Ausgabe 04/2015

4
April 2015 / 49. Jahrgang
Postvertriebsstück • Deutsche Post AG „Entgelt bezahlt“
POLIZEISPIEGEL
Tarifrunde 2015 –
Starker Auftritt, gut verhandelt
Seite 20 <
Fachteil:
– Der Unfall mit dem
Einkaufswagen
– Freiheitsberaubung
– E insatz von Bodycams
Seite 10 <
Einkommensrunde 2015
Endlich – Tarifabschluss
geschafft!
DPolG – Deutsche Polizeigewerkschaft
Dickes Paket – schweres Päckchen?
Das Tarifergebnis für die Länder steht
Von Werner Kasel, stellvertretender Bundesvorsitzender
<<
Problem Zusatz­
versorgung gelöst
Dabei war es gerade das Thema
„Zusatzversorgung“, das die
ganze Diskussion und letztlich
den gesamten Verlauf der Ver­
handlungen über – nicht ge­
plante – vier Runden hinweg
bestimmte. Dass angesichts
<
< Werner Kasel
von Biometrie und Finanz­
marktsituation das Erfordernis
zum Nachdenken besteht, war
dabei nicht nur der kleinste ge­
meinsame Nenner, sondern
auch der Ausgang von Gesprä­
chen zur Sicherung der Zusatz­
versorgung für die Zukunft seit
mehreren Jahren. Dass aber in
das Leistungssystem der Zu­
satzversorgung eingegriffen
werden sollte, war eine einsei­
tige Arbeitgeberüberlegung
und insofern außerordentlich
problematisch. Dass dies dann
noch in die Einkommensver­
handlungen für einen einzelnen
Bereich einbezogen wurde (im­
merhin gehören auch der Bund
und die Kommunen zu den Trä­
gern der VBL) und zwangswei­
se mit der Entwicklung im Ent­
geltbereich verknüpft wurde,
war dann doch etwas ganz
Neues. Dass dieser gordische
Knoten durchschlagen werden
konnte, war dann der bereits
erwähnten beiderseitigen
Kompromissfähigkeit geschul­
det: Den Gewerkschaften ist es
gelungen, jegliche Eingriffe in
das Leistungssystem der VBL
abzuwehren. Angesichts der
Ausgangslage ein Ergebnis, das
nicht hoch genug eingestuft
werden kann. Nicht mehr völlig
zurückzuweisen war aber ein
moderates Ansteigen des Ei­
genanteils an der Finanzierung.
Das mag man als schweres
Päckchen betrachten. Gleich­
wohl ist es gemessen an den
zuvor drohenden Leistungsein­
schnitten aus gewerkschaftli­
cher Sicht als akzeptabel zu
werten, zumal auch die Arbeit­
geber sich an der Zukunfts­
sicherung der Finanzierung
Akzeptabel ist schließlich auch
das Ergebnis der Einkommens­
verbesserungen für die verein­
barte Laufzeit von 24 Mona­
ten: Insgesamt 4,61 Prozent
durchschnittliche lineare und
damit tabellenwirksame Erhö­
hung, einschließlich einer sozi­
alen Komponente, bedeuten
angesichts der wirtschaftli­
chen Rahmendaten eine echte
Steigerung der Realeinkom­
men. Auch eine weitergehende
Abkoppelung von der Tarifent­
wicklung bei Bund und Kom­
munen konnte damit vermie­
den werden. Das führte am
Ende zu einer breiten Zustim­
mung aller an den Verhand­
lungen Beteiligten.
Was bleibt, ist die Übertragung
des Abschlusses zur Einkom­
mensverbesserung auf die Be­
amtinnen, Beamten, Versor­
gungsempfängerinnen und
-empfänger in den Ländern.
Bayern, Hamburg und Rhein­
land-Pfalz haben diese Absicht
unmittelbar nach Verhand­
lungsende erklärt. Bis zum Re­
daktionsschluss dieses Beitrags
haben sich noch keine weite­
ren Erkenntnisse dazu ergeben.
Es ist daher zu hoffen, dass die
übrigen Länder dem ohne Ein­
schränkungen und ohne Ta­
schenspielertricks folgen wer­
den. Randbemerkung: Das gilt
im Übrigen in Gänze auch für
das Land Hessen, das der TdL
nicht angehört. Erst dann ist
diese Einkommensrunde abge­
schlossen. Erst dann ist das di­
cke Paket wirklich geschnürt.
> Polizeispiegel | April 2015
3
Leitartikel
Mit dem Potsdamer Ergebnis
vom 28. März ist es dann am
Ende tatsächlich gelungen, die­
ses Gesamtpaket zu stemmen.
Auf die Einzelheiten des Ab­
schlusses wird an anderer ­Stelle
dieses POLIZEISPIEGELS detail­
liert eingegangen, weshalb ich
mir dies an der Stelle erspare.
Entscheidend für den Abschluss
war der Einigungswille von
­Gewerkschaften und Arbeitge­
bern einerseits, aber anderer­
seits auch die Akzeptanz von
beiderseitigen Grenzlinien. So
war es letztlich die im Zusam­
menhang mit Tarifverhandlun­
gen stets geforderte Kompro­
missfähigkeit aller Beteiligten,
die das jetzt erzielte Resultat
zuließ.
VBL beteiligen und so ­keine
einseitige Belastung entsteht.
Das gilt zunächst natürlich
nur für die Tarifgemeinschaft
deutscher Länder. Aber die
S­ignalwirkung auf Bund und
Kommunen ist unübersehbar.
Windmüller
Es war mit den Forderungen
und Erwartungen der Gewerk­
schaften ohnehin schon ein di­
ckes Paket, das in den Tarifver­
handlungen für die Länder zu
bündeln war. Entgelterhöhun­
gen, Einstieg in die Tarifierung
der Bezahlung angestellter
Lehrerinnen und Lehrer, Auszu­
bildende, Tarifpflege und noch
einiges andere. Und die Arbeit­
geber reicherten dieses dann
noch um eine so nicht erwarte­
te Komponente „Zusatzversor­
gung VBL“ an. Das machte die
Situation nicht leichter, zumal
unsere Verhandlungspartner
unmissverständlich erklärten,
nur eine Gesamtlösung zu ak­
zeptieren.
DPolG – Deutsche Polizeigewerkschaft
24. DPolG Bundeskongress
tagt in Berlin
DPolG im Internet: www.dpolg.de
Ihre Meinung interessiert uns: [email protected]
<< DPolG
Leitartikel: Dickes Paket – schweres Päckchen?
Das Tarifergebnis für die Länder steht
3
<<
24. DPolG Bundeskongress tagt in Berlin
4
<<
Gewalttätige Ausschreitungen bei Blockupy-Krawallen
in Frankfurt
5
Rainer Wendt über die Kritik von Polizeiwissenschaftler
Rafael Behr
6
<<
<<
<<
18. Europäischer Polizeikongress in Berlin
<<
Einkommensrunde 2015: Endlich – Tarifabschluss geschafft!
10
<<
Vernetzt, fachübergreifend, transparent:
Die Zukunft der Deutschen Hochschule der Polizei
12
<<
Nadelöhr Rettungsgasse
14
<<
DPolG Bundesfrauenkonferenz tagte in Königswinter
16
<<
Verkehrssicherheits­beraterin der Polizei ausgezeichnet
16
<<
Urlaubsangebote/Arbeitsplatzbörse18
<<
Fachteil:
– Das Kreuz: Der Unfall mit dem Einkaufswagen – Freiheitsberaubung durch Unterlassen durch den
Wachhabenden oder Dienstgruppenleiter?
–D
atenschutzrechtliche Bewertung des Einsatzes
von Bodycams
In eigener Sache
4
8
20
21
22
<< dbb
<<
Einkommensrunde Länder 2015:
Einigung auf Beamte übertragen
25
<<
Demos und Aktionen zur Einkommensrunde: Druck im Kessel
26
<<
Tarifeinheitsgesetz: Verfassungsbruch verhindern!
30
<<
Stromnetzausbau: Belastungsprobe für Mensch und Material
32
<<
Engagierte Personalvertreter ­weltweit
34
<<
Tarifeinheit: Mahnwache mit dbb jugend
38
<<
Führungspositionen: Bundestag beschließt Quote
39
<<
Energie-Vergleichsportale: Drum prüfe, wo sich Preise finden
40
<<
Mitgliederwerbeaktion 2014: dbb weiter im Aufwärtstrend
42
<<
Mitgliedsgewerkschaften44
<<
Kulisse: Das war gestern ...
47
<< Impressum
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dbb (DPolG), Friedrichstr. 169/170, 10117 Berlin. Telefon: 030.47378123. Telefax: 030.47378125.
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56 (dbb magazin) und Nr. 36 (Polizeispiegel), gültig ab 1. 10. 2014. Druckauflage dbb magazin: 611 770
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auf Papier aus elementar-chlorfrei gebleichtem Zellstoff.
ISSN 1437-9864
> Polizeispiegel | April 2015
Der 24. DPolG Bundeskongress unter dem Motto
„Sicherheit, Freiheit, Bürgerrechte – Ohne uns
läuft nichts“ findet am 20./21. April 2015 in Berlin
statt. Rund 300 Delegierte aus Bund und Ländern
werden Bilanz ziehen und eine Kursbestimmung
der DPolG für die kommende Legislaturperiode
vornehmen.
Das Motto signalisiert, welche
Bedeutung der polizeilichen
Arbeit zukommt. Elementare
Werte unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung
können nur bewahrt werden,
wenn jemand sie schützt. Und
das sind nicht in erster Linie
selbst ernannte Bürgerrechtsoder Friedensbewegungen.
Das sind vielmehr neben den
politisch Verantwortlichen die
in der täglichen Praxis dafür
berufenen Behörden und
­ rganisationen mit SicherO
heitsaufgaben – allen voran
die Polizei. Informationen rund
um den Bundeskongress gibt
es unter:
>>www.dpolg.de/
bundeskongress
>>Facebook
„dpolg bundeskongress“
>>Twitter
„#dpolg bundeskongress“
DPolG – Deutsche Polizeigewerkschaft
Gewalttätige Ausschreitungen bei
Blockupy-Krawallen in Frankfurt
+++ DPolG vor Ort +++ Gewalt scharf verurteilt +++ Betreuung der Einsatzkräfte +++
Bayern, Nordrhein-Westfalen,
Baden-Württemberg, Niedersachsen, Berlin, Brandenburg,
Rheinland-Pfalz und von der
Bundespolizei sicherten die
Stadt an dem Tag. Die Deutsche Polizeigewerkschaft
(DPolG) verurteilte die Gewaltakte scharf. Bundesvorsitzender Rainer Wendt äußerte sich
gegenüber der Presse: „Die
Heftigkeit der Ausschreitungen zeigt, dass sich die ge­
waltbereiten Demonstranten
langfristig auf diesen Tag vor-
DPolG NRW
So etwas hat Frankfurt am
Main noch nicht erlebt. Anlässlich der Eröffnung des neuen
Gebäudes der Europäischen
Zentralbank (EZB) am 18. März
2015 kam es zu heftigen, gewalttätigen Ausschreitungen.
Vermummte Gewalttäter attackierten Polizisten sogar mit
ätzenden Flüssigkeiten, zündeten Streifenwagen an und bewarfen Geschäfte und öffent­
liche Haltestellen mit Steinen.
Sogar Feuerwehrleute wurden
bei Löscharbeiten bewusst an
<
< Mehrere Streifenwagen der Polizei wurden angezündet und gingen
in Flammen auf.
<
< Die Einsatzkräfte der Polizei wurden von DPolG-Vertretern vor Ort betreut und versorgt – hier zum Beispiel von der DPolG Hamburg.
ihrer Arbeit gehindert. Die
­Täter kamen nicht nur aus
Deutschland, sondern auch
aus anderen Ländern Europas.
Etwa 80 Polizistinnen und Polizisten wurden bei den Ausschreitungen verletzt.
Der Einsatz der Polizei in
Frankfurt war ein Großeinsatz.
Um die 6 000 Polizistinnen und
Polizisten unter anderem aus
bereitet haben und bewusst
Zerstörungen und verletzte
Polizeibeamte in Kauf nehmen. Das Ausmaß der Gewalt
hat in seiner Geballtheit eine
neue Qualität erreicht. Angriffe mit Steinen und Böllern,
mit ätzenden Flüssigkeiten,
die Behinderung der notwendigen Arbeit von Rettungs­
kräften sind mehr als verachtenswert.“
In einem Kommentar für das
Nachrichtenmagazin FOCUS
schrieb der Bundesvorsitzende: „Der Einsatz war von der
Polizei gut geplant, viele Gespräche im Vorfeld sollten
­deeskalieren. Aber gegen gewaltbereite Demonstranten,
die aus etlichen europäischen
Ländern anreisten, helfen solche Gespräche nicht. Deshalb
schritten die Einsatzkräfte
konsequent ein und nahmen
Hunderte Chaoten fest, die
Beweisführung wird aber, wie
immer, schwierig sein.
Alles in allem war der Einsatz
trotzdem erfolgreich, die Veranstaltung in der EZB wurde
geschützt, auch wenn bedau-
erlicherweise Verletzungen
von Einsatzkräften und Zerstörungen von Autos nicht zu
verhindern waren. Marodierende Gruppen, die gut organisiert blitzschnell zuschlagen, sind zuweilen nur
schwer zu stoppen.
5
Aktuelles
Generalprobe für
G7-Gipfel?
Für manche Krawallmacher
war dies vermutlich nur
die Generalprobe für den
G7-Gipfel im bayerischen
­Elmau, der noch schwerer
zu schützen sein wird als
die EZB in Frankfurt. Aber
es sollte sich niemand wundern, die Polizei ist auch dort
gut vorbereitet. Die Vorwürfe der Partei Die Linke und
von Veranstaltern der Proteste gegen angeblich aggressive Polizei sind einfach
nur dumm und absurd.“ <
< 6 000 Polizisten aus Bund
und Ländern waren am Tag
der EZB-Eröffnung in Frankfurt im Einsatz.
DPolG Hamburg
DPolG Hamburg
<<
> Polizeispiegel | April 2015
DPolG – Deutsche Polizeigewerkschaft
Gewaltausbruch in Frankfurt bei Blockupy-Demo
Rainer Wendt über die Kritik von
Polizeiwissenschaftler Rafael Behr
An dieser Stelle hat er tatsächlich recht, auch wenn er in der
Gesamtbetrachtung der Ereignisse wieder einmal zu falschen Ergebnissen kommt.
­Wenige Tage vor Frankfurt waren mehr als 140 Kolleginnen
und Kollegen allein bei einem
Fußballspiel in der Regionalliga
in Berlin verletzt worden und
in Stuttgart mussten sich Kollegen mit Warnschüssen aus
einer akuten Lebensgefahr
­befreien, die Qualität ist also
fast alltäglich geworden, auch
wenn das gut geplante, ge­
zielte Vorgehen der Gruppen
in Frankfurt einigermaßen
überraschend war.
macht denselben Fehler immer
wieder, indem er die Schlägertrupps als Demonstranten bezeichnet, die von der Polizei
erst zu ihrem Handeln provoziert wurden. Er fabuliert ja in
„Zeit-Online“ auch darüber,
dass sie sich „durch wechselseitige Gewalt hätten aufschaukeln lassen.“ Das ist natürlich völliger Unfug, denn
diese Leute waren gut durch­
organisiert, die Angriffe gut
­geplant und vorbereitet, da
hat sich nichts hochgeschaukelt, man war nach Frankfurt
gekommen, um Gewalt aus­
zuüben, so einfach ist das.
Dem hat die hessische Polizei
eine breite Strategie der De­
eskalation entgegengesetzt.
<
< Die Eröffnung des neuen EZB-Gebäudes in Frankfurt wurde von einem
Großaufgebot der Polizei geschützt.
Lange Zeit vor der Veranstal­
tung wurde immer wieder das
Gespräch mit den Veranstal­
tern und den unterschiedli­
chen Gruppierungen gesucht.
Warum eskalierte die Situati­
on trotzdem?
Noch einmal zu Rafael Behr. Er
wirft den Polizeigewerkschaf­
ten, aber auch Dir persönlich
vor, die Demonstranten pau­
schal herabzuwürdigen.
Am Vormittag habe ich in
Frankfurt keine Demonstranten gesehen, sondern nur vermummte Kriminelle, die sich
ausgetobt haben. Rafael Behr
> Polizeispiegel | April 2015
N24
Aktuelles
6
Rafael Behr, der Polizeiforscher
aus der Fachhochschule Ham­
burg, hat die Frage nach einer
neuen Qualität der Gewalt
verneint, hat er recht?
DPolG Hamburg
Mehr als 100 Kolleginnen und Kollegen wurden
verletzt, als mehrere Gruppen gewalttätiger Randalierer gezielt Einsatzkräfte angriffen, Polizeifahrzeuge in Brand setzten und in der Bevölkerung Angst und Schrecken verbreiteten. Auch
Einsatzkräfte der Feuerwehr wurden attackiert
und Rettungssanitäter bei ihrer Arbeit massiv behindert. Die Sachschäden gehen in die Millionen.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière und
die meisten Bundestagsfraktionen zeigten sich
entsetzt. POLIZEISPIEGEL sprach mit dem DPolGBundesvorsitzenden Rainer Wendt.
<
< Bundesvorsitzender Rainer Wendt kommentierte die Ereignisse in
­Frankfurt unter anderem bei N24.
Das ist ja genau der Aspekt,
den auch der Polizeiwissenschaftler Rafael Behr einfach
nicht kapieren will. Es gibt keine Strategie der Deeskalation,
wenn Kriminelle anreisen, um
Straftaten zu begehen. Behr
schiebt die Gewalt tatsächlich
noch den Einsatzkräften in die
Schuhe, wenn er behauptet,
dass diese „von der Einsatzleitung nicht mehr beherrschbar“
seien, was genauso absurd ist,
wie die von behaupteten Gewaltausbrüchen seitens der
Polizei. Wer unsere Einsatzkräfte, übrigens Männer und
Frauen sind das, als „KriegerMännlichkeiten“ bezeichnet,
muss in der Gesamtdebatte
auch nicht wirklich ernstgenommen werden.
DPolG – Deutsche Polizeigewerkschaft
18. Europäischer Polizeikongress in Berlin
Schnittstellen der Polizeiarbeit
vor dem Hintergrund von Or­
ganisierter Kriminalität und
die daraus folgende Koopera­
tion von Zoll und Polizei. Die
rund 1 500 Teilnehmer des
Kongresses aus über 50 Län­
dern widmeten sich mit einem
weiteren Schwerpunkt den
Folgen der Digitalisierung für
den Einsatzalltag der Polizei.
Ein Beispiel in dem Zusam­
Windmüller
Unter dem Motto „Schnitt­
stellen der Sicherheitsarchi­
tektur. National, europäisch,
global“ tagte der 18. Euro­
päische Polizeikongress am
24. und 25. Februar 2015 in
Berlin. Thematisch konzen­
trierte sich der Kongress auf
die Entwicklung des Schen­
gen-Raums, die Rolle eines zu­
sammenwachsenden Europas
<
< Der sächsische Staatsminister des Innern, Markus Ulbig (Mitte), am Stand
der DPolG. Der stellvertretende DPolG-Bundesvorsitzende Wolfgang
­Ladebeck (links), Bundesvorsitzender Rainer Wendt (Zweiter von links)
sowie Heike Maria Lau von JTI (Zweite von rechts) und der stellvertreten­
der Bundesvorsitzende Joachim Lenders (rechts)
Windmüller
Aktuelles
8
<
< Das Interesse der Kongressbesucher sowie der Medienvertreter am
DPolG-Stand war wie schon in den vergangenen Jahren groß.
menhang ist das sogenannte
„Predictive Policing“, das mit­
hilfe der Sammlung von Daten
in einem bestimmten Wohn­
gebiet die Vorhersage von Ver­
brechen erleichtert. Darüber
hinaus stand der ­Europäische
Polizeikongress auch wieder
im Zeichen der Nachwuchs­
gewinnung für die deutschen
Sicherheitsbehörden. Eine
­prominent ­besetzte Jury,
der der DPolG-Bundesvor­
sitzende angehört, verlieh
­erneut den „Zukunftspreis
Polizei­arbeit“. Bundesvorsitzende der Polizeigewerkschaften diskutierten
Rainer Wendt: „Aufgabenentlastung ist genauso wichtig
wie mehr Personal!“
Schon beinahe traditionell
­trafen die Bundesvorsitzenden
der drei Polizeigewerkschaften
unter Moderation des Behör­
denspiegel-Chefredak­teurs
Uwe Proll zur Diskussion über
sicherheitspolitische ­Themen
aufeinander. Dabei hob DPolGVorsitzender ­Rainer Wendt her­
vor, dass die Gewerkschaften in
der Pflicht seien, neben zusätz­
lichem Personal auch echte
Aufgabenentlastung für die Po­
lizei zu fordern. Vor allem im
> Polizeispiegel | April 2015
Straßenverkehr sei es möglich,
Millionen von Arbeitsstunden
besser einzusetzen, die jetzt
noch für völlig überflüssige
­Arbeiten eingesetzt werden.
Beispielhaft nannte Rainer
Wendt drei Forderungen, die
der Politik vorgetragen worden sind:
<<
Halterhaftung
Es ist schon fast skandalös zu
nennen, dass zigtausende Kol­
leginnen und Kollegen täglich
unterwegs sind, um die Ausre­
den von Fahrzeughaltern zu wi­
derlegen, die nach began­genen
Verkehrsordnungswidrigkeiten
angeben, nicht zu wissen, wer
das Fahrzeug gefahren sei. Die
sogenannte Halterhaftung in
anderen europäischen Ländern,
so Rainer Wendt, sei erheblich
wirkungsvoller, verfassungs­
rechtlich machbar und schließe
auch millionenfache Sanktions­
lücken. Mindestens die Verwal­
tungskosten sollten, wie im ru­
henden Verkehr auch, von den
Haltern eingefordert werden.
<<
Atemalkoholanalyse
Die Einführung der Atemalko­
holanalyse auch im Strafbar­
keitsbereich bei folgenlosen
Trunkenheitsfahrten ist schon
seit Jahren Diskussionspunkt
beim Verkehrsgerichtstag in
Goslar. Vor wenigen Wochen
erst hatte die DPolG-Bundes­
DPolG – Deutsche Polizeigewerkschaft
Begleitung
­Schwertransporte
Seit einigen Jahren haben Innen- und Verkehrsminister die
Notwendigkeit abgesprochen,
die Verwaltungsvorschrift zu
§ 29 Abs. 3 der StVO dahinge-
<
< Diskussion über Polizei- und Sicherheitsfragen: Oliver Malchow (GdP-Bundesvorsitzender), Andre Schulz
(BdK-Bundesvorsitzender), Uwe R. Proll (Moderator), Rainer Wendt (DPolG-Bundesvorsitzender) (von links)
hend zu ändern, dass die Begleitung von Großraum- und
Schwertransporten durch die
Polizei nur noch dann erforderlich ist, wenn der Einsatz von
privaten Begleitfahrzeugen
(„Verwaltungshelfer“) nicht
ausreicht. Entsprechende
­Pilotprojekte sind seit Jahren
erfolgreich abgeschlossen.­
­ ainer Wendt: „Der VerkehrsR
minister muss jetzt handeln
und darf diese Möglichkeit der
Entlastung der Polizei nicht
weiter verzögern!“ 26 200 Menschen kamen 2013
auf Europas Straßen ums Leben. „Das sind 72 Tote jeden
Tag. Auch wenn die Zahl in den
vergangenen Jahren deutlich
gesunken ist, sie ist immer
noch viel zu hoch. Jedes Opfer
ist eines zu viel“, so die stellvertretende dbb Bundesvorsitzende Kirsten Lühmann, die am
24. Februar 2015 beim 18. Europäischen Polizeikongresses in
­Berlin für die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) ein Panel
zur Verkehrssicherheit leitete.
