Forschungsthema des Monats April 2015

April 2015
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REKLIM News und Forschungsthema des Monats
Forschungsthema des Monats April: Topic 4
Landoberflächen im Klimasystem
Der Yatir-Wald in Israel: ein besonderes Ökosystem und
seine Auswirkungen auf das regionale Klima
Der Yatir ist ein Wald in Israel am nördlichen Rand der
Negev-Wüste, mit einem mittleren Jahresniederschlag von
lediglich 285 mm (Grünzweig et al., 2003). Er befindet sich
somit an der Wüsten-Waldgrenze und kann als ‚letzter Vorposten‘ der Mittelmeerklimazone angesehen werden. Dort
wurden in den 1960er Jahren durch den Jewish National
Fund vornehmlich Aleppo-Kiefern (Pinus halepensis) angepflanzt, die besonders gut an Trockenstress angepasst sind.
Im Gegensatz zur umliegenden Halbwüste (der Einfachheit
halber im Folgenden als „Wüste“ bezeichnet) ist der Wald
viel dunkler und weist eine höhere Oberflächenrauigkeit auf.
Dies führt bei ausreichend hohen Windgeschwindigkeiten zu
erhöhten turbulenten Wärmeströmen über dem Wald, was
Rotenberg und Yakir (2010; 2011) als „canopy convector
effect“ bezeichnen. Aufgrund seiner isolierten Lage und den
konstanten Wetterbedingungen in der Region stellt der Yatir
Wald ein ideales natürliches Labor dar, um den Einfluss von
Heterogenitäten der Landoberfläche auf die Eigenschaften
der darüber liegenden atmosphärischen Grenzschicht zu
untersuchen. Zum einen wird vermutet, dass die räumlichen
Unterschiede im Auftriebsstrom eine stationäre Sekundärzirkulation (Mauder et al., 2007; Garcia-Carreras et al.,
2010) – quasi ein Wald-Wüsten-Windsystem – hervorrufen,
zum anderen sollte die Grenzschicht über dem Wald mächtiger sein als über der Wüste (Desai et al., 2006; Couvreux et
al., 2009).
Um diese Fragen zu beantworten, wurde im August und
September 2013 eine dreiwöchige Messkampagne in
Israel durchgeführt. Hierzu wurden in der Wüste ein mobi-
les Eddy-Kovarianz-System zur Messung der turbulenten
Wärmeströme, Strahlungsmessgeräte zur Bestimmung der
Strahlungsbilanz und ein Ceilometer zur Bestimmung der
Grenzschichthöhe installiert. Im Wald wurden die turbulenten Flüsse und die Strahlungsbilanz auf einem meteorologischen Turm über dem Wald erfasst und ein Doppler
Windlidar wurde am Waldboden aufgestellt, um kontinuierlich die Vertikalwindkomponente über dem Wald und alle 30
Minuten das Horizontalwindprofil zu messen.
Die Ergebnisse der Turbulenz- und Strahlungsmessungen
verdeutlichen nochmals die extremen Unterschiede zwischen den beiden Standorten im Wald und in der Wüste
(Abb. 1). Der Wald erhält tagsüber (5-15 UTC) in etwa das
Doppelte an Nettostrahlung im Vergleich zur Wüste, was
zu erhöhten fühlbaren Wärmeströmen und schließlich zu
einem 220-290 W m-2 höheren Auftriebsstrom über dem
Wald führt.
Es wird erwartet, dass der erhöhte Auftriebsstrom über
dem Wald eine Sekundärzirkulation hervorruft, die als beständiger Aufwind in Erscheinung treten sollte. Sekundärzirkulationen sind von besonderer Bedeutung für das Problem
der Energiebilanzschließung, da sie Energie von der Erdoberfläche in die Atmosphäre transportieren können, aber
mit der Eddy-Kovarianz-Technik nicht erfasst werden (Foken, 2008). An 5 von 16 Messtagen während der Kampagne
konnte mit dem Doppler Lidar ein beständiger Aufwind über
dem Wald nachgewiesen werden, z.B. am 10. September
2013 (Abb. 2). Diese Aufwinde traten jedoch nur vormittags auf, da während den Nachmittagsstunden das lokale
Windfeld von dem regionalen Land-See-Windsystem des
Mittel​­meeres überlagert wird. Außerdem konnte anhand
Abb. 1: Die mittleren Tagesgänge
der Nettostrahlung (-QS*), des
fühlbaren Wärmestroms (QH) und
des latenten Wärmestroms (QE)
über der Wüste (a) und dem Wald
(b) zwischen dem 21. August und
dem 10. September 2013; die farblich hinterlegten Flächen zeigen
die Standardabweichungen an.
