Vorstandsstab und Kommunikation Stand: 21.04.2015 GVB-Stellungnahme zum EU-Grünbuch Kapitalmarktunion 1) Welche anderen Bereiche sollten neben den fünf genannten prioritären Bereichen für kurzfristige Maßnahmen vorrangig behandelt werden? Die europäische Bankenregulierung sollte auf die Ziele der Kapitalmarktunion hin abgestimmt werden. Den Banken wurden in den letzten Jahren engere regulatorische Vorgaben zur Unternehmensfinanzierung gesetzt. Die steigenden Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen erschweren ihnen die Kreditvergabe erheblich. Nach den Plänen im vorliegenden Grünbuch sollen Unternehmen ihren Finanzierungsbedarf künftig stärker direkt auf dem Kapitalmarkt decken. Die Unternehmensstruktur in Europa passt jedoch besser zu einer Bank- als zu einer Kapitalmarktfinanzierung. Denn in Europa gibt es verhältnismäßig viele mittelständische Unternehmen. Für diese ist der Bankkredit von großer Bedeutung. Kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) fällt es häufig schwer, die Anforderungen an eine Kapitalmarktfinanzierung zu erfüllen – zu hoch sind die Kosten einer Anleihe- oder Aktienemission und die damit verbundenen Publizitätspflichten. Deshalb sind die meisten mittelständischen Unternehmen auf eine Bankfinanzierung angewiesen. Insbesondere mit Blick auf die Finanzierung von KMU laufen die bankregulatorischen Vorgaben den im Grünbuch vorgeschlagenen Maßnahmen vielfach entgegen und sind deshalb mit Blick auf das im Grünbuch im Vordergrund stehende Ziel der Kapitalmarktunion – der Verbesserung der Finanzierungssituation für Unternehmen in der EU – kontraproduktiv. Der Erhalt der Mittelstandsfinanzierung in Europa muss im Grünbuch vorrangig behandelt werden. Erforderlich ist eine an das Ziel der Kapitalmarktunion angepasste Bankenregulierung (hierzu 16). 2) Welche weiteren Maßnahmen zur Verbesserung der Verfügbarkeit und stärkeren Standarisierung von KMU-Kreditinformationen könnten einem tieferen Markt für die Finanzierung von KMU und Startups zugutekommen und die Anlegerbasis verbreitern? Über kleine und mittlere Unternehmen gibt es häufig nur wenige öffentlich zugängliche Kreditinformationen, weil diese Informationen nicht ohne Weiteres geteilt werden können. Gerade bei der Kreditvergabe an kleine und mittlere Unternehmen kommt sogenannten „weichen Informationen“ eine besondere Bedeutung zu. Diese „weichen Informationen“ umfassen die Managementkompetenz des Eigentümers oder Geschäftsführers, die Qualität der Unternehmensstrategie und die Stellung der Unternehmen im jeweiligen Markt. Auch die Glaub- und Vertrauenswürdigkeit der Entscheidungsträger im 1 Unternehmen gehören dazu. Diese persönlichen und oft vertraulichen Informationen werden von den Banken über langjährige Beziehungen zu ihren Kunden gewonnen. Deshalb sind diese Informationen weder standardisierbar, noch können sie öffentlich geteilt werden. Die Standardisierung von Kreditinformationen kann daher nur sehr begrenzt zu einer breiteren Anlegerbasis führen. Keinesfalls dürfen Banken gezwungen werden, auch nur teilweise ihre Informationen über Kreditnehmer offenzulegen. Schließlich ist die Gewinnung und Aufbereitung dieser Informationen aufwendig. Sie sind ein selbsterstelltes immaterielles Gut, das Banken zur Kreditvergabe nutzen. Müssten Banken ihre Kreditinformationen teilen, würde der Anreiz entfallen, „relationship-lending“ zu betreiben und die Finanzierung der kleinen und mittleren Unternehmen wäre bedroht (hierzu 5). 3) Wie kann ein Anstoß zur Nutzung von ELTIF gegeben werden? ./. 4) Sollte die EU die Entwicklung von Privatplatzierungsmärkten auch durch Maßnahmen, die über die Förderung vom Markt ausgehender Bemühungen um gemeinsame Standards hinausgehen, unterstützen? Die Unterstützung der Privatplatzierungsmärkte sollte sich auf die Schaffung effektiver Rahmenbedingungen beschränken, die den Unternehmen und Bürgern der EU eine möglichst große Wahlfreiheit in ihren Finanzierungsentscheidungen zugestehen. Zu diesen Rahmenbedingungen gehört eine effektive Regulierung der Kapitalmärkte. Das gilt besonders für Privatplatzierungen, die abseits öffentlicher Handelsplätze stattfinden. Auf diesen „Grauen Kapitalmärkten“ entstehen Risiken für Anleger, aber auch für die Finanzsystemstabilität, wenn Regulierung und Aufsicht nicht effektiv sind. Diese Risiken sind besonders groß, wenn Banken und Kapitalmärkte ungleich reguliert werden (hierzu 32). 