01/2015 DER NEWSLETTER DER GRÜNEN ALTONA IN H A LT EDITORIAL ............................................................................................................................................................................................. 02 von Wolfgang Krechlok ARTIKEL 4 | MITGLIEDERBETEILIGUNG ....................................................... 10 Darauf kann man aufbauen ARTIKEL 8 | STADTENTWICKLUNG ........................................................................... 23 Ein Bunkerabriss und viele Pläne: Was passiert an der Ecke Gaußstraße/Barnerstraße? von Steffen Treske von Frank Steiner ARTIKEL 1 | BÜRGERSCHAFTSWAHL . ................................................................... 03 Altona ist weit vorn! von Filiz Demirel ARTIKEL 5 | WAHLRECHT ............................................................................................................................ 13 Wählen oder nicht wählen, das ist die Frage ARTIKEL 9 | ZUWANDERUNG von Filiz Demirel „Willkommenskultur“ – nicht nur ein Wort .......................................................................................................... 26 von Ingo Lembke ARTIKEL 2 | BÜRGERSCHAFTSWAHL .................................................................. 05 Bürgerschaftswahl: Wahlkreis Altona gewinnt am stärksten dazu von Anjes Tjarks ARTIKEL 6 | NATURSCHUTZ . ............................................................................................................. Daten zur Wahl .................................................................. 09 ARTIKEL 10 | DIE GÄRTNERIN Flächenkonkurrenz im Geestdorf ................................................................................ 21 Wohnungsbau ohne Milieuschutz – kann das gut gehen? von Benjamin Harders . ................................................................................................... 30 Stadtgrün und Artenvielfalt oder: Natur ist gar nicht so natürlich von Caroline Kouptsidis und Benjamin Harders ARTIKEL 7 | STADTENTWICKLUNG ARTIKEL 3 | BÜRGERSCHAFTSWAHL 17 von Bettina Schröder ZU GUTER LETZT… ...................................................................................................................................................... 33 E D ITO R IA L Inhalt W ieder liegt eine Wahl hinter uns, die dritte in kurzer Folge, diesmal die Wahl zur Hamburgischen Bürgerschaft. Wenn wir auch landesweit mit 12,3% der abgegebenen Stimmen ein gutes Ergebnis eingefahren haben und Stimmen dazugewannen, ließen die Umfragen vor der Wahl doch Hoffnungen zu, noch besser abzuschneiden. Das grüne Wählerpotenzial in dieser Stadt ist sicher noch nicht ausgeschöpft. Stolz sind wir natürlich auf die Ergebnisse in Altona. 36% des landesweiten Stimmenzuwachses der GRÜNEN gehen auf das Konto der beiden Altonaer Wahlkreise, was sicherlich auch auf die gute Arbeit unserer Kandidatinnen und Kandidaten in Altona zurückgeht und auf das große Engagement vieler Mitglieder. (Details in den Artikeln von Filiz Demirel und Anjes Tjarks). Der Kreisvorstand bedankt sich ausdrücklich bei allen, die dabei mitgeholfen haben, dieses gute Resultat zu erreichen. Bis zum nächsten Urnengang, der Bundestagswahl im September 2017, liegen nun 2½ Jahre wahlfreie Zeit vor uns, eine Zeit, die wir nutzen sollten, um zusammen die Arbeit des Kreisverbandes voranzubringen. Verbesserungspotenziale gibt es in vielen Aufgabenbereichen: Unter anderem sollten wir die Beteiligung möglichst vieler Mitglieder an der Arbeit und eine brei- 2 Editorial tere und intensivere Diskussion im Kreisverband anstreben. Wir sollten darüber nachdenken, wie Partei und Fraktion ihre Öffentlichkeitsarbeit intensivieren, ob wir eine Zusammenarbeit mit der SPD im Bezirk anstreben, was unsere Knackpunkte in Altona sind, die wir in der nächsten Zeit erreichen wollen. Wie gewinnen wir mehr Mitglieder? Und natürlich sollten wir auch eine Diskussion darüber beginnen, was unsere langfristigen Themen und Ziele als GRÜNE sind. Dazu brauchen wir Euch, die Mitglieder! Wir brauchen Eure Kreativität, Eure Kompetenz und Euer Engagement. Um unseren Kreisverband voranzubringen, werden wir Euch in nächster Zeit in vielfacher Weise ansprechen und Euch Angebote machen, wie Ihr Euch und Eure Fähigkeiten einbringen könnt. Aber jetzt wünscht Euch das Reaktionsteam erst mal viel Spaß beim Lesen der vorliegenden ALTINOVA. Wolfgang Krechlok, am 25.03.2015 ALTONA B Ü R G E R S C H A F TSWA H L Inhalt Artikel 1 F OTO: F L ICK R / R AS AN D E TY S K AR ALTONA IST WEIT VORN! ! Altona ist weit vorn! vom Filiz Demirel 3 B Ü R G E R S C H A F TSWA H L Inhalt Artikel 1 ALTONA IST WEIT VORN! ! L iebe Mitglieder, wir haben in den beiden Wahlkreisen in Altona sehr ansehnliche Wahlergebnisse erzielt. Wir möchten uns auch an dieser Stelle bei allen Spendern und aktiven Mitgliedern für ihren unermüdlichen Einsatz im Wahlkampf bedanken. Trotz der guten Ergebnisse schöpfen wir auch in unserem Bezirk unser Potenzial nicht aus. Wir müssen uns daher Gedanken machen, wie wir für die kommenden Wahlen u.a. mehr Mitglieder mobilisieren können. An dieser Stelle hakt es nämlich noch. Ein großes Problem war auch dieses Mal die Besetzung von Infoständen. Die Wahlbeteiligung bei dieser Bürgerschaftswahl betrug nur 56,5 Prozent und ist um 0,8 Prozentpunkte geringer als 2011. Es ist damit der niedrigste Wert seit 1949 und damit vorläufiger Höhepunkt eines stetigen Rückgangs seit 2001 bei Bürgerschaftswahlen. Wir sind gefordert uns Gedanken zu machen, wie wir bei den Menschen wieder mehr Interesse für Politik wecken und ihnen die Bedeutung der Wahlen vermitteln können. Das ist eher ein mittel- bis langfristiger Prozess und erfordert viele gute Ideen. Nächster Artikel: „Bürgerschaftswahl: Wahlkreis Altona gewinnt am stärksten dazu“ 4 Während die Koalitionsgespräche auf Landesebene noch laufen, müssen wir uns damit beschäftigen, wie die weitere Arbeit in der Bezirksversammlung gestaltet werden kann. Auf der nächsten Kreismitgliederversammlung am 21. April werden wir voraussichtlich eine Entscheidung treffen, ob wir mit der Altonaer SPD in Gespräche eintreten. Die inhaltliche Vorbereitung starten Vorstand und Fraktion diese Tage auf Basis der Wahlprogramme. Der Kreisvorstand geht am 29. März in Klausur, um die Tätigkeiten der kommenden Monate zu planen und Ziele zu definieren. Schon jetzt steht fest, dass wir daran arbeiten wollen, mehr Mitglieder in die Aktivitäten des Kreisverbandes einzubeziehen und Interessenten intensiver an die Partei zu binden. Der Klausurtag soll u.a. auch dazu dienen, in dieser Richtung neue Ideen zu entwickeln. Wir freuen uns auch auf neue frische aber auch gute alte Ideen Eurerseits! Gemeinsam sind wir stark und nur gemeinsam können wir für unsere Grünen Inhalte in Altona kämpfen! Euer Kreisvorstand B Ü R G E R S C H A F TSWA H L Inhalt Artikel 2 BÜRGERSCHAFTSWAHL: WAHLKREIS ALTONA GEWINNT AM STÄRKSTEN DAZU Bürgerschaftswahl: Wahlkreis Altona gewinnt am stärksten dazu von Anjes Tjarks 5 B Ü R G E R S C H A F TSWA H L D ie Ausgangssituation für diesen Wahlkampf war schwierig: Unser Hauptgegner war die SPD. Unser Ziel: Eine Koalition mit der SPD. Für die Wahlkampfstrategie befanden wir uns in einem Dilemma zwischen Kuscheln und Konfrontation. Die CDU bot von vorne herein keinerlei realistische Machtoption und fiel damit als Herausforderer der SPD aus. Die Gefahr, dass die SPD die absolute Mehrheit verteidigen könnte, war also keineswegs gering. Der schon totgeglaubten FDP gelang es mit ihrer professionellen und sicher nicht ganz billigen Wahlkampagne, sich wieder erfolgreich ins Gespräch zu bringen. Und mit der AfD drohten nach Schill auch wieder Rechtspopulisten in die Bürgerschaft einzuziehen. 