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Abb. 2: Doppler-Lidar-Messungen des Windfeldes über
dem Yatir Wald vom 10. September 2013; die Pfeile
zeigen die Richtung und Geschwindigkeit des Horizontalwindes, die Farben zeigen die 30-Minuten-Mittel der
Vertikalwindkomponente über dem Wald.
der vorliegenden Daten nicht geklärt werden, weshalb des
Lidar nur an 5 Tagen einen Hinweis auf eine Wald-WüstenZirkulation lieferte.
eindeutiger Hinweis auf eine dickere Grenzschicht und eine
Sekundärzirkulation über dem Wald gefunden wurde, da die
Messungen im Zentrum des Waldes durchgeführt wurden.
Des Weiteren wurden die Grenzschichthöhen über dem
Wald und über der Wüste aus den Rückstreu-Profilen des
Ceilometers und des Doppler Lidars bestimmt. Der Vergleich der beiden Standorte zeigte an 9 von 16 Tagen eine
signifikant höhere Grenzschicht über dem Wald, jedoch
nur, wenn der Höhenunterschied der beiden Standorte
(ca. 200 m) berücksichtigt wurde. Da jedoch die absoluten
Unterschiede in der Grenzschichthöhe meistens kleiner
als 200 m waren, reichen die Lidardaten alleine nicht aus,
um den Effekt des Waldes zweifelsfrei nachzuweisen. Auch
ein Einfluss der synoptischen Bedingungen ist nicht auszuschließen (Dayan et al., 1988). Zur besseren Interpretation
der Messergebnisse wurde eine Large-Eddy Simulation des
Untersuchungsgebietes durchgeführt (Abb. 3). Bei einem
typischen mittleren Horizontalwind von 6 m s-1 (Abb. 3b)
zeigt sich der stärkste Einfluss auf die Grenzschichthöhe
auf der windabgewandten Seite des Waldes, etwa 5 km
vom Zentrum des Waldes entfernt. Dies ist möglicherweise der Grund dafür, weshalb nicht für jeden Messtag ein
Um einen besseren Einblick über die lokalen Gegebenheiten zu bekommen und die offenen Fragen zu klären, sind
weitere Messungen und insbesondere eine gezielte Auswahl
der Messstandorte erforderlich. Dies sollt nun im Rahmen
des Projektes „Climate feedbacks and benefits from semiarid forests“ (CliFF) geschehen, eine deutsch-israelische
Kooperation des Weizmann Institute of Science und des
Karlsruher Instituts für Technologie. Ziel des Forschungsprojektes ist es, die physiologischen und mikrometeorologischen Mechanismen zu verstehen, die dazu führen,
dass der Wald selbst unter diesen extremen klimatischen
Bedingungen bestehen kann. Ein Schwerpunkt wird dabei
sein, den Einfluss des Waldes auf das lokale und regionale
Klima besser zu verstehen. Die Ergebnisse des Projektes
sind von besonderer Relevanz, insbesondere vor dem Hintergrund des Klimawandels. So soll unter anderem geklärt
werden, ob eine Wiederaufforstung in semi-ariden Klimaten
die Auswirkungen des Klimawandels auf regionaler Ebene
abmildern und inwiefern der entstehende Wald gleichzeitig
als Kohlenstoffspeicher dienen kann.
Abb. 3: Large-Eddy Simulation der
räumlichen Verteilung der Grenzschichthöhe um den Yatir Wald, ohne Horizontalwind (a) und für einen mittleren
Wind von 6 m s-1 aus Nord-West (b). Die
Simulation wurde mit PALM v.3.9 durchgeführt, wobei der Wald, der hier als
dicke schwarze Linie dargestellt ist, mit
einem höheren fühlbaren Wärmestrom
und einer erhöhten Rauhigkeitslänge
versehen war. Der Einfluss der Topographie wurde nicht berücksichtigt. Es sind
die 30-Minuten-Mittel der Grenzschichthöhe nach einer Simulationsdauer von
3 Stunden dargestellt.
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Forschungsthema
des Nachwuchswissenschaftlerinnen
Monats xxxx: Topic xx
Kurzbiografie REKLIM
Referenzen:
Couvreux, F., Guichard, F., Austin, P.H., Chen, F., 2009. Nature of
the mesoscale boundary layer height and water vapor variability
observed 14 June 2002 during the IHOP_2002 campaign. Mon.