5) Welche weiteren Maßnahmen könnten dazu beitragen, den Zugang zu Finanzmitteln zu verbessern und die Mittel besser dorthin zu lenken, wo Kapitalbedarf besteht? Für die meisten mittelständischen Unternehmen ist die Kapitalmarktfinanzierung zu teuer. Daran wird auch die Kapitalmarktunion nicht viel ändern können. Denn Anleger verlangen für die Anleihen mittelständischer Unternehmen häufig einen Risikozuschlag, da es über sie nur wenige frei verfügbare Informationen gibt. Dafür ist auch die angestrebte Standardisierung der Kreditinformationen keine Lösung (hierzu 2). Der Zugang zu Finanzmitteln lässt sich für viele Unternehmen deswegen nur über eine Stärkung der Bankfinanzierung verbessern. Denn wenn nur wenig objektiv verwertbare Informationen über ein Unternehmen vorhanden sind, ist die wichtigste Sicherheit das 2 Vertrauen zwischen Bank und Kunde, das nur durch langfristige geschäftliche und persönliche Beziehungen entstehen kann. Die meisten kleinen und mittleren Unternehmen brauchen somit dieses „relationship-lending“ von Banken für eine bedarfsund risikogerechte Finanzierung. Außerdem wollen insbesondere innovative mittelständische Unternehmen in Deutschland viele Informationen nicht öffentlich teilen. Schließlich ist der technische Vorsprung gegenüber der Konkurrenz ihr Wettbewerbsvorteil. Das Vertrauensverhältnis zwischen Unternehmen und Bank stellt sicher, dass solche sensiblen Informationen nicht öffentlich geteilt werden. Dieses Vertrauen lässt sich nicht auf anonymen Kapitalmärkten herstellen. Kapitalmärkte können somit die Banken in der Mittelstandsfinanzierung nicht ersetzen. Der Erhalt der Mittelstandsfinanzierung durch Banken muss deshalb in das Gesamtkonzept der Kapitalmarktunion eingebettet werden. Dazu gehört auch eine angepasste Bankenregulierung (hierzu 16). 6) Sollten Maßnahmen ergriffen werden, um die Liquidität der Märkte für Unternehmensanleihen z. B. durch eine stärkere Standardisierung zu stärken? Falls ja, welche Maßnahmen sind notwendig; können diese vom Markt selbst erreicht werden oder erfordern sie Regulierungsmaßnahmen? ./. 7) Muss die EU über die Unterstützung der Entwicklung von Leitlinien durch den Markt hinaus tätig werden, um Standardisierung, Transparenz und Rechenschaftspflicht im Zusammenhang mit Umwelt-, Sozial- und CorporateGovernance-Investitionen, einschließlich „grüner Anleihen“, zu fördern? ./. 8) Wäre es sinnvoll, einen gemeinsamen EU-Rechnungslegungsstandard für kleine und mittlere Unternehmen, die an einem MTF notiert sind, zu erarbeiten? Sollte ein solcher Standard Merkmal der KMU-Wachstumsmärkte werden? Falls ja, unter welchen Voraussetzungen? Als Grundlage des neuen Standards ist offenbar der kapitalmarktorientierte internationale Rechnungslegungsstandard IFRS vorgesehen. IFRS ist allenfalls für die Abschlüsse großer, börsennotierter Konzerne geeignet. Die meisten Unternehmen in Deutschland bilanzieren aber nach dem Handelsgesetzbuch (HGB). Das wird auch weiterhin erforderlich sein, weil die Steuerbilanz in Deutschland auf der Grundlage des HGB aufgestellt wird. Auch in anderen europäischen Ländern gibt es nationale Rechnungslegungsstandards, die vor allem von kleinen und mittleren Unternehmen genutzt werden, weil sie besser zu ihren Bedürfnissen passen. Vor diesem Hintergrund könnte ein neuer Rechnungslegungsstandard bestenfalls als Wahlmöglichkeit implementiert werden. 3 Die Finanzierungsbedingungen der meisten mittelständischen Unternehmen wird ein solcher Standard jedoch nicht verbessern. Denn über viele kleinere und mittlere Unternehmen gibt es nur wenige, objektivierbare Informationen (hierzu 2). Die Informationslücke kann deshalb nicht mit neuen Standards geschlossen werden. Zudem müssten Unternehmen einen zusätzlichen Bilanzierungsaufwand betreiben, um Investoren auf den Kapitalmärkten zu finden. Ein weiterer Rechnungslegungsstandard ist somit keine überzeugende Lösung für das Problem der schwachen Mittelstandsfinanzierung in einigen europäischen Ländern. Eine wirkungsvolle Verbesserung der Finanzierungssituation kleiner und mittlerer Unternehmen kann nur mit einer Stärkung der Mittelstandsfinanzierung durch Banken erreicht werden (hierzu 5 und 16). 9) Bestehen Hindernisse für die Entwicklung angemessen regulierter Plattformen für „Crowdfunding“ oder Peer-to-Peer-Darlehen, einschließlich Hindernissen für grenzüberschreitende Transaktionen? Falls ja, wie sollten diese angegangen werden? Bestehende Hindernisse müssen genau auf ihre Wirkung hin überprüft werden. Denn zwischen dem Schutz der Anleger und der verstärkten Nutzung der Kapitalmärkte beispielsweise über Crowdfunding gibt es einen Zielkonflikt, der im Grünbuch nicht überzeugend aufgelöst wird. Einerseits sollen mehr Ersparnisse auf die Kapitalmärkte fließen. Das erfordert einen hohen Anlegerschutz. Andererseits sollen Hindernisse für die Nutzung alternativer Finanzierungsquellen durch die Unternehmen abgebaut werden. Viele dieser Restriktionen ergeben sich jedoch aus den Anforderungen an den Anlegerschutz. Vor diesem Hintergrund muss die Beseitigung von Hindernissen zur Stärkung von kapitalmarktorientierten Geschäftsmodellen wie Peer-to-Peer-Darlehen und CrowdSourcing-Plattformen kritisch hinterfragt werden. Denn gerade bei diesen alternativen Finanzierungsformen treten extreme Informationsasymmetrien zwischen Kapitalgebern und Kapitalnehmern auf. Die Anleger müssen deswegen adäquat geschützt werden. In Deutschland hat der Gesetzgeber hierzu das Kleinanlegerschutzgesetz auf den Weg gebracht. Zum Schutz der Anleger wurde darin festgelegt, dass CrowdfundingFinanzierungen ab einer bestimmten Höhe der Prospektpflicht unterliegen. 