„Die Verkehrsteilnehmenden
müssen zu einer größeren Regelkonformität gebracht werden. Es reicht aber nicht aus,
auf plötzliche Einsicht zu hoffen. Eine sinnvolle Kombination
aus neuer Technik und Einsatzkräften auf den Straßen ist
vielversprechender“, erklärte
Lühmann, die seit einem Jahr
verkehrspolitische Sprecherin
der SPD-Bundestagsfraktion
ist. Ausdrücklich lobte Lühmann die erklärte Absicht der
neuen EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc, Verkehrssicherheit zu einer Top-Priorität zu
machen. Die Kommission will
DPolG
Polizeikongress fordert verstärkte Investitionen
in Verkehrssicherheit und Infrastruktur
<
< Leitete engagiert das Panel zum Thema Verkehrssicherheit: Kirsten
­Lühmann (links). Professor Dieter Müller (Mitte) und Jörg Müller (Innen­
ministerium Niedersachsen) waren zwei der Referenten des Panels.
die Zahl der jährlichen Verkehrstoten von 31 500 im Jahr
2010 auf unter 16 000 bis zum
Ende des Jahrzehnts halbieren.
„Das wird nur mit einer gemeinsamen europäischen
­Anstrengung gehen. Die bis­
herigen Fortschritte sind vielversprechend, doch ein Selbstläufer ist diese Entwicklung
nicht“, so Lühmann. Eines der
wirksamsten Mittel gegen unverantwortliches Verhalten der
Verkehrsteilnehmenden sei
noch immer die regelmäßige
Kontrolle durch Polizeikräfte
vor Ort. „Doch die Krise hat zu
­Personalabbau in vielen Mitgliedstaaten geführt. Mehr
­Sicherheit gibt es aber nicht
zum Nulltarif.“ Deshalb müsse
wieder mehr in den öffent­li­
chen Dienst investiert werden,
so die dbb Vize.
<<
Investitionen dienen
auch der Verkehrs­
sicherheit
„Moderne Verkehrsüberwachung wie etwa die Section
Control, der Einsatz von
9
v­ erbesserter Technik in Fahrzeugen und verbesserte Kon­
trollinstrumente für die Verkehrspolizei – es gibt viele
erfolgsversprechende tech­
nische Neuerungen. Diese
­treffen allerdings häufig noch
auf Hürden in der bisherigen
Gesetzeslage, weil entsprechende Anwendungen bis vor
Kurzem nicht denkbar und
­somit auch nicht vorgesehen
waren“, sagte Lühmann. Hier
sei künftig größere Flexi­bilität
geboten.
Zudem seien auch mehr In­­
vestitionen in die Verkehrs­
infrastruktur dringend notwendig. „In einigen Ländern
wird zu ­wenig in Straßen,
­Brücken und insgesamt in
den Erhalt von Verkehrswegen investiert.“ Deutschland
habe in den vergangenen Monaten erste wichtige Schritte
gegen den Inves­titionsstau
­gemacht, müsse diesen Weg
aber weitergehen. „Wenn
nicht schnell gehandelt wird,
könnten neue Gefahren für
Verkehrsteilnehmende ent­
stehen“, warnte Lühmann.
> Polizeispiegel | April 2015
Aktuelles
<<
Windmüller
leitung diese Frage auch mit
Bundesjustizminister Heiko
Maas erörtert. Jetzt hat die
sächsische Staatsregierung ein
Forschungsprojekt auf den
Weg gebracht, mit dem das
Vorhaben unterstützt werden
soll; mit ersten Ergebnissen ist
zum Jahresende zu rechnen.
Rainer Wendt: „Zigtausende
Blutproben wären entbehrlich!“
DPolG – Deutsche Polizeigewerkschaft
Einkommensrunde 2015
Am späten Abend des 28. März 2015 war es end­
lich soweit, dbb und Verdi einigten sich mit der Ta­
rifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) auf einen
Tarifkompromiss. Mit einer Erhöhung der Entgelte
um durchschnittlich 4,61 Prozent bei einer Laufzeit
von zwei Jahren hält der öffentliche Dienst der
Länder Anschluss an die allgemeine wirtschaftliche
Entwicklung sowie an den Status bei Bund und
Kommunen. Aufgrund der derzeit niedrigen Infla­
tion in unserem Land wird bei den Beschäftigten
ein spürbarer Zugewinn zu verzeichnen sein.
<<
Anne Oschatz
Möglich wurde der Tarifab­
schluss in der vierten Verhand­
lungsrunde allerdings nur
durch die massiven Proteste
der Beschäftigten unter star­
ker Beteiligung der DPolG
quer durch die Republik.
„Ich bin sehr stolz auf meine
Kolleginnen und Kollegen der
Deutschen Polizeigewerk­
schaft“, sagte der Bundestarif­
beauftragte Gerhard Vieth in
Potsdam. „Von Schleswig-­
Holstein bis Bayern haben
die Kolleginnen und Kollegen
die Fahne der DPolG in groß­
<
< „Warnstreik und Demonstration in Hamburg am 10. März 2015.“
<
< „Bundesvorsitzender Rainer Wendt spricht zu den Teilnehmern der
­Protestkundgebung am 18. März in Potsdam.“
artiger Art und Weise hoch­
gehalten und sich an allen
Warnstreiks und Protestver­
anstaltungen zahlreich be­
teiligt. Einfach toll!“
<<
Erste Bewertung
Den Tarifabschluss bewertet
Gerhard Vieth als einen tragba­
ren Kompromiss. „Man muss
das Gesamtpaket, bestehend
aus verschiedenen Komponen­
ten, betrachten, wenn man
den Abschluss einordnen will.
Die linearen Steigerungen der
Entgelte können sich durchaus
­sehen lassen. Sie werden al­
lerdings durch die leichte Er­
höhung der Eigenbeiträge
zur Zusatzversorgung ge­
schmälert. Es war uns aller­
dings wichtig, das Niveau
der Zusatzversorgung für die
<
< „26. März 2015: Kundgebung und Demo in Neu-Ulm und Ulm ...
> Polizeispiegel | April 2015
Beschäftigten zu halten, damit
unsere Kolleginnen und Kolle­
gen vor allem in den unteren
Entgeltgruppen auch im Ren­
tenalter finanziell über die
Runden kommen können. Die
Zugeständnisse, die wir bei
der Zusatzversorgung gemacht
haben, können wir den Kolle­
ginnen und Kollegen in den
Dienststellen erklären. Ich bin
sehr zuversichtlich, dass die Be­
schäftigten die Erhöhung der
Eigenbeteiligung mittragen,
weil dadurch das System auf
hohem Niveau zukunftssicher
gemacht wird.“
<<
Sonderzahlung Ost
„Für die Beschäftigten in den
neuen Bundesländern freut
mich besonders, dass es endlich
gelungen ist, die Jahres­sonder­
dbb
Ralf Zwiebler
Tarif
10
DPolG stark vertreten
Windmüller
Endlich – Tarifabschluss geschafft!
<
< ... und Stuttgart.“
Windmüller
DPolG – Deutsche Polizeigewerkschaft
Windmüller
<
< „Die Zusatzversorgung spielte bei den Tarifverhandlungen eine
wichtige Rolle.“
<
< „Starke DPolG Beteiligung vor der entscheidenden Runde Ende März ...
zahlung Ost an das Westniveau
anzupassen. Auch wenn es in
fünf kleinen Schritten geschieht,
ist damit die letzte Lücke zwi­
schen den Bezahlungssystemen
Ost und West geschlossen wor­
den“, sagte der Bundestarif­
beauftragte weiter.
<<
Übernahme auf Beamte
Einzelheiten zum Tarifab­
schluss ist den dbb Seiten im
Innenteil zu entnehmen.
Windmüller
Mit dem Potsdamer Tarifergeb­
nis ist die Einkommensrunde
2015 aber noch nicht gänzlich
abgeschlossen. Für den dbb
und die Deutsche Polizeige­
werkschaft ist die zeit- und
wirkungsgleiche Übertragung
des Tarifabschlusses auf die
Beamtinnen und Beamten un­
verzichtbar. Mit dem modera­
ten Abschluss bleibt den Län­
derhaushalten noch genügend
Spielraum, um dieses Ergebnis
1:1 auf die Beamten übertra­
gen zu können.
<
< ... Demonstration in Potsdam.“
> Polizeispiegel | April 2015
DPolG – Deutsche Polizeigewerkschaft
Gespräch zwischen dem neuen Präsidenten der Deutschen Hochschule der Polizei
und der Deutschen Polizeigewerkschaft
Vernetzt, fachübergreifend, transparent:
Die Zukunft der Deutschen Hochschule der Polizei
Rainer Wendt plädierte dafür,
den wissenschaftlichen Blick
auf Strukturen in der Polizei zu
intensivieren. Ging es in den
vergangenen Jahren in erster
Linie um die Erforschung von
polizeilichen Gruppenprozessen von „oben“, also aus Sicht
der Führungsebene, so müsse
nun der Blick von „unten“ in
den Fokus rücken. Gruppen­
dynamische Prozesse in der
­Polizei bedürften mehr denn
je der (sozial-)wissenschaftlichen Analyse, auch um möglichen Fehlentwicklungen vorzubeugen. Führungskräfte sollten
für solche Fehlentwicklungen,
wie zum Beispiel die Herausbildung von fragwürdigen identitätsstiftenden Verhaltensmustern, sensibilisiert werden.
> Polizeispiegel | April 2015
<<
Immer wichtiger:
­Vernetztes Denken
und Handeln
Bundesvorsitzender Wendt und
Professor Lange stimmten darin
überein, dass die DHPol ein Ort
sein muss, an dem über Polizeiund Sicherheitspolitik in ihrer
Wechselwirkung mit gesellschaftlichen, politischen und
technischen Entwicklungen gerungen und sich auseinander­
gesetzt werden muss. Der Prä­
sident der DHPol setzt deshalb
viel stärker zusammenarbeiten
und praxisübergreifend denken
sollten. Vielversprechende Ansätze gibt es: So sei die Idee,
­integrative Verkehrskontrollen
durchzuführen, die nicht nur
auf Verkehrsdelikte schaut,
sondern auch auf das Aufdecken krimineller Straftaten
­abzielt, zukunftsweisend. Das
trifft umgekehrt für das „Predictive Policing“ zu, das ­neben
der Vorhersage von Straftaten
wie Wohnungseinbrüchen auch
geeignet sei für die Voraussage
DPolG
Aktuelles
12
Um Aufgaben und Entwicklungsperspektiven der Deutschen Hochschule der Polizei
(DHPol) ging es bei einem Gespräch zwischen dem neuen
Präsidenten der Deutschen
Hochschule der Polizei (DHPol),
Professor Hans-Jürgen Lange,
und dem Bundesvorsitzenden
der DPolG, ­Rainer Wendt, am
4. März 2015 in Berlin. Professor Lange betonte, dass er
die Präsenz der ­DHPol in der
Öffentlichkeit stärken will.
­Inhaltlich geht es bei der
­Hochschule darum, sie als
Teil des Forschungs- und Wissenschaftssystems in Deutschland zu positionieren und sie
zugleich als einzigartigen
­Ausbildungsort mit hoher
­Praxisverankerung für den
Führungsnachwuchs der Polizei in Deutschland zu festigen.
Das Gespräch mit den Polizeigewerkschaften ist ­Lange
­besonders wichtig, da sie als
Multiplikatoren sowohl hin
zu den Kolleginnen und Kollegen als auch in Politik, Medien
und ­Gesellschaft f­ ungieren.
<
< Professor Hans-Jürgen Lange (DHPol-Präsident), Dr. Michaela Wendekamm (wissenschaftliche Referentin), Elisabeth Schnell (DPolG-Presse­
referentin), ­Rainer Wendt (DPolG-Bundesvorsitzender) (von links)
innerhalb der Hochschule auf
Strukturänderungen und plant
inhaltliche Weiterentwicklungen. Ein Denken in Schubladen
und abgegrenzten Fachgebieten
sei nicht zielführend, so Lange.
Vielmehr verlange die aktuelle
Situation die Beschäftigung und
Auseinandersetzung mit unterschiedlichen gesellschaftlichen
Prozessen und Anforderungen.
Führungskräfte in der Polizei
benötigen soziale und fachliche
Kompetenzen, um in konkreten
Situationen adäquat zu reagieren. Dazu gehört auch, die nötige Sensibilität und das Interesse
für politische Fragen mitzubringen – nicht zu verwechseln mit
parteipolitischer Festlegung.
Wendt stimmte dem zu und ergänzte, dass die einzelnen polizeilichen Bereiche – Schutz-,
Kriminal- und Verkehrspolizei –
von Verkehrsunfallschwerpunkten, so Wendt.
Ein Mehr an Kompetenzen und
vernetztem Wissen sollte einhergehen mit einer umfassenden Aufgabenkritik der Polizei.
Die DPolG hat in Bezug darauf
Vorschläge unterbreitet, die
von den politischen Entscheidungsträgern teilweise positiv
aufgenommen wurden. Der Ersatz von richterlich angeordneten Blutproben nach folgenlosen Trunkenheitsfahren durch
die beweissichere Atemalkohol­
analyse ist nur ein Beispiel dafür, wo die Polizei von zeitaufwendigen Aufgaben entlastet
werden kann. Ein anderes ist
die Begleitung von Schwerlasttransporten durch die Polizei,
die ebenso gut private Dienstleister als so genannte Verwaltungshelfer erbringen können.
<<
Vereinbarkeit von
­Familie und Beruf
Weiteres Gesprächsthema war
die bessere Vereinbarkeit von
Familie und Studium an der
­DHPol. Um der Entwicklung
­vorzubeugen, ein Klima an der
Hoch­schule entstehen zu lassen, das alleinstehende Studierende begünstigt, gehören
­so­­wohl die Themen familienfreundliche Unterkunft als auch
Vereinbarkeit von Familie und
Studium auf die Tages­ordnung,
forderte der DPolG-Bundesvorsitzende. Präsident Lange berichtete von der Hochschuleigenen Kita als auch von der schon
bestehenden Möglichkeit, Familienapartments zu beziehen. Das
seien jedoch nur erste Schritte
hin zu einem Kinder- und familienfreundlichen Studieren. Die
Prüfungsordnung des Masterstudiengangs sieht zudem die
Möglichkeit modifizierter Stu­
dienverläufe vor, um Kinder­
erzieh­ung oder Pflegeverantwortung mit einem Studium an
der ­DHPol in Einklang zu bringen.
<<
Polizeitechnisches
­Institut
Abschließend sprachen beide
Seiten über die Zukunft des Polizeitechnischen Instituts (PTI),
das bei der DHPol angesiedelt
ist. Das PTI unterstützt und berät die Polizeien des Bundes
und der Länder durch fachtechnische Stellungnahmen, Gutachten, Konzepte sowie technisch-taktische Anforderungen
in den Bereichen Planung, Entwicklung und Realisierung polizeilicher Führungs- und Einsatzmittel. Sowohl personell als
auch finanziell müsse es jedoch
neu aufgestellt werden, so waren sich Lange und Wendt einig,
um für künftige Anforderungen
gerüstet zu sein.
DPolG – Deutsche Polizeigewerkschaft
Nadelöhr Rettungsgasse
von Stefan Pfeiffer, DPolG-Kommission Verkehr
Aktuelles
14
Zwei Jahre nach der Einführung der Rettungsgasse in
­Österreich, die mit einer groß
angelegten Werbekampagne
begleitet wurde, sind die österreichischen Einsatzkräfte mit
dem Ergebnis zufrieden. Das
ergibt sich aus dem durch das
österreichische Bundesministerium für Verkehr, Innovation
und Technologie (BMVIT) beauftragten und durch das Kuratorium für Verkehrssicherheitsarbeit (KfV) erarbeiteten
Evaluationsbericht. So nahm
die Bekanntheit des Begriffs
„Rettungsgasse“ von 73 auf
98 Prozent zu. Dies gilt auch
für die subjektive Einschätzung
der Befragten hinsichtlich ihres
Wissens, was bei der Bildung
einer Rettungsgasse zu tun ist.
Kraftfahrzeugführer sind seit
dem 1. Januar 2012 in Österreich verpflichtet, bei Staubildung oder stockendem Verkehr
auf mehrspurigen Richtungsfahrbahnen eine Rettungs­
gasse zu bilden und das un­
abhängig davon, ob sich ein
> Polizeispiegel | April 2015
Rettungsfahrzeug nähert oder
nicht. Das Nichtbilden der Rettungsgasse wird mit bis zu 726
Euro geahndet. Wer dabei Einsatzfahrzeuge behindert, muss
gar mit einer Sanktion von bis
zu 2 180 Euro rechnen. Das
rechtswidrige Befahren der
Gasse wird ebenfalls empfindlich bestraft. Nicht verschweigen sollte man, dass es nach
wie vor in Österreich Stimmen
gibt, die der Einführung der
Rettungsgasse kritisch gegenüberstehen und deren Nutzen
anzweifeln. Doris Bures (SPÖ),
die bis September 2014 Ministerin im BMVTI war, kommentierte das mit den Worten: „Es
ist nicht so, dass die Rettungsgasse nicht funktioniert, sondern die Autofahrer bilden sie
nicht.“
Interessanterweise wird von
den Befürwortern der Rettungsgasse in Österreich immer wieder auf das funktionierende „System Rettungsgasse“
in Deutschland verwiesen.
Nach übereinstimmenden
­ ussagen deutscher HilfsorgaA
nisationen funktioniert die
Rettungsgasse im besten Fall
schlecht, abhängig von Örtlichkeit und Tageszeit manchmal
sogar gar nicht. In Deutschland
gibt es diese Vorschrift bereits
seit 1982, sie ist im § 11 Abs. 2
StVO geregelt:
„Stockt der Verkehr auf Autobahnen und Außerortsstraßen
mit mindestens zwei Fahrstreifen für eine Richtung, müssen
Fahrzeuge für die Durchfahrt
von Polizei- und Hilfsfahrzeugen in der Mitte der Richtungsfahrbahn, bei Fahrbahnen mit
drei Fahrstreifen für eine Richtung zwischen dem linken und
dem mittleren Fahrstreifen,
eine freie Gasse bilden.“ Daran
hat man sich auch in Österreich orientiert.
<<
Keine einheitliche
­Regelung in Europa
Europaweit gibt es keine
­einheitlichen Regeln, wie die
Rettungsgasse zu bilden ist.
Und nur gerade mal eine
Handvoll europäischer Länder
haben sie verpflichtend eingeführt. Dies sind Deutschland,
Österreich, Schweiz, Slowenien und Tschechien. Während
die vier erstgenannten Länder
gleiche Regeln zur Rettungsgassenbildung haben, muss in
Tschechien die Rettungsgasse
bei Richtungsfahrbahnen mit
mehr als zwei Fahrstreifen
zwischen dem mittleren und
dem rechten Fahrstreifen
­gebildet werden.
Berücksichtigt man die in
­Europa unterschiedlichen
oder gar nicht vorhandenen
Regelungslagen und die Vielzahl der Nationalitäten, die
insbesondere auf deutschen
Autobahnen unterwegs sind,
ist es nicht verwunderlich,
dass Hilfskräfte bei der Anfahrt zu Einsatzstellen auf
zum Teil chaotische Zustände
treffen. Beim Wahrnehmen
von „Blauem Blinklicht“ und
„Einsatzhorn“ völlig überforderte Verkehrsteilnehmer
DPolG – Deutsche Polizeigewerkschaft
©Tim Mueller-Zitzke – fotolia.com
<
< Die Bildung von Rettungsgassen
stellt Autofahrer immer wieder
vor Herausforderungen.
f­ ahren mal links, mal rechts
oder bremsen unvermittelt
und bleiben mitten auf der
Fahrbahn stehen. Sobald das
Einsatzfahrzeug vorbeigefahren ist, wird die Gasse oft
­wieder geschlossen.
Insbesondere nachalarmierte
Kräfte, wie beispielsweise
THW-Einheiten oder BRK-Bereitschaften, werden mit auf
der Fahrbahn umherlaufenden
Schaulustigen und deren verlassenen Fahrzeugen konfrontiert,
an denen nur mit großem Aufwand vorbeizukommen ist.
Fahrzeuge ohne „Blaues Blinklicht“ wie Bergedienste, Gutachter oder Bestattungsunternehmer brauchen zum Durchkommen durch den Stau oftmals polizeiliche Begleitung, da
die im Stau Stehenden ansonsten gelegentlich gar nicht oder
nur sehr widerwillig Platz machen. Dann entscheidet sich
doch mancher Polizeiführer
vor Ort lieber dazu, längere
­Anfahrtswege der Hilfskräfte
über Ausweichrouten in Kauf
zu nehmen, um diese ab der
nächsten Aus- beziehungsweise
Einfahrt hinter der Einsatzstelle
entgegen der Fahrtrichtung anfahren zu lassen. Wohlwissend,
dass diese Entscheidung zur Gewährleistung der Sicherheit der
Einsatzkräfte und Verkehrsteilnehmer zusätzliches Personal
zur Sperrung von an der Anfahrtstrecke gelegenen Rasthöfen und Parkplätzen erfordert.
Ein Einschreiten gegen Fehl­
verhalten im Zusammenhang
mit der Rettungsgassenbildung unterbleibt dabei regelmäßig zugunsten der Erledigung dringlicherer Aufgaben
zur Abwehr von Gefahren für
Leben, Gesundheit und die
­öffentliche Sicherheit und
Ordnung. Dazu gehört neben
der Versorgung der Verletzten
an der Einsatzstelle auch die
schnelle Wiederherstellung
der Sicherheit und Leichtigkeit
des Straßenverkehrs, die Auflösung des Staus und damit
die Beseitigung der durch den
Stau verursachten Gefahren,
vor allem am Stauende. Im
Übrigen stellt sich die Frage,
ob sich ein großer Aufwand
bis hin zu einer durchaus möglichen Einstellung des Verfahrens vor Gericht lohnt, wenn
die Zuwiderhandlung gegen
die oben genannte deutsche
Rettungsgassenvorschrift
doch nur mit einem Verwarngeld in Höhe von 20 Euro belegt ist. Da ist ein staunender
Blick nach Österreich durchaus
berechtigt.
Es zeigt sich wieder einmal,
dass Deutschland im Hinblick
auf die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr europaweit zu
Recht als „Billigland“ gilt.
_0K0AS_Debeka_Polizeispiegel_4_2015.pdf; s1; (210.00 x 109.00 mm); 04.Mar 2015 08:09:48; PDF-CMYK ab 150dpi für Prinergy; L. N. Schaffrath DruckMedien
Die Österreicher haben es vorgemacht. Es kann nur funktionieren, wenn diese Thematik in
Deutschland öffentlichkeitswirksam aufbereitet und bearbeitet wird. Man sollte sogar
noch weiter gehen. In Zeiten
offener Grenzen und internationalem Verkehr auf den europäischen Straßen sind länder­
übergreifende Regelungen und
Lösungen zwingend.
Dies stellen auch die Expertinnen und Experten des bereits
angesprochenen österreichischen Evaluationsberichtes
­heraus. „Es wird eine EU-weite
Vereinheitlichung des Systems
,Rettungsgasse‘ empfohlen,
die langfristig anzustreben ist.
