Bayerische Staatskanzlei Rede des Bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer, MdL, anlässlich des Gedenkakts zum 70. Jahrestag der Befreiung des KZ Flossenbürg am Sonntag, 26. April 2015, um 14.30 Uhr in Flossenbürg Manuskriptfassung: Es gilt das gesprochene Wort. - Anrede Wir sind an einem Ort, der uns innerlich auf die Knie zwingt. Ein Ort, der mich mit Scham erfüllt – als Politiker, als Deutscher, als Mensch. Sehr geehrter Herr Dr. Terry, Sie haben einmal gesagt: „Obwohl ich Flossenbürg sobald wie möglich verließ, hat Flossenbürg mich nie verlassen.“ Diese Worte haben mich tief berührt. Am 70. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Flossenbürg durch amerikanische Soldaten danken wir aufrichtig den Befreiern und erinnern uns an die unzähligen Gefangenen: Politiker und Widerstandskämpfer, Geistliche und Wissenschaftler, Handwerker und Künstler. David Spiro, Dietrich Bonhoeffer, Kurt Schumacher – um nur einzelne zu nennen. Wir verneigen uns vor den Toten. Wir blicken mit Demut und Hochachtung auf die Überlebenden. Sehr geehrte Damen und Herren, Sie erinnern, Sie mahnen die Lebenden. Den tausenden namenlosen Opfern, die hier gedemütigt, gequält und ermordet wurden, geben Sie eine Stimme. Und Sie berichten jungen Menschen von Willkür und Gewalt. Damit leisten Sie einen unschätzbaren Beitrag für eine menschliche Zukunft, für Freiheit und Demokratie. Dafür möchte ich im Namen der gesamten bayerischen Bevölkerung sagen: Herzlichen Dank! Zeitzeugen wie Sie leben uns vor: Freiheit und Demokratie brauchen Erinnerung. Freiheit und Demokratie brauchen Einsatz, Engagement, Zivilcourage und Mut. Ich versichere Ihnen: Unseren Auftrag aus der Vergangenheit nehmen wir sehr ernst. Wir halten die Erinnerung wach. Wir wissen um unsere Verantwortung. Das Gedenkjahr 2015 bedeutet für uns die Erinnerung an Holocaust, Massenmord und Barbarei des Nationalsozialismus. 70 Jahre danach leben wir in der stabilsten Demokratie, die es in unserem Land jemals gab. Aber das ist auch ein Auftrag und eine Verpflichtung. Wir müssen unsere Werte verteidigen. Wir müssen für unsere Werte kämpfen. Immer wieder neu. Menschenverachtende Ideologien dürfen bei uns nie mehr Fuß fassen. Nie wieder! Das sind wir den Opfern schuldig. Das sind wir der Zukunft und unserer Jugend schuldig. Das ist unsere Verantwortung. Die Gegner von Freiheit und Demokratie kommen heute längst nicht mehr nur kahlgeschoren und gestiefelt daher. Zeigen wir den alten und neuen Feinden unserer Gesellschaftsordnung: Wir leben in einer wehrhaften Demokratie! Wir stehen zusammen! Alle Generationen. Alle Demokraten. Wir bekämpfen rechtsextreme Parteien mit allen politischen und juristischen Mitteln. Bayern hat sich an vorderster Stelle für ein NPD-Verbot stark gemacht. Rechtsradikalismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus haben in diesem Land und in Europa keinen Platz. Sehr geehrte Damen und Herren, unsere europäische Idee lautet: Menschenrechte, Toleranz, Solidarität. Als Wertegemeinschaft Europa haben wir eine gemeinsame Verantwortung: Wir müssen für diese Werte einstehen. Für unsere Zukunft. Hier in Flossenbürg, mit Blick auf unsere Vergangenheit, wird uns das Glück unserer Gegenwart bewusst: Unser gemeinsames Europa garantiert Freiheit, Frieden und Wohlstand. Europa ist die genialste politische Idee der Nachkriegsgeschichte. Das großartigste Friedenswerk der Menschheit. Unsere europäischen Werte bewahren und weitertragen – das ist die Aufgabe unserer jungen Leute. Vor allem unseren Jugendlichen sage ich: Kämpfen Sie für Demokratie und Menschlichkeit! Behalten Sie Ihr Herz offen und Ihren Blick wachsam! Auf Sie kommt es an. Wir brauchen Sie. Ihre Werte, Ihre Visionen, Ihre Begeisterung – für unsere Freiheit und für die Zukunft Europas! Sehr geehrter Herr Dr. Terry, unermüdlich widmen Sie sich der Erinnerungsarbeit und der Versöhnung. Sie haben beschrieben, was nicht zu beschreiben ist. Mit 14 Jahren kamen Sie im August 1944 als Häftling nach Flossenbürg. Es folgte unmenschliche Arbeit im Steinbruch. Halb verhungert, brutalst geschlagen. Als die Amerikaner im April 1945 das Lager befreiten, wogen Sie 34 Kilogramm. Sie haben Vater, Mutter, Bruder und beide Schwestern verloren. Und trotz alledem reichen Sie der heutigen Generation die Hand. Ich darf zitieren, was Sie einer Gruppe von jungen Polizeischülern gesagt haben: „Damals im Lager war man eine Nummer. Die Gedenkstätte hat uns unsere Menschenwürde zurückgegeben. Heute habe ich gute Freunde in Deutschland.“ Ich verneige mich in Respekt und tiefer Dankbarkeit. Sehr geehrte Damen und Herren, bauen wir weiter an einer gemeinsamen Zukunft – friedlich, freundschaftlich und mit gegenseitigem Respekt! Setzen wir uns ein für Frieden, Freiheit und Zusammenhalt in unserem Land und in Europa!
© Copyright 2024 ExpyDoc