10) Welche politischen Maßnahmen könnten institutionelle Anleger dazu motivieren, höhere Summen einzusammeln und diese in eine breitere Palette von Vermögenswerten, insbesondere langfristige Projekte, KMU und innovative, wachstumsintensive Startups, zu investieren? Die EU-Kommission sollte von politischen Maßnahmen absehen, die direkt in die Entscheidungen der Haushalte und Unternehmen und damit des Marktes eingreifen. Politisch forcierte Umleitungen der Ersparnisse hin zu institutionellen Anlagern dürfen nicht Teil der Maßnahmen zur Stärkung der Kapitalmarktfinanzierung sein. Auch 4 Unternehmen dürfen nicht politisch oder regulatorisch zu einer Kapitalmarktfinanzierung gedrängt werden. Zudem muss die EU-Kommission darauf achten, dass von institutionellen Investoren ebenfalls Risiken ausgehen. Der Internationale Währungsfonds weist im aktuellen Global Financial Stability Report (April 2015) ausdrücklich darauf hin, dass institutionelle Investoren die Finanzsystemstabilität beeinträchtigen können. Denn sie können negative Preisspiralen auslösen, die zum Zusammenbruch von Märkten führen können (hierzu 32). Hinzu kommen Anreizprobleme beim Management von Investmentfonds, die ein Verhalten fördern, das die Finanzsysteme destabilisieren kann. Hier muss die EUKommission also die Rahmenbedingungen so setzen, dass die Finanzsystemstabilität nicht beeinträchtigt wird. 11) Durch welche Maßnahmen könnten die Kosten der Fondsverwalter für die Errichtung und den Vertrieb von Fonds in der EU verringert werden? Aufgrund welcher Hindernisse ist es für Fonds schwierig, Skaleneffekte zu erzielen? ./. 12) Sollte im Zusammenhang mit Investitionen in die Infrastruktur mit bestimmten, eindeutig zu ermittelnden Teilkategorien von Vermögenswerten gearbeitet werden? Falls ja, welche Kategorien sollte die Kommission bei künftigen Überprüfungen der aufsichtsrechtlichen Vorschriften (z. B. im Rahmen von CRD IV/CRR oder Solvabilität II) prioritär behandeln? ./. 13) Würden die Einführung eines standardisierten Produkts oder die Beseitigung bestehender Hindernisse für den grenzüberschreitenden Zugang den Binnenmarkt für die Altersvorsorge stärken? Dem Anleger muss die Entscheidung überlassen bleiben, welche Form der Vermögensbildung er anstrebt. Mit einem standardisierten Kapitalmarktprodukt würde die EU-Kommission direkt in die Entscheidungsfreiheit der Sparer eingreifen, weil andere Geldanlagen an Attraktivität verlieren würden. Auch eine europaweite Standardisierung der betrieblichen Altersvorsorge ist aus diesem Grund abzulehnen. Die Gestaltung der betrieblichen Altersvorsorge sollte den Unternehmen, Beschäftigten und nationalen Parlamenten obliegen. Bestehende kapitalgedeckte Systeme der Altersvorsorge dürfen zudem nicht durch eine stärkere Kapitalmarktintegration gefährdet werden. Grundsätzlich können staatliche Sparanreize für die Altersvorsorge aber durchaus sinnvoll sein. Die Riester-Sparverträge in Deutschland sind hierfür ein Beispiel. Der Unterschied zu einem standardisierten Kapitalmarktprodukt ist, dass dem Anleger beim Riester-Sparen viele verschiedene Produkte zur Verfügung stehen. Der Sparer kann sein 5 Geld wahlweise auf den Kapitalmärkten, in Banksparplänen oder in Immobilien anlegen. Die Entscheidung, in welcher Form der Sparer Kapital bilden will, liegt bei ihm selbst. Der Staat fördert so das Sparen, aber nicht eine bestimmte Form der Ersparnisbildung. 14) Könnten Änderungen der Verordnungen über Risikokapitalfonds und Fonds für soziales Unternehmertum es den Verwaltern größerer Fonds erleichtern, solche Arten von Fonds zu betreiben? Welche sonstigen Änderungen sollten gegebenenfalls vorgenommen werden, um die Anzahl dieser Arten von Fonds zu erhöhen? ./. 15) Wie kann die EU weitere Möglichkeiten für die Bereitstellung von Beteiligungsund Risikokapital als alternativer Finanzierungsquelle für die Wirtschaft schaffen? Welche Maßnahmen könnten das Volumen von Risikokapitalfonds steigern und die Ausstiegsmöglichkeiten für Risikokapitalgeber verbessern? Beteiligungs- und Risikokapital ist vor allem für Unternehmen eine wichtige Finanzierungsquelle, die sich im Entwicklungsstadium befindet. Doch diese Form der Finanzierung ist für viele Unternehmer unattraktiv. Die EU-Kommission greift diesen Einwand im Grünbuch auf. Gerade Unternehmen im Entwicklungsstadium seien häufig nicht daran interessiert, „detaillierte Informationen über ihren Geschäftsplan offenzulegen, und zögern, die Kontrolle abzugeben oder strengere externe Prüfungen zu akzeptieren“ (S. 15). Bei einer Beteiligung externer Investoren wäre aber genau das notwendig. Insofern