Wea. Rev. 137, 414-432.
Mauder, M., Desjardins, R.L., MacPherson, I., 2007. Scale analysis
of airborne flux measurements over heterogeneous terrain in a
boreal ecosystem. Journal of Geophysical Research 112, D13112.
Rotenberg, E., Yakir, D., 2010. Contribution of semi-arid forests to
the climate system. Science 327, 451-454.
Dayan, U., Shenhav, R., Graber, M., 1988. The spatial and temporal behavior of the mixed layer in Israel. J. Appl. Meteor. 27,
1382-1394.
Rotenberg, E., Yakir, D., 2011. Distinct patterns of changes in
surface energy budget associated with forestation in the semiarid
region. Global Change Biol. 17, 1536-1548.
Desai, A.R., Davis, K.J., Senff, C.J., Ismail, S., Browell, E.V., Stauffer, D.R., Reen, B.P., 2006. A case study on the effects of heterogeneous soil moisture on mesoscale boundsry-layer structure in
the southern great plains, U.S.A. Part I: Simple prognostic model.
Bound. Layer Meteor. 119, 195-238.
Ansprechpartner:
Foken, T., 2008. The energy balance closure problem: an overview. Ecolog. Appl. 18, 1351-1367.
Dr. Matthias Mauder (Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung IMK-IFU, Karlsruher Institut für Technologie KIT, Garmisch-Partenkirchen)
Garcia-Carreras, L., Parker, D.J., Taylor, C.M., Reeves, C.E., Murphy, J.G., 2010. Impact of mesoscale vegetation heterogeneities
on the dynamical and thermodynamic properties of the planetary
boundary layer. J. Geophys. Res. Atmos. 115, D03102.
Grünzweig, J.M., Lin, T., Rotenberg, E., Schwartz, A., Yakir, D.,
2003. Carbon sequestration in arid-land forest. Global Change
Biol. 9, 791-799.
Fabian Eder (Institut für Meteorologie und Klimaforschung
– Atmosphärische Umweltforschung IMK-IFU, Karlsruher
Institut für Technologie KIT, Garmisch-Partenkirchen)
Prof. Dr. Hans Peter Schmid (Institut für Meteorologie
und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung
IMK-IFU, Karlsruher Institut für Technologie KIT, GarmischPartenkirchen)
Fabian Eder (Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung IMK-IFU,
Karlsruher Institut für Technologie KIT)
Fabian Eder hat an der Universität Bayreuth Geoökologie –
Umweltnaturwissenschaften (B.Sc / M.Sc.) mit dem Schwerpunkt Ökosystemanalyse studiert. Im Rahmen seiner Masterarbeit in der Abteilung Mikrometeorologie unter Betreuung
von Prof. Dr. Thomas Foken untersuchte er die Eigenschaften
kohärenter Strukturen und die damit verbundenen Kopplungszustände an einer Waldkante.
Seit Februar 2012 arbeitet Fabian Eder in der HelmholtzNachwuchsforschergruppe TABLe von Dr. Matthias Mauder
am IMK-IFU in Garmisch-Partenkirchen. Dort befasst er
sich mit den Skalen des konvektiven Transports über heterogenem Gelände. Ein besonderer Schwerpunkt liegt hier
auf großskaligen kohärenten Strukturen, die mit der EddyKovarianz-Methode nicht erfasst werden können und deshalb
als ein Hauptgrund für das Energiebilanzschließungsproblem
angesehen werden. Um diese Frage zu beantworten, analysiert Fabian neben (mikro-)meteorologischen Turmmessungen auch Doppler-Lidar- und Flugzeugmessungen.
„Das besondere an REKLIM ist dessen Interdisziplinarität. Es ist ein Netzwerk, in dem die verschiedensten wissenschaftlichen Disziplinen der regionalen Klimaforschung zusammen kommen und Ideen austauschen.“
(April 2015)
(s. auch www.reklim.de/nachwuchswissenschaftler)