsschwangerschaften). Die fetale Prognose ist hervorragend, kutane kindliche Manifestationen gibt es nicht. Therapie Üblicherweise sind topische Kortikosteroide mit oder ohne systemischen Antihistaminika zur Kontrolle der Symptome ausreichend. In schweren Fällen kann ein kurzer systemischer Steroidstoß für wenige Tage erforderlich sein. Intrahepatische Schwangerschaftscholestase, Intrahepatic cholestasis of pregnancy (ICP) Synonyme Puritus gravidarum, Prurigo gravidarum Epidemiologie und Pathogenese Es handelt sich um eine hormonell getriggerte, reversible Cholestase bei genetisch prädisponierten Individuen, die sich charakteristischerweise in der Spätschwangerschaft mit massivem Juckreiz manifestiert. Die Inzidenz für Mitteleuropa wird mit 0,02–2,4 % angegeben, in Skandinavien und Südamerika ist sie weit höher, mit Maximalwerten um 15 % in Chile und Bolivien (Lammert et al. 2000). Dieses geografisch geclusterte Auftreten und die familiäre Häufung weisen auf einen genetischen Hintergrund hin. Ätiopathogenetisch stehen an zentraler Stelle die gestörte Gallensäureexkretion der Hepatozyten und der daraus resultierende Anstieg der Gallensäuren im Serum. Dies führt zu massivem Juckreiz bei der Mutter. Durch Übertritt der toxischen Gallensäuren in den fetalen Kreislauf kann es infolge kardiodepressiver Effekte und akuter Anoxie jedoch auch zu erheblicher Beeinträchtigung des Feten kommen. Als Auslösefaktoren konnte einerseits die Mutation bestimmter Gene, welche für die Exkretion erforderliche Transportproteine kodieren (beispielsweise das MDR3[ABCB4]-Gen), nachgewiesen werden (Ropponen et al. 2006). b Abbildung 2: Polymorphe Schwangerschaftsdermatose mit postpartalem Beginn. Stark juckende, urtikarielle Papeln im Bereich der Striae distensae an Abdomen und Hüften (a) sowie im Bereich der Oberschenkel 2 Tage nach Entbindung (b). Andererseits zeigte sich, dass Östrogen- und Progesteronmetaboliten, welche in der Spätschwangerschaft ihre Maximalwerte erreichen, selbst cholestatisch wirken. Von einigen Autoren werden zusätzlich diätetische oder umweltbedingte Einflüsse als Manifestationsfaktoren diskutiert. 49 Downloaded from cme.akademos.de by Martina Kunze on Thursday, April 9, 2015 Copyright © 2015 akademos Wissenschaftsverlag. All rights reserved 50 Klinik Im Gegensatz zu den übrigen Schwangerschaftsdermatosen tritt bei der intrahepatischen Schwangerschaftsdermatose anfangs ein alleiniger heftiger generalisierter Juckreiz (gelegentlich im Bereich von Palmae und Plantae akzentuiert) ohne begleitende primäre Hauteffloreszenzen auf. Erst sekundär, durch Kratzen, kommt es zur kutanen Manifestation. Das morphologische Spektrum der Hautveränderungen korreliert mit der Dauer der Erkrankung und reicht von wenigen zarten Exkoriationen und Kratzspuren (kurz nach Beginn des Pruritus) bis zu ausgedehnten Prurigoknoten (bei langer Juckreizdauer) (Abb. 3). Betroffen sind insbesondere die Extremitätenstreckseiten, aber auch Abdomen und Gesäß. Lediglich in 10 % der Fälle tritt, meist nach zwei bis vier Wochen, eine begleitende extrahepatische Cholestase mit Ikterus auf (Rioseco et al. 1994). Bei diesen Patientinnen besteht ein erhöhtes Risiko für Vitamin-K-Mangel (mit potenziellen Blutungskomplikationen) und Cholelithiasis. Abbildung 3: Intrahepatische Schwangerschaftscholestase. Heftiger Juckreiz mit konsekutivem Kratzen führten zu exkoriierten Prurigopapeln, insbesondere