Durch eine einheitliche Regelung können Missverständnisse bei ausländischen Lenker/
-innen reduziert werden.“
Funktionierende Rettungs­
gassen sparen wichtige
­Minuten bis zum Eintreffen
der Hilfsorganisationen am
Einsatzort und können so
­Leben retten. Dazu müssen
aber alle Verkehrsteilnehmer,
unabhängig davon aus welchem europäischen Land sie
kommen, mit den Regeln zur
Bildung einer Rettungsgasse
vertraut sein und diese
­be­herrschen. DPolG – Deutsche Polizeigewerkschaft
DPolG Bundesfrauenkonferenz tagte in Königswinter
Noch viel Arbeit auf dem Weg zur Gleichstellung
lich. Bundesvorsitzender
Rainer Wendt, der die Bundesleitung beim Seminar repräsentierte, sieht ebenfalls das
Thema Gleichstellung und Vereinbarkeit von Beruf und Familie noch nicht auf der politischen Zielgeraden. Es bleibe
nach wie vor viel zu tun.
DPolG
<<
<
< Die Teilnehmerinnen der DPolG Bundesfrauenkonferenz in Königswinter
gemeinsam mit dem DPolG-Bundesvorsitzendem Rainer Wendt.
Verabschiedung der
Bundesfrauenbeauftragten
Die Bundesfrauenvertretung
verabschiedete und dankte ihren langjährigen Vertreterinnen Manuela Ganschow aus
Berlin und Angela Ipsen aus
Schleswig-Holstein. Beide haben die Arbeit der DPolG-Frauenvertretung über viele Jahre
geprägt und mitgestaltet. Ein
besonderer Dank und eine
herzliche Verabschiedung galt
Anke Bernhard, die beim bevorstehenden Bundeskongress
nicht mehr für das Amt der
Bundesfrauenbeauftragten
kandidieren wird.
Verkehrssicherheits­beraterin der Polizei
ausgezeichnet
Mit dem „ZNS-Preis für eine
besondere Frau“ ehrt die ZNS
– Hannelore Kohl Stiftung
Frauen, die nicht im Rampenlicht stehen. Die aber durch ihr
tägliches Tun Außergewöhn­
liches leisten, sich für hirnverletzte Unfallopfer und die Prävention von Kopfverletzungen
einsetzen. Preisträgerin 2015
ist Polizeihauptkommissarin
Ellen ­Haase aus Gütersloh. Die
ZNS – Hannelore Kohl Stiftung
zeichnet sie für ihr außergewöhnliches Engagement im
Bereich Prävention von Kopfverletzungen aus. Ellen Haase
setzt sich seit vielen Jahren als
Verkehrssicherheitsberaterin
> Polizeispiegel | April 2015
der Polizei und bundesweit
­anerkannte Radhelm-Expertin für das Helmtragen beim
Radfahren ein. Aber auch über
ihre Dienstzeit hinaus engagiert sie sich leidenschaftlich
für Fragen der Verkehrssicherheit und hat dabei besonders
Kinder, Jugend­liche und Senioren im Fokus. Seit dem Beginn
ihrer Dienstzeit im Jahr 1977
hat die Gütersloher Polizistin
und jetzige Opferschutzbe­
auftragte für Unfallopfer
der Kreis­polizei­behörde viele
schwere Unfälle gesehen
und sich mit den Schicksalen
der Unfallopfer auseinandergesetzt. Ellen ­Haase ist über-
ZNS
Aktuelles
16
Mit den Themen Vereinbarkeit
von Beruf und Familie sowie
den Möglichkeiten, mithilfe
des Steuerrechts Eltern- und
Familienzeit positiv zu beeinflussen, befasste sich das Seminar der DPolG Bundesfrauenkonferenz, das vom 3. bis
5. März 2015 in Königswinter
stattfand. Daniela Felix, Gesamtfrauenvertreterin der
Polizei Berlin, referierte über
die Chancengleichheit von
Frauen und Männern in der
Polizei am Beispiel von Berlin.
DPolG-Bundesfrauenbeauftragte Anke Bernhard erörterte
neben familienpolitischen
Themen auch die Chancen und
Hindernisse, wenn Frauen Beruf und Ehrenamt unter einen
Hut bekommen wollen. Dass
die angesprochenen Probleme
nicht nur in einem Bundesland
vorkommen, sondern viele
oder sogar alle Länder betreffen, wurde in den regen Diskussionen und Gesprächen der
Teilnehmerinnen, die ihre Landesverbände vertraten, deut-
<
< ZNS-Präsidentin Dr. Kristina
Schröder, MdB, überreicht den
„ZNS-­Preis für eine besondere
Frau“ an Polizeihauptkommissarin Ellen Haase, Kreispolizeibehörde Gütersloh, Verkehrsunfallprävention/Opferschutz (VUP/O).
zeugt und da stimmt sie mit
der Auffassung der DPolG
Kommission Verkehr überein,
dass der selbstverantwortliche Schutz von Radfahrern,
beispielsweise durch ­Helme
und Reflektoren, viele Unfälle
vermeiden hilft. „Ihr Engagement, ihre Kreativität und
ihre erfolgreichen Konzepte
sind bemerkenswert. Die
­konsequente Initiative, mit
­denen Ellen Haase Verkehrsteilnehmer jeden Alters für
­Unfallgefahren sensibilisiert,
hat sicher vielen von ihnen
schon das Leben gerettet“,
so ZNS-Geschäftsführerin
­Helga Lüngen.
DPolG – Deutsche Polizeigewerkschaft
Das Kreuz: Der Unfall mit dem Einkaufswagen
Von Ewald Ternig1, Dozent für Verkehrsrecht und Verkehrslehre
an der Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz
Der vollgeladene Einkaufswa­
gen kann schon mal Schwierig­
keiten bereiten, wenn man ihn
zum Pkw schiebt. Die Steue­
rungsfähigkeit ist schon mal
eingeschränkt. Probleme be­
reitet es ab und an auch, wenn
man das Teil am Pkw abstellt,
den Kofferraum öffnet und
man den Wagen nicht mehr
sieht, weil er sich selbstständig
gemacht hat. Alles kein Pro­
blem bis … ein geparkter Pkw
touchiert wird. 1
<<
Fachteil
20
Liegt nun ein
­Verkehrsunfall vor?
Ein Verkehrsunfall ist jedes
schädigende Ereignis im öffentlichen Straßenverkehr, das mit
dessen Gefahren in ursächlichem Zusammenhang steht
und bei dem ein nicht völlig belangloser Personen- oder Sachschaden entstanden ist. Dies
könnte man für den oben genannten Fall annehmen. Gestritten wird schon mal, ob dies
typische Gefahren des Straßenverkehrs sind. Das LG Düsseldorf2 hatte eine Entscheidung
dazu getroffen. Nach einem Einkauf begab sich eine Dame mit
zwei Einkaufs­wagen zum abgestellten Lkw. Beim Ausladen eines der Einkaufswagen machte
sich der zweite selbstständig
und rollte gegen den in der
Parklücke gegenüber stehenden
Pkw. An dem Fahrzeug entstand
1 Ewald Ternig, seit 1982 im Polizeidienst,
an der Hochschule Polizei Dozent für
Verkehrsrecht und Verkehrslehre, auch
Referent beim Deutschen Anwaltsinstitut
sowie Referent im Rahmen eines Masterstudienganges an der Hochschule Nürtingen-Geislingen und Referent beim
Verkehrsgerichtstag 2015
2 6. Mai 2011, 29 Ns 3/11
Impressum:
Redaktion: Jürgen Roos
53547 Roßbach
Tel. + Fax: 02638.1463
[email protected]
> Polizeispiegel | April 2015
ein Sachschaden von knapp
1 500 Euro. Ohne sich weiter um
den Schaden zu kümmern, obwohl dieser wahrgenommen
wurde, verließ die Person den
Unfallort. Das LG sieht sich daran gehindert, die Person wegen
unerlaubten Entfernens vom
Unfallort zu verurteilen. Der
Knackpunkt ist der straßenverkehrsspezifische Gefahrenzusammenhang. Es müssen sich in
dem Verkehrsunfall gerade die
typischen Gefahren des Straßenverkehrs verwirklicht haben.
Das LG Düsseldorf erkennt hier
keinen Verkehrsunfall. Das Gericht nennt in seiner Entscheidung auch die gegenteilige
Rechtsauffassung anderer Gerichte. Diesen Auffas­sungen
möchte sich das LG jedoch nicht
anschließen. Zunächst wird ausgeführt, dass nur vom Fließverkehr, zumindest eines Fahrzeugs, auszugehen ist. Dies
würde Unfälle unter Fußgängern ausschließen. Das Ein- und
Aussteigen wird noch im Zusammenhang mit dem Fahrvorgang gesehen, im vorliegenden
Fall wäre dies aber nicht gegeben, weil es auf die Bewegung
des Pkw beziehungsweise Lkw
nicht ankam. Der Schutzzweck
der Norm ist für das Gericht
ebenfalls nicht gegeben.
<<
Dies konnte das OLG
Düsseldorf3 nicht stehen
lassen und stellte fest:
Die Kollision eines Einkaufs­
wagens mit einem parkenden
Pkw auf einem öffentlich
zugängli­chen Parkplatz ist ein
„Unfall im Straßenverkehr“ im
Sinne des § 142 I Nr. 1 StGB.
§ 142 StGB schützt als abstraktes Vermögensgefährdungsdelikt die Feststellung und Sicherung der durch einen Unfall
entstandenen zivilrechtlichen
3 11. November 2011, 111 – 1 RVs 62/11,
ADAJUR
Ansprüche und schützt überdies vor unberechtigter
Inanspruch­nahme. Dabei
knüpft die Strafbarkeit an einen straßenverkehrsspezifischen Gefahrzusammenhang
an: „… Fahrzeuge sind auf einem öffentlich zugänglichen
Parkplatz erhöhten Gefahren
durch wegrollende Einkaufswagen ausgesetzt …“ Dies
sieht das Gericht als typische
Gefahr des Straßenverkehrs an.
Auch andere Strafgerichte sahen dies anders als das LG Düsseldorf. Das OLG Stuttgart4
sieht den Transport eingekauf­
ter Waren mittels eines Wagens zum abgestellten Auto,
das Umladen und schließlich
auch das Zurückbringen und
Abstellen des Einkaufswagens
als typisches Verkehrsgeschehen. Auch das OLG Koblenz5
geht davon aus, dass sich die
typischen Gefahren des Stra­
ßenverkehrs realisiert haben.
Das Schadensereignis ist aus
einer verkehrsüblichen Nutzung des öffentlichen Verkehrsraums entstanden. Das
Parken des Pkw wie auch das
Betre­ten der Verkehrsfläche als
Fußgänger zum Zwecke des
Be- oder Entladens sind gewöhnliche Verkehrsvorgänge …
Das LG Berlin6 hatte zwar nicht
zu entscheiden, ob der Schaden durch einen Einkaufswagen einen Verkehrsunfall darstellt, hier wurden Mülltonnen
bewegt. Ausge­führt wird, dass
das Vorbeischieben von auf
Rollen beweglichen Mülltonnen an parkenden Fahrzeugen
im öffentlichen Straßenraum,
damit sie später zum Müllfahrzeug gebracht werden können,
nach der natürlichen Verkehrsauffassung in unmittelbarem
4 10. Dezember 1973, 3 Ss 605/73, VRS 47, 15
5 3. Dezember 1992, 1 Ss 306/92, MDR 93,
S. 366
6 27. Juni 2006, 526 Qs 162/06, NStZ 2007,
S. 100
Zusammenhang mit dem Verkehrsgeschehen steht und
stellt somit ein Geschehen „im
Straßenverkehr“ dar. Genauer
wird ausgeführt „… dass das
Abstellen von Handwagen,
Fuhrwerken, Schlitten und
sonstigen Ge­fährten wie Ein­
kaufswagen jedenfalls so lange einen Verkehrsvorgang bildet, als es darum geht, dass
dieses verkehrssicher geschehen muss, das heißt zum Beispiel parkende Autos nicht beschädigt.“ Auch das LG Bonn7
erkennt einen Verkehrsunfall
im Sinne des § 142 StGB an,
wenn beim Beladen eines Pkw
der vom Kunden benutzte Einkaufswagen eines Lebensmittelsupermarktes auf der leicht
abschüssigen Parkfläche des
Einkaufszentrums wegrollt, gegen einen fremden Pkw stößt
und diesen nicht ganz belanglos beschädigt.
Das LG Düsseldorf nennt in seinen Ausführungen Entscheidungen aus dem Haftungsrecht. Hier geht es häufig um
die Frage des Gebrauchs des
Fahrzeugs. Hintergrund ist dabei, ob die Privat­haftpflicht
oder die Kfz-Haftpflicht den
Schaden tragen muss, der
durch den Einkaufswagen entsteht. Das LG Aachen8 sieht
den Gebrauch gegeben, wenn
ein beladener Einkaufswagen
sich selbstständig macht,
­während der Kunde zur Vor­
bereitung des Umladens die
Türen seines Kfz öffnet. Das LG
Marburg9 sagt aus, dass der
Schaden, der auf einem Parkplatz durch einen wegrollenden Einkaufswagen, aus dem
Getränkekisten in einen Pkw
verladen werden sollten, ange­
richtet wird, nicht durch den
Gebrauch des Kfz verursacht
wird, weil das Beladen nicht
durch den Fahrer geschehen
muss. Das LG Limburg10 sagt
7 25. September 1974, 15 Ns 117/74, Juris
8 30. März 1990, 5 S 477/89, NZV 1991, S. 76
9 6. Oktober 1993, 5 S 51/93, NJW-RR 1994,
221
10 21. Juli 1993, 3 S 263/92, NJW RR 1994, 486
DPolG – Deutsche Polizeigewerkschaft
aus, dass für den Fall, wenn der
Pkw noch abgeschlossen ist
und sich nun der Einkaufswagen in Bewegung setzt, die
Privathaft­pflicht­ver­sicherung,
nicht die Kfz-Haftpflichtversicherung, einstandspflichtig ist.
Für das AG Lünen11 gilt, wenn
1128. Juni 1993, 8 C 132/93, NJW RR 1994, 26
der Einkaufswagen leer geräumt ist, muss die Privathaftpflicht ­zahlen.
Das Haftungsrecht dürfte bei
der Feststellung, ob ein Verkehrsunfall im Sinne des § 34
StVO/§ 142 StGB vorliegt, nicht
von entscheidender Bedeutung sein. So wird auch in der
Entscheidung des OLG Düsseldorf argumentiert. Verkehrsunfälle können auch durch
Fußgänger verursacht wer­den.
Daher liegt der Verdacht einer
Straftat im Sinne des § 142
StGB vor, wenn mit einem Einkaufswagen auf einem öffentlichen Parkplatz ein schädigendes Ereignis passiert und sich
der Verantwortliche nicht um
den Schaden kümmert. In der
Regel werden die Gerichte die
Person anklagen und wohl
auch verurteilen. Das OLG Düsseldorf hat die Entscheidung
des LG Düsseldorf im Sinne der
Geschädigten auf öffentlichen
Parkplätzen dankenswerterweise korri­giert.
Unterlassene richterliche Verständigung bei Freiheitsentziehungen
Freiheitsberaubung durch Unterlassen durch den
Wachhabenden oder Dienstgruppenleiter?
Im Januar 2005 wurde der erheblich alkoholisierte J., der
mehrere Frauen in der Öffentlichkeit „belästigt“ haben sollte, auf das zuständige Polizeirevier verbracht, weil er seinen
Ausweis nicht zeigen wollte
und sich renitent verhielt. Auf
der Dienststelle entnahm ihm
ein Arzt eine Blutprobe. Er erklärte J. zudem nach entsprechender Untersuchung für
­gewahrsamsfähig. 1
J. wurde dann in den Gewahrsam eingeliefert. Eine gericht­
liche Entscheidung wurde nicht
eingeholt.
J. verhielt sich weiter sehr aggressiv und selbstverletzend,
zum Beispiel schlug er mehrfach mit dem Kopf in Richtung
Wand und Tisch. Er wurde daher in der Gewahrsamszelle
mit an der Wand befestigten
Hand- und Fußfesseln auf einer Matratze fixiert. In den
späteren Gerichtsverhandlungen wurde angenommen, dass
J. höchstwahrscheinlich mit
1 Thomas Lenz, 1980 Eintritt Polizei Rheinland-Pfalz; nach Wach- und Wechseldienst
1991 Abschluss Diplom-Verwaltungs-Wirt
FH, anschließend Dienstgruppenleiter in
einer Polizeiinspektion; 1999 Abschluss
der Ausbildung für den höheren Polizeidienst, langjähriger Dozent und Fachsprecher des Studienfachs „Eingriffsrecht“, seit
2009 Fachgebietsleiter „Polizeirecht“
­ inem entweder bei der
e
Durchsuchung nicht gefundenen oder mit einem bei einem
Gerangel in der Zelle verlorenen Feuerzeug die Matratze in
Brand steckte und dadurch zu
Tode kam.
Das Feuer verursachte ein
­einem Plätschern ähnliches
­Geräusch, das auch durch
eine dort installierte Wechselsprechanlage an den Arbeitsplatz des Dienstgruppenleiters
übertragen wur­de. Dieser
konnte es nicht einordnen und
unternahm zunächst nichts.
Die starke Rauchentwick­lung
löste zweimal den Rauchmelder aus, was den Dienstgruppenleiter aber erst beim zweiten Mal zu einer Nachschau
veranlasste. Er hielt die Meldungen für die üblichen
(­häufiger vorkom­menden)
­Fehlalarme.
Der Fall hat für erheblichen
Wirbel in der Öffentlichkeit
­gesorgt. Aufgrund der noch
nicht voll­ständig geklärten
­Ursache des Brandausbruchs
gab und gibt es die wildesten
Spekulationen – bis hin zum
Verdacht der gezielten Tötung.
Amnesty International setzt
sich sehr kritisch mit dem Fall
auseinander.
Der Dienstgruppenleiter wur­
de vom Landgericht wegen
fahrlässiger Tötung zu einer
Geldstrafe verurteilt. Der BGH
bestätigte in seinem Urteil
vom 4. September 2014 (4 StR
473/13) die vorherige In­stanz
und betonte einige ­polizeiliche
Handlungspflichten, die insbe­
sondere für „Wachhabende“
beziehungsweise Dienstgrup­
penleiter von Interesse sein
dürften.
Dass der für den Gewahrsam
Verantwortliche (in vielen kleineren Dienststellen also der
Wach­habende oder Dienstgruppenleiter) insbesondere
für den Gesundheitszustand
des Ingewahrsamgenommenen Sorge zu tragen hat, dürfte
selbstverständlich und allseits
bekannt sein. Das ent­spricht
auch der geltenden Vorschriftenlage, zum Beispiel den einschlägigen Gewahrsamsord­
nungen. Das Gericht verlangt
von dem verantwortlichen Po­
lizeibeamten eine eigenstän­
dige Gefährdungsbeurteilung
– „trotz der Einschaltung eines
Arztes zur Prüfung der Ge­
wahr­samsfähig­keit des J“.2 Mit
anderen Worten: Auch wenn
ein Arzt die Gewahrsamsfähig­
2 BGH vom 4. September 2014, 4 StR 473/13,
HRRS 2014 Nr. 1026, RN 39
keit bejaht hat, muss der Ge­
wahrsamsverantwortliche bei
entsprechenden Erkenntnissen
den Gesundheitszu­stand des
Betreffenden engmaschig
überprüfen, unter Umständen
durch eine ständige optische
Überwachung.
Ebenso interessant erscheint
mir der Aspekt „Verantwortung für die Freiheitsentziehung“ zu sein. Diese trifft
nämlich nicht nur den anordnenden Beamten, sondern
auch die­jenigen, die für die
Überwachung solcher Maßnahmen zuständig sind. Typi­
scherweise sind das vor allem
die sogenannten Wachhaben­
den und die Dienstgruppenlei­
ter. In der Regel haben sie auch
eine dienst- und fachaufsichtliche Aufgabe und sind damit
ebenfalls dafür verantwortlich, dass die gesetzlichen Verpflichtungen eingehalten werden.
Im vorliegenden Fall wurde die
Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung versäumt.
Das wäre aber schon aufgrund
von Art. 104 (2) Grundgesetz
notwendig gewesen. Welche
ein­fachgesetzliche Ermächtigungsnorm letztlich zur Anwendung kommt, ist in Bezug
auf den verfassungsrechtlichen
Richtervorbehalt belanglos.
Der BGH stellt deshalb die anzuwendende Ermächtigungs-
> Polizeispiegel | April 2015
21
Fachteil
Erkenntnisse aus dem Fall Oury Jalloh (BGH vom 4. September 2014, 4 StR 473/13)
Von Polizeidirektor Thomas Lenz1, Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz
DPolG – Deutsche Polizeigewerkschaft
norm auch nicht explizit fest
und nennt nur einige mögliche
und typische repres­sive und
präventive Befugnisnormen.
Er lässt aber keinen Zweifel an
der erwähnten verfas­sungs­
rechtlich verpflichtenden un­
verzüglich nachträglichen rich­
terlichen Entscheidung bei
polizeilich angeordneten Frei­
heitsentziehungen.
„Unverzüglich“ bedeutet, dass
nur sachliche Gründe die Ver­
zögerung rechtfertigen kön­
nen3, zum Beispiel eine länge­
re Anfahrt zum zuständigen
Gericht oder Ähnliches.
Fachteil
22
Diese Verpflichtung trifft nicht
nur den anordnenden Beam­
ten, sondern auch den für den
Ge­wahrsam Verantwortlichen.
Damit geraten auch Wach­
habende beziehungsweise
Dienstgruppenleiter in den
­Focus. Und zwar auch dann,
wenn die Freiheitsentziehung
3 BVerfG v. 15. Mai 2002, 2 BvR 2292/00;
­BVerfG v. 19. Januar 2007, 2 BvR 1206/04;
­BVerfG v. 4. September 2009, 2 BvR
2520/07
gar nicht während ihrer
Dienstzeit angeordnet wurde.
(rechtlich) ordnungsgemäßen
Vollzug des Gewahrsams7.
Der BGH weist ausdrücklich
auf die Verantwortung des
Dienstgruppenleiters hin, in
dieser Funktion dafür Sorge zu
tragen, dass „die der Polizei zu­
geordneten Voraussetzungen
der ge­setzesmäßigen Fortdau­
er einer Ingewahrsamnahme
gewahrt und erfüllt werden
beziehungsweise blieben“.4 Im
vorliegenden Fall wird auf die
entsprechende Passage in der
dort geltenden Gewahrsams­
ordnung verwiesen5, allerdings
dürfte diese Verpflichtung
auch in solchen Bundesländern
gel­ten, in denen die Gewahr­
samsordnung den Dienstgrup­
penleiter nicht ausdrücklich
dazu ver­pflichtet. Denn die
dienst6- und fachaufsichtliche
Aufgabe des Dienstgruppen­
leiters umfasst auch für den
Im Ergebnis wird der Dienst­
gruppenleiter damit zum
„Beschützergaranten“8, dem
eine Erfolgs­abwendungspflicht
oblag, „hier mithin die Pflicht,
die unverzügliche Vorführung
von J. beim zuständigen Rich­
ter zu veranlassen beziehungs­
weise unverzüglich dessen Ent­
scheidung über die Fortdauer
des Gewahrsams
herbeizuführen.“9
4 BGH v. 4. September 2014, 4 StR 473/13,
HRRS 2014 Nr. 1026, RN 64
5Ebenda
6 Vgl. ebenda, der BGH bestätigt den An­
geklagten ausdrücklich in seiner Ansicht,
es gehöre zu seinen Aufgaben, „das
Dienst­geschehen zu überwachen“
Wird diese Handlung unterlas­
sen ist dieses Verhalten grund­
sätzlich geeignet, den Vor­wurf
der Freiheitsberaubung durch
Unterlassen zu begründen.10
Handlungspflichtig und ver­
antwortlich wird damit auch
der Dienstgruppenleiter der
7 So wohl auch: Schiemann, Polizeiliche
Hand­lungspflichten bei Ingewahrsam­
nahme – Der Fall Oury Jalloh in NJW 2015,
20 (21)
8 A.a.O., RN 65; das Gericht zitiert: BGH v.
6. November 2002, 5 StR 281/01
9Ebenda
10A.a.O., RN 69
ab­lösenden Schicht, der den
Dienst zu einem Zeitpunkt an­
tritt, an dem bereits jemand
im Gewahrsam sitzt. Er hat
sich zu vergewissern, dass die
notwendigen gesetzesmäßi­
gen Vorgaben erfüllt sind oder
unverzüglich erfüllt werden.
