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VOLKSWIRTSCHAFT AKTUELL
23. April 2015
KANADISCHER DOLLAR ÜBERWINDET ÖLPREISSCHOCK
von Dr. Jörn Quitzau, Berenberg Volkswirt
Kanada gehört zu den Ländern, die vom Einbruch des Ölpreises
besonders stark betroffen sind. Mit seinen Ölsandvorkommen
gehört Kanada zu den ölreichsten Ländern der Welt. Die unkonventionelle Fördermethode ist allerdings teuer. Um die Produktionskosten decken zu können, ist ein Ölpreis von rund 80 USDollar je Barrel erforderlich. Der Preissturz von über 105 auf
unter 45 US-Dollar (Sorte WTI) binnen sechs Monaten hat die
kanadische Öl-Industrie folglich schwer getroffen. Die Investitionsfreude ist getrübt. Insbesondere in der Region Alberta sind
Entlassungen zu beklagen, der Fiskus verzeichnet Einnahmeverluste. Über den Ölpreis hinaus ist das Umfeld für Rohstoffe
insgesamt wenig erfreulich. So notiert der von uns verwendete
Rohstoff-Leitindex tiefer als beim Rohstoff-Kollaps im Anschluss an die Lehman-Pleite 2008 (Abbildung 1). Dass in einem
rohstoffreichen Land wie Kanada Fragen über die wirtschaftlichen Folgen aufkommen, ist deshalb kein Wunder.
rokurs noch stärker unter Druck gesetzt hat. Der Sinkflug des
Euro, der auch gegenüber dem Kanadischen Dollar klar erkennbar ist (Abbildung 2), wurde von den Kalamitäten der kanadischen Wirtschaft nur kurzzeitig unterbrochen.
Abbildung 1: Bloomberg Commodity Index ex AgrarerBloomberg Commodity Index
zeugnisse und Zuchttiere
Quelle: Bloomberg
in US-Dollar
ex Agrarerzeugnisse und Zuchttiere
400
400
350
350
300
300
250
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200
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150
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100
Dez 01
100
Dez 03
Dez 05
Dez 07
Dez 09
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Dez 13
Quelle: Bloomberg
Am Devisenmarkt ist der Kanadische Dollar („Loonie“) folgerichtig unter Druck geraten. Während der sechs Monate, in denen
der Ölpreis abstürzte, verlor die kanadische Währung gegenüber
dem US-Dollar knapp 15 % ihres Wertes. Dabei ist natürlich
auch ein Teil des Verlustes auf die Stärke des US-Dollars zurückzuführen. Gegenüber dem Euro ist der Druck, der zwischenzeitlich auf dem Loonie lastete, weniger klar zu erkennen, weil zur
gleichen Zeit die geldpolitische Lockerung der EZB den Eu-
in CAD
Abbildung 2: Wechselkurs
Wechselkurs
Euro/Kanadischer
Euro/Kanadischer
Dollar Dollar
1,6
1,6
1,5
1,5
1,4
1,4
1,3
1,3
1,2
Apr 10
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Apr 12
Apr 13
Apr 14
1,2
Apr 15
Inzwischen hat sich das Bild für die kanadische Währung aufgehellt. Das Schlimmste am Ölmarkt scheint vorbei zu sein. Auch
wenn die Preiszuwächse der jüngeren Vergangenheit noch nicht
nachhaltig sein müssen, scheint doch ein weiterer drastischer Fall
des Ölpreises unwahrscheinlich. Stephen Poloz, Gouverneur der
Bank of Canada, gab zuletzt deutliche Signale, dass die Zinssenkung im Januar ein einmaliger Schritt gewesen sein dürfte, der
offenbar ausgereicht hat, um die kanadische Konjunktur wieder
in Schwung zu bringen. Die Erwartung vieler Marktteilnehmer,
weitere Zinsschritte würden folgen, scheint nicht erfüllt zu werden. Nur einen einzigen Zinsschritt hat es in den vergangenen 20
Jahren nie gegeben. Der Verzicht auf weitere Zinssenkungen
bedeutet für den Kanadischen Dollar Rückenwind.
Die Einbußen aus dem Ölgeschäft kann Kanada auch dank der
guten US-Konjunktur kompensieren. Rund 75 % der kanadischen Exporte gehen in die USA, der Aufschwung im mit Abstand wichtigsten Abnehmerland strahlt positiv auf die kanadische Konjunktur ab. Der niedrigere Wechselkurs tut ein Übriges.
Die Bank of Canada macht in ihrem letzten Ausblick deutlich:
VOLKSWIRTSCHAFT AKTUELL
23. April 2015 ∙ Seite 2
Die kanadische Konjunktur fasst wieder Fuß. Für 2015 erwartet
die Zentralbank ein Wachstum von 1,9 %, für 2016 sogar 2,4 %.
Die Output-Lücke würde sich somit 2016 schließen, die kanadische Wirtschaft somit wieder ihr Potentialwachstum erreichen.
Während sich das Konjunkturbild aufhellt, wirft der Immobilienmarkt noch immer Fragen auf. Es besteht weiter die Gefahr,
dass der Immobilienmarkt zumindest in bestimmten Regionen
überhitzt. In Toronto und Vancouver sind die Preise seit 2009
um über 50% gestiegen. Während die Bank of Canada ein „soft
landing“ der Immobilienpreise erwartet, sehen Immobilienexperten und Immobilienmakler noch kein Ende des Preisbooms. Für
Toronto und Vancouver haben sie ihre Prognosen für dieses Jahr
sogar noch weiter angehoben. Eine leichte Abkühlung gibt es
lediglich außerhalb der Metropolen. Der gefallene Ölpreis und die
damit verbundenen schlechteren Einkommensperspektiven für
die Beschäftigten der Ölindustrie spielen dabei durchaus eine
Rolle.
Sollte es zu einer schärferen Korrektur der Häuserpreise kommen, könnte sich die inzwischen hohe Haushaltsverschuldung
(gut 160% des verfügbaren Einkommens) als Problem herausstellen. Konjunktur und Wechselkurs dürften in Mitleidenschaft
gezogen werden. Wahrscheinlich würde sich der Wechselkurs in
so einem Fall aber abrupt und ohne große Vorwarnung ändern.
Zwar wäre es wünschenswert, dass der Devisenmarkt die vom
Immobilienmarkt ausgehenden Risiken sukzessive einpreist, doch
die Realität sieht oft anders aus. Solange die Welt in Ordnung ist
(die Immobilienpreise also nicht einbrechen), blenden die Marktteilnehmer die Risiken nahezu vollständig aus. Sobald der Markt
aber ins Rutschen kommt – die Welt also in Unordnung gerät –,
werden die Risiken bzw. Probleme schlagartig eingepreist (sogenannte Multiple Gleichgewichte).
Der Kanadische Dollar dürfte somit sein inzwischen deutlich
gestiegenes Niveau gegenüber dem Euro vorerst halten. Zu beobachten bleiben die Situation am Ölmarkt, das Vorgehen der
Zentralbanken in Kanada und der Eurozone sowie die Entwicklung des kanadischen Immobilienmarktes.
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