an den Extremitätenstreckseiten. Als Nebenbefund finden sich depigmentierte Areale prätibial beidseits bei bekannter Vitiligo. Diagnostik Die Histopathologie ist unspezifisch, direkte und indirekte Immunfluoreszenz sind negativ. Die Diagnose wird laborchemisch anhand erhöhter Gesamtgallensäurewerte im Serum gesichert, wobei Werte von > 10 μmol/l in der Schwangerschaft als pathologisch angesehen werden. Die Höhe der Gallensäurewerte korreliert dabei gut mit dem fetalen Risiko (Geenes et al. 2014), welches insbesondere ab Werten von > 40 μmol/l deutlich ansteigt (Glantz et al. 2004). Die übrigen Leberfunktionsparameter können, abgesehen von der schwangerschaftstypischen Erhöhung der alkalischen Phosphatase, völlig unauffällig sein. In schwereren Fällen kommt es zum Anstieg von Transaminasen und Gamma-Glutamyl-Transferase (GGT), eine Hyperbilirubinämie wird lediglich bei 10 % beobachtet. Verlauf und fetale Prognose Mit der Entbindung klingt der Juckreiz meist binnen weniger Tage vollständig ab. Rezidive bei Folgeschwangerschaften (70–80 %) und oraler Antikonzeption (Kontraindikation!) sind nahezu obligat. Die Brisanz dieser Erkrankung liegt jedoch nicht im mütterlichen Juckreiz (auch wenn dieser oft quälend sein kann), sondern vielmehr in der erheblich beeinträchtigten fetalen Prognose. Die intrahepatische Schwangerschaftscholestase ist mit einer deutlich erhöhten Frühgeburtenrate (19–60 %), gehäuftem intrapartalen »fetal distress« (22–33 %) sowie einer erhöhten Totgeburtenrate (1–2 %) assoziiert (Lammert et al. 2000). Daher sind eine rasche Diagnose, eine spezifische Therapie und ein engmaschiges geburtshilfliches Monitoring (empfohlen werden wöchentliche CTG-Messungen ab der 34. Schwangerschaftswoche) sowie die entsprechende Aufklärung der Patientin (auch in Hinblick auf zu erwartende Rezidive bei Folgeschwangerschaften) essenziell. Um das Risiko des intrauterinen Fruchttodes zu vermindern, wird bei leichten Verlaufsformen eine elektive Entbindung ab der 38. Schwangerschaftswoche und bei schweren Verlaufsformen ab der 36. Schwangerschaftswoche diskutiert. Therapie Ursodesoxycholsäure ist die einzige Therapie, für die nicht nur eine Reduktion des mütterlichen Juckreizes, sondern auch eine Verbesserung der fetalen Prognose nachgewiesen ist (Bacq et al. 2012; Gurung et al. 2013). Sie ist eine natürlich vorkommende, hydrophile, nichttoxische Gallensäure, die seit mehr als 5000 Jahren in der chinesischen Medizin erfolgreich bei Lebererkrankungen eingesetzt wird und heute einen Eckpfeiler in der Therapie hepatobiliärer Erkrankungen darstellt. Für die ICP wird sie in einer Dosierung von 15 mg/kg/Tag oder körpergewichtsunabhängig mit 1 g/Tag, als Einmaldosis oder verteilt auf mehrere Tagesdosen, verabreicht. Abgesehen von gelegentlicher milder Diarrhö hat sie keine Nebenwirkungen. Allerdings ist sie in Deutschland und Österreich nur für die Therapie der primär biliären Zirrhose zugelassen, weshalb eine entsprechende Aufklärung der Patientin erforderlich ist (Off-Label-Use). Andere Therapeutika (S-Adenosylmethionin, Dexamethason, Cholestyramin) konnten die kindliche Prognose nicht beeinflussen. Bei Cholestyramin und anderen Gallensäureaustauscherharzen muss im Gegenteil sogar bedacht werden, dass sie eine Verminderung der Fettresorption mit konsekutivem Vitamin-K-Mangel begünstigen können, wodurch es zu lebensbedrohlichen intra- und postpartalen Blutungskomplikationen