MPG-official form - Max Planck Institute for Chemical Ecology

20. Mai 2015
Nr. 8/2015 (142)
Ein simples Molekül steuert das Sexualverhalten
von Taufliegen
Wissenschaftler identifizieren Methyllaurat als Sexualpheromon von
Drosophila melanogaster
Geschäftsführender
Direktor
Prof. Dr. David G. Heckel
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Forschungskoordination
Die Taufliege Drosophila melanogaster ist eines der am besten erforschten
Lebewesen. Seit Jahrzehnten dient sie als Modellorganismus der Genetik, ihr
Genom wurde im Jahr 2000 vollständig sequenziert. Dennoch war es
Forschern bislang nicht gelungen, das spezifische Pheromon dieser
Taufliegenart nachzuweisen, das zum Paarungserfolg führt. Zwar waren die
Pheromone bekannt, die Paarung unterdrücken, nicht jedoch die
Sexuallockstoffe, die Balzverhalten und infolgedessen Paarung auslösen.
Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie konnten
jetzt ein vergleichsweise einfaches Molekül identifizieren, das nichtsdestotrotz
in der Lage ist, das komplexe Paarungsverhalten der Taufliegen zu steuern.
Es handelt sich um den Fettsäuremethylester Methyllaurat. Der erfolgreiche
Nachweis gelang durch die Kombination von modernsten chemischen
Analyseverfahren, physiologischen Messungen im Fliegenhirn und
Verhaltensexperimenten. (Proceedings of the National Academy of Sciences
of the United States of America, Mai 2015)
Dr. Jan-W. Kellmann
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Presse
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Schwarzbäuchige Taufliegen (Drosophila melanogaster) bei der Paarung auf
einer Kiwi. Das Pheromon Methyllaurat löst bei der männlichen Fliege das
Balzverhalten aus und ist für den Paarungserfolg ausschlaggebend.
Foto: Anna Schroll
Pheromone sind Botenstoffe, die Information von Individuen einer Art an ihre
Artgenossen übermitteln. Neben sogenannten Aggregationspheromonen, die
eine Versammlung von Insekten derselben Art initiieren, oder
Alarmpheromonen, die Artgenossen vor drohenden Gefahren warnen, sind
vor allem die Sexualpheromone bekannt. Insektenweibchen geben diese als
Sexuallockstoffe ab, die eine anziehende Wirkung auf potenzielle
Paarungspartner haben. Ende der 50er Jahre wurde mit dem Sexuallockstoff
des Seidenspinnerweibchens, Bombykol, erstmals ein solches Pheromon
identifiziert und in seiner Wirkung nachgewiesen. In zahlreichen weiteren
Insektenarten konnten die Sexuallockstoffe identifiziert werden. Pheromone
werden beispielsweise erfolgreich in der Schädlingsbekämpfung eingesetzt,
indem man den weiblichen Lockstoff nutzt, um Männchen in die Falle zu
locken. Ausgerechnet bei der extrem gut erforschten Taufliege Drosophila
melanogaster fehlte jedoch bisher der Nachweis eines Pheromons, das
Männchen anlockt und Paarungsverhalten auslöst.
Die Forscher um Hany Dweck, Markus Knaden und Bill Hansson aus der
Abteilung Evolutionäre Neuroethologie mussten in ihren Untersuchungen
zunächst einen Fehlschlag hinnehmen. In der Annahme, dass der Duft
jungfräulicher Fliegenweibchen für Männchen besonders attraktiv ist, suchten
sich in erster Linie nach Düften, die nur bei unverpaarten Weibchen
vorkommen. Allerdings trugen die Untersuchungen nicht dazu bei, den Duft zu
identifizieren, der ausschlaggebend für die Paarung war. Physiologische und
genetische Daten gaben jedoch Hinweise darauf, dass die Fliegen einen
Neuronentyp besitzen, der auf ein Paarungssignal spezialisiert ist und auf
eine ganz bestimmte, bislang unbekannte Substanz aus der Sammlung von
Fliegendüften reagiert. Fehlt diese Sinnesnervenzelle, die den spezifischen
Geruchsrezeptor Or47b aktiviert, ist der Paarungsdrang der Männchen
gebremst. Hany Dweck begann daher, Düfte von Tausenden von Taufliegen
zu sammeln, von jungfräulichen und verpaarten Weibchen, aber auch von
Männchen. Für die Analyse der Einzelduftkomponenten konnte er die neue
Technik der Thermischen Desorptions-GC-MS anwenden. Diese Kombination
von Gaschromatografie (GC) und Massenspektrometrie (MS) macht sich
darüber hinaus die thermische Desorption zunutze, mit deren Hilfe auch
kleinste Mengen flüchtiger Substanzen gemessen und identifiziert werden
können. Anschließend testete er mit Hilfe von physiologischen Messungen an
der Fliegenantenne alle identifizierten Verbindungen auf ihre Fähigkeit, die
pheromonspezifische Sinnesnervenzelle zu aktivieren. Von allen getesteten
flüchtigen Verbindungen, die Taufliegen an ihre Umgebung abgeben, löste nur
eine einzige eine starke Reaktion dieses Neurons aus: Methyllaurat, eine
Substanz mit einer relativ einfachen Molekülstruktur, wie Analysen ergaben.