Insbesondere der polizeiliche
Einzeldienst „leidet“ nicht un­
erheblich an sich ständig än­
dernden Rechtsvorschriften
und der damit einhergehenden
Notwendigkeit permanenter
Wissensaktuali­sierung. Wer
sich also nicht „auf dem Lau­
fenden“ hält, kann sich nicht
mit einem unvermeidba­ren
Verbotsirrtum rechtfertigen.
Schiemann bringt es auf den
Punkt: „Selbstverständlich hat
ein Polizeibeamter die ein­
schlägigen Rechtsgrundlagen
seines Handelns zu kennen.
Kennt er sie nicht, ist diese
­Unkenntnis vermeidbar.“11
11Schiemann, Polizeiliche Handlungspflich­
ten bei Ingewahrsamnahme – Der Fall
Oury Jalloh in NJW 2015, 20 (21)
Datenschutzrechtliche Bewertung des Einsatzes
von Bodycams
Von Barbara Dembowski1, Referatsleiterin beim Hessischen Datenschutzbeauftragten
Wie jede Art von Videoüber­
wachung ist auch der Einsatz
von Bodycams – wenn über­
haupt – nur unter Beachtung
enger Rahmenbedingungen
möglich.1
<<
Was bezwecken
­Bodycams
Die Diskussion zum möglichen
Einsatz von Bodycams im poli­
zeilichen Alltag hat vielfältige
Aspekte. Sie ist einerseits ge­
leitet vom Interesse der Polizei,
Übergriffe auf Einsatzkräfte zu
1 Juristin seit 1986 beim Hessischen Daten­
schutzbeauftragten und seit 1995 Refe­
ratsleiterin für die Bereiche Justiz, Polizei,
Verfassungsschutz sowie Ordnungswid­
rigkeiten
> Polizeispiegel | April 2015
verhindern und Beweismateri­
al zur Strafverfolgung zu erlan­
gen. Gleichzeitig gibt es Stim­
men, die mit dieser Technik
eine Dokumentation polizeili­
chen Handelns erzwingen wol­
len. Fast allen Beiträgen ist ge­
mein, dass die Fragestellung
– ob oder wieweit der Einsatz
rechtlich zulässig ist oder sein
kann – eher marginal behan­
delt wird.
Bodycams sind zunächst (nur)
eine weitere Variante der Da­
tenerhebung mittels Videotech­
nik. Sie unterscheiden sich von
anderen Kamerasystemen je­
doch nicht unwesentlich. Sie
sind klein, werden auf der
Schulter getragen oder sind an
der Uniform befestigt. Damit
sind sie auf den ersten Blick
nicht zwingend erkennbar und
es ist nur bedingt möglich,
wahrzunehmen, ob die Kamera­
funktionen auch aktiviert sind.
Die Aufnahmen solcher Kame­
ras tangieren unterschiedliche
Personenkreise. Zunächst kann
damit dokumentiert werden,
wie sich das unmittelbare Ge­
genüber der Einsatzkräfte gera­
de verhält. Im Fokus der Auf­
nahmen können dabei auch
unbeteiligte Passanten stehen.
Und nicht zu vernachlässigen
ist, dass mit der Dokumenta­tion
polizeilichen Handelns ­zugleich
ein Instru­ment der Kon­trolle der
eingesetzten Beam­ten existiert.
Dies gilt für Dritte ebenso wie
für Vor­gesetzte.
<<
Bodycams sind
­grundrechtsrelevant
Die Aufnahmen der Kameras
sind datenschutzrechtlich als
Datenerhebung zu qualifizie­
ren und stellen somit einen
Eingriff in das Recht auf infor­
mationelle Selbstbestimmung
dar. Ein solcher ist nur dann zu­
lässig, wenn er auf einer nor­
menklaren gesetzlichen Grund­
lage erfolgt. Dabei muss der
Grundsatz der Verhältnismä­
ßigkeit beachtet werden.
DPolG – Deutsche Polizeigewerkschaft
M E H R
W I S S E N
A L S
A N D E R E .
B E S T E L L E N
S I E
Schließlich muss eine klare Festlegung des weiteren Umgangs
mit den Aufnahmen erfolgen,
das betrifft die Entscheidung,
welche Aufnahmen für weitere
Verwendung gespeichert werden dürfen ebenso wie die Frage der Aufbewahrungsdauer.
Dabei sind die Interessen der
Aufge­nommenen zu berücksichtigen. Auch die von der Aufnahme Betroffenen müssen die
Möglichkeit haben, sich auf diese als Beleg zu berufen, wenn
sie unkorrektes Verhalten der
Einsatzkräfte anzeigen.
<<
Das hessische
­Pilotprojekt
Ein mögliches Einsatzszenario
wurde in Hessen erprobt.
Grundlage war dafür § 14
Abs. 6 HSOG: „Die Polizeibehörden können an öffentlich
zugänglichen Orten eine Person, deren Identität nach diesem Gesetz oder anderen
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23
Fachteil
<<
Nicht zu vernachlässigen ist
Enge Voraussetzungen
heblichen Rechtsgütern kann
für einen zulässigen Ein- diesen Eingriff – wenn überdabei, dass zugleich die Handlungsfreiheit beinträchtig
satz in der polizeilichen
haupt – in engen Grenzen
Praxis
­werden kann. Wenn Passanrechtfertigen.
ten j­ ederzeit, sobald sie Einsatzkräften begegnen, mit
Der Schutz vor Übergriffen
Auch ein permanenter Einsatz
­einer solchen Aufnahmemögdient der Prävention und kann
– etwa Aktivierung während
lichkeit rechnen müssen oder
somit in den Polizeigesetzen
der Dauer des gesamten Einzumindest zwar die Kameras
geregelt werden. Bei der Aussatzes einer Streife – würde
an der Uniform wahrnehmen,
gestaltung darf jedoch nicht
den Anforderungen der Veraber nicht sicher sein können,
der Gedanke der Gewinnung
hältnismäßigkeit nicht entob Aufnahmen getätigt wervon Beweismit­teln in einem
sprechen. Als offene Maßnahden, werden sie sich nicht
Strafverfahren im Vordergrund me muss sie zudem als solche
mehr unbe­fangen bewegen.
stehen, dafür wäre eine Regeerkennbar sein. Das kann etwa
Schon die Möglichkeit einer
lung im Strafverfah­rensrecht
durch ein deutliches Signal an
Datenverarbeitung kann das
notwendig.
der aktivierten Kamera erfolVerhalten be­einflussen. Dies
gen. Ein mündlicher Hinweis,
ist seit dem VolkszählungsurDieser Zweck gibt somit den
dass die Kamera jetzt akti­viert
teil einer der Maßstäbe, an
Rahmen für eine mögliche Rewird, kann dies verstärken. Diedem Datenerhebungen zu
gelung vor: Da das Grundrecht
ser allein kann nicht immer
messen sind. Eine solche Einder Handlungsfreiheit sowie
ausreichen, es kann nicht siflussnahme ist ja gerade gedas informationelle Selbstbechergestellt sein, dass alle Bewollt. Wenn auch die Polizei
stimmungsrecht betroffen
troffenen – erst recht wenn sie
(nur) Angriffe auf die eigenen
sind, wäre ein flächendeckensich nicht direkt von Anfang an
Einsatzkräfte verhindern will,
der permanenter Einsatz von
nahe an der Kamera aufhalten
kann sie den Einfluss auf anBodycams unverhältnismäßig
– auch wirklich mitbekommen,
_0K6LM_EAZ_dbb_magazin_4_2015_S_23.pdf; s1; (210.00 x 148.00 mm); 10.Mar 2015 11:33:59; PDF-CMYK ab 150dpi für Prinergy; L. N. Schaffrath DruckMedien
dere Per­sonen aber nicht verund damit unzuläs­sig. Nur eine dass eine Videoaufnahme erhindern.
konkrete Gefährdung von erfolgt.
dbb verlag gmbh
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> Polizeispiegel | April 2015
DPolG – Deutsche Polizeigewerkschaft
Rechtsvorschriften festgestellt
werden soll, mittels Bildüber­
tragung offen beobachten und
dies aufzeichnen, wenn dies
nach den Umständen zum
Schutz von Polizeivollzugsbe­
amtinnen und Polizeivollzugs­
beamten oder Dritten gegen
eine Gefahr für Leib oder Leben
erforderlich ist. Dabei können
personenbezogene Daten auch
über dritte Personen erhoben
werden, soweit dies unerläss­
lich ist, um die Maßnahme
nach Satz 1 durchführen zu
können. Sind die Daten für
Zwecke der Eigensicherung
oder der Strafverfol­gung nicht
mehr erforderlich, so sind sie
unverzüglich zu löschen.“
Fachteil
24
Damit sind die Einsatzbereiche
klar begrenzt: mögliche Akti­
vierung der Kamera nur in Zu­
sammenhang mit Identitäts­
feststellungen, Vorliegen einer
konkreten Gefahr für Leib und
Leben und zeitnahe Entschei­
dung über das Schicksal der
einzelnen Aufnahmen. Ein
­flächendeckender und/oder
permanenter Einsatz ist aus­
geschlossen.
Bei der Entscheidung über die
Aufbewahrungsdauer kommen
im Rahmen der Erforderlichkeit
zwei Aspekte zum Tragen – ei­
nerseits kann schnell, im Prin­
zip direkt nach dem Ende des
Ein­satzes entschieden werden,
ob eine Eskalation verhindert
werden konnte und somit wei­
tere Maßnahmen nicht not­
wendig sind. Wenn die ge­
wünschte abschreckende
Wirkung nicht einge­treten ist,
kann die weitere Aufbewah­
rung für einen begrenzten
­Zeitraum erfolgen, auch wenn
zunächst dies nicht als Beweis­
mittel in einem Ermittlungs­
verfahren Verwendung finden
soll. Jedoch besteht so auch die
Möglichkeit, dass – soweit die
von der Maßnahme Betroffe­
nen erst nach einiger Zeit das
polizeiliche Vorgehen hinter­
fragen und etwa mit eigenen
Anzeigen reagie­ren – diese
Aufnahmen zur Verfügung ste­
hen. Deshalb ist derzeit eine
Aufbewahrung von bis zu
> Polizeispiegel | April 2015
sechs Monaten möglich, aller­
dings getrennt von sonstigen
Datenbeständen, es sei denn,
das Mate­rial wird für ein kon­
kretes Verfahren verwendet.
Unter diesen Voraussetzungen
hat der Hessische Daten­
schutzbeauftragte das Projekt
begleitet. Erste Erfahrungen
werden von der Polizei positiv
bewertet. Anscheinend ist es
gelungen, den Schutz von Ein­
satzkräften durch Abschre­
ckung zu vergrößern und
gleichzeitig Beweis­mittel für
Übergriffe zu erlangen. Dies,
aber auch die technischen
Möglichkeiten der auf dem
Markt vorhandenen Kamera­
systeme, wecken Begehrlich­
keiten zur Ausweitung der
Einsatzmög­lichkeiten. Body­
cams sollen nunmehr flächen­
deckend in Hessen eingesetzt
werden. Aber auch über den
beschriebenen Rahmen hinaus
wird über Änderungen der Ein­
satzmodalitäten disku­tiert.
<<
Unzulässige
­Ausweitungen
Zum einen gibt es Forderun­
gen, auch Tonaufzeichnungen
– wie sie offensichtlich in
Großbri­tannien möglich sind
– zu ermöglichen. Durch Ton­
aufnahmen erfolgt ein zusätz­
licher Grundrechtseingriff.
­Dieser betrifft sowohl die un­
mittelbar zu kontrollierenden
Personen als auch Unbeteiligte
im Umfeld der Kontrollsituati­
on. Zur Begründung der Über­
legungen wird insbesondere
auf die Verhinderung bezie­
hungsweise Verfolgung von
Beleidigungen der Beamten
verwie­sen. Soweit es um die
Strafverfolgung geht, sind die
notwendigen Maßnahmen in
der StPO festzulegen. Im Ver­
gleich zu den derzeit mögli­
chen Bildaufnahmen wäre der
Anlass für den Eingriff zudem
erheblich niedrigschwelliger.
Dies ist bei der Abwägung der
Grundrechtsbe­troffenheit von
Kontrollierten und Kontrollie­
renden zu berücksichtigen. Bei
allem Verständnis für die be­
troffenen Beamten besteht
doch im Unrechtsgehalt ein
­erheblicher Unterschied zwi­
schen Gefährdungen für Leib
und Leben oder Beleidigungen.
Die auf dem Markt vorhande­
nen Kamerasysteme bieten
­zudem die Möglichkeit, quasi
perma­nent im Hintergrund zu
laufen. Dabei werden die auf­
genommenen Bilder in einem
Ringspei­cher abgelegt und je
nach Einstellung in mehr oder
weniger kurzen Abständen
überschrieben. Erfolgt dann im
konkreten Einsatz die Entschei­
dung, dass nunmehr eine Be­
obachtung und Aufzeichnung
zulässig ist, werden die vorhan­
denen Daten mit gespeichert
– das sogenannte Pre-Recor­
ding.
Verfechter dieser Technik stüt­
zen sich dabei unter anderem
auf die Aussage des Bundes­
verfassungsge­richts in der Ent­
scheidung zur Kennzeichen­
erkennung, dass bestimmte
technische Konstel­lationen kei­
ne Datenerhebung darstellen,
insbesondere dann, wenn die
gewonnenen Informationen
schon im Gerät selektiert und
verworfen werden. Dies ist
aber gerade nicht die Funkti­
onsweise des Pre-Recording.
Bei der Bodycam werden zwar
in einem bestimmten Rhyth­
mus die nicht „verwendeten“
Aufnahmen überschrieben,
aber zu jedem Zeitpunkt kann
der die Kamera führende Be­
amte die „Aktivierung“ und
­damit auch die Speicherung
schon im System vor­handener
Daten auslösen. Damit ver­
bleibt es gerade nicht bei einer
rein technischen Verar­beitung.
Dies ist mit den beschriebenen
Voraussetzungen für einen
verfassungsgemäßen Einsatz
von Bodycams nicht in Ein­
klang zu bringen. Bei der Ab­
lage im Ringspeicher ist noch
nicht abzu­sehen, ob die Vor­
aussetzungen für eine recht­
mäßige Speicherung über­
haupt erfüllt werden, das
heißt, ob diese Daten jeweils
erforderlich sind. Dabei macht
es aus meiner Sicht keinen Un­
terschied, wie groß dieser Zeit­
raum ist. Auch eine sehr kurze
Speicherung ist Datenerhe­
bung und somit ein Eingriff in
das informationelle Selbstbe­
stimmungsrecht. Es handelt
sich dabei im Grunde um eine
Vorratsdatenspeicherung. Un­
abhängig davon, ist die mögli­
che Beein­flussung des Verhal­
tens von Passanten, die die
Kamera sehen, jederzeit ge­
geben, da diese eben gerade
nicht erkennen können, ob
„auch“ die Aufzeichnungs­
funktion aktiviert ist.
Begründet wird die Forderung
nach der Nutzung dieser Tech­
nik mit der Gewinnung von Be­
weismitteln und zur Dokumen­
tation der Entwicklung des
strafbaren Verhaltens. Dies ist
aber kein präventiver Ansatz.
<<
Bedenklicher Ansatz
in Hamburg
In Hamburg wurde nun eben­
falls eine Regelung geschaffen,
§ 8 Abs. 5 des Gesetzes über
die Datenverarbeitung der
­Polizei:
Die Polizei darf bei der Durch­
führung von Maßnahmen zur
Gefahrenabwehr oder zur
Verfol­gung von Straftaten
oder Ordnungswidrigkeiten
in öffentlich zugänglichen Be­
reichen personen­bezogene Da­
ten durch den offenen Einsatz
technischer Mittel zur Anfer­
tigung von Bild- und Tonauf­
zeichnungen erheben, wenn
dies nach den Umständen zum
Schutz von Vollzugsbediens­
teten oder Dritten gegen eine
Gefahr für Leib oder Leben er­
forderlich ist.
Damit ist der Anwendungs­
bereich bedeutend weiter als
in Hessen. Im Grunde kann fast
jede polizeiliche Maßnahme in
diesem Kontext aufgenommen
werden. Eine wirkliche Be­
schränkung auf bestehende
Gefahrensituation für Leib und
Leben sehe ich darin nicht,
auch die Notwendigkeit der
Tonaufzeichnung erscheint
nicht wirklich begründet. dbb
Einkommensrunde Länder 2015:
Einigung auf Beamte übertragen
< Abschluss nach zähem Ringen: dbb Verhandlungsführer Willi Russ (Mitte) erläuterte den Tarifabschluss vor der Presse.
„Die Arbeitgeber haben hier
lange gemauert und sich erst
durch den Druck der Warnstreiks in den letzten Tagen eines Besseren belehren lassen.
Jetzt kommt es darauf an, dieses gute Tarifergebnis auf die
Beamtinnen und Beamten der
Länder zu übertragen. Die Einkommensrunde Länder 2015 ist
erst dann wirklich abgeschlossen“, so Russ. Beide Seiten hätten zudem Flexibilität in zentralen strukturellen Fragen
bewiesen. Russ: „Die Gewerkschaften haben für die Zukunftssicherung der Zusatzversorgung eine Erhöhung des
Arbeitnehmerbeitrags akzeptiert, Einschnitte ins Leistungsrecht konnten verhindert werden und beim Thema Lehrereingruppierung haben die
Arbeitgeber zur Kenntnis genommen, dass die Zeiten einseitiger Arbeitnehmerrichtlinien vorbei sind.“
Nach sechs Jahren teilweise
zäher Verhandlungen gebe es
jetzt erstmals einen umfassenden Tarifvertrag und den konkret verabredeten Einstieg in
die Paralleltabelle. „Damit fallen endlich auch die 200 000
Lehrerinnen und Lehrer unter
den Flächentarifvertrag.“
<
Keine unwürdige
Feilscherei
Der dbb Bundesvorsitzende
Klaus Dauderstädt hat die unmittelbare Zusage der Länder
Bayern, Hamburg und Rheinland-Pfalz für eine Übernahme
des Tarifabschlusses für die
Landesbeschäftigten auf die
Landes- und Kommunalbeamtinnen und -beamten begrüßt
und forderte am 30. März 2015
in Berlin alle übrigen Länder
auf, die Einigung ebenfalls zeitund wirkungsgleich auf ihre Beamten und Versorgungsemp-
fänger zu übertragen: „Wir
brauchen jetzt keine unwürdige
Feilscherei, sondern zügig spürbare Signale der Wertschätzung. Denn auch die Beamtinnen und Beamten machen Tag
für Tag und rund um die Uhr
ihren Job und haben ein Anrecht auf Teilhabe an der finanziellen und wirtschaftlichen
Entwicklung“, so Dauderstädt.
Auch Mecklenburg-Vorpommern tendiert zu einer wirkungsgleichen Übernahme,
hier hatten die Beamtinnen
und Beamten bereits zum
1. Januar 2015 eine Besoldungserhöhung in Höhe von
zwei Prozent erhalten. Aus
Berlin, Brandenburg, Bremen,
Sachsen, Sachsen-Anhalt und
Thüringen gibt es derzeit noch
keine Signale zu einer Übernahme des TdL-Ergebnisses.
In Nordrhein-Westfalen und
Schleswig-Holstein haben sich
dbb und Landesregierung
jeweils bereits zu konkreten
Gesprächen über die künftige
Beamtenbesoldung und -versorgung auf Grundlage des
vorliegenden Tarifabschlusses
verabredet. Auch im Saarland
werden Gespräche zwischen
dbb und Landesregierung angestrebt. Dort geht das Landeshaushaltsgesetz aktuell von
einer maximalen Besoldungserhöhung in Höhe von jeweils
nur 1,5 Prozent für 2015 und
2016 aus.
In Baden-Württemberg sorgten
Äußerungen der Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/Die
Grünen und SPD für Verärgerung. Sie hatten bereits vor dem
Abschluss der Tarifverhandlungen mit der TdL angekündigt,
man werde auch das Tarifergebnis 2015/2016 wieder nur zeitversetzt auf den Beamten- und
Versorgungsbereich des Landes
übertragen. In Niedersachsen
soll es entsprechend Verlautbarungen der Landesregierung bei
der im Haushaltsgesetz eingestellten Anhebung der Beamtenbezüge um 2,5 Prozent zum
1. Juni 2015 bleiben. Für den
Fall, dass es zu linearen Abstrichen für die Beamtinnen und
Beamten kommen sollte, haben
bereits mehrere dbb Landesbünde, beispielsweise BBW und
dbb saar, Verfassungsklagen
angekündigt.
Das Land Hessen bleibt als
Nichtmitglied der TdL außen
vor und verhandelt eigenständig mit den Gewerkschaften
für die Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer des Landes.
< dbb Web-Tipp
Die Einzelheiten des Potsdamer Tarifkompromisses
finden Sie unter www.dbb.
de/themen/einkommens
runde-2015/
> Polizeispiegel | dbb seiten | April 2015
25
aktuell
Friedhelm Windmüller
Die Einigung in den Verhandlungen mit der Tarifgemeinschaft deutscher
Länder (TdL) am 28. März 2015 in Potsdam hat der Zweite Vorsitzende und
Verhandlungsführer des dbb, Willi Russ, als tragfähigen Kompromiss bezeichnet: „Die lineare Einkommenserhöhung um durchschnittlich 4,61 Prozent, mindestens 75 Euro, stellt sicher, dass die Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Länder in den kommenden zwei Jahren einen echten
Reallohngewinn verbuchen und Anschluss an die Einkommensentwicklung
bei Bund und Kommunen halten. Das war für uns der zentrale Benchmark.“
dbb
Demos und Aktionen zur
Einkommensrunde:
„Wir haben nun in drei Verhandlungsrunden zusammengesessen, aber die Arbeitgeber
verweigern ein Angebot. Im
Gegenteil, sie wollen eine Leistungskürzung bei der Zusatzversorgung“, sagte der dbb Verhandlungsführer Willi Russ in
Hamburg vor 10 000 Demonstranten. „Diese Unverschämtheit lassen wir den Arbeitgebern nicht durchgehen. Wenn
es am 28. März in Potsdam kein
Ende der Blockadehaltung und
kein ordentliches Angebot gibt,
zeigen wir auf Deutschlands
Straßen, wozu wir in der Lage
sind – und zwar unbefristet.“
Auch die Landesvorsitzenden
des dbb aus dem Norden sehen die Arbeitgeber in der
Pflicht. Rudolf Klüver, Vorsitzender des dbb hamburg: „Wir
sind es leid, von den öffentlichen Arbeitgebern hingehalten
zu werden, nur weil diese untereinander völlig uneins sind.