kommen kann. Ein interdisziplinäres Management zwischen Dermatologen, Hepatologen, Gynäkologen und Ambros-Rudolph C. Dermatosen ... Gynakol Geburtsmed Gynakol Endokrinol 2015; 11(1): 46–57 publiziert 31.03.2015 www.akademos.de/gyn ©akademos Wissenschaftsverlag 2015 ISSN 1614-8533 Pädiatern ist bei der intrahepatischen Schwangerschaftscholestase unbedingt erforderlich. Pemphigoid gestationis, Pemphigoid gestationis (PG) Downloaded from cme.akademos.de by Martina Kunze on Thursday, April 9, 2015 Copyright © 2015 akademos Wissenschaftsverlag. All rights reserved Synonym Herpes gestationis Epidemiologie und Pathogenese Es handelt sich um eine seltene, selbstlimitierte, bullöse Autoimmundermatose, die meist in der Spätschwangerschaft oder unmittelbar postpartal auftritt, sich aber prinzipiell während aller drei Trimester manifestieren kann. Außerhalb der Schwangerschaft kommt sie sehr selten in Assoziation mit trophoblastischen Tumoren (Chorionkarzinom, Blasenmole) vor. Die Inzidenz beträgt ca. 1 : 50.000 Schwangerschaften. Eine Korrelation mit den Haplotypen HLA-DR3 und -DR4 wird beobachtet. Sobald etabliert, neigt Pemphigoid gestationis zu Rezidiven in Folgeschwangerschaften, mit zunehmend früherem Beginn und schwererem Verlauf. Sehr selten (5 %) können jedoch auch Schwangerschaften übersprungen werden (»skip pregnancies«). Pathogenetisch spielt die Produktion von komplementfixierenden Autoantikörpern der Klasse IgG1 eine zentrale Rolle, welche gegen das bullöse Pemphigoid-Antigen 2, ein 180-kd-Protein (BP 180) im Bereich der Hemidesmosomen der dermo-epidermalen Junktionszone, und insbesondere gegen die sogenannte NC16A-Domäne gerichtet sind. Diese Antikörperbindung lässt sich sowohl mittels direkter Immunfluoreszenz in läsioneller Haut als auch mittels indirekter Immunfluoreszenz im Serum der Patientinnen nachweisen. Weiter lässt sich die NC16A-Reaktivität auch mittels ELISA und Immunoblot im Blut der Patientinnen nachweisen, wobei eine gute Korrelation mit der Krankheitsaktivität besteht. Beide Verfahren eignen sich daher zum Therapie- und Verlaufsmonitoring. Der primäre Ort der Autoimmunität scheint jedoch nicht die Haut, sondern die Plazenta zu sein, da zirkulierende IgG1-Antikörper nicht nur an die Basalmembran der Epidermis, sondern auch an die des Chorion- und Amnionepithels, beide ebenfalls ektodermaler Herkunft, binden. Eine aberrante Expression von MHC-Klasse-II-Molekülen im Bereich der Chorionzotten weist auf eine allogene Immunreaktion gegen ein Plazenta-Matrix-Antigen paternaler Herkunft hin. Klinik Pemphigoid gestationis manifestiert sich mit heftigem Juckreiz, der dem Auftreten der Hautveränderungen gelegentlich etwas vorausgehen kann. Typischerweise treten im Bereich des Abdomens, fast immer unter Einbeziehung der Periumbilikalregion, urtikarielle Erytheme, Papeln und Plaques auf, welche sich auf das gesamte Integument ausdehnen können (Vaughan-Jones et al. 1999). Die Schleimhäute bleiben jedoch stets frei. In diesem sogenannten präbullösen Stadium, vor Ausbildung der charakteristischen prallen Blasen, ist die klinische Abgrenzung zur polymorphen Schwangerschaftsdermatose schwierig, gelingt dann jedoch eindeutig mit der Entwicklung von Blasen, die, ähnlich dem bullösen Pemphigoid, typischerweise prall sind und oft ausgedehnte Erosionen hinterlassen (Abb. 4a). Diagnostik Die Histopathologie läsioneller Haut variiert je nach klinischem