Kann der Flugplatz bleiben? Coburg - Gegner des geplanten Neubaus eines Verkehrslandeplatzes machen sich für den Ausbau der Brandensteinsebene stark. „Wo ist das Problem, die Start- u n d Landebahn dort u m wenige hundert Meter auszubauen?", fragt die ÖDP. Nach dem Willen der Europäischen Agentur für Flugsicherheit u n d der EU-Kommission sollen unterdessen ab August 2016 neue Vorschriften für den nicht-gewerblichen Betrieb komplexer Luftfahrzeuge i n Kraft treten. Darunter fallen mehrmotorige Turboprop-Flugzeuge, wie sie i n Coburg starten. Maschinen dieses Typs sollen v o n bestimmten Vorschriften befreit werden. Geplant sind auch Erleichterungen bei den Sicherheitsregelungen. Seite 13 umm* jsfeuju LANDKREIS COBURG C0L1-1 ,Arbeitsplätze hängen nicht am Flugplatz" Ein zweimotoriges Turboprop-Geschäftsflugzeug vom Typ Beechkraft Kingair, wie es heute an der Brandensteinsebene im Einsatz ist. Simone Wohnig, Heidi Rädlein und Thomas Büchner gehören der ÖDP an. Im Interview erklären sie, warum sie sich gegen den Neubau eines Verkehrslandeplatzes bei Neida aussprechen. Frau Wohnig, Frau Rädlein, Herr Büchner, die Befürworter des Verkehrslandeplatzes halten Urnen vor, Sie würden Unwahrheiten verbreiten, zum Beispiel über den zu erwartenden Lärm von Flugzeugen oder die Kosten für den neuen Flugplatz. Trifft Sie der Vorwurf? Simone Wohnig: Bei der Berechn u n g des Lärms, der v o n startenden u n d landenden Flugzeugen ausgeht, w i r d für den Tag u n d für die Nacht ein Durchschnittswert gebildet. Der liegt natürlich deutlich unter den gesetzlich vorgegebenen Grenzwerten. Tatsache ist, dass ein startendes Flugzeug, u n d sei es auch n u r für einige Sekunden, starken Lärm erzeugt, u n d der stört die Menschen während des Tages oder weckt sie i n der Nacht auf. Das muss m a n zur Grundlage nehmen, w e n n m a n den Lärm bewertet, u n d keine Durchschnittsangaben. Den Lärm haben Sie heute schon auf der Brandensteinsebene. Von Gesundheitsgefahren, die von Krach ausgehen, war von den Anwohnern noch nie etwas zu hören. Thomas B ü c h n e r Der stärkste Lärm entsteht beim Starten, doch bei der Brandensteinsebene, die auf einem Hochplateau liegt, ist das Flugzeug Bürgerentscheid am 14. Juni Eine Serie der Neuen Presse gleich 150 Meter i n der Luft, während i n Wiesenfeld, Herbartsdorf oder Neida Nachbars Garten u n d Schlafzimmer gleich nebenan liegen. Löbelstein liegt nicht viel tiefer als die Brandensteinsebene. Büchner: Die besteht aber seit über 100 Jahren. W e n n dort jemand sein Haus baut oder eine W o h n u n g sucht, dann weiß er, dass i h n neben der schönen Sicht zur Veste, ins Coburger Land u n d i n das Obermaintal h i n e i n ein Flugplatz i n der Nachbarschaft erwartet. Die Menschen, die i n den vergangenen Jahren bewusst i n Wiesenfeld u n d Neida gebaut u n d sich damit einen ruhigen W o h n o r t ausgesucht haben, haben v o n der Lärmbelastung, die jetzt auf sie zuzuk o m m e n droht, nichts gewusst. Die Hugplatz-Befürworter werfen Urnen vor, falsche Bau- und Betriebskosten in die Welt zu setzen. Wonnig: Die 30 M i l l i o n e n Euro, die die Projektgesellschaft Verkehrslandeplatz Coburg für den Bau angibt, sind schon vor fast zehn Jahren gen a n n t worden... Heidi Rädlein:.. .und müssen schon allein aufgrund der Teuerungsrate gestiegen sein. Das weiß jeder, der schon einmal ein Haus gebaut hat. Dieter Faulenbach da Costa, der seit 30 Jahren Flugplätze plant, k o m m t auf Baukosten v o n 60 bis 70 M i l l i o nen Euro. Büchner: Dieter Faulenbach da Costa war der erste, der prognostiziert hat, dass der Kostenrahmen für den Berliner Flughafen n i c h t eingehalten werden kann. I h m vertraue ich mehr als der Planungsgesellschaft C D M Smith, die weit weniger Erfahrung i m Flugplatzbau mitbringt als Faulenbach da Costa. Wohnig: Die Unternehmen, die sich an den Kosten beteiligen wollen, haben n i c h t zugesagt, ihren Beitrag aufzustocken, w