stellt sich die Frage, ob die Förderung der Beteiligungs- und Risikokapitalfinanzierung überhaupt die richtige Maßnahme ist, um die Finanzierungssituation dieser Unternehmen zu verbessern? Denn der Bankkredit ist auch für junge Unternehmen eine gute Alternative. Ihnen ermöglicht die Bankfinanzierung das Wachstum aus eigener Kraft. Im Gegensatz zu einer Beteiligung müssen Gewinne nicht mit einem Investor geteilt, sondern können vollständig reinvestiert werden. Weil die Eigenkapitalkosten für Unternehmen in der Regel höher sind als die Zinsaufwendungen aus einer Kreditfinanzierung, steht damit Unternehmen mittelfristig mehr Kapital zur Verfügung als bei einer Beteiligungsfinanzierung. Ein Förderbanken- und Förderkreditsystem mit den Hausbanken als zentralen Ansprechpartnern kann zudem für die Flexibilität in der Finanzierung sorgen, die junge Unternehmen häufig brauchen. Die Beteiligung eines externen Investors ist folglich nicht notwendig und nur für wenige Unternehmen attraktiv. Der Ausbau des Förderkreditsystems in der EU wäre somit die geeignetere Maßnahme, um die Finanzierungsquellen für junge Unternehmen zu vergrößern. 6 16) Gibt es Hindernisse für eine sichere Ausweitung der Direktkreditvergabe durch Banken und Nichtbanken an Unternehmen mit Finanzierungsbedarf? In der Bankenregulierung gibt es eine Reihe an geplanten Maßnahmen, die zusätzliche Hindernisse für die Kreditvergabe darstellen würden. Zu diesen Maßnahmen gehört an erster Stelle die drohende Abschaffung des KMU-Korrekturfaktors in der europäischen Eigenkapitalverordnung. Dieser gleicht die in Basel III vorgesehene pauschale Erhöhung der Kapitalanforderungen an Banken für KMU-Kredite in Europa bislang aus. Die EUBankenaufsichtsbehörde wird der EU-Kommission Mitte 2015 einen Prüfbericht vorlegen. Sollte es zu einer Streichung des KMU-Korrekturfaktors kommen, würden die Kapitalanforderungen an KMU-Kredite schlagartig um gut 30 Prozent steigen. Eine erhebliche Verteuerung und Verknappung von Mittelstandskrediten wäre die Folge. Einen ähnlichen Effekt hat auch die auf den Weg gebrachte strukturelle Liquiditätsquote („Net Stable Funding Ratio“, NSFR). Sie soll ab 2018 als Mindeststandard gelten und zwingt Banken dazu, langfristige Kredite noch stärker durch langfristige Einlagen zu refinanzieren. Wird die Fristentransformation der Banken durch diese Maßnahmen wie geplant übermäßig eingeschränkt, schlägt dies auch auf ihre mittelständischen Firmenkunden durch. Sie können Zinsänderungs- und Prolongationsrisiken dann nicht mehr an ihre Hausbank abgeben, sondern müssen diese zunehmend selbst tragen. Damit geht den Unternehmen Planungssicherheit verloren. Das hemmt Investitionen und Wachstum. Eine Beschränkung der Finanzintermediationsfunktion der Banken sollte deshalb vermieden werden. Deshalb muss auch die vorgesehene Regulierung der Mindestliquiditätsquote (LCR) und der Verschuldungsquote (LR) überdacht werden. Auf internationaler Ebene erwägt der Baseler Ausschuss derzeit, Banken eine pauschale Unterlegung ihrer Zinsänderungsrisiken mit Eigenmitteln vorzuschreiben. Auch das würde die Fristentransformation der Banken erheblich einschränken. Allein bei den bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken würde dadurch das Potenzial zur Vergabe von Firmenkrediten um bis zu 45 Milliarden Euro geschmälert. Bei den bayerischen Sparkassen würden sich die Effekte ähnlich drastisch einstellen. Leidtragende wären wiederum die mittelständischen Unternehmen. Auch die aktuell beim Baseler Ausschuss laufende Überarbeitung des KreditrisikoStandardansatzes (KSA) könnte negative Folgen für die Mittelstandsfinanzierung nach sich ziehen. Der KSA dient zur Berechnung der Eigenkapitalanforderungen für Banken und kommt insbesondere bei kleineren Regionalbanken zur Anwendung. Eine Umsetzung der diskutierten Änderungsvorschläge hätte höhere Kapitalanforderungen auch für Firmenkredite zur Folge. Insbesondere KMU hätten es dann schwerer, ausreichend Finanzierungsmittel zu erhalten. Die skizzierten Maßnahmen drohen die Kreditfinanzierung von Unternehmen massiv zu behindern. Verliert die Bankfinanzierung an Attraktivität, können Großunternehmen womöglich auf Kapitalmarktinstrumente ausweichen. Für den Mittelstand – also die große Mehrzahl der deutschen Unternehmen – ist dagegen der Bankkredit ohne Alternative. Eine politisch oder regulatorisch herbeigeführte Einschränkung der Bankfinanzierung würde die mittelständischen Betriebe letztlich von der Versorgung mit Finanzmitteln abschneiden. 7 17) Wie kann die grenzübergreifende Beteiligung von Kleinanlegern an OGAW erhöht werden? ./. 