6 Inhalt Artikel 2 BÜRGERSCHAFTSWAHL: WAHLKREIS ALTONA GEWINNT AM STÄRKSTEN DAZU Wahlkreis 03 Altona: In Hamburgs Grünen-Hochburg deutlich zugelegt Angesichts der Dominanz der SPD und des mit einer gewaltigen Kampagne begleiteten Überlebenskampfs der FDP mussten wir hart kämpfen, um medial in Erscheinung zu treten. Vor diesem Hintergrund war das Wahlergebnis von 12,3 % ein großer Erfolg. Insgesamt haben die Grünen in Hamburg 432.713 Stimmen über die Landesliste geholt - ein Plus von 48.211 Stimmen gegenüber 2011 (384.502 Stimmen). Wir haben einen Sitz dazu gewonnen Der Wahlkreis Altona hat wieder maßgeblich zu diesem Erfolg beigetragen: 25,6 % der Wahlkreisstimmen und 21,9 % der Landeslistenstimmen sind das beste grüne Ergebnis im Vergleich zu allen anderen Wahlkreisen. Wir sind zweitstärkste Kraft geblieben vor der Linken mit 17,7 % und der CDU mit 8,6 %. Nach 16,8 % 2008 und 17,6 % 2011 konnten wir unser Ergebnis um satte 4,3 Prozentpunkte auf 21,9 % steigern. Insgesamt haben die Grünen in Hamburg 432.713 Stimmen über die Landesliste geholt. 2011 waren es 384.502 Stimmen. Das ist ein Plus von 48.211 Stimmen. Im Wahlkreis 03 konnten wir unser Ergebnis von 49.619 auf 61.706 erhöhen. Das ist ein Plus von 12.087 Stimmen. Damit haben wir sowohl prozentual und absolut im Wahlkreis Altona mit Abstand am stärksten zugelegt und in einem von 17 Wahlkreisen rund 25 Prozent zum gesamten Zuwachs beigetragen. Das ist eine wichtige Erkenntnis für zukünftige Wahlen: In unserer Hochburg wachsen wir am stärksten. Auffällig ist auch das Ergebnis der SPD als unserem Haupt- und schicken nun 15 Abgeordnete in die Bürgerschaft. gegner in diesem Wahlkampf: Mit 37,2 % hat sie in Altona das B Ü R G E R S C H A F TSWA H L schwächste Wahlkreisergebnis geholt. Nirgends hat sie so stark – nämlich um 8,4 Prozent – verloren wie hier. Persönlich habe ich mich sehr gefreut, dass ich 34.537 Stimmen holen konnte. Das sind 12,4 % und das beste Personenergebnis im Wahlkreis vor Gabriele Dobusch (11,3) und Arno Münster (6,8) beide SPD. Dass ich sogar mehr Stimmen ziehen konnte als unsere bisherige Spitzenkandidatin und ehemalige Zweite Bürgermeisterin Christa Goetsch – sie hat 2011 30.629 Stimmen geholt – empfinde ich als großen Vertrauensbeweis der Altonaerinnen und Altonaer. Erfolgreich waren wir aber, weil wir eine interessante Wahlkreisliste für möglichst viele Wählerinnen und Wähler aufgestellt haben: Mareike Engels als Spitzenkandidatin der Grünen Jugend, unser Stadtentwicklungsexperte Christian Trede, unser Migrations- und Sozialpolitiker Yusuf Uzundag, unser ehemaliges LaVo-Mitglied Peer Kaeding und die erfahrene Christa Müller. Dieser gute Mix an Schwerpunktthemen, Altersgruppen und unterschiedlichen politischen Hintergründen war sicher ein wichtiges Erfolgsgeheimnis. Und vor allem das persönliche Engagement, das die Kandidatinnen und Kandidaten und viele Mitglieder bei diesem Wahlkampf gezeigt haben. Inhalt BÜRGERSCHAFTSWAHL: WAHLKREIS ALTONA GEWINNT AM STÄRKSTEN DAZU Stimmen (11,7 %) über die Wahlkreisliste geholt. Auch hier haben wir uns damit nach 9,6 % 2011 um 2,1 Prozentpunkte gesteigert. Hier sind wir weiterhin viertstärkste Kraft. Unsere Bürgerschaftsabgeordnete Filiz Demirel hat hier mit 15.011 Stimmen (5,7 %) eines der Direktmandate geholt. Auch hier hatten wir mit unserem Pastor im Ruhestand Ingo Lemke, der jungen Linda Heitmann und dem erfahrenen Michael Klanck einen bunten Mix aus unterschiedlichen Berufen, Schwerpunkten und Altersklassen. Wahlkreis 04 Blankenese: Auch in schwierigeren Stadtteilen dazu gewonnen Landesliste: Altonaer Grüne weit vorne Auch auf der Landesliste konnten die Altonaer Grünen punkten: Ich konnte auf der Landesliste 8.268 Stimmen holen und wurde damit von Platz 8 auf Platz 3 knapp hinter Jens Kerstan (8.918) hochgewählt. Mareike Engels hat mit 4.192 Stimmen den Einzug in die Bürgerschaft über die Landesliste leider knapp verpasst. Nach den Kandidatinnen und Kandidaten, die über Wahlkreise eingezogen sind, hat sie das zweitbeste Ergebnis erzielt. Das ist das Ergebnis einer tollen Kampagne und unzähligen Wahlkampfterminen, die sie insbesondere als Kandidatin der Grünen Jugend wahrgenommen hat. Im schwierigeren Wahlkreis 04 mit Blankenese, Lurup etc. haben wir 26.617 Stimmen (10,0 %) über die Landesliste und 30.922 Nur Nebahat Güclü hat mehr Stimmen (5.624) erhalten. Offensichtlich konnte sie von der für die Gesamtpartei eher ungün- 7 Artikel 2 B Ü R G E R S C H A F TSWA H L stige Berichterstattung über ihren umstrittenen Auftritt profitieren und wurde von Platz 25 in die Bürgerschaft gewählt. Ob sie Mitglied der Grünen Bürgerschaftsfraktion wird, darüber werden wir sicher noch einige Diskussionen führen müssen. Fazit Wir haben in Altona insgesamt einen sehr erfolgreichen Wahlkampf hingelegt. Das Ergebnis ist besser als zu erwarten war. Es ist uns offensichtlich gelungen, ohne Wechselstimmung den Mehrwert zu verdeutlichen, den eine grüne Regierungsbeteiligung bedeutet. Und wir konnten dem medialen Hype um Scholz und Suding trotzen. Das lag wahrscheinlich weniger an unserer Kampagne, die inhaltlich eher schwach war und deren Kopfplakate ausgesprochen unnatürlich wirkten. Dennoch: Alle Wahlziele wurden erreicht. Hier haben wir sicher von unserer politischen Wählerschaft profitiert, die zwar immer kritisch bleibt, aber sich nicht allzu sehr von medialen Hypes beeinflussen lässt. Nächstes Thema: „Daten zur Wahl“ 8 Inhalt Artikel 2 BÜRGERSCHAFTSWAHL: WAHLKREIS ALTONA GEWINNT AM STÄRKSTEN DAZU Gefahrengebiete und Flüchtlingspolitik haben die Altonaer nicht so schnell vergessen, wie die SPD es gerne gehabt hätte. Wir haben uns dazu entschieden, Koalitionsverhandlungen zu führen. Aber es ist klar, dass dies keine einfachen Verhandlungen sind. Die SPD hat die absolute Mehrheit nur