Wir warnen vor einer weiteren
Eskalation.“ Anke Schwitzer,
Vorsitzende des dbb schleswigholstein, sagte in Richtung der
Arbeitgeber: „Wertschätzung
geht anders. Die Zeit des Taktierens ist vorbei. Die Beschäftigten erwarten, dass die Arbeitgeber jetzt endlich Farbe
bekennen und ein Angebot
vorlegen.“ Dietmar Knecht,
Vorsitzender des dbb mecklenburg-vorpommern, machte
deutlich, dass für den dbb und
seine Landesbünde die Einkommensrunde 2015 erst dann
zu Ende sei, „wenn auch für die
Beamten im Kommunal- und
Landesdienst sowie die Versorgungsempfänger eine zeit- und
inhaltsgleiche Übertragung der
angestrebten Tarifeinigung erfolgt ist.“
Im Süden zog eine Demonstration vom bayerischen Neu-Ulm
ins baden-württembergische
Ulm. Siegfried Damm, stellvertretender Vorsitzender der dbb
Bundestarifkommission stellte
klar: „Kein Wollen, kein Mut,
kein Angebot! – Damit sei die
Tarifpolitik der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL)
in der Einkommensrunde 2015
umfassend beschrieben.“ Während der drei Verhandlungsrunden habe die TdL zu keinem
Zeitpunkt erkennen lassen,
dass sie an einem fairen Kompromiss interessiert sei.
Björn Hake
aktuell
26
Am 26. März 2015 kam es zu
flächendeckenden Warnstreiks.
Betroffen waren insbesondere
die Länder Hamburg, Schleswig-Holstein, MecklenburgVorpommern, Baden-Württemberg und Bayern. Zu zentralen
Kundgebungen kamen die Beschäftigten im Norden in Hamburg und im Süden in Neu-Ulm
und Ulm zusammen.
< Im Vorfeld der Großkundgebung der Gewerkschaften mit rund 27 000
Teilnehmern am 24. März 2015 in Leipzig stand dbb Verhandlungsführer
Willi Russ den Medien noch einmal Rede und Antwort.
< Zwischen der zweiten und dritten Verhandlungsrunde hatten bundesweit zahlreiche Demonstrationen und Kundgebungen für farbenfrohe
Innenstädte gesorgt, unter anderem in Bremen ...
> Polizeispiegel | dbb seiten | April 2015
Der Chef des dbb Landesbundes Baden-Württemberg
(BBW) und dbb Vize Volker
Stich ging mit der Regierung
seines Bundeslandes ebenfalls
hart ins Gericht. Sie regiere
„auf dem Rücken des öffentlichen Dienstes und holt sich
das Geld aus den Taschen der
Beschäftigten“. Die Regierung
investiere großzügig, nur für
den öffentlichen Dienst sei
kein Geld da. „Das nehmen wir
nicht länger hin“, sagte Stich
unter großem Applaus von den
etwa 1 000 Kundgebungsteilnehmern.
<
Geiz ist nicht geil
Mit einem ganztägigen Warnstreik haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt
und Thüringen am 24. März
2015 ihrem Unmut Luft gemacht. 27 000 Landesbeschäf-
Robert Michael
Direkt vor der vierten und entscheidenden Runde
im Tarifstreit am 28. und 29. März 2015 in Potsdam hatten die Beschäftigten noch einmal mit
bundesweiten Warnstreiks und Großdemonstrationen unmissverständlich klargemacht, was sie
von der Blockadehaltung der Tarifgemeinschaft
deutscher Länder (TdL) halten: absolut gar nichts!
Friedhelm Windmüller
Druck im Kessel
< ... Dresden ...
dbb
wirkliche Entgeltordnung zu
wollen. „Die TdL will nicht verstehen, dass diejenigen Lehrerinnen und Lehrer, die im Arbeitnehmerstatus sind, endlich
in der Bewertung ihrer Leistung an die verbeamteten Kolleginnen und Kollegen angepasst werden wollen. Wir
brauchen eine echte Entgeltordnung für Lehrkräfte – und
zwar jetzt und nicht am Sankt
Nimmerleinstag.“
Mehr als 4 000 Demonstranten
aus dem Saarland und aus
Rheinland-Pfalz waren am
25. März nach Saarbrücken gekommen. Willi Russ warf der
TdL vor, allein verantwortlich
dafür zu sein, „dass eine neue
Streikwelle übers Land hinweg­
fegt“. In den Staatskanzleien
vieler Länder herrsche absolute
Gleichgültigkeit gegenüber
den Anliegen der Beschäftigten, sagte Russ. Es habe in der
dritten Verhandlungsrunde in
Potsdam fast so ausgesehen,
als ob die TdL um eine vierte
Runde bettele, „weil sie vernünftige Kompromissentscheidungen nicht treffen konnte
oder wollte“. Die Mehrzahl der
Länderchefs habe offenbar die
TdL mit dem Motto „Geiz ist
geil“ ins Rennen geschickt.
Russ: „Es ist genau diese Haltung, die uns bei den Potsdamer Verhandlungen in die
Sackgasse geführt hat.“ Mit
Blick auf den Streitpunkt Lehrkräfte-Entgeltordnung warf
der dbb Verhandlungsführer
den Arbeitgebern vor, gar keine
Ewald Linn, Landesvorsitzender des dbb saar, dankte den
Beamtinnen und Beamten, die
sich der „Demonstration des
Ärgers“ angeschlossen hatten.
„Sie und die Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger erwarten von ihrer
Landesregierung als Akt der
Gleichbehandlung und Wertschätzung, dass sie nicht
schlechtergestellt werden als
die übrigen Beschäftigten“,
sagte Linn.
rief Karl-Heinz Leverkus, stellvertretender Bundesvorsit­
zender der Deutschen SteuerGewerkschaft und stellvertretender Vorsitzender der dbb
Bundestarifkommission den
Demonstranten zu. „Die Gewerkschaften haben ihre Verhandlungs- und vor allem ihre
Kompromissbereitschaft drei
zähe Runden lang unter Beweis
gestellt. Es gab keine Bewegung, kein Entgegenkommen.
Jetzt kann nur noch die TdL
verhindern, dass die Bundes­
republik still steht.“
<
<
... Düsseldorf ...
27
Friedhelm Windmüller
Ein besonderes Zeichen setzte
der dbb in Nordrhein-Westfalen. Die in Düsseldorf geplante
Demonstration zur Einkommensrunde 2015, zu der 2 000
Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen, wurde aufgrund
des tragischen Flugzeugabsturzes vom 24. März in Frankreich
in einen Schweigemarsch umgewandelt. „Eigentlich wollten
wir auf dem Burgplatz hart
und lautstark mit den Arbeitgebern der Länder ins Gericht
gehen und gewerkschaftliche
Entschlossenheit demonstrieren,“ erklärte Roland Staude,
1. Vorsitzender des DBB NRW,
vor der Veranstaltung. „Aber
angesichts der Tragödie um
Flug 4U9525 treten alle unsere
berechtigten Anliegen und Forderungen heute in den Hintergrund.“ Dies sei ein Tag tiefer
Trauer, so Staude weiter: „Un-
Bereits vor der am 17. März
2015 in Potsdam ergebnislos
vertagten dritten Verhandlungsrunde für den öffentlichen Dienst der Länder hatten
die Beschäftigten den Druck
weiter erhöht. So hatte der
dbb gemeinsam mit ver.di zu
landesweiten Warnstreiks am
12. März 2015 in NordrheinWestfalen, ­Bremen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz
mit weit über 30 000 Beschäftigten aufgerufen. In Düsseldorf demons­trierten über
20 000 Beschäftigte für die
Forderungen ihrer Gewerkschaften und forderten die Arbeitgeberseite auf, die Landesbeschäftigten in NRW nicht
schlechterzustellen als ihre
Kolleginnen und Kollegen
beim Bund und in den Kommunen. Bei der Kundgebung
vor dem Düsseldorfer Landtag
erinnerte dbb Verhandlungsführer Willi Russ NRW-Finanzminister Norbert Walter-Bor-
Lothar Drechsel
Ein flächendeckender ganztägiger Warnstreik war auch die
Antwort von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der
Länder Bremen und Niedersachsen auf die Verweigerungshaltung der TdL. 5 000
Beschäftigte, darunter auch
zahlreiche Beamtinnen und
­Beamte, verwandelten den
Opernplatz in Hannover in ein
buntes Fahnenmeer. „Wenn
die Arbeitgeber ihre Blockadehaltung nicht aufgeben, manövrieren sie Deutschland direkt
in einen unbefristeten Streik“,
Schweigemarsch
in Düsseldorf
ser aller Solidarität und Anteilnahme gilt in dieser Situation
den Opfern der Flugkatastrophe, ihren Angehörigen, Freunden und Kollegen. Auch wenn
wir am Wochenende in Potsdam wieder unsere berechtigten Einkommensforderungen
vorbringen und mit der Tarif­
gemeinschaft deutscher Länder um einen Kompromiss ringen ­werden, relativieren sich
an diesem Tag alle politischen
Auseinandersetzungen, und
der Blick richtet sich auf das
wirklich Wesentliche.“
aktuell
tigte folgten dem Aufruf von
dbb und DGB-Gewerkschaften
zur zentralen Kundgebung auf
dem Leipziger Augustusplatz.
„In den drei hinter uns liegenden Verhandlungsrunden hat
die TdL zu keinem Zeitpunkt
erkennen lassen, dass sie an einem fairen Kompromiss interessiert ist“, sagte Russ. Damit
habe die TdL „die Menschen
erst auf die Palme und dann
auf die Straße gebracht.“
<
... Kiel ...
> Polizeispiegel | dbb seiten | April 2015
Viktoria Kühne
Friedhelm Windmüller
dbb
jans an seine Rede auf der dbb
Jahrestagung in Köln, in der er
eine neue „Rede- und Streitkultur bei ­Tarifverhandlungen“
gefordert hatte. „Geredet haben wir viel in den ersten beiden Runden, aber wenn es
jetzt nicht vorwärts geht, werden wir tatsächlich eine neue
Streit- und auch Streikkultur
entwickeln müssen“, so Russ.
aktuell
28
Roland Staude, Vorsitzender
des DBB NRW, machte sich
für die Übertragung des Tarifergebnisses auf die Landesund Kommunalbeamten
stark: „Wir wollen eine echte
Wertschätzung für den öffentlichen Dienst in NordrheinWestfalen. Das gilt auch für
die Besoldungsanpassungen
hier am Regierungssitz in
­Düsseldorf!“
In Bremen demonstrierten rund
7 000 Beschäftigte auf dem
Marktplatz. „Wie die Straßenwärterinnen und Straßenwärter für sichere Straßen und
­Autobahnen, so sorgen alle
­Kolleginnen und Kollegen im
­öffentlichen Dienst dafür, dass
Deutschlands Infrastruktur
­tagtäglich funktioniert“, sagte Siegfried Damm, der auch
Bundesvorsitzender der Fach­
gewerkschaft der Straßenund Verkehrsbeschäftigten
VDStra. ist. „Damit das so
bleibt, e­ rwarten sie zu Recht
gutes Geld für ihre gute Arbeit.“
<
Bezahlung nicht
konkurrenzfähig
In Mainz beteiligten sich an
den Warnstreik-Aktionen rund
5 000 Beschäftigte. „Attraktive
Arbeitgeber bieten eine konkurrenzfähige Bezahlung. Unsere Bezahlung ist nicht kon-
<
... Mainz ...
kurrenzfähig. Der öffentliche
Dienst gerät deshalb immer
weiter in die Sackgasse“, stellte
die Vorsitzende des dbb rheinland-pfalz, Lilli Lenz, klar.
„Nachwuchsgewinnung unter
diesen Vorzeichen? Ein schlechter Witz! Motivation des Personals? Totale Fehlanzeige. Wir
alle verdienen ein reales Einkommensplus statt Gehaltsrückstand.“ Das gelte auch für
die Einkommen der Landesbeamtinnen und -beamten: „Die
Landesregierung hat das Personal mit der mehrjährigen Besoldungsdeckelung brüskiert.
Wir fordern die Landesregierung unmissverständlich auf,
das Tarifergebnis zeit- und inhaltsgleich für die Beamten zu
übernehmen.“
Auch am 11. März war es in
­vielen Städten zu Demonstra­
tionen und Kundgebungen gekommen, so etwa in Stuttgart,
Dresden, Kiel, Jena, Magdeburg,
Schwerin, Leipzig und Chemnitz. Neben einem Einkommensplus geht es in dem Konflikt mit den Arbeitgebern auch
um eine einheitliche Entgeltordnung für Lehrkräfte. ­Zudem
soll das Tarifergebnis auf die
Landes- und Kommunalbeamten übertragen werden.
„Jetzt, in Anbetracht der
­Tausenden Beschäftigten,
die heute bundesweit auf
die Straße gehen, müssen die
­Arbeitgeber begreifen, dass wir
auch Konfrontation können“,
sagte dbb Verhandlungsführer
Willi Russ in Stuttgart vor 2 500
Demonstranten. Auch drei der
Stell­vertreter von Willi Russ als
Vor­sitzen­dem der dbb Bundes­
tarif­kommission bekräftigten
die Forderungen. „Gute Arbeit
verdient gerechte Entlohnung,
> Polizeispiegel | dbb seiten | April 2015
die mit der allgemeinen Entwicklung der Einkommen
Schritt halten kann“, sagte
Karl-Heinz Leverkus in Magdeburg (10 000 Demonstranten).
Siegfried Damm machte in Kiel
(3 500 Demonstranten) deutlich: „Die Länderhaushalte dürfen nicht auf Kosten der Beschäftigten saniert werden.
Wer bei der Landesverwaltung
spart, also beispielsweise beim
Personal der Schulen und der
Polizei, der spart das Land kaputt.“ In Dresden (6 000 Demonstranten), wo sich besonders viele Lehrkräfte an den
Protestaktionen beteiligten,
verwies Jens Weichelt, Vorsitzender des Sächsischen Lehrerverbandes (slv), auf die Bedeutung der Entgeltordnung für
Lehrkräfte: „Mit einer solchen
Entgeltordnung wäre die willkürliche und unterschiedliche
Bezahlung der Lehrerinnen und
Lehrer in den Ländern endlich
vom Tisch.“ Die Empörung an
den Schulen des Landes sei
groß. „Wie andere Landes­
beschäftigte empfinden auch
die Lehrerinnen und Lehrer
die Sturheit der ­Arbeitgeber
bei den Tarifverhandlungen
in Potsdam als Missachtung
ihrer Arbeit.“
Kritisiert wurden die Arbeit­
geber auch für ihre Forderung
nach Einschnitten in der betrieblichen Zusatzversorgung.
Das sei nicht hinnehmbar, sagte der stellvertretende Vorsitzende des dbb mecklenburgvorpommern, Michael Blanck,
in Schwerin (8 000 Demons­
tranten). „Es ist auch beschämend, dass im 25. Jahr der
deutschen Einheit die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes immer noch in Tarifgebiet
Ost und West eingeteilt werden“, so Blanck.
<
Beamtenbesoldung:
Länder in der Pflicht
Anke Schwitzer, die Vorsitzende des dbb schleswig-holstein,
erklärte in Kiel: „Die Besoldung
verkommt in Deutschland immer mehr zum Flickenteppich:
Jedes Bundesland kocht sein
eigenes Süppchen, vom Bund
ganz zu schweigen.“
Der Vorsitzende des Sächsischen Beamtenbundes SBB,
Jan Brenner
<
... Magdeburg ...
<
... und Stuttgart.
Volker Stich, der Chef des dbb
Landesbundes BBW, warnte
die baden-württembergische
Landesregierung davor, die geforderte Übertragung wie in
den vergangenen Jahren um
bis zu zwölf Monate zu verzögern: „Dann wäre die Grenze
der Verfassungsmäßigkeit erreicht, wenn nicht gar überschritten.“
In Jena kritisierte der Vorsitzende des tbb beamtenbund
und tarifunion thüringen,
­ elmut Liebermann, die LanH
desregierung des Freistaats
Thüringen: „Wenn uns die Finanzministerin sagt, dass die
bei Erfüllung aller unserer Forderungen notwendigen 160
Millionen Euro nicht zu stemmen seien, können wir nur mit
Unverständnis reagieren. Mit
welchem Recht die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes
überproportional zur Haushaltskonsolidierung beitragen
Weitere Kundgebungen hatten
vom 3. bis 10. März in München, Magdeburg, Saarbrücken
und Hamburg statt­gefunden.
Nach dem ergeb­nislosen Ab­
bruch der dritten Verhandlungsrunde hatte dbb Verhandlungsführer Willi Russ den
­Verhandlungsstil der Arbeit­
geber als „hilflos“ k­ ritisiert.
genannten Spezialmerkmale.
„Die Bezahlung muss sich verbessern, deshalb wollen wir
eine höhere Eingruppierung
durchsetzen“, erklärte Hemsing.
Auch die sogenannten Tätigkeitsmerkmale sollen überarbeitet werden, die die Anforderungen für eine Eingruppierung
in eine bestimmte Entgeltgruppe darstellen. In Münster hat-
ten bereits im Vorfeld der Verhandlungen Beschäftigte für
bessere Beschäftigungsbedingungen demonstriert. „Weitere
Aktionen sind nicht ausgeschlossen. „Wir werden aber
weiterhin verantwortungsvoll
agieren und die Betroffenen
rechtzeitig über Aktionen in
den jeweiligen Einrichtungen
informieren“, sagte Hemsing.
sollen, konnte uns noch niemand erklären.“
29
Sozial- und Erziehungsdienst:
Am 23. März 2015 ist in Münster bei der zweiten
Runde der Tarifverhandlungen im Sozial- und Erziehungsdienst das weitere Vorgehen vereinbart
worden. „Es ist ein Fortschritt, dass wir einen
­klaren Fahrplan haben“, sagte dbb Verhandlungsführer Andreas Hemsing.
Nachdem am 23. März die Eingruppierung der „Leitung“ und
„stellvertretenden Leitung“ diskutiert wurde, soll es am 9. April in Düsseldorf um „Erzieher“
und „Kinderpfleger“ gehen.
Am 16. April in Hannover steht
dann die Eingruppierung der
„Fachkräfte Arbeits- und Berufsförderung“ auf der Agenda.
Am 20. und 21. April in Frankfurt geht es dann um die so­
Friedhelm Windmüller
Verhandlungsfahrplan
festgelegt
> Polizeispiegel | dbb seiten | April 2015
aktuell
Gerhard Pöschmann, verwies
in Dresden darauf, dass sich
viele Beamtinnen und Beamte
in ­ihrer Freizeit an den Protestaktionen beteiligten und so
ihre Unterstützung zum Ausdruck brachten: „Wir haben nie
einen Zweifel daran gelassen,
dass wir alle gemeinsam hinter
diesen Forderungen stehen.“
dbb
Tarifeinheitsgesetz:
Verfassungsbruch verhindern!
Am 5. März 2015 hat der Bundestag das umstrittene Gesetz zur ZwangsTarifeinheit in erster Lesung behandelt. Das Bündnis für Koalitionsfreiheit,
dem der dbb, der Marburger Bund, der Deutsche Journalistenverband und
die Pilotenvereinigung Cockpit angehören, hatte am 3. März 2015 in Berlin
erneut auf die Verfassungswidrigkeit des Gesetzentwurfs hingewiesen und
gefordert, das Vorhaben zu stoppen.
fokus
30
Auch in einem Interview mit der
„Nordwest-Zeitung“ (Ausgabe
vom 3. März 2015) machte
Dauderstädt klar, dass der dbb
einen gesetzlichen Zwang zur
Tarifeinheit nicht akzeptieren
werde: „Das Gesetz ist ein Eingriff in die Koalitionsfreiheit.
Wenn im Streitfall nur der Tarifvertrag der mitgliederstärksten
Organisation zur Anwendung
kommen darf, sind wir auf dem
Weg zur Einheitsgewerkschaft.
Das hatten wir während des
Nationalsozialismus und in der
DDR schon mal. Die Väter unseres Grundgesetzes haben bewusst einen ganz hohen Rang
für Artikel 9 vorgegeben. Wenn
der Bundestag dieses Gesetz
wirklich verabschiedet, werden
wir einen Tag nach Inkrafttreten
Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht einlegen.“
Marco Urban
<
< Gemeinsam gegen die Tarifeinheit: Dr. Rudolf Henke (1. Vorsitzender Marburger Bund), Klaus Dauderstädt
(dbb Bundesvorsitzender), Ilja Schulz (Präsident Pilotenvereinigung Cockpit) und Kajo Döhring (Hauptgeschäftsführer Deutscher Journalisten-Verband, von links).
„Letztendlich ist der Bundestag Gesetzgeber und Hüter
der Verfassung“, erklärte der
dbb Bundesvorsitzende Klaus
Dauderstädt zwei Tage vor der
ersten Lesung zum ZwangsTarifeinheitsgesetz im Parlament, vor der Bundespressekonferenz in Berlin. „Die von
der Koalition geplante gesetzliche Einschränkung der Koalitionsfreiheit ist nach Ansicht
der übergroßen Mehrheit der
Verfassungsexperten ein eindeutiger Verstoß gegen die
in Artikel 9 des Grundgesetzes geschützte Koalitionsfreiheit.“
Der dbb Chef erinnerte die Abgeordneten von SPD und CDU/
CSU daran, dass die Grundgesetztreue wichtiger sei als die
Koalitionsdisziplin: „Das mag
pathetisch klingen, ist aber
sehr ernst gemeint. Die Bundesregierung entzieht den kleineren Gewerkschaften die
Existenzgrundlage, wenn sie
ihnen die Möglichkeit nimmt,
für die eigenen Mitglieder Tarifverträge abzuschließen.“
Am selben Tag stellte das
Bündnis für Koalitionsfreiheit
der Öffentlichkeit eine gemeinsame Resolution „Nein zum
Grundrechtsbruch! Nein zum
Tarifeinheitsgesetz!“ vor. Darin
heißt es unter anderem: „Wir
lehnen es ab, dass gewerkschaftliche Freiheitsrechte aller
Arbeitnehmer in diesem Land
per Gesetz eingeschränkt werden sollen. Die Bundesregierung darf entsprechende War-
> Polizeispiegel | dbb seiten | April 2015
nungen von renommierten
juristischen Sachverständigen,
Wirtschaftswissenschaftlern,
Politikern und Gewerkschaftern nicht länger ignorieren.“
Und weiter: „Wer die Axt an
die Koalitionsfreiheit legt,
muss sich fragen lassen, welche freiheitlichen Grundrechte
er als nächste einschränken
will.“ Niemand dürfe durch den
Eingriff der Politik dem Tarifdiktat einer fremden Gewerkschaft unterworfen werden.
„Wir fordern daher die Abgeordneten des Deutschen Bundestages auf, keinen Grundrechtsbruch zuzulassen und
den Regierungsentwurf des
Tarifeinheitsgesetzes zurückzuweisen“, so die in dem Bündnis zusammengeschlossenen
Verbände.
Bundespräsident soll
Entwurf kritisch prüfen
In einem Schreiben an Bundespräsident Joachim Gauck hat
der dbb Chef noch einmal
nachdrücklich auf die Verfassungswidrigkeit des Gesetzesvorhabens hingewiesen. „Mit
vielen anderen Gewerkschaften, Richtern und Professoren
sind wir zuversichtlich, dass
der vorliegende Gesetzentwurf
vor dem Bundesverfassungsgericht nicht bestehen wird“,
heißt es in Dauderstädts Brief
vom 10. März 2015. Diese
„höchstrichterliche Korrektur“
der Gesetzgebung sollte man
allerdings von vornherein vermeiden: „Gesellschaftspolitisch, aber auch in der konkreten gewerkschaftlichen Arbeit
entsteht durch ein Gesetz, dessen rechtliche Fundierung derart fragwürdig ist, schon bis zu
einer Karlsruher Entscheidung
großer Schaden.“
Eine gesetzlich vorgeschriebene Tarifeinheit widerspreche
der Realität in Deutschland.