18) Wie können die ESA noch stärker zum Verbraucher- und Anlegerschutz beitragen? Grundsätzlich sollten sich die ESA auf ihre Rolle als Finanzaufsichtsbehörden beschränken. Zusätzliche Kompetenzen im Verbraucher- und Anlegerschutz sind nicht notwendig. Vielmehr muss sichergestellt werden, dass die Kompetenz zur Regelung wesentlicher Gesetzesinhalte bei den EU-Gesetzgebern verbleibt (hierzu auch 25). Der Wille des Gesetzgebers muss für die ESA bindend sein und darf nicht konterkariert werden. In den Regelungen der MiFID II hat der EU-Gesetzgeber eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass er den Mitgliedsstaaten weiterhin ein Nebeneinander von Provisions- und Honorarberatung ermöglichen möchte. So dürfen Banken bei Wertpapiergeschäften Provisionen annehmen, wenn diese mit dem Kundeninteresse vereinbar sind, dem Kunden offengelegt werden, und mit den Erlösen die Qualität der erbrachten Dienstleistung verbessert wird. Im Dezember 2014 hat die Europäische Wertpapieraufsichtsbehörde (ESMA) eine Technische Stellungnahme vorgelegt, die als Basis eines konkretisierenden Rechtsakts durch die EU-Kommission dienen soll. Zu einer Qualitätsverbesserung zählen laut ESMA beispielsweise ein „zusätzlicher oder höherwertiger Service“, der im Verhältnis zur Höhe der Provision stehen muss. Zudem darf kein direkter Nutzen für die Bank ohne „greifbaren Nutzen“ für den Kunden entstehen. Diese Bedingungen lassen befürchten, dass Provisionserlöse nicht mehr zur Finanzierung bisher anerkannter Aufwendungen verwendet werden dürfen. Dies würde auf ein faktisches Verbot der Provisionsberatung hinauslaufen. Das ist problematisch, weil die Anlageberatung und der Produktvertrieb in der Fläche und für alle Bevölkerungsgruppen in der praktischen Umsetzung nur provisionsbasiert möglich ist. Eine fundierte Anlageberatung ist wiederum ein zentrales Element eines effektiven Verbraucherschutzes (hierzu auch 19). 19) Welche Maßnahmen könnten Kleinanleger zur Ausweitung ihrer Anlagetätigkeit veranlassen? Was könnte sonst noch getan werden, um den Bürgerinnen und Bürgern der EU beim Zugang zu den Kapitalmärkten mehr Kontrolle zu geben und sie besser zu schützen? Um das Vertrauen der Anleger zu gewinnen, reichen hohe Standards nicht aus. Vielmehr muss auch eine fundierte und flächendeckende Anlageberatung für die Sparer verfügbar sein. Die Banken werden hier als Berater und Vermittler besonders gebraucht, weil sie die Chancen und Risiken der Anlageprodukte einschätzen und die Sparer individuell beraten können. Jeder Vermögensplan muss auf die individuellen Gegebenheiten und Präferenzen eines Anlegers abgestimmt werden. Dafür sind Informationen über die 8 Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Sparers notwendig, wie sie vor allem den Banken vorliegen. Will die EU-Kommission die Sparer dazu motivieren, stärker als bisher auf den Kapitalmärkten zu investieren, muss deshalb die flächendeckende Anlageberatung durch die Banken erhalten bleiben. Dafür ist es erforderlich, übermäßige bürokratische Hindernisse abzubauen und die abschlussbasierte Anlageberatung zu erhalten (hierzu 18). 20) Gibt es auf nationaler Ebene bewährte Verfahren für die Entwicklung einfacher und transparenter Anlageprodukte, die ausgetauscht werden können? ./. 21) Gibt es weitere Maßnahmen im Bereich der Finanzdienstleistungsregulierung, mit denen sichergestellt werden könnte, dass die EU international wettbewerbsfähig und als Investitionsstandort attraktiv ist? Die Wettbewerbsfähigkeit eines Wirtschaftsraums hängt davon ab, wie attraktiv er für die Produktion von Gütern und Dienstleistungen im Vergleich zu anderen Wirtschaftsräumen ist. Finanzdienstleistungen haben hierauf nur einen mittelbaren Einfluss. Sie können dazu beitragen, zusätzliche Kanäle zu schaffen, um das Kapitalangebot und die Kapitalnachfrage in Europa zusammenzubringen. Werden dadurch Investitionen finanziert, steigt die Produktivität und damit auch die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft. In der Folge entstehen dann Wachstum und Beschäftigung. Sehen Investoren aber keine rentablen Investitionsmöglichkeiten, weil die realwirtschaftlichen Rahmenbedingungen in einem Land nicht stimmen, können integrierte gesamteuropäische Kapitalmärkte nur wenig bewirken. Die Kapitalmarktunion ist somit kein Ersatz für attraktive realwirtschaftliche Rahmenbedingungen. Gute Investitionsbedingungen in der EU können nur durch Strukturreformen in den Mitgliedsländern erreicht werden. In Irland wurden solche Reformen schnell und umfassend durchgesetzt. Dort ist – trotz fragmentierter europäischer Kapitalmärkte – das Wachstum wieder zurückgekehrt. Der Reformprozess in anderen EU-Mitgliedsländern zeigt ebenfalls bereits Wirkung, ist aber noch nicht abgeschlossen. Deshalb halten sich die Investoren in diesen Ländern bislang zurück. Daran kann aber auch eine angepasste Finanzdienstleistungsregulierung nichts ändern. Sie ist kein Ersatz für wirksame Strukturreformen. 22) Mit welchen Maßnahmen könnte EU-Firmen der Zugang zu Anlegern und Kapitalmärkten in Drittländern erleichtert werden? ./. 