Vor zehn Jahren starb Harald Juhnke Von Wilfried Mommert, dpa

Zum 1. April
Ein Mann für alle Fälle: Vor zehn Jahren starb Harald Juhnke
Von Wilfried Mommert, dpa
Harald Juhnke galt als begnadeter Entertainer und als einer der letzten Berliner
Volksschauspieler, dessen Karriere allerdings neben den großen Erfolgen auch gnadenlose
Abstürze kannte. Juhnke starb vor zehn Jahren am 1. April 2005 in geistiger Umnachtung bei
Berlin.
Berlin (dpa) - «Wenn ick mal wegjeh' aus Berlin, dann is det so, als ob der Funkturm oder die
Gedächtniskirche umkippen würde», meinte Harald Juhnke einmal in einem seiner
zahlreichen Interviews. Als der populäre Berliner Volksschauspieler vor zehn Jahren am 1.
April 2005 in geistiger Umnachtung in einem Pflegeheim für Demenzkranke bei Berlin im
Alter von 75 Jahren starb, konnte die Gedächtniskirche die große Zahl der Trauergäste gar
nicht aufnehmen, sie war so voll wie zuvor schon beim Abschied für Haralds Kollegenfreunde
Brigitte Mira, Günter Pfitzmann, Wolfgang Gruner, Hildegard Knef und Horst Buchholz. Es
schien, als ob das alte West-Berlin langsam verschwinden würde.
Über 1000 Menschen standen noch auf dem Vorplatz am Kurfürstendamm, um vom «blauen
Bengel» Abschied zu nehmen. «Mach's jut, Harald, und bring die Leute da oben in Schwung»,
sagte einer von ihnen. Thomas Gottschalk nahm Abschied von einem Kollegen «aus der Zunft
der Gaukler und Entertainer», über den das Publikum gelacht und geweint habe, auch wenn
er oft mit seinen Zweifeln alleine gewesen sei. Selten war eine Schauspielerkarriere von so
extremen Höhen und Tiefen gekennzeichnet wie die von Juhnke, angefangen von seinen
Komödien in den 50er und 60er Jahren über die rasante TV-Karriere, («Harald und Eddi»,
«Ein Mann will nach oben», «Ein verrücktes Paar») bis zu Kinoerfolgen wie «Schtonk» und
den Bühnen-Auftritten.
Besonders schlimm wurde es immer unmittelbar nach seinen größten Triumphen, zum
Beispiel als umjubelter «Hauptmann von Köpenick» im Berliner Maxim-Gorki-Theater.
Harry, wie der kleine Junge aus dem Berliner Arbeiterviertel Wedding ja eigentlich hieß,
hatte es geschafft. Er wollte doch immer «raus den Klatschspalten und endlich ins
Feuilleton». Das gelang ihm auch mit Boulevard-Theatererfolgen am Kurfürstendamm oder
mit Molière und O'Neill am Berliner Renaissance-Theater. Dort sollte er auch in O'Neills
Drama «Eines langen Tages Reise in die Nacht» Erfolge feiern, ohne zu ahnen, dass der Titel
des Stückes eines Tages für ihn mit seiner eigenen Reise ins «Dämmerlicht des Vergessens»
grausame Realität werden würde. Genauso wie mit der Verfilmung des Hans-FalladaRomans «Der Trinker» 1995, die von der Kritik überschwänglich gelobt wurde.
Seine Zweifel plagten Juhnke ein langes Schauspielerleben lang und erst recht, wenn er
zuhause mit sich selbst nichts anzufangen wusste, wie er in seinen Memoiren («Meine sieben
Leben») bekannte, und dann immer wieder zur Flasche griff, zur großen Verzweiflung seiner
Frau Susanne, die irgendwann den Kampf aufgeben musste, weil sie sich nach eigenen
Worten hoffnungslos überfordert sah. «Ich will mich nicht mehr zuhause einschließen und den
Wodka fließen lassen, das sind doch furchtbare Zustände, ich habe genug davon», sagte
Juhnke noch voller Optimismus in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa)
anlässlich seines 70. Geburtstages im Juni 1999.
Dass Juhnkes Zusammenbrüche wie zum Beispiel seine alkolholisierten Eskapaden mit einer
18-Jährigen in einem Berliner Hotel auch noch in die Öffentlichkeit gezerrt wurden, konnte
zwar meist ohne sein Mitwirken - er spielte gerne mit den Medien - nicht geschehen, zeigt
aber auch ein erschütterndes Bild von Boulevardjournalismus, der nicht davor
zurückschreckt, einen sichtlich nicht mehr unter eigener Kontrolle stehenden Menschen für
die Auflage der Zeitungen oder der Fernseh-Zuschauerquote auszuschlachten.
Der Spaß hatte ein Ende, als sein langjähriger Manager, der Produzent und Freund Peter
Wolf Anfang Dezember 2001 in Berlin mit tränenerstickter Stimme vor fassungslosen
Journalisten sagte: «Harald Juhnke ist unheilbar krank. Sein Geist ist verwirrt. Eine Heilung
ist ausgeschlossen. Harald Juhnke wird nie wieder auf einer Bühne oder vor einer Kamera
stehen. Heute endet die wohl schillerndste Nachkriegskarriere eines deutschen Schauspielers
und Entertainers.»
Die von Wolf produzierte Carmen-Nebel-Show im ZDF wird am 2. April mit einem Spezialteil
an Juhnke erinnern. Auch der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) widmet Juhnke am 4.
April (ab 23.05 Uhr) eine Hommage und im Berliner Varieté-Theater «Wintergarten» wurde
zum Vorabend des Todestages eine große Show angesetzt, laut Vorankündigung unter
anderem mit Gunter Gabriel, Ilja Richter, Judy Winter, Ralf Wolter und Barbara Schöne, die
als Juhnkes Partnerin in der ZDF-Sendung «Musik ist Trumpf» große Bekanntheit erlangte.
Ein Platz oder eine große Straße sind in Berlin noch immer nicht nach Juhnke benannt,
Witzbolde schlugen jetzt dafür eine Schlangenlinie auf dem weiten Tempelhofer Feld, dem
alten Berliner Flughafen, vor. Juhnke wurde auf dem Berliner Waldfriedhof Dahlem
beigesetzt, wo zuletzt auch Altbundespräsident Richard von Weizsäcker bestattet wurde. Der
Grabstein des Schauspielers trägt ein Zitat des großen Theatermannes Max Reinhardt: «Der
wahre Schauspieler ist von der unbändigen Lust getrieben, sich unaufhörlich in andere
Menschen zu verwandeln, um in den anderen am Ende sich selbst zu entdecken.»
Redaktionelle Hinweise
Orte
Juhnke-Grabstätte: Waldfriedhof Dahlem, Hüttenweg 47, 14195 Berlin
Autor: Wilfried Mommert
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