Bild. Neben einem Ödem der oberen und mittleren Dermis zeigt sich ein vorwiegend perivaskuläres lymphohistiozytäres Entzündungsinfiltrat mit ausgeprägter Gewebseosinophilie, begleitet von epidermaler Spongiose und fokalen Keratinozytennekrosen. Im bullösen Stadium findet sich zusätzlich eine subepidermale Spaltbildung (Abb. 4b), welche ultrastrukturell im Bereich der Lamina lucida der dermo-epidermalen Junktionszone liegt. Die direkte Immunfluoreszenz periläsioneller Haut zeigt in 100 % der Fälle eine lineare Komplement-3-Ablagerung entlang der dermo-epidermalen Junktionszone sowie in 30 % zusätzliche IgG-Ablagerungen. Mittels indirekter Immunfluoreszenz können zirkulierende IgG-Antikörper im Serum der Patientin je nach verwendeter Methode in 30–100 % der Fälle nachgewiesen werden. Y b a Abbildung 4: Pemphigoid gestationis. Pralle Blase (Pfeil) sowie ausgedehnte, in Abtrocknung befindliche Erosionen nach Platzen von Blasen an Brust und Abdomen mit charakteristischer Beteiligung der Periumbilikalregion (a). Histopathologie läsioneller Haut mit charakteristischer subepidermale Blasenbildung mit massenhaft Eosinophilen (HE, x 40) (b). Verlauf und fetale Prognose PG ist eine selbstlimitierte Erkrankung, die sich innerhalb von Wochen bis Monaten nach der Geburt rückbildet. Bei frühem Beginn während der Schwangerschaft kommt es im dritten Trimester meist zur Besserung, welcher aller- 51 Downloaded from cme.akademos.de by Martina Kunze on Thursday, April 9, 2015 Copyright © 2015 akademos Wissenschaftsverlag. All rights reserved dings in 75 % eine Exazerbation (»flare-up«) unmittelbar peripartal folgt. Sehr selten kommt es zu einem schweren, jahrelangen Verlauf. Exazerbation und Rezidive mit Menses oder oraler Antikonzeption (Kontraindikation!) sind jedoch häufig. Die kindliche Prognose ist prinzipiell benigne, sogenannte Small-for-Date-Babys und eine etwas erhöhte Frühgeburtlichkeit werden jedoch vermehrt beobachtet. Dies korreliert mit einem schwereren Krankheitsverlauf, charakterisiert durch einen frühen Krankheitsbeginn und Blasenbildung, und nicht, wie lange spekuliert, mit der oft wochenlang erforderlichen systemischen Kortikosteroidtherapie (Chi et al. 2009b). 52 Bei etwa 10 % der Neugeborenen treten infolge eines passiven maternalen Antikörpertransfers milde Hautmanifestationen auf, die jedoch innerhalb weniger Tage bis Wochen spontan abklingen. Therapie Ziel ist die Beherrschung des Juckreizes und die Prävention der Blasenbildung, wobei im präbullösen Stadium meist topische Kortikosteroide und orale Antihistaminika ausreichen. In schweren Fällen empfiehlt sich die systemische Kortikosteroidgabe (Prednisolon, initial meist 0,5–1 mg/kg/Tag), welche dann langsam reduziert wird. Auf eine rechtzeitige Dosiserhöhung zum Zeitpunkt der Geburt ist zu achten, um eine eventuelle peripartale Exazerbation abzufangen. Bei therapierefraktären Fällen können während der Schwangerschaft auch eine Immunapharese oder intravenöse Immunglobuline (IVIG) eingesetzt werden. Postpartal steht die gesamte Palette der immunsuppressiven Therapie zur Verfügung. Algorithmus zu Diagnostik und Management von Pruritus in der Schwangerschaft Juckreiz ist das Leitsymptom der Schwangerschaftsdermatosen, kann jedoch auch mit anderen Dermatosen vergesellschaftet sein, die zufällig mit der Schwangerschaft koinzidieren (z. B. Arznei- oder Kontaktreaktionen, Skabies, kutane Infektionen, Pityriasis