knapp verpasst und sie hat mit der FDP und Neuwahlen durchaus ernstzunehmende Alternativoptionen. Nach dem anstrengenden Wahlkampf wird es nicht entspannter. Für zukünftige Wahlkämpfe müssen wir berücksichtigen, dass wir gerade in unserer Hochburg Altona zulegen konnten. Dabei konnten wir nicht nur von einer geringeren Wahlbeteiligung profitieren und unsere bisherigen Wählerinnen und Wähler mobilisieren, sondern es ist uns auch gelungen, in absoluten Zahlen zuzulegen. Dass dieser Wahlkampf so erfolgreich gelaufen ist, ist eine tolle Teamleistung. Ich danke allen, die dazu beigetragen haben. B Ü R G E R S C H A F TSWA H L Inhalt Artikel 3 DATEN ZUR WAHL DATEN ZUR WAHL WAHLKREIS 03 - ALTONA WAHLKREIS 04 - BLANKENESE ERGEBNIS DER BÜRGERSCHAFTSWAHL 2015 IM WAHLKREIS 3 – ALTONA: LANDESSTIMMEN 2015 ERGEBNIS DER BÜRGERSCHAFTSWAHL 2015 IM WAHLKREIS 4 – BLANKENESE: LANDESSTIMMEN 2015 SPD CDU DIE LINKE FDP GRÜNE AFD ÜBRIGE SPD CDU DIE LINKE FDP GRÜNE AFD ÜBRIGE 37,2 8,6 17,7 6,0 21,9 3,0 5,6 44,3 18,9 5,5 12,5 10,0 6,0 2,8 WAHLKREIS 3- ALTONA: WAHLKREISSTIMMEN 2015 IN % WAHLKREIS 4- BLANKENESE: WAHLKREISSTIMMEN 2015 IN % SPD CDU DIE LINKE FDP GRÜNE AFD ÜBRIGE 30,9 10,5 18,9 5,5 25,6 2,8 5,8 WAHLBETEILIGUNG: 61,3 % SPD CDU DIE LINKE FDP GRÜNE AFD ÜBRIGE 37,5 22,0 6,5 13,7 11,7 5,9 2,7 WAHLBETEILIGUNG: 60,3 % PERSONENSTIMMEN IM WAHLKREIS 3 PERSONENSTIMMEN IM WAHLKREIS 4 NAME STIMMEN % NAME STIMMEN % Tjarks Dr., Anjes 34.537 12,4 Demirel, Phyliss 15.011 5,7 Engels, Mareike 9.128 3,3 Klanck, Michael 3.993 1,5 Müller, Christa 5.235 1,9 Heitmann, Linda 5.217 2,0 Kaeding, Peer 6.332 2,3 Lembke Dr., Ingo 6.701 2,5 Uzundag, Yusuf 7.597 2,7 Christian Trede 8.667 3,1 Weitere Informationen zur Wahl beim Statistikamt Nord. www.statistik-nord.de/wahlen/wahlen-in-hamburg/buergerschaftswahlen/2015-1/#c4475 9 N E U A B F U A N A M N N A K F DARAU as von Steffen Treske 10 n o t l A N E N Ü R G Wi e b e g l e i t e n d i e ? n e g r o m d n u e t B a u p ro j e k t e h e u Inhalt Artikel 4 DARAUF KANN MAN AUFBAUEN F OTO: F L ICK R / R AS AN D E TY S K AR G N U IG IL E T E B R E D IE L G M IT G N U IG IL E T E B R E D IE L G M IT Z eise-Parkplatz, Spritzenplatz und Mamma Mia, Ende letzten Jahres beschäftigte kaum ein Thema die Altonaer Bürger so sehr wie die großen Bauprojekte, die das Stadtbild im Kerngebiet in den nächsten Jahren massiv verändern werden. Und unter das Unbehagen, das jede Veränderung erst einmal mit sich bringt, mischte sich eine ohnmächtige Wut darüber, dass die Politik scheinbar über die Köpfe der Menschen hinweg folgenschwere Entscheidungen trifft, ohne die Bürger angemessen zu informieren oder im Vorfeld in die Abläufe einzubinden. Im Falle der Bebauung des Zeise-Parkplatzes brach sich dieser Unmut Bahn in der Gründung einer Initiative mit dem Namen Pro Wohnen Ottensen, die sich massiv gegen die Ansiedlung von Gewerbe und für eine zwischenzeitlich geplante Wohnbebauung einsetzt. Die Vorgeschichte und Hintergründe dieser Baumaßnahme hat Christian Trede in ALTINOVA 2/2014 detailliert dargestellt. Was passiert da eigentlich? Doch nicht nur Altonas Bürger murren angesichts des Vorgehens der Politik, auch die Mitglieder der GRÜNEN Partei fühlten sich 11 Inhalt Artikel 4 DARAUF KANN MAN AUFBAUEN uninformiert und angesichts der rasanten Entwicklungen übergangen. Auf einer Kreismitgliederversammlung Anfang Dezember wurden spontan zahlreiche Stimmen laut, die von unserer Bezirksfraktion wissen wollten, was denn da nun eigentlich passiert. Und in wie weit die GRÜNEN hier eigentlich Einfluss nehmen. Nehmen können. Nehmen wollen. Christian Trede wurde als Fachsprecher unvorbereitet überfallen und musste in der rastlosen Hektik und Zeitnot, die Mitgliederversammlungen so oft auszeichnet, aus dem Stegreif aktuelle Sachstände referieren, für eine inhaltliche Auseinandersetzung blieb jedoch keine Gelegenheit. Eine Themenwerkstatt als Auftakt Dieser deutliche Wunsch nach Information und Einbindung der Mitglieder sollte jedoch aufgegriffen werden. Am 19. Januar fand eine Grüne Themenwerkstatt mit dem schlichten Titel Bauprojekte in Altona statt, bei der Gesche Boehlich als Fraktionsvorsitzende und Christian Trede als baupolitischer Sprecher eingeladen waren, um die Mitglieder zum aktuellen Stand geplanter Bauprojekte in Altona zu informieren. Die Themenwerkstatt hatte G N U IG IL E T E B R E D IE L G M IT sich große Ziele gesetzt: Die Grünen Zielvorstellungen aus dem Bezirkswahlprogramm sollten an der Praxis der konkreten Bauvorhaben gemessen, unsere Vorstellung von der baulichen Entwicklung des Kerns von Altona in den nächsten Jahren diskutiert werden. Schließlich stand die Frage auf dem Programm, wie der Prozess in der Partei, aber auch unter Einbeziehung von Bürgern und Initiativen weiter gestaltet werden soll. Während der gut besuchten Veranstaltung wurde schnell klar, dass dies nicht an einem Abend zu leisten ist. Den fast 30 Teilnehmern wurden im Schnelldurchlauf 18 aktuelle Bauprojekte unterschiedlichsten Planungsstands vorgestellt, viel wurde be- Nächster Artikel: „Altona ist weit vorn!“ 12 richtet über Rechts- und Verwaltungsnormen, Bebauungspläne, Planfeststellungsverfahren und Bauvorbescheide. Die intensive Diskussion einzelner Projekte oder ein übergeordneter Austausch über die grundsätzlichen Vorstellungen GRÜNER Stadtentwicklung blieben jedoch erneut auf der Strecke. In der Debatte wurden sich unsere Mitglieder und Abgeordneten jedoch schnell einig, dass dieses Thema in Zukunft intensiver und regelmäßig in größerer Runde diskutiert werden solle. Jetzt, nachdem die Last des Wahlkampfs hinter uns liegt, ist es an der Zeit, das nächste Kapitel anzugehen. Der Kreisvorstand bemüht sich bereits um einen weiteren Termin, die Einladung sollte euch bald zugehen. Lasst uns am Ball bleiben. Inhalt Artikel 4 DARAUF KANN MAN AUFBAUEN WA H L R EC H T Wählen oder nicht wählen, das ist die Frage von Filiz Demirel 13 Inhalt Artikel 5 WÄHLEN ODER NICHT WÄHLEN, DAS IST DIE FRAGE WA H L R EC H T Inhalt WÄHLEN ODER NICHT WÄHLEN, DAS IST DIE FRAGE D ie Wahlbeteiligung bei dieser Bürgerschaftswahl war mit nur 56,5 Prozent der niedrigste Wert seit 1949. Das ist ein Trend, der auch bei Bundestagswahlen zu beobachten ist. Immer weniger Menschen gehen wählen. Die Gründe dafür sind unterschiedlich: einige denken, dass sie gerade bei dieser Wahl die Mehrheiten in Hamburg nicht ändern können, einigen ist es gleich, wer regiert, mit der Begründung: „Es würde sich für sie sowieso nichts ändern etc.“ Es gibt auch Nicht-WählerInnen aus Protest, die ihre Politikverdrossenheit auf diesem Wege kundtun. Und es gibt Menschen, die überhaupt kein Interesse an der Politik und den Wahlen haben. Wir müssen künftig gezielt daran arbeiten, dass Politik konkreter und nachvollziehbarer wird, gerade auch für junge Menschen. 