Unternehmenssteuerung, Führungsverantwortung - vhs

Thementag 2015 „Industrie 4.0 – Handlungsfelder und Herausforderungen“
Unternehmenssteuerung, Führungsverantwortung und die Lernende Organisation 4.0
Ein Softwareunternehmen in der Logistikbranche trifft auf Industrie 4.0
Wer sich in jedweder Form mit Lieferketten befasst, ist in den vergangenen Jahren nicht am Thema
Globalisierung vorbei gekommen. Immer dezentraler werden Waren aller Art hergestellt und beschafft. Schon
seit einigen Jahren nehmen die Fragmentierung der Beschaffungslogistik und die Risikominimierung mittels
verteilter Lieferanten und Beschaffungswege zu. Die dabei immer höher werdende Autonomie der beteiligten
Systeme deutet schon die Richtung Industrie 4.0 an. Nicht nur der iBin, den die Firma Würth zusammen mit
dem Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML) eingeführt hat, sondern auch mobile Robotik und
schwarmintelligente Lagerverwaltungssysteme sind in fortgeschrittenen Erprobungsphasen. Schon in Kürze
werden Container selbst auf Basis ihres individuellen aktuellen Risikoprofils ihrer Route und den
Ankunftszeiten der in ihnen transportierten Güter ihren Transportweg dynamisch und selbstständig ermitteln
und steuern. Ein Beispiel: Führt die geplante Route von Asien nach Europa über einen Hafen dessen
Abwicklung überraschend bestreikt wird, dann ist eine autonome Umbuchung durch das Lademittel auf den
Landweg möglich. Oder: Durch einen Anstieg des Risikos von Piraterie im Meer vor Afrika betroffen zu sein,
wird eine Rückverschiffung nach Singapur initiiert. Die sich anschließende terminbezogene neue Aufteilung
und Verladung der Ware – der zeitkritische Teil der Ladung geht in die Luftfracht und der Rest auf das Schiff,
das die südlichere Route nimmt – ist eine eigenständige Entscheidung des betroffenen Containers und nicht
von zentraler Steuerung/Planung. IT-Systeme der Logistik müssen mit solchen Szenarien umgehen können
bzw. dafür geschaffen werden kontext- und situationsabhängig zu reagieren.
Mit der zeitgleichen stärkeren Regionalisierung steigen die Dynamik und die Komplexität. Logistikdienstleister
(3PL/4PL) übernehmen mehr und mehr Aktivitäten und Aufgaben entlang der Lieferwege. Auch hier entstehen
im weitesten Sinne verteilte Systeme, in denen neben Mehrwerten in der Beschaffungskette (beispielsweise
Veredelungen oder regionale Anpassungen, sogenannte value added services an den Produkten) auch ITDienstleistungen angeboten werden. Produzierende Unternehmen können damit neben den reinen
logistischen und zolltechnischen Dienstleistungen auch IT-Services beziehen. Vom Betrieb der IT-Systeme bis
zur einzelnen Funktion (z.B. Track & Trace) in der Lieferkette. Das Thema wird durch die immer weiter
gehende Personalisierung von Standardprodukten (Masscustomization) noch verschärft. Bereits heute werden
Autos oder PCs in weiten Teilen individuell gefertigt.
Als Softwareunternehmen das Kunden aus fast allen Branchen bedient, sind die Themen autonomere
Softwarekomponenten, seitenwindstabile Systeme die on Demand zur Verfügung stehen, konfigurierbare
Komponenten und vor allem maßgeschneiderte Dienstleistungen (inklusive HaaS - Human as a Service)
zentrale, weil für die Zukunft notwendige, Fragestellungen. Solch hohe Dynamik, sich stetig ändernde
Rahmenbedingungen, Wachstum und Internationalisierung können nach unseren Erfahrungen nicht von einer
strikt hierarchischen Organisation bewältigt werden.
Matthias Kieß, Geschäftsführer, AEB GmbH, Stuttgart
1
Thementag 2015 „Industrie 4.0 – Handlungsfelder und Herausforderungen“
Unternehmenssteuerung, Führungsverantwortung und die Lernende Organisation 4.0
Wie organisiert sich ein Unternehmen mit solchen Herausforderungen?