9 23) Gibt es Mechanismen zur Verbesserung der Funktionsweise und Effizienz der Märkte, auf die in diesem Papier nicht eingegangen wird, insbesondere in Bezug auf die Funktionsweise und Liquidität der Aktien- und Anleihemärkte? ./. 24) Gibt es aus Ihrer Sicht Bereiche, in denen das einheitliche Regelwerk noch nicht hinreichend entwickelt ist? Das in den letzten Jahren geschaffene Regelwerk muss einer systematischen und umfassenden Bewertung unterzogen werden. Denn insbesondere die Großprojekte zur Umsetzung von Basel III in europäisches Recht und zur Schaffung einer Bankenunion wurden von den EU-Gesetzgebern im Eilverfahren beschlossen und befinden sich derzeit in der Umsetzungsphase. Eine Überprüfung der Zielgenauigkeit oder der Praktikabilität der Maßnahmen fand vor deren Einführung nicht statt. Die unterschiedlichen Regulierungsansätze wurden auch nicht aufeinander abgestimmt. Das Too-Big-To-FailProblem ist ein Beispiel hierfür. Es wurde zunächst in Basel III angegangen, dann im Rahmen der EU-Bankenabwicklungsrichtlinie (BRRD) adressiert und ist derzeit Gegenstand der geplanten EU-Trennbankregulierung. Hinzu kommen vielfach Inkonsistenzen – etwa zwischen aufsichtsrechtlichen und bilanzrechtlichen Anforderungen, welche sich stark auseinanderentwickelt haben. Der hierdurch verursachte erhebliche Sach- und Personalaufwand schwächt die Möglichkeit der Institute, ihrer Finanzierungsfunktion gerade für mittelständische Unternehmen nachzukommen (hierzu 16). Das geht zu Lasten der Realwirtschaft in Form höherer Kreditkosten und übermäßiger bürokratischer Anforderungen. Eine Überprüfung des Regelwerks ist deshalb unbedingt notwendig. Zumal die europäische Exekutive eine Vielzahl weiterer Rechtsakte insbesondere zur Bankenunion ausarbeiten soll. Bis 2019 sollen insgesamt über 400 solcher Rechtsakte erlassen werden. Wenn jetzt keine kritische Bestandsaufnahme und Evaluation der bestehenden Regelwerke erfolgt, besteht die Gefahr, dass sich die Schwächen in der Architektur der europäischen Finanzmarktregulierung weiter manifestieren. Damit gerät auch unweigerlich das Ziel stabilerer Finanzmärkte aus dem Blick. Ziel einer umfassenden Evaluierung muss es deshalb sein, Inkonsistenzen und Doppelregulierungen zu identifizieren, diese zu beheben, und das Regelwerk weitestmöglich zu konsolidieren. Zudem müssen auch die wechselseitigen Abhängigkeiten der Regeln ausreichende Beachtung finden. Das ist Voraussetzung, um die kumulative Wirkung der Finanzmarktregulierung abschätzen zu können. Der systematischen Bewertung der Regelwerke muss eine Rekalibrierung des regulatorischen Ansatzes folgen. Dabei sollte nach dem Risikogehalt, dem Aktionsradius und den systematischen Risiken des Geschäftsmodells eines Finanzdienstleisters differenziert werden. Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit – anstelle starrer, regelbasierter Standardsetzungen – muss Richtschnur für die europäische Finanzmarktregulierung sein. 10 25) Halten Sie die Befugnisse der Europäischen Aufsichtsbehörden für ausreichend, um eine kohärente Aufsicht zu gewährleisten? Welche zusätzlichen Maßnahmen im Bereich der Aufsicht auf EU-Ebene würden wesentlich zur Entwicklung einer Kapitalmarktunion beitragen? Die Befugnisse der Europäischen Aufsichtsbehörden sollten nicht noch weiter ausgeweitet werden. Im Gegenteil müssen der voranschreitenden Verschiebung der Gesetzgebungskompetenz von der Legislative zu den Europäischen Behörden Grenzen gesetzt werden. Denn in der Praxis werden der Exekutive über die nachgelagerte Level2-Gesetzgebung zunehmend Entscheidungen mit großer Tragweite übertragen, obwohl beispielsweise delegierte Rechtsakte nur zur Ergänzung oder Änderung bestimmter nicht wesentlicher Vorschriften des betreffenden Gesetzgebungsaktes erlassen werden dürfen. Die entsprechenden Verfahren sind aus Sicht der Betroffenen deshalb häufig intransparent. Zugleich nehmen EU-Parlament und Ministerrat ihre Kontrollfunktion nur eingeschränkt wahr. Dies trägt zur Ausweitung des Demokratiedefizits der EU bei. Außerdem mindert die verstärkte Nutzung der Level 2-Gesetzgebung die Aussagekraft von Gesetzesfolgenabschätzungen (hierzu 18). Je mehr Regelungsgegenstände aus den Basisrechtsakten ausgeklammert werden, desto unschärfer können die Auswirkungen der Rechtsakte beurteilt werden. Aus diesen Gründen sind die EUGesetzgeber gefordert, wichtige Regelungsgegenstände wieder verstärkt im Primärrecht zu verankern. Die Befugnisse der Banken-, Versicherungs- und Wertpapieraufsicht innerhalb der EU sind bereits heute sehr weitreichend und sollten nicht weiter ausgedehnt werden. Vielmehr sollten die Europäischen Aufsichtsbehörden nun darauf achten, dass auch die riskanten Bereiche des Kapitalmarkts einer wirksamen Kontrolle unterliegen. Graue Kapitalmärkte, in denen Akteure unbeaufsichtigt agieren können, dürfen in der Kapitalmarktunion keinen Platz haben. 