rosea) und in einem ersten Schritt ausgeschlossen werden müssen. Im zweiten Schritt gilt es, die vier spezifischen Schwangerschaftsdermatosen zu unterscheiden, wobei die retrospektive Analyse eines großen Patientinnenkollektivs signifikante und differenzialdiagnostisch hilfreiche Unterschiede ergab, welche in einen Algorithmus eingearbeitet wurden (Ambros-Rudolph et al. 2006). Dieser soll das Management von Patientinnen mit Pruritus in der Schwangerschaft erleichtern und eine Information bezüglich Diagnose und potenziell assoziierter fetaler Risiken bereits bei der Erstvisite, noch vor dem Vorliegen beweisender diagnostischer Tests, ermöglichen (Abb. 5). Allgemeine Aspekte zur dermatologischen Therapie in der Schwangerschaft Topische Therapie Eine zentrale Stellung nimmt die stadiengerechte rückfettend-hydratisierende Basistherapie ein, wobei harnstoffhaltige (3–10 %) und antipruriginöse Zusätze (Menthol, Polidocanol) auch in der Schwangerschaft eingesetzt werden können. Zusätzliche Austrocknung der Haut durch Waschen, Baden und Duschen kann durch die Verwendung von milden, nichtalkalischen Seifen, rückfettenden Syndets, Dusch- und Badeölen verhindert werden. Während der Schwangerschaft können leichte (Gesicht, Intertrigines) bis mittelstarke (übrige Körperareale) topische Kortikosteroide eingesetzt werden, wobei den neueren, substituierten, nichtfluorierten Präparaten (Methylprednisolonaceponat, Momethasonfuorat) der Vorzug zu geben ist. Stark wirksame Kortikosteroide sollten in der Schwangerschaft nicht eingesetzt werden, da sie das Risiko für Striae distensae erhöhen. Mehrere rezente große Studien sowie ein Cochrane Review fanden hingegen kein erhöhtes Risiko für Malformationen (Lippen-Gaumen-Spalten eingeschlossen), teratogene Effekte oder eine erhöhte Frühgeburtlichkeit beim Einsatz topischer Kortikosteroide (Chi et al. 2009b, 2011). Lediglich nach der Verwendung von starken und sehr starken Kortikosteroiden – und hier auch nur bei Überschreiten einer Dosis von 300 g(!) – konnte eine Assoziation mit verringertem Geburtsgewicht beobachtet werden (Chi et al. 2013). Systemische Therapie Bei erforderlicher systemischer Kortikosteroidtherapie in der Schwangerschaft sollten für die dermatologische Therapie ebenfalls nichthalogenierte Glukokortikoide eingesetzt werden; in der Plazenta werden Kortisol und Prednisolon, nicht aber Betamethason und Dexamethason enzymatisch inaktiviert. Daher ist aus dermatologischer Sicht Prednisolon das Steroid der Wahl in der Schwangerschaft. Die übliche Anfangsdosis beträgt 0,5–2 mg/kg/Tag, je nach Art und Schwere der Erkrankung, als Erhaltungsdosis wird 0,1–0,5 mg/kg/Tag empfohlen. Im ersten Trimester sollte bei länger dauernder Anwendung die Erhaltungsdosis 10–15 mg/Tag nicht überschreiten, da sonst ein leicht erhöhtes Risiko für Gaumenspalten nicht auszuschließen ist (Schaefer et al. 2012). Zur Behandlung von Schwangerschaftsdermatosen werden Kortikosteroide üblicherweise nur als Kurzzeittherapie (< 4 Wochen) eingesetzt, wobei es normalerweise zu keinen Nebenwirkungen kommt. Bei selten erforderlicher, hochdosierter Behandlung über viele Wochen sollte das fetale Wachstum sonografisch beobachtet werden. Dauert diese Therapie bis zur Geburt, muss eine Nebennierenrindeninsuffizienz des Neugeborenen bedacht und gegebenenfalls behandelt werden. Sind in der Schwangerschaft systemische Antihistaminika erforderlich, so