Die strikte hierarchische Struktur eines Unternehmens, das die Geschäftsprozesse meist streng am
Organigramm entlang führt, ist nicht so flexibel wie es der Markt benötigt. Wachsende Unternehmen werden
ab einer gewissen Größenordnung damit konfrontiert, dass eine zentrale Steuerung nur noch gelingt, wenn
weitere strukturierende Ebenen eingezogen werden. Immer träger werdende Entscheidungsprozesse und
quasi entmündigtere Mitarbeiter sind die Folge. Die Beschäftigung mit sich selbst bekommt ein zu großes
Gewicht und die Marktanforderungen treten in den Hintergrund. Um dies zu umgehen, hat AEB einen anderen
Weg eingeschlagen. Dabei tritt eine Netzwerkstruktur aus sich selbst ähnlichen Elementen in den
Vordergrund. Im Wesentlichen besteht das Unternehmen aus miteinander verknüpften Teams, welche
weitestgehend individuell verantwortlich sind und handeln. Es wird lediglich unterschieden zwischen Teams,
die direkt an der Peripherie und dem Bedarf am Markt unterworfen sind. Man spricht hierbei auch von Market
Pull, welches die Richtung der Orientierung zum Markt hin gut beschreibt. In der Peripherie müssen und
werden die Entscheidungen getroffen, um schnell und marktkonform zu reagieren. Unterstützende Teams des
Zentrums werden durch den Market Pull in Richtung der Peripherie gezogen, so beraten beispielsweise die
Geschäftsführer die Teams an der Peripherie, entscheiden jedoch nicht für diese. Das Bewusstsein für diese
Trennung erlaubt eine größere Leichtigkeit in den täglichen Aufgaben.
Gestützt wird dies durch Unterscheidung. So werden für dynamischen Kontext eher Prinzipien formuliert als
Regeln aufgestellt, an denen sich die Mitarbeiter orientieren. Diese können leichter angewendet werden und
machen eine zentrale Steuerung obsolet. Die Notwendigkeit eines zentralen Gremiums im Falle einer nicht
greifenden Regel entfällt somit. Regeln werden auf wiederkehrende und standardisierte Prozesse reduziert.
Eine solche Orientierung und das Zulassen einer hohen Fehlertoleranz ermöglichen einer Organisation wie
AEB, flexibel mit unterschiedlichen Situationen umzugehen.
Klassische Budgets werden weitestgehend vermieden. Deren Planung und Freigabe fordern in der Regel zu
viel Zeit im Jahresrhythmus und sind meist nach drei Monaten wieder überholt. Noch schlimmer, dies führt
zum präventiven Verbrauch der bewilligten Budgets, damit ein Anspruch für ein Vergleichbares im Folgejahr
bestehen bleibt. Ein rollierender Forecast ersetzt dies, um regelmäßig zu überprüfen, ob das Unternehmen
sich im richtigen Korridor bewegt.
Zielvorgaben, die zu persönlichen monetären Vorteilen führen, sind ein ebenso wenig zeitgemäßes Mittel, um
Anreize zu schaffen. Viel besser ist das Prinzip, die betriebswirtschaftliche Kompetenz der Peripherie zu
nutzen und die Entscheidungen über die meisten Invests (insbesondere an Zeit) dorthin zu verlagern.
Eigenverantwortung ist ein zentrales Element, welches dem Menschen Freiheit, Spaß und am Ende
selbstbestimmte Entwicklung ermöglicht.
Matthias Kieß, Geschäftsführer, AEB GmbH, Stuttgart
2
Thementag 2015 „Industrie 4.0 – Handlungsfelder und Herausforderungen“
Unternehmenssteuerung, Führungsverantwortung und die Lernende Organisation 4.0
Für den Blickwinkel Titel, Stellen und ähnliche karrieredefinierenden Elemente gilt Vergleichbares.
