Nicht von heute auf morgen

Schweine I 33
BLW 14 I 3. 4. 2015
Nicht von heute auf morgen
D
er Umgang mit dem Verbot
des Kupierens von Schweineschwänzen steht derzeit im Mittelpunkt von Politik und
Landwirtschaft. Laut EU-Recht ist
ein routinemäßiges Kupieren der
Schweineschwänze verboten. In einigen Bundesländern wird nun ein
generelles Verbot ab 2016 diskutiert.
Um mögliche Lösungswege für das
Halten unkupierter Tiere zu finden,
werden momentan in Deutschland
über 20 wissenschaftlich begleitete
Projekte durchgeführt.
Der niedersächsische Tierschutzplan hat eine Machbarkeitsstudie in
die Wege geleitet, die wissenschaftlich von Prof. Thomas Blaha, Leiter
der Außenstelle für Epidemiologie
in Bakum (Institut der Tierärztlichen
Hochschule Hannover) geleitet wurde. Teilgenommen haben vier niedersächsische Betriebe, die alle im
geschlossenen System produzieren.
Zunächst wurde nur bei einer kleinen Anzahl von 50 bis 80 Tieren der
Schwanz nicht kupiert. Während der
Ferkelaufzucht und Mast haben die
Schweinehalter durch unterschiedliche, unter den gegebenen Haltungsbedingungen umsetzbare Maßnahmen versucht, das Schwanzbeißen zu
verhindern.
Schwanzbeißen gab
es in jedem Betrieb
Ergebnisse und Erfahrungen aus
diesem Projekt: Schwanzbeißen bei
unkupierten Schweinen gab es in jedem Durchgang und in jedem der
vier Betriebe. Es zog sich von der
Ferkelaufzucht bis in die Mast durch.
Rund 54 % der Läufer wurden mit einem intakten, unkupierten Schwanz
in die Mast eingestallt. Am Ende der
Mast hatten nur noch rund 25 % der
unkupierten Schweine einen intakten Schwanz. Auffällig: Die Verluste unkupierter Tiere waren höher
als bei den Schweinen mit kupierten
Schwänzen. Am Schlachthof wurde
ermittelt, dass die Schweine mit langen Schwänzen deutlich mehr Abszesse hatten als die Kontrolltiere.
ITW: Startschuss
A
m Mittwoch, 1. April, startete die Anmeldung zur Initiative Tierwohl (ITW). Die Bündler
melden verbindlich die registrierten Schweinehalter bis einschließlich 28. April an die Gesellschaft
zur Förderung des Tierwohls in der
Nutztierhaltung. Schweinehalter
müssen sich bis spätestens 27. April
um 17 Uhr beim Bündler anmelden. Es spielt keine Rolle, wann
die Anmeldung in dem genann-
Schwanzbeißen ist ein multifaktorielles Geschehen. Das bedeutet, dass
es sehr viele Risikofaktoren gibt, die
Schwanzbeißen alleine oder in Kombination mit anderen Risikofaktoren
auslösen können. Es gibt kein Patentrezept gegen Schwanzbeißen.
Erforderlich ist zunächst, dass sich
Schweinhalter auf die Suche nach ihren eigenen, betriebsspezifischen Risikofaktoren begeben. Beispielsweise können ein schlechtes Stallklima,
eine unzureichende Futter- und Wasserqualität, das Fehlen von Beschäftigungs- und Wühlmaterial sowie
Krankheiten zu einem „Unwohlsein“
der Schweine führen und Ursache für
Schwanzbeißen sein.
Eine ungünstige Buchtenstrukturierung, die Gruppenzusammensetzung und die Genetik der Tiere spielen auch eine Rolle. Das Angebot von
Beschäftigungsmaterial (Heu, Stroh,
Sägespäne, Holz oder Ähnliches)
kann das Auftreten von Schwanzbeißen reduzieren, falls es aber weitere Risikofaktoren gibt, nicht verhindern. Je abwechslungsreicher
Stimmen aus
der Praxis
Ursachen für
Schwanzbeißen
Herbert Rühl, Geiselwind: „Mehrere mögliche Ursachen für das
Schwanzbeißen meint man zu kennen, manche sind Vermutungen.
Meiner Meinung nach gibt es nur
eine einzige Ursache: Die Mastschweine
werden
nicht artgerecht gehalten. Schweine
haben das Bedürfnis in der Erde zu
wühlen und sich
in Schlammlöchern zu
suhlen.
Fotos: Privat
ten Zeitraum passiert. Bedeutend
ist es, ob der Betrieb die gewählten Kriterien bis 30. September erfüllen kann und ob der Betrag im
Fonds für die Teilnehmer reicht.