26) Gibt es angesichts der bisherigen Erfahrungen gezielte Änderungen an den Regelungen für Eigentumsrechte an Wertpapieren, die zu enger integrierten Kapitalmärkten in der EU beitragen könnten? ./. 27) Mit welchen Maßnahmen könnte der grenzüberschreitende Sicherheitenfluss verbessert werden? Sollten Arbeiten unternommen werden, um die rechtliche Durchsetzbarkeit von Sicherheiten und Close-Out-Nettingvereinbarungen grenzübergreifend zu verbessern? ./. 11 28) Welche Haupthindernisse für integrierte Kapitalmärkte ergeben sich aus dem Gesellschaftsrecht einschließlich Corporate Governance? Gibt es gezielte Maßnahmen, mit denen sich diese überwinden ließen? Es gibt bereits ein europäisches Gesellschaftsrecht, das eine grenzüberschreitende Tätigkeit von Unternehmen auch im Finanzbereich ermöglicht. Eine grundsätzliche Harmonisierung des Gesellschaftsrechts in der gesamten EU ist deshalb nicht notwendig. Die Angleichung des Gesellschaftsrechts ist auch nicht ohne Weiteres möglich. Denn der Errichtung integrierter Kapitalmärkte steht der Subsidiaritätsgrundsatz der Europäischen Union entgegen. Dieser Grundsatz ist in Artikel 5 des EU-Vertrags festgelegt. Er soll gewährleisten, dass die Europäische Integration bürgernah und effektiv verläuft. Die Bürger Europas sollen in jedem Mitgliedstaat soweit nur möglich ihr gesellschaftliches Zusammenleben nach ihren eigenen Vorstellungen gestalten können. Die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips ist deshalb eine Legitimitätsgrundlage für die Europäische Integration. Daraus folgt erstens, dass europäische Regelungen Differenzierungen zulassen müssen, um nationalen Eigenheiten gerecht zu werden. Zweitens bedürfen weitreichende Eingriffe in die Souveränität der Mitgliedsstaaten der Legitimation durch die nationalen Parlamente. Das muss auch für die Schaffung der Kapitalmarktunion gelten. Aus diesem Grund ist die Harmonisierung des Gesellschaftsrechts hoch problematisch. Denn mit der Vereinheitlichung des Gesellschaftsrechts würden erhebliche Grundsatzentscheidungen über die Ausgestaltung der Wirtschaftsordnung in der Europäischen Union gefällt. So folgt das Gesellschaftsrecht in Deutschland einem Stakeholder-Modell, das alle Anspruchsgruppen eines Unternehmens an der Kontrolle des Managements beteiligt. Die stärker angelsächsisch geprägten Rechtssysteme hingegen sehen eine starke Stellung der Eigentümer vor, sodass in den anglo-amerikanischen Volkswirtschaften dem Shareholder-Value eine viel höhere Bedeutung zukommt. Eine EU-weite Angleichung des Gesellschaftsrechts hätte somit Konsequenzen, die weit über die Ziele der Kapitalmarktunion hinausgehen. 29) Welche spezifischen Aspekte des Insolvenzrechts müssten harmonisiert werden, um die Entstehung eines gesamteuropäischen Kapitalmarkts zu unterstützen? Die Harmonisierung des Insolvenzrechts hätte ebenfalls massive Auswirkungen auf die Ausgestaltung der europäischen Volkswirtschaften (hierzu 28). Eine Harmonisierung wäre zwangsläufig mit Entscheidungen über die Behandlung von Gläubigern auf der einen und Eigentümern auf der anderen Seite im Falle einer Unternehmensinsolvenz verbunden. Diese Entscheidungen beeinflussen die Ausgestaltung des Finanzsystems grundsätzlich. So erfordern langfristige Kreditbeziehungen, wie sie in einem bankorientierten Finanzsystem typischerweise auftreten, ein Insolvenzrecht, das die Gläubiger eines Unternehmens schützt. Genießen hingegen die Eigentümer eines insolventen Unternehmens einen hohen Schutz, bevorzugt das die Beteiligungsfinanzierung. Die Harmonisierung des Insolvenzrechts würde damit tief in die 12 Finanzierungsentscheidung der Bürger und Unternehmen eingreifen. Ein solcher Eingriff muss von den nationalen Parlamenten legitimiert werden. 30) Welche Hindernisse rund ums Thema Steuern sollten prioritär angegangen werden, um zu integrierteren Kapitalmärkten in der EU und einer robusteren Finanzierungsstruktur auf Unternehmensebene beizutragen, und auf welchem Wege sollte dies geschehen? Die EU-Mitgliedsländer haben sich die ausschließliche Kompetenz in Steuerfragen vorbehalten. Der EU stehen hier nur begrenzte Kompetenzen zu. Eine europäische Angleichung des Steuerrechts kann deshalb nur durch Entscheidungen der nationalen Parlamente erfolgen. Ihnen muss bei der Errichtung der Kapitalmarktunion eine hohe Bedeutung zukommen. Zudem ergeben sich aus der bisherigen europäischen Steuerpolitik Widersprüche. So steht die Finanztransaktionssteuer im Konflikt mit dem Ziel der Kapitalmarktunion, die europäischen Kapitalmärkte zu vergrößern. Besicherte Geldmarktgeschäfte würden mit der Finanztransaktionssteuer belastet, die eine wichtige Refinanzierungsquelle der Banken auf den Kapitalmärkten darstellen. Deshalb hat die Deutsche Bundesbank eindringlich vor den negativen Auswirkungen einer Finanztransaktionssteuer auf den Interbankenmarkt gewarnt. Auch die Altersvorsorge – etwa in Investmentfonds – wäre von dieser Besteuerung des Wertpapierhandels negativ betroffen. Ausweichreaktionen der Sparer auf weniger kapitalmarktintensive Produkte wären die Folge. Die Einführung der Finanztransaktionssteuer würde insofern ein zusätzliches Hindernis für den Ausbau der europäischen Kapitalmärkte schaffen. 