Konsequenterweise werden keine Stellen definiert oder ausgeschrieben (wenn dann der Form halber). Viel
wichtiger ist es, dass die Auswahl der Mitarbeiter auf Basis von Talent für Aufgaben geschieht. Dabei kann
das Zentrum mit seinen Vernetzungen in die peripheren Teams ideal unterstützen, in dem Bedarfe erkannt
werden (wo zieht es am meisten vom Markt her) und bei der Bewegung von Mitarbeitern im Unternehmen
helfen. Wo neue Mitarbeiter gesucht werden, kommt es darauf an, dass diese in die notwendigen Rollen
wachsen können und nicht Jahr für Jahr einen Senior / Partner / Manager Titel bekommen. Titel sind zu starr
und lassen sich, wenn einmal erreicht, bei veränderter Aufgabe nicht so einfach anpassen. Rollen sind
flexibel, welches sich am folgenden Beispiel skizzieren lässt: Ein Produktmanager, der Software entwickelt,
kann im Laufe der Jahre seinen Schwerpunkt zur Vertriebsunterstützung bis hin zum Account Management
verschieben – in allen neuen Disziplinen muss er nicht seinen Titel als Senior zuerst verteidigen, sondern wird
wegen der weiter wachsenden Fachexpertise in seinem Thema als Führungskraft angesehen.
Führung anstatt Steuerung ist ein entscheidender Faktor. Miles Davis, der große Jazztrompeter, hat nicht nur
die Entwicklung dieser Musikrichtung über Jahrzente entscheident geprägt. Wie er viele seiner Bands ab Mitte
der sechziger Jahre geführt hat, kann gut als Blaupause für das, wie wir es tun, dienen. Miles Davis war ein
Meister im Weglassen, Raum lassen, etwas nicht spielen, des „Nichtanweisens“. Er hat seine meist jungen
Mitspieler nicht auf die reine Begleitung reduziert, sondern sie gefordert mit weniger mehr zu machen und sie
so auch in den Mittelpunkt gestellt.
Zu guter Letzt ist Führung auf Basis von Werten, die die Beschreibung davon sind, was gelebt wird, das was
wir bei AEB, als relevant ansehen. Unsere Wertekette „offen – kundig – eigen – bestimmt – weiter – führend –
gut“ steht für das, was AEB ist.
Die lernende Organisation
"Die Weisheit der vielen" ist in seiner Gesamtheit ein gutes Beispiel, wie eine oben beschriebene Organisation
sich lernend weiter entwickelt. Entscheidend ist nicht das Expertenwissen von wenigen, sondern die Fähigkeit,
aus den unterschiedlichen Einschätzungen der Menschen die Quintessenz abzuleiten. Im Buch wird dies mit
einem schönen Beispiel illustriert, welches das Aufspüren eines verschollenen U-Boots beschreibt. Die
Expertenmeinungen gingen weit auseinander, daher bat man alle diejenigen, die im weiteren Umfeld mit der
Suche befasst waren, um eine Einschätzung. Der daraus ermittelte Schnittpunkt lag letztlich in der Nähe des
reellen Fundorts, weshalb das U-Boot geborgen werden konnte.
Wir bei AEB sehen darin ein wichtiges Beispiel, wenn es um Lernen im Unternehmen geht. Jeder im
Unternehmen soll und kann zum Lernen beitragen, da gerade in der Vielfalt der Meinungen und Expertisen ein
unternehmerischer Vorteil liegt.
Matthias Kieß, Geschäftsführer, AEB GmbH, Stuttgart
3
Thementag 2015 „Industrie 4.0 – Handlungsfelder und Herausforderungen“
Unternehmenssteuerung, Führungsverantwortung und die Lernende Organisation 4.0
Daher kommt der Aufgabe, das Lernen in das Tagesgeschäft mit zu integrieren, eine zentrale Rolle zu. Die
Netzwerkstruktur mit der flachen Verantwortungsverteilung adressiert damit die Teamleiter, die für das
permanente Lernen Sorge tragen müssen. Letztendlich verantwortet keine Personalabteilung als zentral
steuerndes Team den strukturierten Lernerfolg, sondern der lokale, periphere Bedarf. Unsere
Mitarbeiterbetreuung gibt dafür Impulse und schafft den Rahmen und die Anlässe.
