ANLAGEKOMMENTAR - Maerki Baumann & Co. AG

ANLAGEKOMMENTAR
März 2015
Stolz bewertete Aktien?
Wir befinden uns am Beginn des siebten Jahres im Bullenmarkt seit
dem Tief im März 2009. Regional bestehen deutliche Unterschiede:
Der US-amerikanische S&P 500 Index stieg über 240 %, der DJ Euro
Stoxx um fast 180 % und der SMI knapp 150 % (alle Performances in
Lokalwährung und inklusive Dividenden; in CHF umgerechnet sind
der S&P 500 um fast 200 % und der Euro Stoxx um gut 100 % angestiegen). Die Grundrichtung, inklusive Gegenbewegungen in den
Jahren 2010, 2011 und 2012, blieb indes dieselbe.
fikanter Zusammenhang zwischen der Höhe des Shiller-KGV zu einem gewissen Zeitpunkt und der Aktienmarktrendite in den
nachfolgenden 10 Jahren besteht. Dass sich zum Zeitpunkt der Veröffentlichung seines Artikels (Juli 1996) das Shiller-KGV bereits deutlich über dem langjährigen Durchschnitt befand, änderte nichts an
der Tatsache, dass der US-Aktienmarkt noch beinahe vier weitere
Jahre um ca. 150 % anstieg. Hier zeigt sich die Problematik von langfristigen Bewertungsansätzen – um mit John Maynard Keynes zu
sprechen: «Der Markt kann länger irrational bleiben, als man selbst
Dieses Jahr haben sich verschiedene Indizes, speziell aber europäi- solvent bleiben kann.»
sche Aktienmärkte, deutlich verteuert. So liegt der DJ Euro Stoxx mit
über 20 % im Plus verglichen mit dem Stand von Ende 2014. Ange- Je höher also das Shiller-KGV, desto wahrscheinlicher ist es, dass die
sichts der deutlichen Kurssteigerungen stellt sich nun die Frage, wo nachfolgenden 10 Jahre tiefe Aktienrenditen mit sich bringen. Ordwir uns im Börsenzyklus befinden. Ist der Bullenmarkt bald passé? net man für den US-Aktienmarkt alle monatlichen Shiller-KGV-WerMüssen sich Investoren auf Verluste in den kommenden Quartalen te seit 1881 der Grösse nach und gruppiert sie in fünf gleich grosse
an den Aktienmärkten einstellen?
Klassen (sogenannte «Quintile»), ist der inverse Zusammenhang zwischen Shiller-KGV und durchschnittlicher 10-Jahresperformance
Beginnen wir mit den langfristigen Aussichten, d.h. über einen Zeit- klar ersichtlich: Die 20 % der Beobachtungen mit dem tiefsten Shilraum von 10 Jahren. Basierend auf zwei Argumenten wagen wir die ler-KGV (mit einem Durchschnittswert von 8.7x) haben in den folgenAussage, dass die künftigen 10-Jahres-Renditen für Aktien niedrig den 10 Jahren jährlich 10,8 % Performance inklusive Dividenden gesein werden. Das erste Argument bezieht sich auf das sogenannte bracht. Die teuersten 20 % (mit einem Durchschnittswert von 25.7x)
Shiller-Kurs-Gewinn-Verhältnis («Shiller-KGV»), welches den heuti- brachten nach 10 Jahren nur 2,2 % p.a. auf die Waage. Basierend auf
gen Aktienkurs durch den inflationsadjustierten Durchschnitt der dem aktuellen Shiller-KGV von über 27x müssen wir also auf Sicht
Gewinne pro Aktie teilt. Zurückgehend auf Professor Robert Shiller von 10 Jahren von sehr tiefen Renditen für den amerikanischen Akan der Yale Universität (nebst anderen), der vorletztes Jahr mit dem tienmarkt ausgehen. Dieselbe Beobachtung (also je höher das ShilNobelpreis geehrt wurde, zeigt dieser Quotient die langfristige Be- ler-KGV, desto tiefer die durchschnittlichen 10-Jahresrenditen), wenn
wertung von Aktien an. Er konnte zeigen, dass ein statistisch signi- auch auf der Basis einer deutlich kürzeren Datenhistorie (seit 1979),
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kann für europäische Aktien (ohne Grossbritannien) gemacht werden. Die 20 % höchsten Shiller-KGV (Durchschnitt 32.7x) lieferten in
den folgenden 10 Jahren eine jährliche Rendite von -0,5 %, während
die 20 % tiefsten (Durchschnitt 13.4x) eine jährliche Rendite von
11,3 % in den 10 Jahren danach ergaben. Aktuell liegt das
Shiller-KGV für den MSCI Europe ex UK Index bei 15.5x, womit die
Bewertung zu den tiefsten 20 % gehört.
Wie das Beispiel von 1996 zeigt, kann die Überbewertung (im Vergleich mit dem historischen Mittel) indessen noch Jahre andauern.