e n n das Projekt teurer als die derzeit veranschlagten 30 M i l l i o n e n Euro w i r d . Diese Mehrkosten werden an der Stadt u n d am Landkreis Coburg hängen bleiben< das gilt auch für die laufenden Betriebskosten. Das Geld fehlt dann für andere Maßnahmen, beispielsweise die Sanierung v o n Kreisstraßen. Dringen Sie mit diesem Argument bei den Wählerinnen und Wählern durch, die beim Bürgerentscheid am 14. Juni ihre Stimme abgeben • sollen? Rädlein: Ja, das ist für viele Menschen das wichtigste Argument, für den Ausstieg des Landkreises Coburg aus der Projektgesellschaft Verkehrslandeplatz Coburg zu stimmen. Es wirkt stärker, als der Hinweis auf Lärm oder Landverbrauch. Warum ist das so? Rädlein: Nur wenige können abschätzen, was es bedeutet, w e n n 100 Hektar Land für die landwirtschaftliche Produktion wegfallen. U n d Lärm, der v o m neuen Verkehrslandeplatz ausgeht, ist i n Neustadt, Sonnefeld, Seßlach oder Itzgrund kein Thema ist. Dagegen bewegt die Menschen, w e n n die Sanierung einer maroden Kreisstraße zurückgestellt wer- ter zu verlängern, sodass moderne Geschäftsflugzeuge, die gegenwärtig entwickelt oder schon erprobt werden, auf der Brandensteinsebene stationiert werden können? Solche I n vestitionen machen Sinn u n d halten Gelder für andere Projekte frei. Rädlein: Wenn die Verschuldung des Landkreises Coburg doppelt so hoch ist wie i m Landesdurchschnitt, dann muss man sich überlegen, ob m a n Geld, das m a n n i c h t hat, für ein solches Projekt ausgibt, o b w o h l es Alternativen gibt: der Ausbau der Brandensteinsebene oder das Nutzen der Flugplätze Bamberg u n d Haßfurt. Warum heben Sie immer wieder Simone Wohnig, Heidi Rädlein und Thomas Büchner (von links) vom Bürgerbeauf Haßfurt ab? gehren; sie wollen durchsetzen, dass der Landkreis Coburg aus der Projektgesell- Rädlein: Weil der Flugplatz i n der schaft Verkehrslandeplatz Coburg aussteigt. Foto: Henning Rosenbusch Nachbarschaft u n d n u r gut 50 Kilometer entfernt liegt. Ich k a n n n i c h t verstehen, dass er keine Alternative den muss, weil das dafür notwendige einen Auftrag noch vor einem Wettsein soll, n u r weil er geografisch zu Geld i n einen neuen Flugplatz ge- bewerber erhaschen zu können, zu- Unterfranken gehört u n d unsere Poflossen ist. mal der Großteil des Werkflugver- litiker offenbar n i c h t über Landkehrs weiterhin v o n der Branden- kreis-, geschweige denn BezirksgrenBefürworter des neuen Verkehrslansteinsebene aus abgewickelt werden zen blicken wollen. U n d das i n der deplatzes betonen, dieser sei notkann. Wenn man m i t einem Jet flie- globalisierten Welt, i n der wir leben. wendig, um den Wirtschaftsstandgen möchte, dann kann der i n Bamort Coburg und die hier angesiedelberg oder Haßfurt starten. Dann erSie sind also doch für die zeitgemäten Unternehmen auf nationalen höht sieh die Anfahrtszeit u m 20 bis ße Verkehrsanbindung eines Indusund internationalen Märkten wett30 M i n u t e n . Ich bezweifle, dass diese triestandorts wie Coburg? bewerbsfähig zu halten, um so beZeit entscheidend ist, u m große AufRädlein: Uns w i r d immer unterstehende Arbeitsplätze zu sichern träge zu akquirieren. stellt, w i r seien grundsätzlich dageund neue aufzubauen. gen. Das sind w i r eben n i c h t . Die Wohnig: W i r bezweifeln, dass FirAutobahn nutzen w i r alle, u n d die Trotzdem sorgen sich viele um die m e n neue Arbeitsplätze i n unserem Ortsumgehung v o n Rödental ist ein Arbeitsplätze der Zukunft. Raum i n der Zahl schaffen, wie es Rädlein: U n d w i r sorgen uns, dass Segen. Beides gab es vorher nicht, Flugplatzbefürworter behaupten. die nächste Generation für einen während w i r i n Coburg einen funkWir glauben, dass Beschäftigung an neuen Verkehrslandeplatz zahlen tionierenden Flugplatz haben u n d Standorten m i t niedrigeren Lohn- muss, obwohl w i r m i t der Branden- m i t Bamberg u n d Haßfurt zwei Verkosten entsteht u n d die