14 Artikel 5 Darüber hinaus gibt es eine große Gruppe von Menschen in Hamburg und in Deutschland, die nicht wählen darf: Migrantinnen und Migranten, die aus Nicht-EU-Staaten kommen, dürfen in Deutschland weder auf Bezirks- noch auf Landesebene wählen. Wenn wir aber Integration als gleichberechtigte Teilhabe auf allen Ebenen definieren, wozu natürlich auch die politische Parti- nale Wahlrecht zusteht, dürfen Menschen aus Nicht-EU-Ländern, die seit 20 oder 30 Jahren hier leben, nicht mitbestimmen, wenn es um die Angelegenheiten ihrer Kommune geht. Dafür gibt es keine vernünftige Erklärung! Der Ausschluss dieses Personenkreises vom kommunalen Wahlrecht stellt eine Diskriminierung bei der Ausübung der politischen Rechte dar und führt zu sozialen und gesellschaftlichen Problemen. Es ist an der Zeit, die Benachteiligung von Drittstaatsangehörigen beim Wahlrecht aus dem Weg zu räumen. Es ist schon fast 25 Jahre her, dass das Bundesverfassungsgericht zum staatlichen und kommunalen Wahlrecht ein Urteil gesprochen hat, das das Wahlrecht an die deutsche Staatsbürgerschaft koppelt. Zwei Jahre nach dem Urteil war diese Rechtsprechung schon überholt: Angestoßen durch das Europarecht änderte der Bundestag Artikel 28 des Grundgesetzes und führte das kommunale Wahlrecht für EU-BürgerInnen ein. Kurz darauf folgte das Wahlrecht für die Wahlen zum Europaparlament. Die Änderung von Artikel 28 Grundgesetz bedeutete eine Kehrtwende im deutschen Wahlrecht: Seitdem ist das Wahlrecht zipation gehört, läuft hier einiges schief. Während den EU-BürgerInnen nach dreimonatigem Aufenthalt in Hamburg das kommu- in Deutschland nicht mehr an die deutsche Staatsangehörigkeit gebunden, sondern an den ständigen Wohnsitz. Ob jemand wahl- WA H L R EC H T Inhalt WÄHLEN ODER NICHT WÄHLEN, DAS IST DIE FRAGE berechtigt ist, richtet sich nicht mehr nach der Staatsangehörigkeit, sondern es richtet sich – zumindest bei EU-BürgerInnen – ganz einfach danach, ob sie ihren Wohnsitz in Deutschland haben. Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit aus Nicht-EU-Ländern wurde dieses Recht aber bislang nicht eingeräumt. Dieser Teil unserer Bevölkerung ist also von der politischen Teilhabe ausgeschlossen. Durch dieses Demokratiedefizit dürfen Millionen Menschen in Deutschland nicht dort wählen, wo sie leben. Das können wir nicht länger hinnehmen! Es kann nicht sein, dass Menschen, die seit Jahren oder Jahrzehnten hier leben, zum Wohlstand beitragen, ihre Steuern zahlen, ihre Kinder und Enkelkinder in die Schulen schicken und zur Mitwirkung an Staat und Gesellschaft aufgerufen werden, keinerlei Einfluss auf die Entscheidungen haben, die ihr Lebensumfeld, ihre Bezirke und ihre Einrichtungen prägen! In vielen europäischen Ländern ist das kommunale Wahlrecht eine Selbstverständlichkeit, so in Estland, Finnland, Luxemburg, Schweden, Irland, Dänemark, Belgien und den Niederlanden. Die dert, auch Bürgerinnen und Bürgern aus Nicht-EU-Ländern das kommunale Wahlrecht einzuräumen. Viele zivilgesellschaftliche Organisationen und Verbände unterstützen diese Forderung. Wir haben 2013 einen Antrag zum Kommunalen Wahlrecht für Nicht-EU-Bürgerinnen und Bürger in der Bürgerschaft eingebracht. Mit diesem Antrag forderten die Grünen den Senat auf, die Möglichkeit der Ausweitung des Wahlrechts auf Nicht-EUBürgerInnen zu den Bezirksversammlungen zu prüfen und eine landesverfassungsgesetzliche Regelung vorzulegen. Parallel sollte eine Bundesratsinitiative mit anderen Bundesländern wie Schleswig-Holstein und Bremen angestoßen werden. Unser Antrag wurde in den Innenausschuss überwiesen und dort mit den Stimmen von SPD und CDU beerdigt. Die SPD begründete ihre Ablehnung damit, dass das Thema kommunales Wahlrecht bei den Koalitionsgesprächen auf Bundesebene mit der CDU in 2013 kein Thema gewesen sei und daher keine Chance zur Umsetzung habe. Wir Grünen bleiben dennoch bei unserer Position. Wir betrach- Europäische Kommission, das Europäische Parlament, der Ausschuss der Regionen haben in vielen Beschlüssen dazu aufgefor- ten das kommunale Wahlrecht für Alle als ein Grundrecht zur demokratischen Teilhabe und werden weiter für die Umsetzung des 15 Artikel 5 WA H L R EC H T Inhalt WÄHLEN ODER NICHT WÄHLEN, DAS IST DIE FRAGE kommunalen Wahlrechts kämpfen. Daher ist dieser Punkt auch aktuell Gegenstand unserer Koalitionsgespräche mit der SPD auf Bürgerschaftsebene. Denn es gibt keine richtige Demokratie ohne Wahlrecht! Um das deutlicher zu machen, möchte ich einen kleinen Dialog mit Euch teilen, den ich bei den Bürgerschaftswahlen 2011 erlebte: Bei den Wahlen 2011 habe ich meine Nachbarin, die sechs Monate zuvor aus Portugal nach Hamburg kam, um hier zu arbeiten, im Wahllokal getroffen. Sie durfte bei den Bezirksversammlungswahlen mitwählen. Auf dem Rückweg sah ich meinen Nachbarn aus der Türkei vor dem Bäckerei und habe ihn angesprochen, ob er wählen war. Das war wohl die falsche Frage! Daraufhin hat er ein langes Referat gehalten, dass er jetzt schon weit über 30 Jahren hier lebt, seine Enkelkinder in die Schule gehen und er es unmöglich findet, nicht mal bei den Bezirkswahlen mitwählen zu dürfen. Da hat er Recht! Und er sagte weiter: „Ich werde hier als Bürger zweiter Klasse behandelt! Was tun Sie, Politikerinnen und Politiker, um diesen Missstand aus dem Weg zu schaffen? Wa- ger als viele EU-BürgerInnen in diesem Land! Sogar länger als die Bundeskanzlerin! Und ich habe doch dieses Land mit aufgebaut, mit meinen Steuern werden hier die Straßen saniert, Schulen gebaut. Warum muss ich mich unbedingt einbürgern lassen, um hier vor Ort mit entscheiden zu dürfen?“ Es hat nicht viel geholfen, ihm die Grünen Grundsätze in dieser Frage zu erläutern und auf die Bundesgesetzgebung zu verweisen. Und von der Haltung der konservativen Parteien im Bundestag wollte er erst recht nichts wissen. Für ihn war es eine Frage der Gerechtigkeit! Ich habe ihm 2013 von unserem Antrag berichtet. Er schaute mich an und sagte: „Lieber spät als nie, Frau Demirel.