Deshalb lohnt es sich, ein weiteres Bewertungskriterium zu betrachten. Vielfach wird das sogenannte Fed-Modell zitiert, um die aktuelle Bewertung von Aktien als sehr günstig darzustellen. Dieser Ansatz vergleicht die Gewinnrendite von Aktien (Gewinn/Kurs, also
das inverse KGV) mit der Rendite von längerfristigen Staatsanleihen.
Zurückgehend auf einen Bericht der US-Zentralbank (die «Fed») von
1997, in welchem auf das Auseinanderdriften zwischen Staatsobligationen- und Aktiengewinn-Rendite hingewiesen wird, wird das
Fed-Modell vielerorts als Basis für die Betrachtung der relativen Attraktivität von Aktien und Obligationen genommen. Für das Modell
spricht die Einfachheit, in akademischen Kreisen wird aber häufig
dagegen Stellung genommen. Hauptkritikpunkt ist, dass Äpfel (die
Obligationenrendite ist eine nominale Grösse) mit Birnen (die Gewinnrendite ist eine reale, d.h. inflationsbereinigte Grösse) verglichen werden. In anderen Worten, falls die Inflation steigt, muss die
Obligationenrendite steigen (basierend auf der Annahme stabiler Realzinsen), während die Aktiengewinnrendite stabil bleiben sollte.
Die Historie der vergangenen 45 Jahre deckt sich mit dieser Kritik
aber nur bedingt, denn in den Phasen steigender Inflationsraten in
den 1970er und, in einem geringeren Ausmass, in den späten 1980er
Jahren, stieg auch die Aktiengewinnrendite. Empirisch scheint sich
also ein Zusammenhang zu ergeben. Unglücklicherweise hilft das
Fed-Modell indes nur sehr beschränkt, die zukünftige Aktienentwicklung vorherzusagen. Beispielsweise zeigte das Modell im ersten
Quartal 2008 aufgrund der seit Mitte 2007 deutlich gesunkenen Obligationenrenditen und der leicht gestiegenen Aktiengewinnrenditen
die stärkste Unterbewertung von Aktien seit 20 Jahren an.
Wir haben für die Langfristperspektive eine Abwandlung des
Fed-Modells, also den Vergleich zwischen Obligationenrenditen und
Aktiengewinnrenditen (bzw. KGV) an die Hand genommen. Basis
der Überlegung war, dass Investoren bei höheren Inflationsraten risikoaverser, d.h. negativer gegenüber Aktien werden. Solche höheren
Inflationsraten schlagen sich typischerweise in höheren Kapitalmarktrenditen nieder. Also haben wir (aufgrund der über 120-jährigen Historie) den langfristigen Verlauf der US-amerikanischen Shiller-KGV vor dem Hintergrund der langfristigen Treasuries-Renditen
betrachtet. Die interessante Beobachtung ist, dass vor jeder signifikanten Reduktion des Shiller-KGV die Kapitalmarktrenditen anzusteigen begannen. Aktuell befinden sich die Zinsen auf sehr tiefen
Niveaus. Deshalb darf ein leichter Zinsanstieg im Umfang von einem
halben Prozentpunkt noch nicht als Verkaufssignal genommen werden. Sollten aber die Renditen von längerfristigen Obligationen deutlich stärker steigen, als aktuell vom Konsens der Marktbeobachter
angenommen wird, muss zumindest kurzfristig mit empfindlichen
Rückschlägen an den Aktienmärkten gerechnet werden.
Fazit
Die globalen Aktienmärkte sind, gemessen am Shiller-KGV, nicht
mehr als günstig zu bezeichnen. Die Aussichten für Dividendentitel
bleiben mittelfristig aber gut, selbst wenn die Obligationenzinsen zu
steigen beginnen. Als gefährlich erachten wir das Risiko, dass die Inflationsraten über Erwarten stark steigen, was zu erheblichen Bewertungs-, und damit verbunden, Kursrückgängen führen könnte. Jedoch befinden wir uns noch nicht in der Situation, wo eine solche
Entwicklung unmittelbar bevorsteht, da der gefallene Ölpreis in den
kommenden Monaten die Inflationsraten weiter klar unter Druck setzen wird. Wir achten in den kommenden Quartalen deshalb sehr genau auf die Entwicklungen an der Preisfront und an den Obligationenmärkten, bevor wir unser aktuelles Übergewicht bei den Aktien
reduzieren. Solange hier keine Warnsignale ausgesendet werden, erachten wir Rückschläge an den Aktienmärkten als Kaufgelegenheiten. Ein letztes Wort zur langfristigen Bewertung von europäischen
Aktien: Gemäss Shiller-KGV darf hier in den nächsten 10 Jahren mit
signifikant höheren Kursgewinnen gerechnet werden als in den
USA, weshalb wir hier bereits heute eine Position kaufen würden.
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(Redaktionsschluss: 23. März 2015)
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