Jan Brenner
Jan Brenner
dbb
< Bezogen vor der SPD-Parteizentrale Stellung gegen die Tarifeinheit:
Bastian Roet (Cockpit), dbb Vize Claus Weselsky, DPolG-Chef Rainer
Wendt, der Zweite dbb Vorsitzende Willi Russ und Maik Wagner, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Sozialversicherung (GdS, von links).
< Vor der CDU-Zentrale in Berlin brachten der Marburger-Bund-Vorsitzende Dr. Rudolf Henke (links) und dbb Chef Klaus Dauderstädt unter anderem Bundestagspräsident Norbert Lammert (rechts) die Bedenken der
Gewerkschaften gegen das Tarifeinheitsgesetz nahe.
Dauderstädt: „Der dbb praktiziert an vielen Tariftischen eine
gut funktionierende Tarifeinheit mit DGB-Gewerkschaften.
Solche Tarifeinheit stellt jedoch
eine politische Herausforderung dar, folgt nicht einer legislativen Verpflichtung. Jeder
Gewerkschaft muss das Recht
erhalten bleiben, Tarifverhandlungen auch eigenständig zu
führen.“ Neben der drohenden
Einschränkung der Koalitionsfreiheit befürchtet der dbb
auch strukturelle Fehlentwicklungen. „Mit Sorge sehen wir
am Ende einer derartigen staatlichen Bevormundung einen
Trend zu Monopolisierung und
chen am 2. März 2015 in Berlin.
Von acht Uhr morgens bis zum
Nachmittag des 5. März hatten
Mitglieder des dbb und der anderen betroffenen Gewerkschaften durchgehend vor den
Hauptquartieren gewacht und
gegenüber Passanten, Parteimitarbeitern und -vorständen
gegen die geplante gesetzliche
Einschränkung der Koalitionsfreiheit argumentiert.
<
Mahnwachen vor
den Parteizentralen
Begleitet hatte der dbb seinen
Protest gegen das Gesetz mit
Mahnwachen vor den Parteizentralen von CDU und SPD
in Berlin. „Wir müssen den Spitzen von CDU/CSU und SPD auf
den Pelz rücken“, sagte Dauderstädt zu Beginn der Mahnwa-
Klaus Dauderstädt erklärte vor
der CDU-Zentrale: „In dieser
Woche findet die erste Lesung
im Bundestag statt und die Koalitionäre sollen wissen, dass
der Widerstand gegen diesen
offensichtlichen Grundgesetzverstoß weiter wächst.“
Vor dem Willy-Brandt-Haus
erwarteten der Zweite Vorsitzende des dbb, Willi Russ, und
der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) und dbb
Vize, Claus Weselsky, die Mitglieder des SPD-Vorstandes.
Russ: „Jede Kollegin und jeder
Kollege hat das Recht darüber
zu entscheiden, ob und wo sie
oder er sich organisiert. Wenn
die Bundesregierung die Tarifpartnerschaft und damit das
Streikrecht für kleinere Gewerkschaften gesetzlich ausschließt, sind diese in ihrer
Existenz bedroht.“ Weselsky
ergänzte: „Warum soll man
denn auch Mitglied einer Gewerkschaft werden, die man
der Möglichkeiten zu wirksamer Interessenvertretung beraubt hat? Zwangstarifeinheit
und Koalitionsfreiheit schließen sich aus.“
Jan Brenner
< dbb Web-Tipp:
< Bannerwagen des dbb patroullierten während der Mahnwachen im Regierungsviertel und vor dem Brandenburger Tor.
Der dbb hat alle Informationen zur geplanten ZwangsTarifeinheit auf einer Sonderseite seines Internetauftritts
gebündelt: www.dbb.de/
tarifeinheit dort finden Sie
unter anderem Videomitschnitte von der Pressekonferenz sowie den Mahnwachen.
> Polizeispiegel | dbb seiten | April 2015
31
fokus
Einheitsgewerkschaft.“ Klaus
Dauderstädt bat den Bundespräsidenten nachdrücklich um
eine „besonders kritische Prüfung des Gesetzentwurfs“, der
im Mai vom Bundestag verabschiedet werden soll.
dbb
Stromnetzausbau:
Die Energiewende zählt zu den wichtigsten Langfristprojekten der Bundesrepublik.
Der Weg von Atomstrom und fossilen Energien hin zu sauberen, erneuerbaren
Energieträgern erfordert nicht nur erhebliche Investitionen in die Infrastruktur.
Er birgt auch Risiken unter anderem für den Naturschutz und erfordert ein hohes
Maß an europäischer Harmonisierung.
Dass die Nutzung erneuerbarer
Energien negative Auswirkungen auf die Natur haben soll,
klingt zunächst paradox. Dennoch kann der Ausbau zum
Beispiel der Wind- und Solarkraft dazu führen, dass bislang
unberührte Landschaften
nachhaltig verändert werden,
denn Solarfarmen und Windparks müssen irgendwo installiert werden. So befürchtet
zum Beispiel Knut Wiek vom
SPD-Ortsverein Kühlungsborn
in Mecklenburg-Vorpommern,
dass im Rahmen des aktuellen
Landesraumentwicklungsprogramms für die Region ein gewaltiger Windpark direkt vor
der Nase der Küstenbewohner
entsteht‚ in einem Landstrich,
der nicht nur touristisch wertvoll ist, sondern auch, was seine Flora und Fauna betrifft.
Wie das aussehen könnte, hat
der rührige Politiker in einer
Computersimulation veran-
schaulicht: Der ungetrübte
Blick auf den Sonnenuntergang über der Ostsee wäre ein
für allemal mit von bis zu 150
Meter hohen Windrädern verstellt. Wiek hat die Landesregierung aufgefordert, bei der
Fortschreibung des Landesraumentwicklungsprogramms
die Bedenken der Bürger und
der Tourismusbranche zu berücksichtigen. „Die Festlegung
von Eignungsgebieten für
Windenergieanlagen findet
ihre Grenzen dort, wo die Lebensqualität der Menschen
und die Belange des Naturund Landschaftsschutzes
erheblich beeinträchtigt werden“, argumentiert Wiek. Darüber hinaus müsse in Mecklenburg-Vorpommern auch den
Belangen der Tourismuswirtschaft Rechnung getragen werden. Um eine der Bedeutung
dieses Wirtschaftszweiges entsprechende Nutzung sicherzu-
> Polizeispiegel | dbb seiten | April 2015
stellen sei es notwendig, das
Küstenmeer in dem an die
Strände und Küstensäume angrenzenden Bereich von allen
Nutzungen und Maßnahmen
freizuhalten, die den Tourismus
beeinträchtigen könnten. „Dies
gilt insbesondere für den Erhalt
des Erlebnisses eines unverbauten Landschaftsbildes, sowohl
vom Land auf die See als auch
umgekehrt.“
<
Gesundheit in Gefahr?
Obwohl Windkraft mit der
Nutzung natürlicher Ressourcen als äußerst umweltfreundlich gilt, regt sich insbesondere
dort Widerstand, wo Windparks direkt in der Nähe besiedelter Gebiete entstehen sollen, und das nicht nur wegen
der verbauten Aussicht. Auch
gesundheitliche Bedenken
mehren sich, denn Windkraftanlagen erzeugen mit ihren
großen Rotoren nicht hörbaren
Infraschall – Töne in sehr tiefen
Frequenzbereichen – der möglicherweise gesundheitsschädlich ist. Dänemark, wo bereits
40 Prozent der benötigten
Energie aus Windkraft kommt,
hat daher eine Studie in Auftrag gegeben, die in zwei Jahren Klarheit bringen soll.
„Es gibt eine eindeutige Verbindung zwischen Lärm und verschiedenen Krankheiten, wie
beispielsweise Bluthochdruck
und Diabetes. Die interessante
Frage ist, ob es diese Verbindung auch bei der Art von
Lärm gibt, den die Windräder
machen“, sagte Aslak Harbo
Poulsen vom dänischen Krebsforschungsinstitut Kräftens
Bekämpelse der „Tagesschau“
im März 2015. Anwohner von
Windkraftanlagen klagten vermehrt über Schlafstörungen
und Schlaflosigkeit, Kopf-
© fotokalle - Fotolia.com
fokus
32
Belastungsprobe
für Mensch und Material
dbb
<
Investitionen fördern
Das weiß auch die Bundesregierung und will an den
Stellschrauben drehen. Am
16. März 2015 hat das Bundeswirtschaftsministerium Eckpunkte für einen „Modernen
einen Zeitraum von fünf Jahren für den Betrieb und die Erweiterung ihrer Energienetze
über die Netzentgelte von den
Netznutzern vereinnahmen
dürfen. Den Netzbetreibern
werden zudem Vorgaben zur
Effizienzsteigerung gemacht,
die sich aus einem Effizienzvergleich der Netzbetreiber untereinander ergeben. Innerhalb
< Der Ausbau des europäischen Stromnetzes verlangt kluge politische
Weichenstellungen und die Kooperation zahlreicher Netzbetreiber.
Regulierungsrahmen für
moderne Verteilernetze“
vorgelegt. Kernstück dieser
Modernisierungsoffensive ist
die Novelle der Anreizregulierungsverordnung. Der Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie,
Rainer Baake, sagte in Berlin:
„Die Verteilernetze besitzen
für das Gelingen der Energiewende eine zentrale Funktion.
Bereits heute werden 80 Prozent der Stromerzeugung aus
erneuerbaren Energien in die
Verteilernetze eingespeist. Hieraus ergibt sich ein erheblicher
Investitionsbedarf und Voraussetzung dafür, dass Investitionen getätigt werden, ist ein
moderner Investitionsrahmen.“
Daher würde eine schnelle Refinanzierung von Investitionen
auch für Verteilernetze gebraucht.
Die wesentlichen Rahmenbedingungen für die Strom- und
Gasnetzbetreiber werden mittels der sogenannten Anreizregulierungsverordnung gesetzt.
Sie legt für die regulierten
Netzbetreiber fest, wie viel
Geld die Netzbetreiber über
der Erlösobergrenze können
die Netzbetreiber unternehmerisch frei entscheiden, wie
sie diese Effizienzvorgaben erfüllen. Übertreffen sie die Effizienzvorgaben, dürfen sie die
zusätzlichen Einnahmen für die
Dauer der Regulierungsperiode
behalten.
<
Rahmenbedingungen
verbessern
Zwar betreffen diese Regelungen den Energiebinnenmarkt.
Kritiker befürchten jedoch, dass
die Eckpunkte den Netzausbau
eher behindern als fördern,
auch mit Blick auf die europäische Harmonisierung der Netzinfrastrukturen, die unter dem
Stichwort Energieunion weiter
getrieben werden soll. Dazu haben sich die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedsstaaten im März 2015 in Brüssel
getroffen und den Willen zur
Energieunion grundsätzlich bekräftigt. Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) hat
positiv bewertet, dass die EUStaaten sich auch noch einmal
offiziell zum europäischen Erneuerbaren-Energien-Ziel bis
2030 bekannt haben. Bis 2030
sollen 27 Prozent der in der EU
benötigten Energie aus erneuerbaren Quellen stammen. „Wir
hätten uns ein ErneuerbarenZiel gewünscht, das wie bisher
Verbindlichkeiten für jeden EUMitgliedstaat mit sich bringt.
Da dies aktuell nicht möglich
ist, ist es umso wichtiger, einen
Monitoringprozess zu implementieren, der die Erreichung
des 2030-Ziels effektiv nachhält“, sagt Hans-Joachim Reck,
Hauptgeschäftsführer der VKU.
Zu den fünf Säulen des EUKommissionspapiers zur
Energieunion zählen die
Versorgungssicherheit, die
Vervollständigung des Energiebinnenmarktes, die Energieeffizienz, der Übergang zu
einer dauerhaft CO2-armen
Gesellschaft sowie Fortschritte bei Forschung und Innovation. Reck: „Neben diesen fünf
Säulen dürfen wir aber auch
die Bürger nicht aus den Augen
verlieren. Ohne eine Akzeptanz
bei den Bürgern und Verbrauchern ist ein Infrastrukturausbau und eine tatsächliche
Hinwendung zu einer erneuerbaren und CO2-armen Gesellschaft nicht möglich.“
Gerade am Infrastrukturausbau werde sich der Erfolg der
Energieunion messen lassen
müssen, so Reck. Aus VKUSicht gelte das für den Ausbau
von Interkonnentoren – also
länderübergreifender Netze
– sowie die Energieinfrastrukur
auch auf Verteilernetzebene,
die aktuell noch nicht für die
Aufnahme der zunehmenden
Mengen an erneuerbaren Energien geeignet sei. Auch im Verteilnetzbereich müssten Investitionen von erheblichem
Ausmaß mobilisiert werden.
„Hier richtet sich unser Appell
aber mehr an die nationale als
an die europäische Politik, Rahmenbedingungen zu schaffen,
die den notwendigen Ausbau
der Netze ermöglichen und
nicht wie durch die jüngst vorgelegten Eckpunkte zur Anreizregulierung gefährden.“
br
> Polizeispiegel | dbb seiten | April 2015
33
fokus
Mit Naturschutzbedenken
nicht genug. Die Energiewende
hat auch Konsequenzen für die
Stromnetze und deren Ausbau,
denn eine komplexe Stromerzeugung erfordert komplexe
und vor allem intelligente Netze. Waren es früher vorwiegend große Kraftwerke, die
Strom in relativ gleichförmigen
Mengen produzierten, müssen
die Netze, die zudem europäisch verknüpft sind, heute den
Strom von zahlreichen großen
und kleinen Wind-, Solar- und
sonstigen Erzeugungsanlagen
wie Biogas oder Wasserkraft
aufnehmen und weiterleiten.
Je nach Wetterlage kann die
erzeugte Energiemenge stark
schwanken. Das stellt die Netze vor Herausforderungen, wie
die partielle Sonnenfinsternis
am 20. März 2015 gezeigt hat.
Zwar ist nichts passiert. Weil
aber die Verdunklung der Sonne zum plötzlichen Wegfall einer großen Energiemenge aus
Solaranlagen hätte führen können, standen die Ingenieure
bei allen Stromnetzbetreibern
„Gewehr bei Fuß“, um im
Ernstfall einen flächendeckenden Stromausfall aufgrund von
Verteilungsspitzen zu verhindern. Darüber hinaus sollen vor
allem Windkraftanlagen aufgrund der Windverhältnisse
verstärkt in Norddeutschland
betrieben werden. Ihr Strom
muss aber auch in den Süden
der Republik fließen. Kurz: Die
Netze müssen für neue Arten
der Energiegewinnung technisch fit gemacht werden.
© PixMedia - Fotolia.com
schmerzen, Konzentrationsund Gedächtnisstörungen und
in einigen Fällen Tinnitus und
Angstgefühle. Wissenschaftliche Belege für einen Zusammenhang zwischen den Symptomen und den Windkraftanlagen gebe es bislang jedoch
noch nicht. Sollte die Studie
entsprechende Befürchtungen
bestätigen, würde das vielerorts das Aus für Windparks an
Land bedeuten, wenn weiträumige Abstände zu Wohngebieten eingehalten werden müssen. Offshoreparks im offenen
Meer wären dann zwingend erforderlich. Was wohl Robbe und
Makrele dazu sagen?
dbb
Engagierte Personalvertreter weltweit:
Rechtssicherheit
und Fachkompetenz
<
Personalräte im Ausland
Dass auch in den deutschen
Dienststellen im Ausland nach
den Maßgaben des Bundespersonalvertretungsrechts Personalvertretungen zu wählen
sind, ist eine Tatsache. Hoch
motivierte und engagierte
Personalvertreter setzen sich
hier für die Belange der Kolleginnen und Kollegen sowie
der Dienststelle ein.
Obwohl Gesetzestexte sowie
dazugehörige Kommentare vorhanden sind und sich auch interessante hilfreiche Hinweise im
Gesetz finden – selbsterklärend
ist dies oft nicht: Die Personalräte erwarten dort, wo der
beziehungsweise zur Diskussion besteht. Um überhaupt mit
der Dienststelle als gleichberechtigter und sachkundiger
Partner verhandeln zu können,
müssen daher die Mitglieder
des Personalrats über einen
Grundbestand personalvertretungsrechtlich relevanten Wissens verfügen. Hier unterstützt
die dbb akademie – egal, ob in
Deutschland oder weltweit.
<
Nach der Wahl ist
vor der Wahl
Zurück nach Deutschland:
In insgesamt sieben Bundesländern finden 2016 Personalratswahlen statt. Hinzu
kommen die Wahlen für den
Geltungsbereich des Bundes-
reagieren – er muss vor allem
auch agieren, die Zukunft mitgestalten. Diesem Anspruch
stellen sich das Team der
dbb akademie und der Fachdozenten.
Im Verlauf einer Amtszeit
ergeben sich unterschiedliche
Seminarschwerpunkte, bei
denen die dbb akademie mit
Beratung und Schulung hilft,
die jeweiligen verantwortungsvollen Aufgaben rechtssicher
und zielgerichtet er füllen zu
können. So auch im letzten Jahr
vor der Wahl: Es gilt, in der Personalversammlung Rechenschaft abzulegen, über das Erreichte zu berichten. Auch den
bestellten Wahlvorstandsmitgliedern bieten wir in speziellen
Schulungen Unterstützung an.
<
Personalvertretungsrecht dbb akademie (2)
fokus
34
Wussten Sie aber eigentlich
auch, dass die dbb akademie im
Ausland vor Ort Grundschulungen für Personalräte und Seminare zu speziellen Inhalten
durchführt? Ob beispielsweise
in Reston, Virginia, in den dortigen Dienststellen aus dem
wahrnehmen zu können. Neben den Problemstellungen,
die auch für deutsche Personalvertreter relevant sind,
ergeben sich häufig weitere
Fragestellungen: Was können
Personalräte für die Ortskräfte
tun, worauf ist zu achten? Welches Arbeitsschutzrecht ist in
der betreffenden Dienststelle
anzuwenden, und wie kann
der Personalrat seinen gesetzlichen Auftrag im Rahmen des
Arbeitsschutzes erfüllen?
< Aurelia Antica Rom
< Dozententeam der dbb akademie
Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung
oder in Rom im Deutschen Historischen Institut aus dem Geschäftsbereich der Max Weber
Stiftung – die Kolleginnen und
Kollegen können sich der professionellen Unterstützung der
dbb akademie sicher sein. Die
dbb akademie unterstützt die
Mitglieder der Personalräte dabei, ihre Aufgaben rechtssicher
und mit hoher Fachkompetenz
Kommentar nicht weiterhilft,
Antworten. Der Ansatz der dbb
akademie ist hier, die Kolleginnen und Kollegen fachkompetent zu unterstützen und eine
Hilfestellung zur rechtssicheren
Entscheidung zu geben. Hinzu
kommt der Umstand, dass in
zahlreichen Auslands-DienststelIen nur „Ein-Personen-Personalräte“ existieren, so dass
keine Möglichkeit zur Meinungsbildung im Gremium
> Polizeispiegel | dbb seiten | April 2015
personalvertretungsgesetzes,
erstmals gemeinsam mit den
JobCentern. Zusätzlich stehen
wieder die Wahlen zu den
Jugend- und Auszubildendenvertretungen an.
Die Zeiten, in denen die Erledigung personalvertretungsrechtlicher Aufgaben ein reines
Abhaken von Beteiligungsrechten war, sind längst vorbei. Ein
Personalrat muss nicht nur
Grund- und
Spezialschulungen
Nach den Wahlen gilt es,
erfahrene wiedergewählte
Personalratsmitglieder mit
neugewählten Kolleginnen
und Kollegen zusammen auf
einen gemeinsamen Wissensstand zu bringen. Praxiswissen
für die tägliche Arbeit – darum
geht es in den Grundlagenschulungen. Gleichzeitig geht
es aber auch um die Vermittlung von Spezialwissen, damit
alle gewählten Personalvertreter ihre Aufgaben mit hoher
Fachkompetenz und effektiv
wahrnehmen können.
Unsere Veranstaltungen
zum Personalvertretungsrecht bieten wir im Jahresprogramm und als InhouseSchulungen an.
Ihr Ansprechpartner ist:
Helmuth Wolf,
Tel.: 030.408165-30,
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dbb
Versorgungslücke trotz Pflegestärkungsgesetz:
Private Vorsorge bietet Schutz
stehende Lücke ist beachtlich:
Mehr als 1 600 Euro fehlen Monat für Monat. Auch bei häuslicher Pflege tun sich nicht unerhebliche Finanzlücken auf.
Im Ernstfall müssen die Kinder
für ihre pflegebedürftigen
Eltern aufkommen.
Bislang hatten Menschen mit
einer erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz (Demenz) nur einen begrenzten
Leistungsanspruch, wenn ihr
Pflegebedarf unterhalb der
Pflegestufe I lag (sogenannte
Pflegestufe 0). Dieser Anspruch
ist nun etwas größer geworden, wie in allen Pflegestufen
aber nicht ausreichend. Eine
Versorgungslücke bleibt für
viele somit dennoch bestehen.
Das dbb vorsorgewerk schafft
mit einer flexiblen Pflegezusatzversicherung hier Abhilfe
– und bietet über seinen langjährigen Kooperationspartner
Deutsche Beamtenversicherung Krankenversicherung
(DBV) nun auch umfangreichere Leistungen bei Pflegestufe 0.
Auch Beamte und Beschäftigte
im öffentlichen Dienst sollten
sich nicht in Sicherheit wiegen.
Zwar sind sie durch Beihilfe
und private Pflegepflichtversicherung für den Pflegefall abgesichert, dennoch reichen diese Leistungen zur Deckung der
Kosten in der Regel nicht aus.
Dies gilt insbesondere für den
großen Bereich der ambulanten Pflege; immerhin werden
70 Prozent der Pflegebedürftigen zu Hause versorgt.
<
Gesetzliche Pflege allein
deckt Kosten nicht
Damit also alles gut? Weit gefehlt. Ein Rechenbeispiel zeigt,
wie notwendig zusätzliche
Pflegevorsorge ist: Wird ein
Betroffener mit der Pflegestufe
III in Deutschland stationär
gepflegt, so fallen laut Statistischem Bundesamt durchschnittlich rund 3 250 Euro
monatliche Kosten an. Hochwertige Pflege kann auch
schnell 4 000 Euro und mehr
kosten. Tendenz steigend. Als
gesetzliche Leistung erhält er
lediglich 1 612 Euro. Die ent-
Trotz erhöhter Leistungen
bleibt es dabei: Die Pflegeleistungen bieten auch nach Änderungen durch das Pflegestärkungsgesetz nicht mehr als eine
Grundversorgung. Das Bundesministerium für Gesundheit beschreibt sie selbst als Teilkaskoversicherung – und empfiehlt
den Abschluss einer privaten
Pflegevorsorge. Das dbb vorsorgewerk bietet Einzelmitgliedern der Landesbünde und Mitgliedsgewerkschaften des dbb
und ihren Angehörigen mit der
„Pflegevorsorge Flex“ der DBV
eine flexible und einfache
Lösung: Einzelne Pflegestufen
können individuell abgesichert
werden, und wer frühzeitig zusätzlich vorsorgt, kann erst mit
einem kleinen Beitrag beginnen
und den Versicherungsschutz
später ausbauen. Außerdem
kann die Police mit dem PflegeBahr kombiniert werden. Der
Vorteil: Die Wartezeit beim
Pflege-Bahr entfällt und der
Kunde sichert sich die staatliche Förderung.