“ Richtig! Lieber spät als nie! An dieser Stelle möchte ich Willy Brandt zitieren. Er sagte über die parlamentarische Demokratie: „Solche demokratische Ordnung braucht außerordentliche Geduld im Zuhören und außerordentliche Anstrengung, sich gegenseitig zu verstehen. Wir wollen mehr Demokratie wagen. Wir werden unsere Arbeitsweisen öffnen“. rum hat ein EU-Bürger mehr Rechte als ich? Ich wohne doch län- Lieber spät als nie… Nächster Artikel: „Flächenkonkurrenz im Geestdorf“ 16 Artikel 5 N AT U R S C H U T Z Inhalt FLÄCHENKONKURRENZ IM GEESTDORF Flächenkonkurrenz im Geestdorf von Caroline Kouptsidis und Benjamin Harders 17 Artikel 6 N AT U R S C H U T Z L andwirtschaft in Sülldorf und Rissen hat eine lange Tradition. Um 1790 wurde eine Landreform umgesetzt und einzelne Felder den Höfen zugeteilt. Knicks – auch Wallhecken genannt – wurden angelegt, um Grundstücke und Koppeln voneinander abzugrenzen und Erosion zu stoppen. Die Böden waren überwiegend karg, in Rissen geprägt von eiszeitlichen Sanden, in Sülldorf etwas lehmiger und entlang der Wedeler Au bisweilen versumpft. Die Heugewinnung gestaltete sich schwierig. Um das Vieh mit besserem Futter zu versorgen, wurde zusätzlich saftiges Gras auf den nahe gelegenen Elbwiesen gewonnen. Die produzierten Lebensmittel wurden überwiegend nach Hamburg geliefert. Landwirtschaft im Wandel Im 20. Jahrhundert wuchs die Bevölkerung in Sülldorf und Rissen von 1.156 auf 22.920 (aktuell: 24.152). Durch diese Zunahme änderten sich die Bedingungen für die Landwirtschaft grundlegend. Immer mehr landwirtschaftliche Flächen wurden an Investoren verkauft und in Bauland umgewandelt. 1985 gründete sich der Verein „Erhaltet Sülldorf – das letzte Geestdorf in Hamburg e.V.“, um Bausünden wie in Rissen zu verhindern und die Freiflächen in der Feldmark zu erhalten. Allein in den vergangenen 20 Jahren ging die landwirtschaftlich genutzte Fläche in Hamburg um 15 % zurück. 18 Inhalt Artikel 6 FLÄCHENKONKURRENZ IM GEESTDORF Die Landwirtschaftspolitik in der EU führte dazu, dass die Preise für Lebensmittel immer weiter sanken, zu stark für die meisten der kleinen Bauernhöfe, um wettbewerbsfähig bleiben zu können. Alternativen mussten her. Ein Sülldorfer Bauernhof stellte ab 1984 erfolgreich auf Biolandwirtschaft um und eröffnete einen Bioladen. Mittlerweile ist die Konkurrenz auch in diesem Bereich so groß geworden, dass der Hofladen kürzlich an einen Großhändler verpachtet wurde. Sülldorf heute: Wohnraum für Pferde Landwirtschaft bedeutete lange Zeit Vielfalt. Doch das ist vorbei. In der Rissen-Sülldorfer-Feldmark gibt es heute im Wesentlichen nur noch sieben Pferdepensionsbetriebe, zwei Milchviehbetriebe und eine Baumschule. Die Zahl der in der Feldmark in Pferdepensionen gehaltenen Pferde liegt mittlerweile bei rund 1000 Tieren. Ein ganzer Wirtschaftszweig ist entstanden: Die eigenen – und zusätzlich von der Stadt gepachteten – Flächen werden für die Pferdehaltung und die Produktion von Heu genutzt. Immer neue Gebäude, Reithallen, Longierzirkel und Pferdeboxen werden gebaut, denn landwirtschaftliche Betriebe profitieren von einem privilegierten Baurecht. Die Konkurrenz zwischen den Höfen, das beste Angebot für die Unterbringung von Pferden bereitzustel- N AT U R S C H U T Z len, nimmt zu. Manche Hofbesitzer stellen ihre Leistungen den zu diesem Zwecke gegründeten gemeinnützigen Reitvereinen in Rechnung, welche wiederum Mitgliedsbeiträge steuerfrei kassieren können. Eine All-Inclusive-Unterbringung eines Pferdes kann schon mal bis zu 500 Euro pro Monat kosten. Fauna und Flora leiden unter einseitiger Nutzung Der Flächendruck durch Bebauung und die ausschließliche Pferdehaltung hat negative Folgen für die Natur. Vom Aussterben bedrohte Wiesenvögel finden zunehmend keine geeigneten Brutplätze. Einseitige Landwirtschaft reduziert auch die Vielfalt an Tieren und Pflanzen. Der Storch nistet schon lange nicht mehr in Sülldorf. Die Zahl der brütenden Kiebitze ist in 22 Jahren um 76 % zurückgegangen. Offene Böden auf den Weiden durch einen zu hohen Pferdebesatz begünstigen die Ausbreitung von Greiskräutern, die angereichert im Heu vor allem für Pferde leberschädigend und giftig sind. Heuernten müssen dann sogar auf Steuerzahlerkosten entsorgt werden. Inhalt FLÄCHENKONKURRENZ IM GEESTDORF als landwirtschaftlicher Betrieb zu behalten, um u.a. EU-Flächenprämien in Anspruch nehmen zu können. Eine Pferdepension ist eigentlich eine gewerbliche Dienstleistung, gilt aber als landwirtschaftlicher Betrieb, wenn der Großteil des Pferdefutters auf den selbst bewirtschafteten Flächen erzeugt werden kann. Für die landwirtschaftlichen Pferdepensionsbetriebe ist es angesichts von Wachstumsplänen wichtig, über mehr Flächen zu verfügen. Das bringt uns zurück zu dem Kernproblem: die Flächenkonkurrenz. Die Flächen in der Rissen-Sülldorfer-Feldmark sind als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen und zu mehr als einem Drittel in städtischem Eigentum. Sie sind zu großem Teil an die Landwirte verpachtet und werden von ihnen auch bewirtschaftet. Gewerbe im Landschaftsschutzgebiet? Für die Betriebe in der Feldmark gibt es einen Zielkonflikt: Einer- Altona braucht Ausgleichsflächen Nur 8,3 % der Gesamtfläche sind als Biotope oder Kompensation für Flächenversiegelung durch Bebauung im Bezirk Altona festgesetzt. Diese Ausgleichsflächen sollen extensiv bewirtschaftet werden, weil sie mit Rücksicht auf die Brutsaison erst nach dem 15. Juni gemäht und grundsätzlich nur mit einzelnen Rindern statt mit Pferden beweidet werden dürfen. Außerdem darf dort nicht gespritzt werden und nur in Ausnahmefällen Stallmist ausgebracht werden. Hierfür gibt es seits ist es wichtig, durch die Möglichkeit zu Wachstum wettbewerbsfähig zu bleiben, andererseits ist es erforderlich, den Status von der Stadt Hamburg auf Basis einer Vollkostenrechnung festgelegte Entschädigungen in Höhe von 420 bis 650 Euro pro Hektar. 19 Artikel 6 N AT U R S C H U T Z Inhalt FLÄCHENKONKURRENZ IM GEESTDORF Ein Bebauungsplan soll‘s richten Seit dem Jahr 2000 arbeitet das Bezirksamt Altona an einer Planung, um die wertvolle Kulturlandschaft in Rissen und Sülldorf für Landwirtschaft, Natur, Naherholung und Ausgleichsflächen gleichermaßen durch einen Bebauungsplan zu sichern. Der Bebauungsplan soll durch die Festsetzung verbindlicher Baugrenzen den unkontrollierten Bau weiterer Gebäude und die Entstehung ungewollter Gewerbebetriebe mitten in der Feldmark beschränken. In der aktuellen Planung werden den vorhanden Betrieben durch eine Baugrenzenerweiterung bereits beträchtliche Entwicklungsmöglichkeiten eingeräumt. Im Gegenzug sollen Naturräume in der Feldmark besser geschützt werden. Es ist geplant, Ausgleichsflächen zusammenzulegen und den Biotopverbund zu stärken. Feuchte Wiesen im Bereich der Wedeler Au sollen dem Schutz der Wiesenbrüter vorbehalten sein. Dies kann allerdings nur in einer guten Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft gelingen. Für guten Naturschutz ist die extensive landwirtschaftliche Bewirtschaftung von großer Bedeutung. Nächster Artikel: „Wohnungsbau ohne Milieuschutz – kann das gut gehen?