gelten die älteren Präparate aufgrund langer Ambros-Rudolph C. Dermatosen ... Gynakol Geburtsmed Gynakol Endokrinol 2015; 11(1): 46–57 publiziert 31.03.2015 www.akademos.de/gyn ©akademos Wissenschaftsverlag 2015 ISSN 1614-8533 Anwendungserfahrung als sicher, wobei Dimetinden und Clemastin wegen ihrer kurzen Halbwertszeit zu bevorzugen sind. Ist ein nichtsedierendes Mittel erforderlich, so ist während der gesamten Schwangerschaft wie auch während der Stillperiode Loratadin Mittel der ersten Wahl und Cetirizin Mittel der zweiten Wahl. In der topischen Therapie haben Antihistaminika keinen Stellenwert. Für besondere Fragestellungen sei auf die exzellenten Standardwerke zu diesem Thema in der deutschen (Schaefer et al. 2012) und englischen Literatur (Butler et al. 2014; Murase et al. 2014) verwiesen. Downloaded from cme.akademos.de by Martina Kunze on Thursday, April 9, 2015 Copyright © 2015 akademos Wissenschaftsverlag. All rights reserved Pruritus in der Schwangerschaft ohne Hautveränderungen mit Hautveränderungen schwangerschaftsunspezifisch schwangerschaftsspezifisch früher Beginn (< 3. Trimester) Stamm und Extremitäten beteiligt später Beginn (3. Trimester, postpartal) vor allem abdominale Beteiligung PEP koinzidierende Dermatose ICP AEP ausschließlich sekundäre Hautveränderungen (Exkoriationen/Prurigo) 20% exazerbierte AD 80% Erstmanifestation (E-Typ/P-Typ) papulo-urtikarielle Läsionen Beginn in Stirae distensae Nabelregion nicht beteiligt vesikulo-bullöse Läsionen auf urtikariellen Erythemen Beteiligung der Nabelregion IMF: unspezifisch IMF: unspezifisch IMF: unspezifisch IMF: lineare C3Ablagerung HE: unspezifisch HE: unspezifisch HE: unspezifisch HE: ± subepidermale Blase LAB: erhöhte Gallensäurewerte im Serum LAB: ± erhöhtes Gesamt-IgE LAB: unspezifisch LAB: positive indirekte IMF Frühgeburten, »fetal distress«, Totgeburten kein fetales Risiko kein fetales Risiko Ursodesoxycholsäure Steroide, Antihistaminika Steroide, Antihistaminika Abbildung 5: Algorithmus zu Diagnostik und Management von Pruritus in der Schwangerschaft (Ambros-Rudolph et al. 2006); ICP: intrahepatische Schwangerschaftscholestase; AEP: atopische PG Small-for-Date-Babys Steroide, Antihistaminika Schwangerschaftsdermatose; PEP: polymorphe Schwangerschaftsdermatose; PG: Pemphigoid gestationis; IMF: Immunfluoreszenz; HE: Histopathologie; LAB: Labor; AD: atopische Dermatitis; pp: post partum; DEJ: dermo-epidermale Junktionszone 53 Downloaded from cme.akademos.de by Martina Kunze on Thursday, April 9, 2015 Copyright © 2015 akademos Wissenschaftsverlag. All rights reserved Summary 54 Specific dermatoses of pregnancy Complex endocrinologic, immunologic, metabolic and vascular changes associated with pregnancy can lead to various skin manifestations which can be classified as physiologic skin changes, alterations in pre-existing skin diseases, and the specific dermatoses of pregnancy. This article focuses on the specific dermatoses of pregnancy which have been recently reclassified. Epidemiology and pathogenetic background, clinical presentation, diagnostic measures and therapy will be discussed for each entity and an algorithmic approach to the pregnant patient with pruritus will be presented. CME Prakt Fortbild Gynakol Geburtsmed Gynakol Endokrinol 2015; 11(1): 46–57 Keywords Specific dermatoses of pregnancy, atopic eruption of pregnancy, polymorphic eruption of pregnancy, intrahepatic