<
Demenzleistungen
im Fokus
Zugleich bietet die Pflegevorsorge umfangreiche Leistungen: So erhalten Pflegebedürftige jeden Monat ein
Pflegegeld, das sie bereits ab
Stufe 0 flexibel einsetzen können – für zusätzliche Betreuungsbesuche am Tag durch
einen professionellen Pflegedienst, für selbst organisierte
Pflegebetreuung oder für ein
Pflegeheim mit höherer Qualität. Zudem sind Kunden bereits ab Pflegestufe I von der
Beitragszahlung befreit.
Zum Januar wurde die Pflegevorsorge um den „Demenzbaustein“ Flex 0 ergänzt. Damit
wurde ein Thema aufgegriffen,
das durch das Pflegestärkungsgesetz in den Fokus gerückt ist.
Auch prominente Betroffene
wie der Schauspieler Karlheinz
Böhm oder der Fußballmanager Rudi Assauer haben dazu
beigetragen, dass Demenz in
der Öffentlichkeit zum Thema
geworden ist. Sie stehen stellvertretend für zahlreiche Be-
troffene: Bereits heute sind in
Deutschland circa 1,4 Millionen Menschen an Demenz
erkrankt, bis zum Jahre 2050
könnte sich die Zahl verdoppeln. Denn klar ist: Eine Versorgungslücke im Pflegefall bleibt
trotz Gesetz – aber sie kann
geschlossen werden.
dbb Mitglieder und ihre Angehörigen profitieren mit dem
Tarif „Flex“ über das dbb vorsorgewerk von einem guten
Preis-Leistungs-Verhältnis sowie zusätzlich von attraktiven
Kollektivvertragskonditionen.
sz
< Info
Welche Möglichkeiten für
Sie bestehen, rechnen Ihnen
die Pflegeexperten des dbb
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Diese sind montags bis freitags von 8 bis 18 Uhr unter
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Gerne wird Ihnen auch ein
Vorsorgeberater vor Ort vermittelt. Der Tarif „Flex“ ist
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staatlicher Förderung.
> Polizeispiegel | dbb seiten | April 2015
35
fokus
Die Politik hat die Zeichen der
Zeit erkannt: Durch das Pflegestärkungsgesetz hat sie zu Beginn des Jahres die meisten
Leistungen der Pflegeversicherung um vier Prozent angehoben und den Leistungsanspruch bei Demenz erweitert.
© Kzenon – Fotolia.com
Zum Pflegefall kann jeder werden. Derzeit sind
in Deutschland mehr als 2,5 Millionen Pflegefälle
registriert; für das Jahr 2050 rechnet das Bundesministerium für Gesundheit mit über 4,7 Millionen.
dbb
Tarifrunde Hessen:
Nachwuchs ist keine
Verschiebemasse
schen brauchen Sicherheit und
Perspektiven, und des­wegen
vor allem eine unbefristete
Übernahme!“, rief Walter in
Richtung Landesregierung. „Ein
Arbeitgeber, der mit der Zeit
gehen will und sich selbst so
auf die Schultern klopft wie das
Land Hessen, muss auch zeitgemäße Konzepte für junge Beschäftigte anbieten“, so Walter.
Der dbbj Hessen Chef zitierte
die Klage des hessischen Innenministers Beuth über die Gewerkschaftsforderungen. Beuth
hatte gesagt, die Summen, um
die es gehe, seien keine Trinkgelder. „Wir wollen auch keine
Trinkgelder“, hielt Walter dagegen, „denn gute Beschäftigte,
die hervorragende Arbeit leisten, verdienen eine angemesse-
<
Martin Walter, Vorsitzender der dbb jugend hessen
ne Bezahlung. Wir haben es
satt, immer als Kostenfaktor
oder Negativseite der Bilanz
dargestellt und mit der Schuldenbremse abgefrühstückt zu
werden. Gerade in einer Zeit, in
der es der Wirtschaft wieder
besser geht und die Steuereinnahmen fließen, wollen auch
wir am Aufschwung beteiligt
werden.“
Walter mahnte mit Blick auf
den demografischen Wandel
mehr Verantwortung seitens
der Landesregierung an: „Im
Kampf um die besten Köpfe
muss die Landesregierung An-
reize und Perspektiven schaffen. Nullrunden, Einschnitte in
der Beihilfe, Stellenabbau und
mangelnde Übernahme sind
das Gegenteil davon. Ein moderner und handlungsfähiger
Staat braucht einen modernen
und leistungsfähigen öffent­
lichen Dienst mit stabilen
Strukturen, qualifiziertem,
­motivierten Nachwuchs und
ordentlichen Arbeitsbedingungen. Es sind die Auszubildenden
und die Anwärter, die jungen
Beschäftigten von heute, die
morgen für die Qualität des öffentlichen Dienstes einstehen
müssen“, betonte Walter.
37
spezial
Von den Verhandlungen über
den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst des Landes Hessen Länder (TV-H) sind insgesamt mehr als 160 000 Beschäftigte betroffen. Hessen ist 2004
aus der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) ausgetreten,
die derzeit parallel mit den Gewerkschaften für die ­übrigen
15 Bundesländer in Potsdam
verhandelt. In Wiesbaden kamen mehr als 800 Demonstrantinnen und Demonstranten zur
zentralen Demo und Kundgebung vor der Staatskanzlei zusammen. Dort fand der Vorsitzende der dbb jugend hessen,
Martin Walter, deutliche Worte:
„Der Nachwuchs im öffentlichen Dienst ist keine beliebige
Verschiebemasse. Junge Men-
Bernwart Bertram
Mehr als 1 200 Landesbeschäftigte legten am
16. März 2015 in Hessen die Arbeit nieder, um
im Tarifkonflikt mit der Landesregierung Druck
zu machen, nachdem die Arbeitgeber, vertreten
von Innenminister Ingo Beuth (CDU), in der ersten
Verhandlungsrunde am 6. März 2015 kein Angebot vorgelegt hatten.
dbb
Tarifeinheit:
Mahnwache
mit dbb jugend
Christoph Opitz, DSTG-Landesjugendleiter Berlin: „Ich bin hier,
weil ich mir nicht durch eine Tarifeinheit meine Grundrechte
nehmen lassen will. Dafür bin
ich auch bereit, mir die Nacht
um die Ohren zu schlagen.“
spezial
38
Patrick Pilat, Landesjugendleiter der dbb jugend Brandenburg und Mitglied im Verband
der Fachgewerkschaft der Straßen- und Verkehrsbediensteten (VDStra.): „Ich bin gegen
die Tarifeinheit, weil ich dadurch in der Wahl meiner
Gewerkschaft eingeschränkt
werde. Eine Fachgewerkschaft
hat vielleicht nicht immer die
meisten Mitglieder, aber sie
kennt die Belange der Berufsgruppe genau. Und ich möchte
schließlich, dass dieses Wissen
in die Tarifverhandlungen einfließt. Die Nachtschicht bei der
Mahnwache ist anstrengend
und kalt, aber es war toll, den
Zusammenhalt in der Jugend
zu spüren und gemeinsam zu
zeigen, dass wir solidarisch gegen die Tarifeinheit stehen.“
Steven Werner, Vorsitzender
der AG Jugend in Europa und
Jan Brenner
Die dbb jugend beteiligte sich an den Mahnwachen gegen das geplante Gesetz zur Tarifeinheit.
So auch in der Nacht vom 4. auf den 5. März 2015
vor der SPD-Parteizentrale in Berlin.
< Trotzten Schneeschauern und Kälte: nächtliche Mahnwache der dbb
jugend mit Maskottchen Horst und Ärzten vom Marburger Bund vor
der SPD-Parteizentrale.
Mitglied des Verbandes der
Beschäftigten der obersten
und oberen Bundesbehörden
(VBOB): „Leider versuchen ausgerechnet die beiden großen
Volksparteien, die Vielfalt
durch sozialistischen Einheitsbrei zu ersetzen. Wer die Tarifeinheit einführt, tritt unsere
Grundrechte mit Füßen. Grundrechte, die sich meine Eltern
vor 25 Jahren noch erkämpfen
mussten. Tarifliche Pluralität ist
ein wesentlicher Bestandteil
der Arbeitnehmerschutzrechte
und hat in den letzten Jahren
zur positiven Entwicklung in
Deutschland beigetragen. Gestern hatten wir die Möglichkeit,
die Große Koalition mit demokratischen Mitteln an die sozialen Werte der Verfassung zu
erinnern. Als Antwort fiel der
SPD nicht mehr ein, als uns in
den strömenden Regen zu verbannen. Das war wohl zu viel
Gegenwind für Frau Nahles
und Herrn Gabriel ...“
Europäischer Abend:
Schluss mit Schuldzuweisungen
„Europas Wirtschaft – Risse im Fundament?“
war das Thema des 22. Europäischen Abends am
16. März 2015 im dbb forum berlin. Ein Aspekt
dieser Risse ist die Jugendarbeitslosigkeit in Europa, die statistisch auf konstant hohem Niveau ist.
Für die dbb jugend nahmen
Matthäus Fandrejewski (Sprecher der CESI Youth) und Steven Werner (Sprecher der AG
Jugend in Europa der dbb jugend) teil. Schwerpunkte des
Abends waren die Digitalisierung und der Umgang mit der
aktuellen Krisenpolitik in Europa. In einer Podiumsdiskussion
waren sich die Diskutanten einig, Europa nicht nur an Euro
und Cent messen zu können.
Vielmehr müsse Europa auch
als europäische Wertegemeinschaft gesehen werden, wozu
nicht zuletzt eine sozialere
Dimension Europas gehöre.
Ein europäischer Wert, der
auch von der dbb jugend gefordert wird. „Wir profitieren
in Deutschland von Europa, gerade auch als Jugend. Wenn
wir in andere Länder schauen,
erleben wir allerdings, wie
Sparzwänge und polemische
Wortspiele in der Krise langsam das europäische Funda-
> Polizeispiegel | dbb seiten | April 2015
ment einreißen. Dabei sollte es
selbstverständlich sein, einen
Solidarbeitrag zu leisten. Damit würde dem politischen
Extremismus in Europa der
Nährboden entzogen“, kommentierte Steven Werner mit
Blick auf die diesjährigen Wahlen in den Mitgliedsländern
der EU.
Linn Selle (Preisträgerin „Frau
Europas“ 2014) stellte in der
Diskussion heraus, dass es paradox wäre, wenn die Jugend
zwar die „europäischste Generation“ von allen wäre, gleichzeitig wirtschaftlich aber am
stärksten abgehängt würde.
Unterstützung fand diese Ansicht bei Matthäus Fandrejewski: „Wir sollten uns nicht ge-
genseitig die Schuld in die
Schuhe schieben. Da drehen
wir uns im Kreis. Wichtiger ist
es, eine gemeinsame europäische Zukunft zu entwickeln.
Als junge europäische Gewerkschafter werden wir uns an einer Debatte über die europäische Zukunft beteiligen.“
Im Vorfeld des Europäischen
Abends nutzten die Teilnehmer
der dbb jugend die Möglichkeit, an einer Diskussionsveranstaltung zur europäischen
Flüchtlings- und Asylpolitik
teilzunehmen, wo sie auch
Vertreterinnen und Vertreter
des Deutschen Bundesjugendrings (DBJR) und der Jungen
Europäischen Föderalisten (JEF)
trafen.
dbb
Führungspositionen:
Der Bundestag hat am 6. März 2015 das Gesetz zur
gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Män­
nern an Führungspositionen beschlossen. Helene
Wildfeuer, Vorsitzende der dbb bundesfrauenver­
tretung: „Das wurde auch höchste Zeit. Ich habe es
selten erlebt, dass einem Gesetzesentwurf so viele
Widerstände entgegenstanden wie diesem.“
Neben einer Quote für Füh­
rungspositionen in börsen­
notierten Unternehmen gilt
ab 2016 auch eine Frauen­quote
von 30 Prozent für die Auf­
sichtsgremien, in denen der
Bund mit mindestens drei Sit­
zen vertreten ist. Ab 2018 soll
der Frauenanteil auf 50 Prozent
erhöht werden. ­Zudem soll die
Bundesver­waltung Zielvorga­
ben zur ­Steigerung des Frauen­
anteils auf der Führungsebene
er­lassen.
Kurz vor dem Bundestagsbe­
schluss wurde erneut Kritik an
dem Entwurf laut: Ausgerech­
net der Part des Entwurfes,
der sich mit der geschlechterge­
rechten Besetzung von Stellen
im öffentlichen Dienst beschäf­
tigt, wurde in der Expertenan­
hörung im Bundestag als ver­
© thodonal - Fotolia.com
Bundestag beschließt die Quote
fassungswidrig und nicht mit
dem Europarecht vereinbar be­
zeichnet. Eine Passage zum
Gleichstellungsgesetz habe
quasi eine neue Männerquote
vorgesehen, da Männer bei Ein­
stellung und beruflichem Auf­
stieg bevorzugt werden sollten,
falls sie im jeweiligen Bereich
unterrepräsentiert ­seien.
Diese Kritik führte dazu, dass
der Entwurf kurzfristig noch­
mals geändert wurde. Nun soll
Geschlechterparität nicht für
alle Ebenen der Bundesverwal­
tung gelten. Eingegriffen wer­
den soll nur, wenn eine struk­
turelle Benachteiligung von
Frauen vorliegt. Diese Rege­
lung soll nun auch für Männer
gelten.
Helene Wildfeuer: „Die dbb
bundesfrauenvertretung wird
sehr genau beobachten, ob
das Gesetz tatsächlich die ge­
wünschte Wirkung zeigt. Die
Erfahrung mit über 20 Jahren
Bundesgleichstellungsgesetz
hat gezeigt, wie geduldig
­Papier sein kann.“
M e h R
W I S S e n
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B e S T e l l e n
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> Polizeispiegel | dbb seiten | April 2015
dbb
Energie-Vergleichsportale:
Drum prüfe, wo
sich Preise finden
Verivox, Check24, Preisvergleich
und viele andere Vergleichsportale locken Nutzer mit dem kostenlosen Angebot, die billigste
Reise, den günstigsten Telefonanbieter oder den preiswertesten Anbieter für Gas, Strom,
Holzpelletts und Heizöl zu finden. Das Vergleichsangebot hat
sich mittlerweile auf jede erdenkliche Dienstleistung und
alle möglichen Waren ausgedehnt, die Portale haben damit
in kurzer Zeit die Art, wie Menschen auswählen und einkaufen, revolutioniert. Zwar ist der
Markt damit transparenter geworden. Aber die Portale schaffen auch neue Intransparenzen
und zwingen die Industrie in
neue Marketingstrategien. Illusionen sollten sich Nutzer nicht
hingeben: Die Betreiber der
Preisvergleichsportale bieten
ihre Dienste nicht aus reiner
Nächstenliebe an. Ihr Ziel ist
Gewinn, und der generiert sich
in aller Regel über Provisionen,
die in dem Portal gelistete Anbieter von Waren oder Dienstleistungen für eine erfolgreiche
Vermittlung an den Betreiber
zahlen.
Nach welchem System diese
Provisionen auf den verschiedenen Portalen zustande kommen und ob es dabei sogar unerlaubte Preisabsprachen gibt,
die Energie für Endverbraucher
letztlich verteuern, ist immer
wieder Gegenstand von
Schlagzeilen.
So ist zum Beispiel keinesfalls
sicher, dass der vom Vergleichsportal ermittelte beste Preis
auf Platz eins der Suchergebnisse wirklich der günstigste
ist. Möglicherweise ist der gleiche Energietarif über die Webseite des Anbieters selbst gebucht doch noch ein bisschen
günstiger. Auch sollten Kunden
> Polizeispiegel | dbb seiten | April 2015
© Trifonenko Ivan – Fotolia.com
finale
40
Die Kosten für Energie haben
sich im Laufe der vergangenen
Jahre stetig verteuert. Musste
ein durchschnittlicher deutscher
Haushalt zur Jahrtausendwende
monatlich rund 160 Euro oder
knapp über sechs Prozent der
privaten Konsumausgaben für
Energie und Kraftstoffe zahlen,
waren es 2013 bereits 261 Euro
oder 8,1 Prozent. Wer sparen
will, ist immer mehr auf den
jeweils günstigsten Energieanbieter angewiesen. Diesen
treffsicher zu finden, haben sich
Onlinevergleichsportale auf die
Fahnen geschrieben. Doch bei
der Suche gibt es Fallstricke.
den selbsternannten Sparfüchsen nicht blind vertrauen, weil
die Sucheinstellungen der Vergleichsportale oft Voreinstellungen aufweisen, die weniger
dem Verbraucher zugutekommen als vielmehr dem Provisionsfluss des Betreibers:
Die Datenbanken hinter der
Suchmaschine spucken in der
Regel zuerst Angebote aus, bei
denen Prämien und Wechselboni in den Tarif eingerechnet
werden. Diese Wechselprämien können bis zu mehrere
100 Euro ausmachen und lassen den Jahrespreis beispielsweise für Strom in hellem
Glanz erstrahlen. Stellt sich
dann bei näherer Betrachtung
des Tarifs heraus, dass es nur
eine einjährige Preisgarantie
gibt, können mögliche Kostensteigerungen ab dem zweiten
Jahr die vermeintliche Ersparnis schnell wieder aufzehren.
Preiserhöhungen von über
30 Prozent im zweiten Jahr
sind keine Seltenheit. Nur im
Vergleich mit einem Tarif ohne
Bonus kann letztlich bestimmt
werden, ob er wirklich günstig
ist. Kunden müssen also selbst
aktiv werden und die Sucheinstellungen so anpassen, dass
die Datenbank des Vergleichsportals Ergebnisse liefert, die
fair sind.
<
Vertrackte Tricks
Stiftung Warentest hat zuletzt
im Februar 2014 einen prüfenden Blick auf Billigstromanbieter, die in den Vergleichsportalen meist auf den ersten Plätzen
landen, geworfen und ist zu ernüchternden Ergebnissen gekommen: Fast alle vermeintlichen Energieschnäppchen
enthalten unfaire Vertragsbedingungen. Zum Beispiel werden hohe Boni versprochen,
aber nur zu abstrusen Bedin-
dbb
<
Wechselservice:
Das Portal kümmert sich
Pluspunkte bieten die großen
Vergleichsportale mit ihrem
Wechselservice. Die Sorge, bei
einem Vertragswechsel plötzlich ohne Strom oder Gas dazustehen, sind in der Regel unbegründet. Für den Wechsel muss
weder ein Techniker ins Haus
kommen noch sind Erdaushub
oder Verlegearbeiten vonnöten. Die Energie fließt wie gewohnt und idealerweise ohne
Unterbrechung durch die vorhandenen Leitungen, nur der
Aussteller der Rechnung ändert
sich. Den zugehörigen Papierkrieg übernehmen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Vergleichsportals – vorausgesetzt,
der neue Tarif wird direkt über
das Portal gebucht. Wie bei
Internet- oder Telefontarifen unterliegen Gasund
<
Preise in Bewegung
Auf dem Energiemarkt gehen
die Preise genauso heftig auf
und ab wie an der Wertpapierbörse. Diese Schwankungen
werden zwar nicht eins zu eins
an die Endverbraucher weitergeben. Trotzdem sollten Kunden flexibel bleiben und Vertragslaufzeiten nicht länger als
ein Jahr wählen. Zudem sollte
sich die Kündigungsfrist nach
Ablauf des ersten Jahres nicht
automatisch um ein weiteres
Jahr verlängern, sondern monatlich kündbar werden. Dadurch bleibt die Flexibilität
gewahrt, bei starken Preisschwankungen reagieren zu
können und den Anbieter zu
wechseln.
Ist der neue Vertrag gebucht,
und fallen nach dem Abschluss
doch noch Unregelmäßigkeiten im Vertrag auf, ist das kein
Grund zur Panik. Für alle online
oder telefonisch abgeschlossenen Verträge regelt das Fernabsatzgesetz eine Widerrufsfrist von zwei Wochen. Vom
Tag des Abschlusses kann der
Vertrag 14 Kalendertage lang
ohne Angabe von Gründen
storniert werden. Erst nach
Ablauf dieser Frist wird der
Vertrag bindend. Anders bei
Verträgen, die in der Filiale
eines Anbieters vor Ort abgeschlossen worden sind. Diese
greifen sofort mit der Unterschrift des Kunden.
Hartgesottene Energiekunden
können übrigens kräftig sparen, indem sie die Anbieter mit
ihren eigenen Mitteln schlagen: Sie buchen den wirklich
günstigsten Tarif beim Oberbilligheimer, wohl wissend, welche Gemeinheiten im Vertrag
lauern. Rechtzeitig im Rahmen
der rechtlichen Bestimmungen
gekündigt und den Anbieter
gewechselt, streichen sie Jahr
für Jahr hohe Boni ein und
springen quasi von Lieferant
zu Lieferant. Die Mühe und die
Gefahr, Schiffbruch zu erleiden, können sich auszahlen.
Disziplin, Timing und eingehendes Studium der AGB sind
dabei allerdings unabdingbar.
41
finale
Vorsicht geboten ist auch bei
sogenannten Prepaidangeboten oder Paketpreisen. Hier
zahlen Kunden im voraus einen festen Betrag für eine feste Menge Energie. Das kann
unschlagbar günstig sein. Geht
aber der Anbieter bankrott,
wird es richtig teuer. Bis heute
hoffen rund 500 000 Gläubiger
der 2011 insolvent gewordenen Firma „TelDaFax“ darauf,
ihr Geld zurückzubekommen.
TelDaFax hatte neben Telefonverträgen auch Strom- und
Gaskontingente gegen Vorauszahlung verkauft. Auch wenn
ein Haushalt mehr Energie
braucht als der abgeschlossenen Liefervertrag hergibt,
rechnet sich das Schnäppchen
nicht mehr, denn in der Regel
sind Nachlieferungen von
Strom oder Gas über das gebuchte Kontingent hinaus so
teuer, dass sie die Ersparnis des
billigen Vertragsabschlusses
mehr als auffressen. Nicht
verbrauchte Energie aus
dem Vertrag wird dagegen
nicht erstattet. Es gibt sogar Verträge, die Aufschläge verlangen, wenn
weniger Energie verbraucht wird als im Vertrag vorgesehen. Vorsicht also bei Verträgen
mit sogenannten Mehroder Minderverbrauchsaufschlägen. Ein anderer
Trick, um Marge zu generieren, ist, Strom oder Gas unter
Auf jeden Fall sollten sich Energiekunden die Mühe machen,
die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des infrage
kommenden Vertrages akribisch zu prüfen, ob unfaire
Klauseln enthalten sind.
Stromkunden gesetzlichen
Kündigungsfristen für ihre Verträge. Ein Anbieterwechsel ist
in aller Regel erst möglich,
wenn der alte Vertrag ausläuft.
Auch dabei helfen Vergleichsportale, indem sie Wechselerinnerungen per E-Mail verschicken. Ein Sonderkündigungsrecht gibt es bei Preiserhöhungen und gegebenenfalls bei
Umzug.
br
> Polizeispiegel | dbb seiten | April 2015
ictures4you - Fotolia.com
Weiter verschleiern Billiganbieter gern saftige Preiserhöhungen und verstecken diese
in blumig formulierten Kundenbriefen oder ändern den
Zahlungsturnus von vereinbarten elf auf zwölf Monatsraten.