“ 20 Artikel 6 Der Kampf um alte Privilegien geht weiter Erbitterte Kritik an diesen Plänen kommt von den Landwirten. Sie sehen ihre Interessen nicht hinreichend gewahrt. Im Rahmen des neu eingerichteten Runden Tischs diskutieren nun die unterschiedlichen Interessenvertreter die verschiedenen Aspekte des Bebauungsplans. Von Seiten der Landwirtschaft wird der Bebauungsplan sogar grundsätzlich in Frage gestellt, man möchte an der alten Privilegierung nach Baurecht für landwirtschaftliche Betriebe festhalten und keine weiteren städtischen Flächen extensiv bewirtschaften. Die Flächen der landwirtschaftlichen Betriebe in der Feldmark reichen nicht aus, um noch mehr Pferde unterzubringen. Eine Einigung und Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen scheint im Moment schwierig, denn es geht um handfeste wirtschaftliche Interessen. Für den Naturschutz und den Erhalt der bedeutenden Kulturlandschaft Rissen-Sülldorfer-Feldmark ist es vor allem wichtig, eine Lösung mit vielfältiger und naturverträglicher Landwirtschaft zu erreichen. Inhalt Artikel 7 WOHNUNGSBAU OHNE MILIEUSCHUTZ – KANN DAS GUT GEHEN? F OTO: F L I CKR/ AXE L B RU N S STA DT E N T W IC K LU N G Wohnungsbau ohne Milieuschutz – kann das gut gehen? von Benjamin Harders 21 STA DT E N T W IC K LU N G F ür Stadtteile prägend ist die Art ihrer Bebauung. Einzelhäuser, Reihenhäuser oder Gebäude, die wie Schuhkartons und Kaffeemühlen aussehen. Die Politik gibt die Vorgaben und legt die Baugrenzen fest. Die Architekten nutzen diese Grenzen aus und bestimmen das Erscheinungsbild. Benjamin Harders ist Beisitzer im Vorstand des Blankeneser Bürger-Vereins e.V. und Mitglied des Ausschusses für Grün, Naturschutz und Sport für die Grüne Fraktion Altona. In Blankenese, nördlich der Blankeneser Landstraße und im Bereich des südlichen Sülldorfer Kirchenwegs, läuft zur Zeit das Bebauungsplan-Verfahren Blankenese 31/34/40 zum „Erhalt der vorhandenen aufgelockerten Wohnbebauung mit innenliegenden Frei- und Gartenflächen bei gleichzeitiger Festsetzung von Gestaltungs- und Erhaltungsvorgaben zur Wahrung des gewachsenen Ortsbildes“. Zurzeit gilt noch ein 60 Jahre alter Baustufenplan, der zu große Freiheiten in der Bebauung zulässt. Dadurch konnten teilweise Gebäude entstehen, die nicht zur Umgebung passten. Mit einem Bebauungsplan, der die Baugrenzen festsetzt, sollte das Problem gelöst werden. Völlig überraschend haben die Sprecherinnen und Sprecher des Planungsausschusses im November 2014 eine Kehrtwende um 180° hingelegt und dem Bezirksamt neue Planungsvorgaben aufgegeben: „Demnach ist die strenge Wahrung der bestehenden Inhalt WOHNUNGSBAU OHNE MILIEUSCHUTZ – KANN DAS GUT GEHEN? Bebauungsstruktur nicht länger vordergründiges Planungsziel. Vielmehr soll über streifen- und flächenbezogene überbaubare Grundstücksflächen (sog. „Baustreifen“, „Bauflächen“) die tatsächliche Bebaubarkeit der Grundstücke flexibilisiert werden.“ Es ist undurchsichtig, was die Politik hierzu bewogen haben mag. Ist es das Senatsprogramm zum Wohnungsbau um fast jeden Preis? Oder soll ein „Tummelplatz für Bauspekulanten“ eröffnet und der Milieuschutz ausgehebelt werden, wie der Blankeneser Bürger-Verein vermutet? Bei einer Präsentation und Podiumsdiskussion des Bürgervereins im Januar 2015 konnten sich 150 Menschen informieren, was die Folgen sein würden: Verlust historischer Bausubstanz, große Verdichtung durch die Ausweisung großer, grundstücksübergreifender Bauflächen sowie Verlust von vielfältiger Natur durch die Reduzierung der privaten Grünflächen auf Kosten der Gartenvielfalt und reicher Flora und Fauna, insbesondere des alten Baumbestandes. Die Mitglieder des Planungsausschusses, die an der Diskussion teilnahmen, konnten nicht schlüssig erklären, was die Intention zu der Kehrtwende war. Viele Menschen des betroffenen Gebiets wünschen sich Milieuschutz, bessere Information und hoffen auf die Kehrtwende zur Kehrtwende des Planungsausschusses. Nächster Artikel: „Ein Bunkerabriss und viele Pläne: Was passiert an der Ecke Gaußstraße/Barnerstraße?“ 22 Artikel 7 Inhalt Artikel 8 EIN BUNKERABRISS UND VIELE PLÄNE: WAS PASSIERT AN DER ECKE GAUSSSTRASSE/BARNERSTRASSE? F OTO: X X X X X X X X X X X X X X Foto: Frank Steiner STA DT E N T W IC K LU N G Ein Bunkerabriss und viele Pläne: Was passiert an der Ecke Gaußstraße/Barnerstraße? von Frank Steiner 23 STA DT E N T W IC K LU N G I ch schaue aus meinem Fenster in der Gaußstraße und sehe den Arbeiten zu. Im Dezember 2014, vor ca. zwei Monaten begannen sie, die Arbeiten zum Abriss des Bunkers an der Ecke Gaußstraße/Barnerstraße. Artikel 8 EIN BUNKERABRISS UND VIELE PLÄNE: WAS PASSIERT AN DER ECKE GAUSSSTRASSE/BARNERSTRASSE? Altonaer Wohnungsbau: Der Strukturwandel geht weiter Das Gelände, auf dem der Bunker noch steht, und die nördlich rendt Wohnungsbau, die in der Friedensallee ihren Sitz hat. Eine weitere Altonaer Wohnungsbaufirma, die Altoba ist Miteigentümer des Bunkergrundstücks. Von der Max-Brauer-Allee will die Altoba dort, wo jetzt noch der Bunker steht, ihren Firmensitz hinverlegen. In zwei Jahren – Ende 2017 – soll dieser neue Firmensitz in einem fünfstöckigen Bürogebäude seinen Platz finden, zusammen mit noch anderen Firmen. Das weitere Gelände der Firma Behrendt Wohnungsbau zieht sich entlang der Gaußstraße hin. Es hat die Hausnummern Gaußstraße 71-75, und es erstreckt sich bis zu den Bauis (die haben dort ein Bleiberecht, zwar kein „ewiges“, aber doch für eine lange Zeit – es muss politisch klar sein, dass sie nicht vertrieben werden dürfen!). Bis heute ist dies Gelände noch Gewerbegebiet. Es ist bekannt, dass die Eigentümer eine Umwandlung des Gewerbegebiets in ein Gebiet anstreben, auf dem Wohnungsbau möglich ist. Das wird mit den Hamburger Behörden zur Zeit verhandelt. Auf der anderen Seite von Gaußstraße 71-75, im Osten, grenzt das Bahngelände der Deutschen Bahn an. Auf Teilen dieses Gelän- daran anschließenden Grundstücke sind Eigentum der Firma Beh- des plant die Stadt Hamburg bekanntlich, ein großes Wohngebiet Dieser Bunker ist ein gewaltiger Klotz, ca. 30 Meter hoch und jetzt – nachdem ein Gerüst um ihn herum errichtet wurde und zusätzlich noch drei Lagen Container davor übereinander gestellt worden sind, zum Schutz vor Staub und Lärm – jetzt wird er abgerissen: Ein Bagger, mit einer Drehtrommel ausgerüstet, nagt ein Loch in den Bunker. Das Loch wird von Tag zu Tag größer, aber beim derzeitigen Tempo wird es wohl noch viele Wochen dauern, bis aus diesem Bunker ein großer Haufen kleiner Steinchen geworden ist. Die Nazis haben ihn 1942 gebaut, so wie viele weitere Bunker in Hamburg. Nun wird dieser wegkommen – zerbröselt fällt er auf den Schutthaufen der Geschichte. 24 Inhalt STA DT E N T W IC K LU N G zu schaffen: die Neue Mitte Altona. Dort sollen einmal 3500 Wohnungen entstehen. 