31) Wie kann die EU die Entwicklung neuer Technologien und Geschäftsmodelle durch den Markt zugunsten integrierter und effizienter Kapitalmärkte am besten unterstützen? ./. 32) Gibt es weitere, in diesem Grünbuch nicht genannte Aspekte, bei denen aus Ihrer Sicht Handlungsbedarf besteht, um zu einer Kapitalmarktunion zu gelangen? Wenn ja, welche, und wie könnten entsprechende Maßnahmen aussehen? Die Auswirkungen größerer und vertiefter gesamteuropäischer Kapitalmärkte auf die Finanzsystemstabilität werden im Grünbuch nicht erwähnt. Dabei gibt es mittlerweile ernstzunehmende Warnungen des Internationalen Währungsfonds, dass von institutionellen Anlegern auf den Kapitalmärkten große Risiken ausgehen (hierzu 10). Diese Risiken werden im Grünbuch aber nicht angesprochen. Hier wird lediglich davon ausgegangen, dass sich regionale Schocks auf größeren Kapitalmärkten auf viele, voneinander unabhängige Investoren verteilen, die alle in der Lage sind, das von ihnen 13 eingegangene Risiko auch tatsächlich zu tragen. <die Gefahr des Marktversagens wird ausgeblendet. Dabei ist die Diversifikation und optimale Verteilung von Risiken über die Kapitalmärkte kein Automatismus. Funktioniert sie nicht, ergeben sich Gefahren für die Finanzsystemstabilität. Ansteckungseffekte auf den Kapitalmärkten treten dann wahrscheinlicher auf. Die angedachte stärkere Vernetzung der europäischen Kapitalmärkte mit den Finanzmärkten anderer Wirtschaftsräume verstärkt dieses Risiko noch. Denn internationale Kapitalflüsse sind unbeständig und schaffen dadurch Risikokanäle. Kapitalmarktkrisen in anderen Regionen der Welt können so auf das europäische Finanzsystem übergreifen. Die Subprime-Krise in den USA und ihre weltweiten Streueffekte haben das dramatisch vor Augen geführt. Die ungleiche Regulierung von Banken und Kapitalmärkten führt ebenfalls zu einem Systemrisiko. Denn damit ist die Gefahr verbunden, dass gering regulierte institutionelle Investoren ihre Aktivitäten auf den Kapitalmärkten zu stark ausweiten. Investmentfonds und andere institutionelle Investoren unterliegen jedoch einem Liquiditätsrisiko. Ihnen fehlt der Zugang zur Zentralbankliquidität. Es ist deshalb nicht gesichert, dass sie zu jeder Zeit ihre Anleger bedienen können. Kommt es zu einem Schock und die Anleger wollen ihr Kapital abziehen, sind diese Akteure gezwungen ihre Vermögenswerte zu verkaufen. Deren Preis sinkt, Wertberichtigungen werden notwendig. Andere Akteure geraten ebenfalls in Zahlungsschwierigkeiten. Weitere Vermögenswerte werden verkauft, die Vermögenspreise sinken dadurch noch tiefer. Eine solche Negativspirale hat im Jahr 2007 in den USA zu einem rapiden Verfall der Immobilienpreise und damit zur weltweiten Finanzkrise geführt. Selbst Eigenkapitalmärkte, die im Grünbuch als stabilisierend für das Finanzsystem angesehen werden, waren bereits Auslöser von Finanzkrisen. Die Krise am Neuen Markt zu Beginn des Jahrtausends ist ein Beispiel dafür. Das im Grünbuch vermittelte Vertrauen in Marktlösungen ist deshalb nicht gerechtfertigt. Nur durch eine Angleichung der Marktregeln und die Schaffung einer höheren internationalen Kapitalmobilität entstehen keine stabilen Finanzsysteme. Deshalb müssen wirksame Regeln zur Beschränkung dieser Risiken aufgestellt werden. Das Wachstum stabilitätsgefährdender Schattenbanken ist ein warnendes Beispiel für die Risiken ungleicher Regulierung. Eine effektive Aufsicht und ein international funktionsfähiges Regelwerk zur Regulierung der Finanzmärkte muss deshalb eine Grundvoraussetzung für die Errichtung einer Kapitalmarktunion sein. Auch die angestrebte stärkere Verflechtung von Banken und Kapitalmärkten muss kritisch hinterfragt werden. Die Ursache der amerikanischen Subprime-Krise lag unter anderem in der übermäßigen Abhängigkeit vieler Banken von den Kapitalmärkten. Der Vorschlag im Grünbuch, eine solche Verflechtung über Verbriefungsmärkte oder Schuldverschreibungen zu fördern, muss deshalb kritisch betrachtet werden. Zwar bieten Verbriefungen den Banken die Möglichkeit, ihr Eigenkapital zu entlasten und mehr Kredite zu vergeben. Dies kann auch tatsächlich zu einer Verbesserung des Kreditangebots für mittelständische Unternehmen führen. Doch die Banken werden dadurch abhängiger von den Kapitalmärkten. Das kann ein großer Nachteil sein. So hat es sich für die deutsche Wirtschaft im Verlauf der Finanzkrise als enorm vorteilhaft herausgestellt, dass es in Deutschland Kreditinstitute gibt, die wenig Gebrauch von Kapitalmarktinstrumenten machen und sich vor allem durch die Einlagen ihrer Kunden refinanzieren. 14
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