Schwarze Schafe, die durch unlautere Praktiken ins Gerede
gekommen sind, ändern auch
gerne einmal den Markennamen, um neue Kunden zu
ködern.
verschiedenen Markennamen
anzubieten. Der Lieferant ist
derselbe, das Preismodell und
die Vertragsklauseln sind es
nicht. Auch hier sollten Kunden
prüfen, wer wirklich hinter der
Billigmarke steckt.
© Pictures4you – Fotolia.com
gungen wirklich ausgezahlt,
etwa, wenn der Kunde Freiberufler ist. Auch sollen Stromanbieter schon vorzeitig Verträge
gekündigt haben, um den Bonus nicht zahlen zu müssen.
dbb
Mitgliederwerbeaktion 2014:
dbb weiter im Aufwärtstrend
„Mehr Junge, mehr Frauen, mehr Tarifbeschäftigte, das ist eine Entwicklung,
die uns in Zeiten des Fachkräfte- und Nachwuchsmangels sehr freut und uns
in unserem Handeln bestärkt“, kommentierte der dbb Bundesvorsitzende
Klaus Dauderstädt die Ergebnisse der Werbeaktion 2014: Werberinnen und
Werber aus den Mitgliedsgewerkschaften haben dem dbb 2014 insgesamt
15 560 Neumitglieder gemeldet.
sind 8 551 Beamte (einschließlich Anwärter und Pensionäre)
und 7 009 Tarifbeschäftigte
(einschließlich Azubis und Rentner). In Bezug auf die früheren
Aktionen steigt auch der Anteil
der Tarifbeschäftigten kontinuierlich leicht an.
Ferner sind mehr Anwärter
(4 943) als Beamte (3 548) beigetreten. Bei den Tarifbeschäftigten ist der Trend entgegengesetzt: 6 223 Beschäftigte zu 712
Azubis. Für den Gewerkschafts-
nachwuchs insgesamt ein hervorragendes Ergebnis: Von den
15 560 Neumitgliedern sind
demnach insgesamt 5 655 Anwärter und Azubis (36,34 Prozent). Die meisten Mitgliederzuwächse verzeichnen die komba
gewerkschaft (2 531), die DSTG
(2 387), der VBE (1 803), die GDL
(1 795) und die GdS (1 139).
Alle Werberinnen und Werber
erhalten für jedes neu geworbene Mitglied vom dbb
Wertschecks, die einzeln oder
Der dbb führt seit 1991 zur
Unterstützung seiner Mitgliedsgewerkschaften Mitgliederwerbeaktionen durch. Seit
dem sind die Mitgliederzahlen
des gewerkschaftlichen Dachverbandes kontinuierlich von
1 053 001 (1991) auf 1 282 829
(2014) gestiegen.
Solidarität leben – Mitglieder werben
dbb
Werbeaktion
Werben Sie für Ihre
Fachgewerkschaft ...
juniart – fotolia
spezial
42
Die Geschlechterzugehörigkeit
hält sich inzwischen in etwa die
Waage: 7 612 Männer und 7 948
Frauen sind gemeldet worden.
Der Frauenanteil der Neueintritte ist im vergangenen Jahr erstmals größer gewesen als der
Männeranteil und in den letzten zehn Jahren kontinuierlich
angestiegen. Zum Vergleich die
Zahlen von 2008: Damals meldeten die Werber insgesamt
18 894 neue Mitglieder, davon
waren 11 346 Männer und 7 548
Frauen. Von den Neumitgliedern
gesammelt für größere Anschaffungen, in einen oder
mehrere Einkaufsgutscheine
namhafter Markenartikler eingetauscht werden können. Und
unter allen Werbern verlost der
dbb Jahr für Jahr zusätzlich einen Superpreis, der 2014 von
der Bausparkasse Wüstenrot
gesponsert worden ist: ein
iPhone6 mit 64 GB Speicherkapazität. Der Gewinner kommt
diesmal aus Bayern und gehört
dem Landesverband der Bayerischen Justizvollzugsbediensteten an. Das dbb magazin gratuliert herzlich und wünscht allen
Werberinnen und Werbern
weiterhin viel Erfolg bei der
Mitgliederwerbung.
> Polizeispiegel | dbb seiten | April 2015
... und der dbb belohnt
Sie mit einem Wertscheck
und verlost am Ende
der Aktion unter allen
Werbern zusätzlich einen
attraktiven Sonderpreis.
(Aktionsschluss: 29. Februar 2016)
2015
Infos:
www.dbb.de/mitgliederwerbung
Telefon: 030.4081-40
Fax: 030.4081-5599
E-Mail: [email protected]
Friedrichstraße 169/170
10117 Berlin
dbb
< DPolG Bundespolizei
Warnung vor Verlusten
durch Privatisierung
Vor Millionenverlusten bei der
Bundespolizei durch Privatisierungen hat die DPolG Bundespolizeigewerkschaft gewarnt.
Der Vorsitzende Ernst G. Walter verwies am 2. März 2015
auf das Scheitern der privatisierten Kleiderkasse der Bundeswehr LHBw und die Gefahr
von Riesenverlusten durch Privatisierungen auch in der Bundespolizei.
finale
44
für das Jahr 2015 prognostizieren Haushaltsexperten der
Bundespolizei eine Unterdeckung des Bundespolizei-Haushaltes von 85 bis 100 Millionen
Euro bei den Kosten für die
privaten Sicherheitsunternehmen, die zudem immer häufiger trotz vertraglicher Verpflichtung noch nicht einmal
dazu in der Lage seien, das von
der Bundespolizei angeforderte
Personal zur Durchführung der
Luftsicherheitskontrollen in
ausreichender Anzahl bereitzustellen. „Auch wenn es heute
‚nur‘ die Kleiderkasse der Bundeswehr ist, die zugleich einen
Großteil der Dienstbekleidung
für die Bundespolizei vertreibt,
es handelt sich um ein weiteres
Beispiel von gescheiterter Privatisierung einer früher in
staatlicher Hand geführten
Aufgabe“, so Walters Fazit.
< dbb schleswig-holstein
> Ernst G. Walter, Bundesvorsitzender der Bundespolizeigewerkschaft BPolG in der DPolG Es gehe weniger um die durch
einen Elf-Millionen-Kredit vom
Verteidigungsministerium
(BMVg) vor dem Bankrott gerettete LHBw, sondern um den
immer stärker privatisierten
Bereich der Luftsicherheit, so
Walter. Die Fälle unterschieden
sich inhaltlich kaum voneinander. Walter: „Wenn die Privatisierung der Luftsicherheitskontrollen in einem ähnlichen
Desaster endet, und die Anzeichen dafür werden derzeit immer deutlicher, dann muss der
Bund auch diese Privatfirmen
erst teuer stützen und die Aufgabe schließlich wieder selbst
wahrnehmen, um ein gefährliches Chaos im Luftverkehr zu
verhindern und die Maßnahmen zur Terrorabwehr weiter
sicherzustellen.“ Die von den
Fluggästen zu entrichtenden
Luftsicherheitsgebühren decken schon lange nicht mehr
die exorbitant gestiegenen Kosten für die privaten Sicherheitsfirmen, die jährlich etwa 500
Millionen Euro verschlingen,
machte Walter deutlich. Allein
Neuordnung der Lehrerbesoldung ist eine Mogelpackung
Die Landesvorsitzende des dbb
schleswig-holstein, Anke
Schwitzer, hat den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der
Lehrkräftebesoldung in Schleswig-Holstein kritisiert.
ches Einstiegsamt es sich im jeweiligen Bereich handelt. Und
hier weichen die Bezahlungen
auch weiterhin voneinander ab.
Einfach gesagt: Es bleibt alles
beim Alten. Das ist kein großer
Wurf im Sinne einer gerechten
Bezahlung der Lehrerinnen und
Lehrer im Land.“ „Wirkliche Verbesserungen treten nur ein für
im Hauptschulbereich eingesetzte Lehrer mit der Befähi-
gung für das Grund- und
Hauptschullehramt. Sie erhalten eine Besoldung nach A 13,
während die an Grundschulen
tätigen Kolleginnen und Kollegen in der Besoldungsgruppe
A 12 verbleiben“, so Schwitzer.
„Der Gesetzentwurf bleibt
deutlich hinter den Forderungen und Erwartungen des dbb
und seiner Lehrergewerkschaften zurück.“
< Kurz notiert
DPVKOM
Nach sorgfältiger Beratung hat die DPVKOM den § 22 des Manteltarifvertrags – dieser beinhaltet Regelungen zur Arbeitszeit der Postbeschäftigten – fristgerecht zum 31. März 2015 gekündigt und den
Arbeitgeber Deutsche Post AG (DPAG) zu Verhandlungen über eine
Anschlussvereinbarung aufgefordert. Das teilte die Gewerkschaft
im Februar mit. Die Kündigung dieser Bestimmung diene einzig und
allein dem Zweck, ab 1. April streikfähig zu sein. Damit signalisiere
die DPVKOM Kampfbereitschaft. Hintergrund: Mit der Gründung
und Geschäftsaufnahme der 49 DHL Delivery Regionalgesellschaften hat der Arbeitgeber bereits im Vorfeld der Tarifverhandlungen
Fakten geschaffen, denn dort gelten, insbesondere für neu einzustellende Mitarbeiter, deutlich schlechtere Arbeits- und Einkommensbedingungen als die in den Haustarifverträgen der DPAG
geregelten. Das werde von der DPVKOM nicht hingenommen.
VAB
Der Verband der Arbeitnehmer der Bundeswehr e. V. (VAB) und der
Verband der Soldaten der Bundeswehr e. V. (VSB) haben am 24. Februar 2015 einen Kooperationsvertrag abgeschlossen und eine engere Zusammenarbeit vereinbart. Der VSB war vertreten durch die
Bundesvorsitzenden Ulrich Timmermann und Günter Rudkowski,
für den VAB unterzeichneten der Bundesvorsitzende Herbert Schug
und der stellvertretende Bundesvorsitzende Thomas Zeth. Beide
Seiten diskutierten während des Treffens auch Themen wie den
„Binnenarbeitsmarkt Bundeswehr“. Der „gute und konstruktive
Dialog“ beider Verbände soll regelmäßig fortgesetzt werden, teilte
der VAB mit. Bereits am 17. Februar hatten sich führende Vertreter
des VSB und des Verbandes der Beamten der Bundeswehr e. V.
(VBB) getroffen und gleichfalls aktuelle Aspekte – Attraktivität der
Bundeswehr und Binnenarbeitsmarkt Bundeswehr – diskutiert.
DPolG
> Anke Schwitzer, Vorsitzende des
dbb schleswig-holstein
„Auf der Verpackung steht
A 13“, zum Vorschein komme
dann aber „eine echte Mogelpackung“, erklärte Schwitzer
am 4. März 2015. „Wir finden es
richtig, dass gleiche Arbeit und
Verantwortung auch gleich vergütet wird. Wenn aber bei der
Lehrerbesoldung von A 13 gesprochen wird, dann muss auch
genau gesagt werden, um wel-
> Polizeispiegel | dbb seiten | April 2015
Angesichts der Personalmisere bei der Bundespolizei will sich die
DPolG-Spitze beim BMI für den Vorschlag stark machen, kurzfristig
neue Bundespolizeiliche Unterstützungskräfte (BUK) einzustellen
– Tarifbeschäftigte, die eine Ausbildung von wenigen Monaten
benötigen und die völlig überlasteten Bundespolizisten sowohl
an der Grenze bei der Verhinderung illegaler Migration als auch
bei der Bewachung der Bundesbank in Frankfurt am Main unterstützen könnten. Dazu sagte Bundesvorsitzender Rainer Wendt:
„Wenn jetzt in kurzer Zeit angestellte Unterstützungskräfte ausgebildet werden, hat das den Vorteil, dass sie rasch zur Verfügung
stehen und als Tarifbeschäftigte im öffentlichen Dienst, anders als
private Sicherheitskräfte, eine besondere Bindung an den Staat
mitbringen. Überdies könnten sie dauerhaft für verschiedene unterstützende Vollzugs- und Verwaltungsaufgaben qualifiziert und
eingesetzt werden.“
dbb
Zugbegleiter und Bordgastronomen in den Flächenvertrag der Lokführer integriert
Im Rahmen der Verhandlungen
zwischen der Gewerkschaft
Deutscher Lokomotivführer
(GDL) und der Deutschen Bahn
ist es am 23. März 2015 gelungen, die Zugbegleiter und die
Bordgastronomen in den Flächentarifvertrag, der bisher
nur für Lokführer existiert, zu
integrieren.
> Claus Weselsky,
Bundesvorsitzender der GDL
Damit sind die Grundlagen geschaffen, um anschließend sowohl im Flächentarifvertrag als
auch in den haustarifvertraglichen Regelungen die von der
GDL angestrebten Verbesserungen in den Einkommens- und
< Nachruf
Der Vorsitzende des dbb bremen,
Jürgen Schröder, ist am 26. Februar
2015 im Alter von 59 Jahren plötzlich verstorben. Jürgen Schröder
war Mitglied der Deutschen SteuerGewerkschaft, arbeitete als Amtsrat im Finanzamt Bremen-Mitte
und hatte 2010 den Vorsitz im Bremer Landesbund des dbb übernommen. „Jürgen Schröder hat sich um
den Landesbund Bremen große und
bleibende Verdienste erworben“,
heißt es im Nachruf des dbb bremen. Mit hohem persönlichen
Einsatz habe er die Geschicke des Landesbundes gelenkt. Der dbb
Bundesvorsitzende Klaus Dauderstädt würdigte Jürgen Schröder
als loyalen Mitstreiter und sympathischen Kollegen. „Jürgen
Schröder wurde aus einem aktiven Leben gerissen. An der Spitze
des dbb bremen ist es ihm gelungen, die Interessen von Beamten
und Tarifbeschäftigten im Auge zu haben und der Senioren-, Frauen- und Jugendarbeit gebührende Aufmerksamkeit zu widmen.
So hat Jürgen Schröder ein einigendes Band um die Interessen der
Mitglieder gelegt.“ Der dbb wird Jürgen Schröder ein ehrendes
Andenken bewahren.
privat
finale
46
Arbeitszeitbedingungen abzuschließen. Das monetäre Angebot in Höhe von 2,1 Prozent ist
von der GDL als zu niedrig abgewiesen worden. „Fakt ist, dass
wir zuerst alle Beschäftigtengruppen in den Flächentarifvertrag für das Zugpersonal integrieren und anschließend die
zusätzlichen Tarifelemente in
den Haustarifverträgen verankern“, so GDL-Chef Claus Weselsky. „Die Fragen nach Wochenarbeitszeitverkürzung und
prozentualer Entgelterhöhung
werden wir erst in der abschließenden Runde einer Lösung zuführen.“ Der erzielte Fortschritt
wurde in einem Verhandlungsprotokoll fixiert. Die GDL ist bereits dabei, die Grundlagen für
die Integration der Lokrangierführer und Disponenten in den
Flächentarifvertrag zu sondieren. Bei den weiteren Verhandlungen soll dann auch deren
Integration in den Flächentarifvertrag erfolgen. Im Zusammenwirken mit den bereits
existierenden Betreiberwechseltarifverträgen entsteht das
als Bundes-Rahmen-Lokomotivführertarifvertrag (BuRaLfTV) bewährte Modell gegen
Lohndumping erstmals tatsächlich für alle GDL-Mitglieder
des Zugpersonals. Nur dadurch
> Polizeispiegel | dbb seiten | April 2015
kann die Tarifkonstruktion über
alle Eisenbahnverkehrsunternehmen hinweg die erforderliche Schutzwirkung im Eisenbahnverkehrsmarkt entfalten.
< dbb Lehrerverbände
Gespräch mit der KMK
Die Notwendigkeit, Schüler
und Eltern noch besser über die
Vielfältigkeit der Bildungswege
aufzuklären, ist gemeinsames
Ziel von dbb Lehrergewerkschaften und der Kultusministerkonferenz (KMK). Beim Jahresgespräch am 12. März 2015
in Leipzig haben beide Seiten
Realschullehrer), BLBS (Bundesverband der Lehrerinnen und
Lehrer an berufsbildenden
Schulen) und VLW (Bundesverband der Lehrerinnen und Lehrer an Wirtschaftsschulen) vertreten waren. Die Chancen der
vielfältigen Bildungslandschaft
wurden in dem Meinungsaustausch auch unter dem Aspekt
der Fachkräftegewinnung, der
Integration junger Menschen
mit Migrationshintergrund und
der Förderung leistungsschwächerer Schülerinnen und Schüler beleuchtet. Die dbb Lehrergewerkschaften appellierten an
die KMK, die jeweiligen Landesmaßnahmen und -erfahrungen
bei Berufsorientierung und Integration systematisch zu bün-
Mohr
< GDL
< Im Gespräch mit der Präsidentin der KMK, Brunhild Kurth (Mitte): HeinzPeter Meidinger (DPhV), Dr. Angelika Rehm (VLW), Jürgen Böhm (VDR),
Udo Beckmann (VBE) und Dr. Sven Mohr (BLBS) (von links)
übereinstimmend betont, dass
es noch immer Defizite im Wissen über die vielfältigen Wege
und Umstiegsmöglichkeiten in
der Bildungsbiografie junger
Menschen gibt. Gemeinsames
Ziel sei es, für jedes Kind die
richtige Schule zu finden, bei
Bedarf Wechselmöglichkeiten
anzubieten und so passgenau
zu Ausbildung oder Studium zu
führen. Die KMK, deren Präsidium 2015 von Sachsens Bildungsministerin Brunhild Kurth
geleitet wird, traf auf die vom
Vorsitzenden der Fachkommission Schule, Bildung und Wissenschaft, Jürgen Böhm (Verband Deutscher Realschullehrer
– VDR), angeführte dbb Delegation, in der zudem der VBE (Verband Bildung und Erziehung),
DPhV (Deutscher Philologenverband), VDR (Verband Deutscher
deln und daraus bundesweit
realisierbare Empfehlungen
abzuleiten. KMK-Präsidentin
Kurth bat die Lehrergewerkschaften um Unterstützung
dabei, der Wirtschaft zu verdeutlichen, dass die Praxis der
vergangenen Jahre, Ausbildungsplätze abzubauen oder
zusehends an Abiturienten
zu vergeben, angesichts des
Fachkräftemangels in die Sackgasse führe. Weitere Themen
waren das bundeseinheitliche
Abitur und Fragen der Lehrerbildung. Die Gewerkschaften
nutzten zudem das Gespräch,
an die für die Lehrkräfte zuständigen Schulministerinnen und
-minister zu appellieren, sich
in den aktuellen Tarifverhandlungen solidarisch mit den Forderungen der Lehrerschaft zu
zeigen.
dbb
partner haben bereits stattgefunden. Besser noch wäre es,
die EU-Kommission einzuschalten.
Haste mal ‘nen Euro?
© Lucky Dragon - Fotolia.com
<
© c.heusler – Fotolia.com
Das war gestern. Kupfer-Klau
im großen Stil macht heute,
zumindest vorübergehend,
Spitzbuben zu Millionären.
Offenbar mehrere unbekannte Täter sind Mitte März im
nächtlichen Vlotho auf bisher
unbekannte Art und Weise in
einen metallverarbeitenden
Betrieb eingedrungen und haben etwa drei Tonnen Rohkupferstangen und 2 000 SpezialKupferelektroden mitgehen
lassen. Als Zugabe entwendeten die dreisten Diebe zwei
hochwertige Firmentransporter, die aber zum Abtransport
der Beute nicht ausgereicht
haben können. Die Polizei geht
vielmehr davon aus, dass entsprechende Fahrzeuge für den
Kupfer-Coup mitgebracht worden sind. Obgleich unmittelbar
nach der Einbruchsmeldung
die Ermittlungen aufgenommen worden sind, fehlt von
den Tätern noch jede Spur. Der
Wert der Beute kann sich sehen lassen: Allein die Spezialelektroden schlagen mit über
einer Million Euro zu Buche.
Naschen für
Deutschland
Das war gestern. Heute heißt
es immer öfter: Knabbern für
Deutschand. Die Wahl der konsumierten Leckereien richtet
sich nämlich ganz stark nach
den anstehenden Sport-Events.
Das ist im Jahr der Fußball-WM
besonders deutlich geworden.
Die Fans konsumierten 2014
laut Statistik weniger Schokolade und Bonbons, dafür aber
wesentlich mehr Nüsse, Chips
oder Salzstangen. Das Knabbergebäck legte im statistisch betrachteten Pro-Kopf-Verbrauch
um satte fünf Prozent zu. Allerdings ist das Ergebnis ausbaufähig, denn insgesamt naschte
ein Bundesbürger im letzten
Jahr durchschnittlich 28,5 Kilogramm Süßes, aber trotz WM
nur etwa 3,5 Kilogramm Knabbereien. Platz
eins
bei den Leckereien belegte
nach wie vor die Schokolade mit gut zehn Kilogramm.
<
Unklare
Hinweise auf
echte Pelze
© grafikplusfoto – Fotolia.com
<
Das war gestern. Heute heißt
es: Haste mal ‘n bisschen Diesel? Die Zahl der Kraftstoffbettler auf Autobahnen und
Landstraßen steigt. Dabei sind
die Sprit-Schnorrer ebenso
dreist wie ihre Pendants in den
Fußgängerzonen. Sie behindern den Straßenverkehr, nötigen Lkw-Fahrer zum Anhalten
und zwingen sie mit lebensgefährlichem Körpereinsatz zu
riskanten Ausweichmanövern
auf den Standstreifen. Ihren
Opfern gegenüber verhalten
sie sich dann zum Teil äußerst
aggressiv. Die Polizei konnte in
mehreren Fällen Anzeigen aufnehmen und Platzverweise erteilen. Inzwischen sind auch
bereits zahlreiche Wiederholungstäter polizeibekannt.
Das war gestern.
Künftig soll auf dem
Echthaarprodukt draufstehen, was es ist: Echtpelz. Zurzeit ist die Deklaration so sibyllinisch
formuliert, dass unbedarften
Verbrauchern Echtpelziges
oder andere tierische Bestandteile als Bekleidung schlicht
untergejubelt werden können.
Bisher muss es auf dem Label
eines Pelzmantels lediglich
heißen: „Enthält nicht-textile
Bestandteile tierischen
Ursprungs.“ Welcher Tierliebhaber kommt
von alleine
darauf, dass
sein schi-
Kupferrohre klauen
bringt nicht viel ein
<
cker Webpelz leider doch kein
solcher ist, sondern aus der
Pelztierfarm von echten Stallhasen stammt? Das dieses Unvermögen weit verbreitet ist,
nimmt jedenfalls die SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag
an. Sie hat der verwirrenden
Formulierung den Kampf zugunsten einer eindeutigen
Bezeichnung angesagt. Erste
Gespräche mit dem Koalitions-
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Das war gestern. Heute
heißt es stattdessen: Lese
ich gern. Pünktlich im
Sommerloch bekommt
Papst Franziskus I. am 18.
August seine eigene Monatszeitschrift in Deutschland.
Der Titel. „Mein Papst“. Sie erscheint im Stuttgarter Panini
Verlag, der bislang in erster
Linie für seine Kinder- und Jugendzeitschriften bekannt ist
und wird am Kiosk schlappe
1,80 Euro kosten. In Italien gibt
es „Mein Papst“ als „Il mio
Papa“, produziert im Stil klassischer Yellow-Frauenmagazine, bereits seit über einem
Jahr. Ob die Verkaufszahlen
von „Mein Papst“ die Zahl seiner 28 654 deutschen Facebook-Follower erreicht, bleibt
abzuwarten.
> Polizeispiegel | dbb seiten | April 2015
47
finale
<