1600 Wohnungen davon im 1. Bauabschnitt sind schon fertig geplant und werden in den nächsten 2 bis 3 Jahren fertig sein. Und wo wird gearbeitet? Die vielen Menschen, die dort einmal leben werden, brauchen nicht nur Möglichkeiten zum Einkaufen, sogenannte „Nahversorgung“, sondern sie brauchen auch Möglichkeiten zu arbeiten. Ihre Arbeitsplätze sollen genau so in der Nähe ihrer Wohnungen sein wie die Einkaufsläden. Dazu muss auch Platz für Arbeitsplätze vorhanden sein und solcher Platz wird durch Gewerbegebiete bereit gestellt. Zieht man auch noch in Betracht, dass im Bezirk Altona und gerade auch im Stadtteil Ottensen Inhalt EIN BUNKERABRISS UND VIELE PLÄNE: WAS PASSIERT AN DER ECKE GAUSSSTRASSE/BARNERSTRASSE? im Laufe der vergangenen Jahre sehr viele Gewerbegebiete in Wohngebiete umgewandelt wurden, so wird die Gefahr offenbar: Wir müssen aufpassen, dass das Gleichgewicht zwischen Wohnungen und Arbeitsplätzen in der Nähe der Wohnungen nicht verloren geht. Frühere, längst zum Glück verworfene Vorstellungen von Stadtplanung favorisierten eine „Entmischung“ von Wohnen und Arbeiten. Inzwischen weiß man, dass aus vielerlei Gründen, unter anderem um zusätzlichen Verkehr zu vermeiden, gerade umgekehrt ein Schuh daraus wird: auf eine Durchmischung von Wohnen und Arbeiten muss in der Stadtplanung Wert gelegt werden. Mit Freude, dass der Bunker in kleine Steinchen zerlegt wird, aber auch mit Sorge, dass dem Druck der Wohnungsbauwirtschaft nachgegeben wird, schaue ich aus meinem Fenster. Nächster Artikel: „Willkommenskultur – nicht nur ein Wort“ 25 Artikel 8 Z U WA N D E RU N G Inhalt Artikel 9 „WILLKOMMENSKULTUR“ – NICHT NUR EIN WORT „Willkommenskultur“ – nicht nur ein Wort F O TO : A N K E D E V RIE S von Ingo Lembke 26 Z U WA N D E RU N G F lüchtlinge und Zuwanderer sind der Öffentlichkeit scheinbar nur ein großes Problem. Demgegenüber ruft engagierte Sozialpolitik zu einer gelingenden Willkommenskultur auf. Das klingt zunächst papieren und blutleer. Bei näherem Hinsehen zeigt sich, dass im Bezirk Altona das Engagement von Ehrenamtlichen und Freiwilligen, die sich ganz praktisch für Flüchtlinge einsetzen, ausgesprochen umfangreich und intensiv ist. Das gilt es, viel mehr bekannt zu machen. Hier einige Beispiele: Runder Tisch für Sieversstücken Seit über 20 Jahren gibt es den Runden Tisch Blankenese, der sich für die Folgeunterbringung Sieversstücken in Rissen einsetzt. Bei einem Besuch wird uns signalisiert: Wir werden auch ein zweites Sieversstücken mit weiteren 280 Personen zuverlässig begleiten können. Das Potenzial an weiteren 30 Ehrenamtlichen lässt das zu. Begleitung heißt: Schularbeitenhilfe, Deutschkurse, Kleiderkammer, Kindergruppen, Musikangebote, Ausgabe von Obst und Gemüse, Brot und Kuchen, gemeinsame Feste usw. Sieversstücken gilt als Vorzeigebeispiel und wurde schon im NDR vorgestellt. Die Verantwortlichen werden eingeladen, wenn es um die Gründung eines neuen Runden Tisches wie etwa bald am Holm- 27 Inhalt Artikel 9 „WILLKOMMENSKULTUR“ – NICHT NUR EIN WORT brook in Othmarschen geht. Dort finden sich bei einem ersten Treffen ca. 150 Interessierte ein – schon bevor die Entscheidung gefallen ist, ob es wirklich eine Flüchtlingsunterkunft geben wird. Luthercampus Ein weiteres „Vorzeigebeispiel“ ist der Luthercampus in Bahrenfeld. Hier wurde das ehemalige Gemeindehaus der Luthergemeinde an der Lyserstraße mehr und mehr zu einem Stadtteilzentrum und Treffpunkt gerade auch der Flüchtlinge aus der Sibeliusstraße. Neben den Angeboten wie Essensausgabe und Kleiderkammer durch Ehrenamtliche ist ein regelmäßiger Wochenmarkt ein „highlight“. Runder Tisch Holstenkamp Da ist es erstaunlich, dass eben dieselbe Luthergemeinde auch im nördlichen Bahrenfeld einen Runden Tisch mit regelmäßig ca. 25 Personen verantwortet, an dem die Interessen der Bewohner und Bewohnerinnen und der Nachbarschaft des Holstenkamps vertreten werden, als da sind: Pflegeheim, Punker, Baugemeinschaft „Hütten und Paläste“, Obdachlose und in Zukunft weitere Flüchtlinge, für die gerade gebaut wird. Z U WA N D E RU N G Inhalt Artikel 9 „WILLKOMMENSKULTUR“ – NICHT NUR EIN WORT In einem Interview zu den Motiven der PEGIDA Bewegung sagt der Hamburger Soziologe und Autor von „Gesellschaft der Angst“, Heinz Bude: „Man darf nicht vergessen, dass wir in jüngster Zeit eine andere, überraschende Affektbewegung in der deutschen Bevölkerung gesehen haben, praktisch die Gegenbewegung zur Angst: diese unglaubliche Solidarität mit Flüchtlingen, eine erstaunliche soziale Großzügigkeit. …und ich habe den Eindruck, dass das letztlich die stärkere Emotion ist als Angst. Wobei natürlich niemand sagen kann, welche von beiden am Ende obsiegen wird.“ In Vorbereitung darauf haben sich schon mehrfach Freiwillige getroffen, die diese Folgeunterbringung begleiten wollen und ein Willkommensfest planen. Unterstützergruppe August-Kirch-Straße Bei der Einladung zu ihrem ersten Treffen meldeten sich so viele Interessierte, dass daraus eine weitere Gruppe von 30 (DIE ZEIT 22.1.2015) Personen entstand, die sich nun um die Unterkunft an der August-Kirch-Straße kümmert. Sie ist Anfang dieses Jahres fertig geworden und wird von 280 Personen aus unterschiedlichen Ländern bewohnt. Fördern & Wohnen (f&w) ist die Anstalt öffentlichen Rechts, die für die Stadt Hamburg und die Sozialbehörde die Unterbringung der Wohnungslosen und Flüchtlinge verantwortet. Bei der August-Kirch-Straße an der Trabrennbahn haben wir zum ersten Mal erlebt, dass f&w seine ganze Verantwortung auch für die Koordination der Freiwilligen wahrgenommen hat. Erstaufnahme Schnackenburgallee Ganz anders noch als vor zwei Jahren, als die Innenbehörde bei der Einrichtung der Zentralen Erstaufnahme (ZEA) an der Schna- 28 ckenburgallee den Standpunkt vertrat: Der Parkplatz Braun zwischen Autobahn und Müllverbrennungsanlage eigne sich gut, weil es keine direkte Nachbarschaft gebe. Nachbarn wurden als Problem und nicht als Unterstützung vermutet. Inzwischen hat sich diese ZEA von 300 auf eigentlich eine unvertretbare Größe von zeitweise 1400 Plätzen entwickelt, ganz der großen Zahl an Zuwanderern geschuldet, auf die die Stadt nicht vorbereitet war und ist. Das Erstaunliche ist, dass sich über die Zeit eine Vielzahl von Unterstützern und engagierten Gruppen um die „Schnacke“ herum gebildet hat. Eine Liste des Sozialdezernats umfasst 26 unterschiedlichste Angebote von Sportvereinen, Jugendzentren, Spieleanbietern, Schulen und insbesondere der Luthergemeinde. Nach und nach gelang es, sowohl für f&w als auch für die Luthergemeinde eine bezahlte Person als Koordinatorin der Ehrenamtlichenarbeit bewilligt zu bekommen. Dass es bei der Flüchtlingsunterbringung nicht nur um die Sicherung von Grundstücken und das Aufstellen von Containern oder Pavillons geht, sondern mindestens genauso wichtig um die Sicherstellung einer guten Nachbarschaft – das hat f&w immer verbal als seine Aufgabe anerkannt, aber erst nach und nach umgesetzt. Jetzt gibt es drei Mitarbeiterinnen in der Zentrale, die für alle Unterbringungen in Hamburg die Unterstützertätigkeiten koordinieren