„Als Chemiker waren wir fast enttäuscht, dass ein Molekül, das so etwas
Wichtiges wie Sex vermittelt, eine so simple Struktur hat,“ sagt Aleš Svatoš,
der die chemischen Analysen zur Identifizierung des Pheromons
vorgenommen hat.
Methyllaurat kommt nicht nur bei jungfräulichen Weibchen vor, sondern auch
bei weiblichen Fliegen, die sich bereits gepaart haben, und sogar bei
Männchen. Die Substanz wird von der Sinneszelle aufgespürt, die den
Geruchsrezeptor Or47b besitzt, der ausschließlich auf Methyllaurat reagiert. In
Männchen löst Methyllaurat Balzverhalten aus. Dass der Duft unverpaarter
Weibchen besonders attraktiv für die Männchen ist, liegt daran, dass die
Männchen bei der Paarung die Substanz cis-Vaccenyl-Azetat übertragen, was
die begatteten Weibchen für andere Männchen unattraktiv macht.
Methyllaurat wird von einer weiteren spezifischen Sinneszelle aufgespürt, die
den Geruchsrezeptor Or88a besitzt. Fliegen, denen der Geruchsrezeptor
Or47b fehlt, werden immer noch vom Duft anderer Fliegen angezogen,
allerdings mit einem deutlich verminderten Paarungsdrang. Fehlt ihnen der
Geruchsrezeptor Or88a, wirken die Düfte anderer Fliegen nicht mehr
anziehend, allerdings ist das Paarungsverhalten dieser Fliegen normal. „Das
neu entdeckte Pheromon aktiviert zwei unterschiedliche Schaltkreise im
Fliegenhirn: Zum einen steuert es die Paarung von Männchen und Weibchen,
zum anderen wirkt es als Aggregationspheromon,“ erläutert Versuchsleiter
Markus Knaden die Ergebnisse der Verhaltensassays.
Interessanterweise konnten die Wissenschaftler Methyllaurat in allen getesten
Drosophila-Arten nachweisen. Außerdem waren es in allen Arten die gleichen
pheromonspezifischen, die Geruchsrezeptoren Or47b oder Or88a
besitzenden Neuronen, die Methyllaurat aufspürten. Die von Methyllaurat
ausgehenden Signale für Paarung sowie für Attraktivität scheinen in vielen
Taufliegenarten konserviert zu sein. Um die Kreuzung verschiedener Arten zu
verhindern, scheint jede Art spezifische Kohlenwasserstoffe auf der
Außenhaut (Cuticula) zu bilden, die eine paarungshemmende Wirkung haben.
Die enge Zusammenarbeit von Wissenschaftlern aus verschiedenen
Disziplinen macht diese Art von Grundlagenforschung möglich. „Unsere
Studie wäre ohne die interdisziplinäre Herangehensweise nicht möglich
gewesen. Es ist großartig, dass wir die Ergebnisse unterschiedlicher
Techniken, chemischer Analysen, elektrophysiologischer Messungen,
bildgebender Verfahren und nicht zuletzt Verhaltensstudien zusammenführen
können, und dass daraus eine so umfassende und spannende Geschichte
entsteht,“ meint Bill Hansson, Direktor der Abteilung Evolutionäre
Neuroethologie.
In weiteren Versuchen wollen die Wissenschaftler den Biosyntheseweg von
Methyllaurat eingehender betrachten. Insbesondere möchten sie der Frage
nachgehen, ob die Fliege die Substanz selbst produziert, oder ob sie
möglicherweise von symbiontischen Bakterien hergestellt wird. [AO]
Originalveröffentlichung:
Dweck, H. K. M., Ebrahim, S. A. M., Thoma, M., Mohamed, A. A. M., Keesey,
I. W., Trona, F., Lavista-Llanos, S., Svatoš, A., Sachse, S., Knaden, M.,
Hansson, B. S. (2015). Novel pheromones mediate copulation and attraction
in Drosophila. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United
States of America. DOI 10.1073/pnas.1504527112
http://dx.doi.org/10.1073/pnas.1504527112
Weitere Informationen:
Markus Knaden, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, Hans-Knöll-Str.
8, 07743 Jena, +49 3641 57-1421, [email protected]
Bill S. Hansson, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, Hans-Knöll-Str.
8, 07743 Jena, +49 3641 57-1401, [email protected]
Kontakt und Bildanfragen:
Angela Overmeyer M.A., Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, HansKnöll-Str. 8, 07743 Jena, +49 3641 57-2110, E-Mail [email protected]
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