Wer ist AEB?
Die AEB GmbH ist ein mittelständisches IT-Unternehmen mit internationaler Ausrichtung. Seit über 30 Jahren
erfolgreich am Markt, hat sie sich zu einem führenden Anbieter für globale IT-Lösungen und Services im
Bereich Supply Chain Management mit den Schwerpunkten Beschaffungs-, Lager-, Distributionslogistik,
Außenwirtschaft und Risikomanagement entwickelt.
Mit der Logistiksuite ASSIST4 bietet AEB eine Anwendung mit durchgängiger Prozessunterstützung und
vollständiger Transparenz für die Planung und Steuerung globaler Liefernetzwerke an. Die Serie XPRESS
bietet auf den Anwendungsfall sehr schlank zugeschnittene Fachanwendungen (Software as a Service). Alle
Lösungen können auch als Cloud-Lösung bezogen werden.
Über 5000 Kunden, sowohl aus Industrie und Handel, als auch viele Dienstleister aus dem Bereich der
Logistik, nutzen Produkte der AEB in der Umsetzung und Optimierung ihrer globalen Prozesse in der
Lieferkette. Darin sind internationale Weltkonzerne, klassischer Mittelstand und Kleinunternehmen gleich
verteilt vertreten.
Mehr als 400 Mitarbeiter arbeiten an 15 Standorten weltweit. AEB gehört den Menschen, die im Unternehmen
arbeiten. Ziel ist es, dass sich möglichst viele Mitarbeiter im Lauf der Jahre am Unternehmen beteiligen und
Anteile erwerben. Eine Beteiligung Dritter am Unternehmen ist ausgeschlossen. Unabhängigkeit und Freiheit
in den Entscheidungen ist Kern der Unternehmensentwicklung.
Matthias Kieß, Geschäftsführer, AEB GmbH, Stuttgart
4
Thementag 2015 „Industrie 4.0 – Handlungsfelder und Herausforderungen“
Unternehmenssteuerung, Führungsverantwortung und die Lernende Organisation 4.0
Unternehmenskultur, Führungsverantwortung
und die Lernende Organisation 4.0
Selbststeuerung und vernetzte Arbeitsabläufe
Unternehmenskultur, Führungsverantwortung und die Lernende Organisation 4.0
Globale Supply Chains öffnen lokale Märkte
Autonome Container
Dezentrale Prozesse
Logistik- und ITDienstleistung
aus einer Hand
Verteilte IT-Architektur
Masscustomization
Globalisierung und
Regionalisierung
Cloud und OnDemand Lösungen
Matthias Kieß, Geschäftsführer, AEB GmbH, Stuttgart
5
Thementag 2015 „Industrie 4.0 – Handlungsfelder und Herausforderungen“
Unternehmenssteuerung, Führungsverantwortung und die Lernende Organisation 4.0
Unternehmenskultur, Führungsverantwortung und die Lernende Organisation 4.0
Fraktale Netzwerkstruktur
Peripherie und Zentrum
Market Pull statt Organigramm
Prinzipien vs. Regeln
Rollen statt Stellen & Titel
Beyond budgeting
Eigenverantwortung
Fehlertoleranz & Seitenwindstabilität
Unternehmenskultur, Führungsverantwortung und die Lernende Organisation 4.0
Matthias Kieß, Geschäftsführer, AEB GmbH, Stuttgart
6
Thementag 2015 „Industrie 4.0 – Handlungsfelder und Herausforderungen“
Unternehmenssteuerung, Führungsverantwortung und die Lernende Organisation 4.0
Unternehmenskultur, Führungsverantwortung und die Lernende Organisation 4.0
Expertenmeinung vs.
Einschätzung von Betroffenen
Personalentwicklung nah am
Mitarbeiter
Strukturelle Impulse durch
zentrales Team sorgen für
mehrfach Loop Learning
Lernen in den Tagesaufgaben:
vorgesehen
gewünscht
gefördert
Das Unternehmen entwickelt sich
nur weiter wenn es die Mitarbeiter
tun
Matthias Kieß, Geschäftsführer, AEB GmbH, Stuttgart
7