sollen. Z U WA N D E RU N G Inhalt „WILLKOMMENSKULTUR“ – NICHT NUR EIN WORT Die Hamburger Künstlerin Anke de Vries gibt mit ihren Aquarellen Flüchtlingen ein Gesicht und eine Geschichte. Die Ausstellung ihrer Bilder wandert durch Hamburg. Wir wollen sie auch im Altonaer Rathaus zeigen. Bei dem Treffen in der August-Kirch-Straße wurden Unterlagen verteilt, die deutlich machen, dass f&w mit Interessierten einen Vertrag schließen will und dafür Versicherung gewährleistet sowie Fahrtkostenerstattung und ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis erwartet. Ein weit gefächertes Fortbildungsangebot für Freiwillige ist aufgelegt. Ich bin gespannt, wie sich diese professionelle Arbeit weiter entwickelt. Quartiersmanagement Bahrenfeld Die Flüchtlinge werden nicht verschwinden, sondern bleiben. Eine langfristige Integration erfordert eine zivilgesellschaftliche Aufnahmebereitschaft, in die finanziell, personell und strukturell investiert werden muss. Das Sozialraummanagement des Bezirks sieht hier eine große Herausforderung und hat zusammen mit der Politik für ein Quartiersmanagement Bahrenfeld gesorgt. In der Trägerschaft der Großstadtmission Hamburg ist seit Februar 2015 ein Mitarbeiter dabei, die Akteure im Stadtteil und seinen inzwischen fünf öffentlichen Unterbringungen für Veränderungen zu sensibilisieren, zu informieren und ihre Ressourcen aufeinander zu beziehen. Nach drei Jahren soll daraus eine selbsttragende Struktur etwa in Form eines Stadtteilbeirats entstanden sein. AN MITARBEIT INTERESSIERTE WENDEN SICH AN: f&w Freiwilligenkoordination Luthergemeinde Bahrenfeld Runder Tisch Blankenese Flüchtlingsunterkunft Holstenkamp [email protected] [email protected] Elke Haas , [email protected] [email protected] Nächster Artikel: „Stadtgrün und Artenvielfalt oder: Natur ist gar nicht so natürlich“ 29 Artikel 9 D IE G Ä RT N E R IN Inhalt Artikel 10 STADTGRÜN UND ARTENVIELFALT ODER: NATUR IST GAR NICHT SO NATÜRLICH STADTGRÜN UND ARTENVIELFALT ODER: Natur ist gar nicht so natürlich FO T OS : BE T T IN A S C H RÖD E R von Bettina Schröder 30 D IE G Ä RT N E R IN U Inhalt STADTGRÜN UND ARTENVIELFALT ODER: NATUR IST GAR NICHT SO NATÜRLICH m es vorweg zu schicken: Ich kann sie nicht ausstehen, diese „Nylonfaden-Heckenscheren“. Wenn ich im Park das fiese Geräusch höre und anschließend das Ergebnis sehe – gefledderte Blätter, ohne Sinn und Verstand an beliebiger Stelle schnitt mit dem Rasenmäher. Da mag das Personal noch so fachkundig sein, mehr Zeit ist eben nicht da. Und schon gar nicht für so komplizierte Dinge wie Begleitung und Erhalt besonderer Biotope... durchgeschnittene Äste und Zweige – möchte ich mit den Zähnen knirschen. Fast schon auf einer Stufe mit den herbstlichen Laubbläsern. Und doch... Für diesen „Schnitt“ gibt es gute Gründe. Womit wir eigentlich schon beim Thema wären. Artenvielfalt ist kein „Normalzustand“ Denn vielfältige Natur entsteht ja nicht einfach durch In-Ruhelassen. Meist müssen verschiedene „ungünstige“ Bedingungen zusammenkommen, damit eine Vielfalt von spezialisierten Pflanzen gedeiht, die mit diesen – eigentlich unzumutbaren – Bedingungen besser klarkommt als das Allerweltsgrünzeug. Und, was noch schwieriger ist: Diese „schlechten Bedingungen“ müssen erhalten bleiben! Biotope sind nämlich nichts Statisches. Manche befinden sie sich in einem stabilen Gleichgewicht, häufiger sind sie vorübergehende Stadien einer Entwicklung. Beispiel Heidelandschaft: Dies beliebte Biotop entstand einst durch nicht nachhaltige Waldbewirtschaftung (Holzkohlegewin- FOTOS: CARLOTTA BOCHERT In Gärten und Parks gilt: Bloß kein Aufwand! Vielen Besitzern eines Gartens ist es wichtig, dass dieser möglichst wenig Arbeit macht, wie verbreitete Buchtitel wie „Gärtnern für Faule“, „Garten ohne Mühe“ oder „Instantgardening“ nahelegen. Im öffentlichen Bereich steht das so etwa auf einer Stufe mit „Pflege darf nix kosten, vor allem kein Personal“. Also einmal investieren (planen, anlegen, Sichtachsen...) und dann einmal jährlich Strauch- Artikel 10 31 D IE G Ä RT N E R IN Inhalt STADTGRÜN UND ARTENVIELFALT ODER: NATUR IST GAR NICHT SO NATÜRLICH FOTOS: BETTINA SCHRÖDER nung für die örtlichen Salinen) und Überweidung durch Schafe. Heute kommt unser Salz nicht mehr aus Lüneburg und Schafherden sind kein selbsttragendes Businessmodell mehr. Jetzt würde aus Heide wieder Wald werden, gäbe es nicht subventionierte Schäfer und Naturschützer, die Baumsämlinge entfernen. Was nur mit ganz viel Arbeit funktioniert... Wenn man sich also entscheidet, ein ganz bestimmtes Stadium der Biotopentwicklung zu konservieren, ist das eigentlich auch nichts anderes als – Gärtnern! Und zwar in der aufwändigen Version. Statt „Unkraut“zupfen im Staudenbeet heißt es eben Kiefernsämlige roden zwischen Heidepflanzen. Aber für die aufwändigeren Varianten des Gärtnerns hat das städtische Gartenbauamt nun wirklich kein Geld, kein Personal, keine Zeit. ...sollten wir einfach selbermachen In Zeiten knapper Kassen also keine Chance für Biotopvielfalt im öffentlichen Raum? Vielleicht kann das auch anders sein. Wenn die Gestaltung der öffentlichen grünen Stadt nicht mehr als zwingend staatliche Aufgabe definiert würde. Wenn die Nutzer des öffentlichen Grüns mitmachen dürfen/sollen/müssen (?) bei dessen Pflege. Wenn gemeinsame Verantwortung für die Stadtnatur als Alternative zu 08/15-Pflege und Verwahrlosung entdeckt wird. Politisch formuliert: Wenn wir uns den öffentlichen Raum durch Pflege und Nutzung aneignen! Aber noch einmal zurück zum Anfang dieses Artikels, zum Thema Rückschnitt. Denn für ein in dieser Jahreszeit sehr beliebtes Biotop ist der amtliche Strauchschnitt ganz wichtig! Nur wo im Frühjahr viel Licht an die Erde kommt und im Sommer wenig, haben die Frühjahrsgeophyten einen Selektionsvorteil. Das klappt in der echten Natur am Waldrand und auch in der städtischen Grünanlage, wenn Gebüsch immer mal zurückgeschnitten wird. Dann freuen sich Bienen und Spaziergänger über die ersten Blüten. Nächster Artikel: „Zu guter Letzt…“ 32 Artikel 10 ZU GUTER LETZT… Inhalt Artikel 11 ZU GUTER LETZT… „Eine wirklich gute Idee erkennt man daran, dass ihre Verwirklichung von vornherein ausgeschlossen erscheint“ Albert Einstein Die ALTINOVA ist ein mitgliederinterner Newsletter der Grünen in Altona. Alle Artikel sind namentlich gekennzeichnet und repräsentieren die Meinung der Autoren, nicht die des Kreisverbandes.. Redakteure und Beiträge: Wolfgang Krechlok V.i.S.d.P. Filiz Demirel Benjamin Harders Caroline Kouptsidis Ingo Lembke Torsten Prinzlin Bettina Schröder Frank Steiner Anjes Tjarks Steffen Treske Grafik und Layout: Christoph Jöns Alle aktuellen Termine auf: ALTONA GRUENE-ALTONA.DE/TERMINE F OT O : E SP RE S S OD O PP I O7 9 IM P R ES S U M
© Copyright 2024 ExpyDoc