Ab Anfang Mai erhalten die interessierten Betriebe die Information,
ob sie zur Zertifizierung zugelassen
wurden. Ist das der Fall meldet der
Bündler das an die Zertifizierungsstelle und der Betrieb wird von einem Auditor kontrolliert. Wenn er
mängelfrei ist, erhält er ein Zertifikat mit einer Laufzeit von drei Jahren und gilt als bonusberechtigt. E
S
Foto: Carolin meiners
Eine Studie, vier Praxisbetriebe und ihre Erfahrungen mit dem Kupierverzicht
Beschäftigte Schweine
knabbern seltener an den
Ringelschwänzen der Buchten­
genossen. Ganz davon abhalten
ließen sie sich aber nicht.
und interessanter das Material für
die Schweine ist, desto höher ist die
Hemmschwelle für Schwanzbeißen.
Schwanzbeißen sollte früh erkannt
und die beißenden und/oder gebissenen Tiere unbedingt getrennt wer-
Deshalb kommt meines Erachtens
Schwanzbeißen bei Wildschweinen
nicht vor. Dagegen haben Schweine
in den Buchten Langeweile, was zu
Aggression bis hin zum Kannibalismus führen kann. Selbstverständlich kann man Mastschweine nicht
in großem Umfang gewinnbringend
im Freien halten. Wir können also
die Ursache für das Schwanzbeißen
nicht beseitigen, uns bleibt nur übrig, die Symptome zu bekämpfen.“
*
Irene Hamburger, Buch am
Buchrain: „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Ursachen
von Schwanzbeißen sehr vielfältig
sind. Es kann ein dauerhaftes Bestandsproblem sein oder jahreszeitlich auftreten. Zum Beispiel bei
starken Temperaturschwankungen
wenn der Frühjahr in den Sommer
übergeht, können manche Schwei-
den. So soll sich das Beißgeschehen
nicht weiter ausbreiten, Tierleid vermieden und wirtschaftlich relevante Teilschäden am Schlachtkörper
durch Infektionen und multiple Abszesse vermieden werden. Je früher eingegriffen wird, desto weniger
Tierverluste und Schlachtkörperbeanstandungen treten auf.
Da Schweinehalter die exakte Tierbeobachtung von vielen Schweinen
erst trainieren müssen, empfiehlt die
Studie, nach einer Analyse der Risikofaktoren erstmal mit einer kleinen
Anzahl an unkupierten Tieren zu beginnen. So können Halter erste eigene Erfahrungen mit den Haltungsbedingungen auf dem eigenen Betrieb
sammeln. Dabei sollten die Landwirte durch geeignete Beratungskonzepte unterstützt werden.
Ein generelles Verbot des Schwänzekupierens zum jetzigen Zeitpunkt
würde nach den bisherigen Erfahrungen zu starken, tierschutzrelevanten Schmerzen und Leiden der
Tiere durch Schwanzbeißen führen.
Es wird daher abgelehnt. Empfohlen wird eine Übergangszeit, die von
Beginn an von den Schweinehaltern
genutzt werden sollte, Risikofaktoren
zu erkennen und auszuräumen sowie
die Tierbeobachtung zu trainieren.
Carolin Meiners
Tierärztliche Hochschule Hannover
nebestände kurzfristig betroffen sein.
Diese Schwankungen erzeugen Stress
bei den Schweinen.
Ich habe beobachtet, dass
dauerhaftes
Schwanzbeißen in Verbindung mit einem zu hohen Eiweißgehalt im Futter auftritt.
Auch Pilzgifte im Getreide führen zu
aggressiven Schweinen. Gifte belasten den Stoffwechsel und somit
die Tiere. Wenn Kannibalismus nur
zeitweise auftritt, hilft meiner Erfahrung nach, wenn man Gesteinsmehl ausstreut. Auch Kräuter oder
Heu zu verfüttern, kann unterstützen. Wenn im Bestand Schwanzbeißen dauerhaft vorkommt, prüfe ich
die Fütterung, Lüftung, biete zusätzliches Beschäftigungsmaterial an.“
AMG-Kennzahlen veröffentlicht
S
eit Dienstag, 31. März, sind die
Kennzahlen 1 (Median) und 2
(3. Quartil) des staatlichen Antibiotikamonitorings öffentlich im Bundesanzeiger einsehbar. Außerdem
können Mäster ihre betrieblichen
Werte in der HIT-Datenbank mit
den allgemeinen Kennzahlen vergleichen, falls sie ihre Antibiotikaabgaben melden müssen. Dazu fin-
den sie auf der Internetseite www.
amgnovelle.bayern.de des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) unter dem
Link Tierhalter eine Hilfestellung.
Sie erläutert, wie mit den eigenen
Kennzahlen umzugehen ist und
welche Schritte man einleitet, sollte
man Kennzahl 1 oder 2 überschritES
ten haben.