neuen Wer- steinsebene einen funktionsfähigen kehrslandeplätze i n unmittelbarer ke v o n Managern, einzelnen VerNachbarschaft liegen, die w i r für alFlugplatz hatten... triebsmitarbeitern, Entwicklern u n d les das nutzen können, was auf der Monteuren, die ihren Stammsitz i m Wohnig: ...der zudem ausgebaut Brandensteinsebene n i c h t möglich Raum Coburg haben, schnell ange- werden kann. Wo ist das Problem, ist. flogen werden sollen. Unter solchen die Anflugbefeuerung, die für die SiVoraussetzungen baut m a n keinen cherheit v o n Piloten u n d Fluggästen Wohnig: W i r bauen doch auch keine neuen Verkehrslandeplatz. wichtig ist, auf Ständer zu stellen? Autobahn v o n O t t o w i n d nach MeeBüchner: U n d u m wie viel schneller Wo ist das Problem, die Start- u n d der, n u r weil die dortige Kreisstraße ist denn eine solche Verbindung, u m Landebahn u m wenige hundert Me- erneuert werden muss. Aber wir opti- mieren die Verbindung, u m steigenden Anforderungen gerecht zu werden. Nichts anderes fordern wir beim Verkehrslandeplatz. Rädlein: Das Argument, dass Werku n d Geschäftsflugverkehr ab Nürnberg keine Alternative für unsere U n ternehmer ist, halte i c h für stichhaltig. Da steht m a n i m Zweifelsfall lange i m Stau. Aber bis Bamberg oder Haßfurt ist das n i c h t der Fall. Dort b i n i c h i n 45 M i n u t e n . Büchner: U n d für sinkende Gewerbesteuereinnahmen k a n n ein Flugplatz auch n i c h t verantwortlich gemacht werden. Angeblich zahlen die Firmen i n der Stadt u n d i m Landkreis Coburg 100 M i l l i o n e n Euro Gewerbesteuer pro Jahr. Nach Zahlen des Statistischen Landesamtes für 2014 sind es mittlerweile n u r n o c h 70 M i l lionen Euro, da die Einnahmen sinken, wobei davon 45 M i l l i o n e n Euro, das sind 65 Prozent, i n der Stadt Coburg anfallen u n d der Rest i n den 17 Landkreiskommunen. Die Gemeinde Ebersdorf bei Coburg kalkuliert beispielsweise n i c h t mehr m i t drei, sondern n u r noch m i t zwei M i l l i o n e n Euro Gewerbesteuer, o b w o h l unsere Firmen die ganze Zeit fliegen können. Es k a n n n i c h t am Flugplatz liegen, ob ein Unternehm e n i n unserer Region wirtschaftlich prosperiert. D a n n wären Automobilzulieferer i n Kronach oder die Glasindustrie i m oberen Frankenwald n i c h t so erfolgreich unterwegs. Wäre es anders, würde jeder Betrieb zu ein e m Flugplatz streben, u n d Unternehmen, die das n i c h t t u n , müssten aufgeben. Die Wirklichkeit ist eine andere. Wohnig: I n der Diskussion w i r d i m mer unterschlagen, welche Standortvorteile Unternehmer i n unserer Region haben: Dazu gehören günstige Grundstückspreise u n d niedrigere Lohnkosten als i n einem Ballungszentrum. Dazu k o m m e n günstige Lebenshaltungskosten, Sicherheit u n d ein Wohnunifeld, das m i t seinem Bildungs-, Freizeit- u n d kulturellem Angebot mittlerweile auch h o c h qualifizierte Fachkräfte m i t ihren Fam i l i e n anlockt. Auch das sind Standortvorteile. Büchner: Die Wirtschaft unserer Region bilden Tausende Betriebe i m Handwerk, i m Tourismus, i n der Landwirtschaft u n d i n der Dienstleistung. Für die Wenigen i n den großen Industriebetrieben, die fliegen müssen, k a n n i c h einen Zubringerdienst „just i n t i m e " nach Bamberg oder Haßfurt einrichten, statt 30,40, 50 oder gar 60 M i l l i o n e n Euro für einen neuen Flugplatz auszugeben. Der Kosten-/Nutzen-Faktor steht i n keinem Verhältnis zueinander. Ihr Appell an die Bürgerinnen und Bürger des Landkreises Coburg? Wohnig: Zeigen Sie Ihren Kreisräten, dass Sie mitbestimmen wollen! Gehen Sie am Sonntag, 14. Juni, u n bedingt zur Wahl. Zeigen Sie dass Sie n i c h t zu denen gehören die glauben, man könne sowieso nichts ändern. Ihre Stimme für das Bürgerbegehren ist der erste Schritt zu einem Bürgerentscheid i n Coburg Stadt u n d eine Stimme für den Erhalt der Brandensteinsebene. Das Gespräch führte Wolfgang Braunschmid
© Copyright 2024 ExpyDoc