cholestasis of pregnancy, pemphigoid gestationis Literaturverzeichnis Ambros-Rudolph CM, Vaughan-Jones SA, Müllegger RR, Kerl H, Black MM. The specific dermatoses of pregnancy revisited and reclassified. Results of a retrospective twocenter study on 505 pregnant patients. J Am Acad Dermatol 2006; 54(3): 395–404. Bacq Y, Sentilhes L, Reyes HB, Glantz A, Kondrackiene J, Binder T, Nicastri PL, Locatelli A, Floreani A, Hernandez I, Di Martino V. Efficacy of ursodeoxycholic acid in treating intrahepatic cholestasis of pregnancy: a meta-analysis. Gastroenterology 2012; 143(6):1492–501. Butler DC, Heller MM, Murase JE. Safety of dermatologic medications in pregnancy and lactation: Part II. Lactation. J Am Acad Dermatol 2014; 70(3): 417.e1–10. Chi CC, Wang SH, Charles-Holmes R, Ambros-Rudolph C, Powell J, Jenkins R, Black M, Wojnarowska F. Pemphigoid gestationis: early onset and blister formation are associated with adverse pregnancy outcomes. Br J Dermatol 2009a; 160(6): 1222–8. Chi CC, Lee CW, Wojnarowska F, Kirtschig G. Safety of topical corticosteroids in pregnancy. Cochrane Database Syst Rev 2009b: CD007346. 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Dr. Christina M. Ambros-Rudolph Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie Medizinische Universität Graz Auenbruggerplatz 8 A-8036 Graz Mozartpraxis Mozartgasse 4 A-8010 Graz Österreich Priv.-Doz. Dr. Christina Ambros-Rudolph studierte Humanmedizin in Graz, Parma und Oxford und absolvierte ihre Ausbildung zur Fachärztin für Dermatologie und Venerologie an der Univ.-Hautklinik der Medizinischen Universität Graz. Seit 2002 ist sie angestellte Fachärztin im Range einer Oberärztin mit Schwerpunkt Schwangerschaftsdermatosen. Sie durchlief Forschungsaufenthalte in London und USA. Im Jahre 2007 erfolgten Habilitation und Ernennung zur Privatdozentin. Sie etablierte und leitete eine Ambulanz für Schwangerschaftsdermatosen. Darüber hinaus war sie leitende Oberärztin in der Allgemeinambulanz der Univ.-Hautklinik Graz. Seit 2012 hat sie eine Privatordination mit Schwerpunkt Frauen- und Kinderdermatologie in Graz inne. Priv.-Doz. Dr. Christina Ambros-Rudolph schrieb zahlreiche Publikationen, Buchbeiträge und Bücher. Zudem besteht auch eine nationale und internationale Vortragstätigkeit zum Schwerpunktthema »Haut und Schwangerschaft«. Interessenkonflikt Die Autorin erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Commitee of Medical Journal Editors (ICMJE; www.icmje.org) besteht. Manuskriptdaten Datum der Einreichung: 27.01.2015 Datum der Annahme: 30.01.2015 55 CME-Fortbildung Dermatosen in der Schwangerschaft Downloaded from cme.akademos.de by Martina Kunze on Thursday, April 9, 2015 Copyright © 2015 akademos Wissenschaftsverlag. All rights reserved Frage 1 Welche Aussage trifft zu? Bei der Therapie der intrahepatischen Schwangerschaftscholestase gilt als Mittel der Wahl: a. S-Adenosylmethionin b. systemische Kortikosteroide mit 0,5 mg/kg/Tag c. Cholestyramin d. Ursodesoxycholsäure 1 g/Tag e. Antihistaminika der 1. Generation 56 Frage 2 Die polymorphe Schwangerschaftsdermatose ist assoziiert mit: a. Erstgebärenden und Mehrlingsschwangerschaften b. Haplotypen HLA-DR3 und -DR4 c. dominanter TH2-Immunantwort d. geringer mütterlicher Gewichtszunahme in der Schwangerschaft e. Mutation im MDR3(ABCB4)-Gen Frage 3 Zirkulierende IgG-Antikörper im Serum von Patientinnen mit Pemphigoid gestationis reagieren mit: a. Typ-VII-Kollagen b. bullösem Pemphigoid-Antigen 2 (BP 180) c. Desmocollin 1 d. _6`4-Integrin e. Laminin-5 Frage 4 Ein systemisches sedierendes Antihistaminikum ist bei einer Patientin in der 10. Schwangerschaftswoche erforderlich. Mittel der ersten Wahl wäre: a. Loratadin b. Dimetinden c. Cetirizin d. Desloratadin e. Fexofenadin Frage 5 Welche der Aussagen trifft nicht zu? Bei der polymorphen Schwangerschaftsdermatose können die folgenden morphologischen Veränderungen beobachtet werden: a. targetoide Veränderungen b. pralle Blasen c. Vesikel d. urtikarielle Papeln und Plaques e. ekzematöse Veränderungen Frage 6 Ein erhöhtes Früh- und Totgeburtenrisiko beobachtet man bei der folgenden Schwangerschaftsdermatose: a. trifft für keine Schwangerschaftsdermatose zu b. atopische Schwangerschaftsdermatose c. polymorphe Schwangerschaftsdermatose d. intrahepatische Schwangerschaftscholestase e. Pemphigoid gestationis Frage 7 Um das Risiko für Gaumenspaltenbildung unter systemischer Kortikosteroidtherapie im ersten Trimester so gering wie möglich zu halten, sollte die Erhaltungsdosis von Prednisolon bei Langzeittherapie den folgenden Maximalwert nicht überschreiten: a. 5–10 mg/Tag b. 10–15 mg/Tag c. 20 mg/Tag d. 30 mg/Tag e. 50 mg/Tag Frage 8 Die Diagnose einer intrahepatischen Schwangerschaftscholestase gilt als gesichert bei einer Erhöhung des/der folgenden Laborparameter(s): a. Transaminasen b. Gesamtgallensäuren im Serum c. Bilirubin auf das Doppelte des Normalwertes d. alkalische Phosphatase e. Gamma-Glutamyl-Transferase (GGT) Frage 9 Die Verdachtsdiagnose eines Pemphigoid gestationis wird durch den folgenden charakteristischen Befund bestätigt: a. erhöhte Gesamt-IgE-Werte im Serum b. Gesamtgallensäuren im Serum von > 10 μmol/l c. lineare Ablagerung von Komplement 3 entlang der dermo-epidermalen Junktionszone in der direkten Immunfluoreszenz d. pathologische Transaminasewerte und erhöhtes direktes Bilirubin e. direkte und indirekte Immunfluoreszenz sind obligat negativ Downloaded from cme.akademos.de by Martina Kunze on Thursday, April 9, 2015 Copyright © 2015 akademos Wissenschaftsverlag. All rights reserved Frage 10 Welche der folgenden Aussagen trifft nicht zu: a. Bei Mehrlingsschwangerschaften kann die polymorphe Schwangerschaftsdermatose ausnahmsweise auch bereits am Ende des zweiten Trimesters und bei Folgeschwangerschaften auftreten. b. Mit einer Inzidenz von 1 : 60.000 ist das Pemphigoid gestationis die seltenste der spezifischen Schwangerschaftsdermatosen. c. Die hormonellen Veränderungen in der Schwangerschaft haben keinerlei Einfluss auf das pigmentbildende und vaskuläre System, werden jedoch mit der Entwicklung von Striae distensae in Zusammenhang gebracht. d. Heftiger generalisierter Juckreiz ohne primäre Hautveränderungen in der Spätschwangerschaft ist das Leitsymptom der intrahepatischen Schwangerschaftscholestase. e. Im Gegensatz zu den übrigen Schwangerschaftsdermatosen manifestiert sich die atopische Schwangerschaftsdermatose deutlich früher, und die Hautveränderungen betreffen Extremitäten und Stamm gleichermaßen. Bitte geben Sie die Lösungen online ein unter www.akademos.de/gyn. Sofern Sie die erforderliche Anzahl an richtigen Antworten haben, erhalten Sie Ihre Fortbildungspunkte. Bei einer unzureichenden Punktzahl können Sie die Eingabe nach 24 Stunden wiederholen.
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